Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Januar 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 65/07

(BPatG: Beschluss v. 27.01.2009, Az.: 33 W (pat) 65/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I Die am 3. November 2006 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Anmeldung der Wortmarke Zeit zum Handelnfür Klasse 35: Marketingberatungist mit Beschluss der Markenstelle für 35 vom 26. Februar 2007 durch ein Mitglied des Patentamts nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen worden. Nach Auffassung der Markenstelle handelt es sich bei der Anmeldemarke um eine bekannte sloganartige Wortfolge. Sie stelle nur eine Aussage allgemeiner Art dar, die keine Herkunftsfunktion erfüllen könne. Nach ihrer üblichen Verwendung weise sie die Bedeutung auf, dass auf bestimmten Gebieten der Zeitpunkt zum Handeln gekommen sei, dass nicht länger abzuwarten, sondern jetzt sofort zu handeln bzw. tätig zu werden sei. Dem verleihe der Slogan Nachdruck und Bedeutung, was durch 47 900 Treffer bei der Internet-Suchmaschine ... belegt werde. Dabei hat die Markenstelle auf verschiedene ausgedruckte Internetseiten zu den Themenbereichen Gesundheitsschutz, Kinderbetreuung, Terrorbekämpfung, Umweltprobleme, Hungerbekämpfung, Marketingkonzepte, Standortbestimmung im Handel oder Großhandelslösungen als Beispiele Bezug genommen. In Zusammenhang mit Marketingberatung verstehe der Verkehr den Slogan nur als allgemeine Aufforderung, nunmehr umgehend tätig zu werden und Marketingberatung in Anspruch zu nehmen. Da sich jede Marketingberatung dieses Slogans bedienen könne, sei der Verkehr nicht in der Lage, die Dienstleistungen der Anmelderin von denen ihrer Konkurrenten zu unterscheiden. Dies habe die Anmelderin letztlich auch selbst bestätigt, indem sie vorgetragen habe, immer dann, wenn übermäßige Lagerkapazitäten Liquidität bänden, sei es "Zeit zum Handeln". Somit fehle der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung führt sie aus, dass sich die Markenstelle nicht ausreichend mit der Verkehrsauffassung auseinandergesetzt habe. Zwar führe die Firmierung der Anmelderin nicht automatisch auch zur Marke, "also zur besonderen Geschäftsbezeichnung". Entscheidend sei aber die Verkehrsauffassung, mit der sich der angefochtene Beschluss erkennbar nicht genügend auseinander setze. Die kennzeichnungsrechtliche Unterscheidungseignung einer Geschäftsoder Unternehmensbezeichnung im Sinne einer Identifizierung des Geschäftsoder Unternehmensgegenstands liege bei Wortzeichen schon dann vor, wenn sie geeignet seien, das Geschäft oder Unternehmen sprachlich benennbar zu identifizieren. Schutzfähig im Sinne von "§ 15 MarkenG" seien Gattungsbegriffe auch dann, wenn sie nicht in ihrem üblichen, beschreibenden, sondern in einem ungebräuchlichen Sinne gleichsam wie eine Fantasiebezeichnung verwendet würden. In eben diesem Sinne führe die Anmelderin ihre Firmierung. Die Anmelderin verwende das Schlagwort "Zeit zum Handeln" dazu, dass Überkapazitäten zur Verbesserung der Liquiditätslage abgebaut werden müssten und dergleichen mehr, wenn es darum gehe, "zu handeln", wenn neue Liquidität geschaffen werden müsse, und diese im Rahmen einer sinnvollen Verwertung erfolgen solle. Bei dieser Verwendung bestehe gerade kein absolutes Schutzhindernis "im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG".

Im Weiteren verweist die Anmelderin auf die Entscheidung BGH GRUR 2000, 720, 721 -"Unter Uns". wonach sich Werbewirkung und Identifizierungsfunktion einer Marke nicht gegenseitig ausschlössen. Eine restriktive und zergliedernde Analyse der angemeldeten Marke, wie sie auch im Zwischenbescheid des Senats vom 12. Dezember 2008 zum Ausdruck komme, sei gerade nicht vorzunehmen. Vielmehr sei der Gesamtbegriff zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die Anmelderin unter dem Suchbegriff "Unter Uns" bei der Suchmaschine ... über 18 Mio. Einträge vorgefunden habe, belege, dass der Hinweis auf Internetveröffentlichungen im Zusammenhang mit der Frage nach der Verkehrsaufassung zu einer Geschäftsbezeichnung völlig unzureichend sei. Vielmehr sei neben der allgemeinen Betrachtung eines Wortspiels auch dessen Suggestionswirkung zu beurteilen. Dies komme der Wortverbindung "Zeit zum Handeln" allein schon deswegen zu, weil sie im Marktsegment der Anmelderin bei den betroffenen Unternehmen eine ausdrücklich ermahnende, weil zur Vorsorge aufrufende Wirkung erzeuge, die nicht mehr nur rein umgangssprachlich motiviert sei. Dies bedinge ein klar abgrenzbares, markenrechtlich relevantes Alleinstellungsmerkmal, worin auch die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke liege.

Der Anmelderin sind Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, da die zur Eintragung angemeldete Wortfolge nicht die für eine Marke erforderliche Unterscheidungskraft aufweist.

Zunächst ist im Hinblick auf die Beschwerdebegründung klarzustellen, dass die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Registermarke nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu beurteilen ist. Diese stellt die Umsetzung des Art. 3 Abs 1 b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 (MarkenRL) dar, die sich nach ihrem 12. Erwägungsgrund wiederum in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Pariser Verbandsübereinkunft, also insbesondere der Art. 6ter und 6 quinquies PVÜ, befindet. Ein Rückgriff auf die zu den Schutzvoraussetzungen geschäftlicher Bezeichnungen, insbesondere Unternehmenskennzeichen, erlassene Bestimmung des § 5 MarkenG, oder gar der hier ohnehin nicht relevanten Verletzungsregelung des § 15 MarkenG, wie sie von der Anmelderin genannt worden ist, verbietet sich daher. Dem steht allerdings nicht entgegen, dass die Auslegung der markenrechtlichen Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und der namensmäßigen Unterscheidungskraft i. S. d. § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG vielfach gleichgerichtet anhand ähnlicher Kriterien erfolgt, wenngleich sie im Hinblick auf ihre unterschiedliche Funktion nicht gleichgesetzt werden können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 5, Rdn. 2 a. E., 28).

Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne des hier allein maßgebenden § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 -Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 -Henkel). Die Marke muss die Waren oder Dienstleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft, nicht etwa nach ihrer Beschaffenheit oder Bestimmung unterscheidbar machen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdn. 38). So kann einer Marke insbesondere dann die Unterscheidungskraft fehlen, wenn ihr ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder es sich um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr -etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Zwar ist die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen, auf die sich diese Marke bezieht, verwendet werden, nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen. Jedoch darf die Funktion als Marke, d. h. die Herkunftsfunktion, gegenüber der Werbefunktion nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung sein. Denn in einem solchen Fall werden die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen (s. EuGH GRUR 2004, 1027 -Das Prinzip der Bequemlichkeit). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist bei Werbeslogans etwa bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen (vgl. die von der Anmelderin zitierte Entscheidung BGH GRUR 2000, 720, 721 -Unter uns).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Grundsätze der von der Anmelderin angeführten "Unter uns"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch in vollem Umfang angewendet werden können, nachdem der Europäische Gerichtshof in jüngeren Entscheidungen die Anforderungen an die Unterscheidungskraft deutlich höher angesetzt hat (vgl. etwa EuGH GRUR 2004, 674, 677 -Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 -BIOMILD). Insbesondere erscheint es fraglich, ob die Mehrdeutigkeit einer Wortfolge, auf die der Bundesgerichtshof a. a. O., S. 722, li. Sp. maßgeblich abstellt, nach dem Erlass der Entscheidung EuGH GRUR 2004, 146 -Doublemint überhaupt noch als für die Unterscheidungskraft sprechendes Kriterium angesehen werden kann. Jedenfalls fehlt der angemeldeten Wortfolge "Zeit zum Handeln" selbst dann jegliche Unterscheidungskraft und damit die Eignung, Marketingberatungsdienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden, wenn man von den Grundsätzen der "Unter uns"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausgeht.

Denn die angemeldete Marke konnte sowohl von der Markenstelle als auch vom Senat umfangreich als schlagwortartiger Ausruf bzw. Aufforderung zum Handeln belegt werden, der von den verschiedensten Anbietern zur werblichen oder auch rein sachlichen Anmahnung der Dringlichkeit verwendet werden kann und auch verwendet wird. So hat die Markenstelle bereits die umfangreiche Verwendung der Wortfolge anhand von Internetbeispielen in ganz verschiedenen Lebensbereichenbelegt, etwa in Zusammenhang mit Gesundheitsschutz, Kinderbetreuung, Terrorbekämpfung, Umweltproblemen oder Hungerbekämpfung. Bereits dies spricht dafür, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine gebräuchliche Wortfolge der deutschen Sprache handelt, die nur als solche, nicht aber als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Zudem sprechen die weiteren dem Beschluss der Markenstelle beigefügten Beispiele der Verwendung in Zusammenhang mit Marketingkonzepten, Standortbestimmungen im Handel oder Großhandelslösungen dafür, dass die angemeldete Wortfolge auch im Bereich der beanspruchten Marketingberatungsdienstleistungen nur als werbliche Aufforderung zum Handeln, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird.

Dies hat sich mit dem Ergebnis der Senatsrecherche bestätigt. Darin hat sich die angemeldete Wortfolge sowohl in herausgehobener Alleinstellung als auch im Fließtext in Zusammenhang mit Marketing und verwandten Themenbereichen als werblicher Ausruf bzw. Aufforderung an den angesprochenen Verkehr belegen lassen, jetzt zu handeln und z. B. Marketingstrategien zu entwickeln, zu ändern oder etwa marketingorientierte Dienstleistungen, wie sie vorliegend beansprucht werden, in Anspruch zu nehmen, z. B.:

www.agenturschoenfelds.de/index.php:

"Zeit zum Handeln! Nutzen Sie die Marketing-Fördermöglichkeit für sächsische Unternehmen€ Was in Ihren Korb am besten passt, ermitteln wir gemeinsam mit Ihnen. Z. B. bis zu 50 % Förderung des Freistaates Sachsen für integrierte Marketingstrategien.";

www.contentserv.com/CSWeb/data/media/_shared/media/Downloads/...:

"Zeit zum Handeln: Botschaften, die nicht ankommen Eine Produktinformation passiert auf dem Weg vom Hersteller bis hin zum Kunden oftmals vielfältige Stationen: ... Der Erfolg der Marketingstrategie hängt jedoch davon ab, was beim Kunden ankommt ...";

www.ehi.org/no_cache/presse...:

"11.07.06 "Zeit zum Handeln" Auf dem Symposium, das am 27. Juli von 16 bis 20 Uhr im Stuttgarter IBM Forum stattfindet, geben namhafte Branchenexperten vom Marktforschungsunternehmen PAC und ... eine Standortbestimmung der Informationstechnologie (IT) im Handel.";

www.zeitodergeld.de/artikeldecommerce.html (Web-Seite der Marketing-Vertriebsorganisation international Erika und Klaus Voß): "JETZT ist die Zeit zum Handeln!";

Auszug aus FRISEURWELT 5/08, S. 56: "... Die Folge: Immer wieder müssen Kunden verstärkt über breit angelegte Marketingaktionen motiviert werden und trotzdem entsteht durch den übersättigten Markt ein enormer Preisdruck. Zeit zum Handeln! Das Unternehmen mit vier Mitarbeitern braucht dringend eine "Frischzellenkur".";

www.onlineresearch.ch/:

"... Manser Web Marketing möchte gerade Sie ... aktiv unterstützen, dass Sie Ihr gutes Geld effizient, effektiv, angemessen und nachhaltig in solche Web-Projekte investieren. Ist jetzt die Zeit zum Handeln gekommen€ ...".

Gerade ohne jegliche zergliedernde oder analysierende Betrachtungsweise und insbesondere unter ausschließlicher Betrachtung der angemeldeten Wortfolge in ihrer Gesamtheit lässt sie sich damit als rein sachliche oder auch werbliche Einladung bzw. Aufforderung zum Handeln unter Annmahnung der Dringlichkeit feststellen, die von den verschiedensten Anbietern marketingorientierter Dienstleistungen verwendet werden kann und auch verwendet wird. Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, also Fachverkehrskreisen auf dem Gebiet des Marketings, zu denen neben den Erbringern von Marketingberatungsdienstleistungen auch Unternehmen mit Bedarf für Marketing und darauf gerichteten Beratungsdienstleistungen gehören, fehlt der Anmeldemarke damit die Eignung, auf die Herkunft solcher Dienstleistungen aus einem bestimmten Betrieb hinzuweisen.

Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, würde dies sogar erst recht gelten, wenn die angemeldete Wortfolge dem Verkehr als Kennzeichnung einer Tätigkeit entgegen tritt, mit der Unternehmen im Falle von Liquiditätsengpässen bei der Verbesserung ihrer Liquidität geholfen werden soll, etwa durch Verwertung von Lagerware. Abgesehen davon, dass eine solche Dienstleistung, die nach dem Vorbringen der Anmelderin (Schriftsätze vom 12.02.2007 und vom 11.04.2007) von ihr angeboten wird, im vorliegenden Dienstleistungsverzeichnis nicht zum Ausdruck kommt, würde die angemeldete Marke "Zeit zum Handeln" gerade bei derartigen Krisensituationen als werblicher Ausruf bzw. Aufforderung verstanden werden, eine solche Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, da jetzt die Zeit zum Handeln gekommen ist. Auch hierfür hat der Senat tatsächliche Anhaltspunkte aufgefunden, etwa:

www.ifao.de/uploads/media/IFAO_MR_06-2008_03.pdf:

Die Insolvenz ist jedoch nur der letzte Schritt in der krisenhaften Entwicklung eines Unternehmens. Der typische Krisenverlauf ... Die Zeit zum Handeln wird nun knapper, der Krisenprozess beschleunigt sich ...";

www.quantumplus.de/index2.php€:

"Meist hat die Krise des Unternehmens mehrere Väter -und sie zeigt viele Gesichter ... Denn der Spielraum ist meist eng begrenzt und es steht wenig Zeit zum Handeln zur Verfügung. ...".

Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.

Bender Knoll Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 27.01.2009
Az: 33 W (pat) 65/07


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