Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 16. Februar 2005
Aktenzeichen: 25 K 4194/04

(VG Düsseldorf: Urteil v. 16.02.2005, Az.: 25 K 4194/04)

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2004 verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass diese auch mit ihrem Unterricht €Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Diese Bescheinigung ist unbefristet und ohne Werbeverbot zu erteilen.

Die Bescheinigung der Beklagten vom 17. Februar 2004 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Befristung und die Auflage enthalten ist, die Bescheinigung nicht für Werbezwecke zu verwenden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt seit dem 3. Januar 2000 in E1 in der Form einer Einzelfirma eine private Musikschule; sie ist Inhaberin der privaten Einrichtung „Q Musikschule". Der Unterricht der Einrichtung richtet sich an Schülerinnen und Schüler im Alter ab dem 3. Lebensjahr und umfasst die Fächer musikalische Früherziehung, Vorbereitung auf Instrumentalunterricht, Instrumentalunterricht (Klavier, Klarinette, Saxophon, Keyboard, Violine, Gitarre, Querflöte, jeweils Klassen 1 bis 8) unter Einbeziehung des Unterrichts zur Gehör- und Stimmbildung, Musiktheorie und Musikgeschichte.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG für die Befreiung von der Umsatzsteuer auszustellen; beantragt wurde eine Gültigkeit der Bescheinigung ab dem 1. Januar 2002. Mit Schreiben vom 6. Februar 2002 war bereits darauf hingewiesen worden, dass die Q Musikschule erst seit dem 3. Januar 2000 besteht, sodass es auf Grund der Kürze der Zeit der Musikschule noch nicht möglich gewesen sei, Schüler auf eine Hochschulaufnahmeprüfung vorzubereiten. Dem Antrag waren zahlreiche Unterlagen beigefügt, die u.a. die Beschreibung der Musikschule, eine Auflistung der Lehrkräfte und Unterrichtsfächer sowie Qualifikationsnachweise der Lehrkräfte beinhalteten. Durch Schriftsatz vom 5. Dezember 2003 wurde der gestellte Antrag entsprechend den in der Musikschule erteilten Unterrichtsfächern spezifiziert; insbesondere wurde beantragt, die Bescheinigung unbefristet zu erteilen und das Fächerangebot „Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" als zu begünstigenden Unterricht in der Bescheinigung aufzuführen.

Die Schulabteilung der Beklagten führte in ihrer fachlichen Stellungnahme am 30. Januar 2004 aus, die von der Musikschule beschäftigten Lehrkräfte seien für die Berufs- und Prüfungsvorbereitung qualifiziert; die Ausbildungsleistungen Vorbereitungsklasse, Grundstufe und Endstufe seien geeignet, ordnungsgemäß auf Beruf oder Prüfung vorzubereiten; desgleichen Musikalische Früherziehung - für Kinder ab 4 Jahren -, nicht jedoch bereits für 3-jährige Kinder.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2004 - Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt - bescheinigte die Beklagte der Klägerin gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, dass diese mit den Bildungsmaßnahmen

- Musikalische Früherziehung (für Kinder ab 4 Jahren) - Vorbereitungsklasse (ab dem 5.-6. Lebensjahr) - Instrumentalunterricht Klavier, Klarinette, Saxophon, Cello, Keyboard, Violine, Gitarre, Querflöte a) Grundstufe 1. bis 5. Klasse b) Endstufe 6. bis 8. Klasse sowie dem darin integrierten Unterricht zur Gehör- und Stimmbildung, Musiktheorie und Musikgeschichte

ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Diese Bescheinigung hatte eine befristete Geltungsdauer; sie galt für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004. Ferner war die Bescheinigung vom 17. Februar 2004 mit der Auflage versehen, dass sie nicht für Werbezwecke verwendet werden dürfe. In dem beigefügten Schreiben vom 17. Februar 2004 führte die Beklagte aus, die Bescheinigung sei bis zum 31. Dezember 2004 befristet worden, da auf Grund der Tatsache, dass die Schule in E1 erst seit dem 3. Januar 2000 betrieben werde, noch keine Bestätigungen von Schülerinnen und Schülern über eine erfolgreiche Berufs- oder Prüfungsvorbereitung vorgelegt werden konnten. Die Ausstellung der Bescheinigung für private Musikeinrichtungen oder selbständige Musikerzieherinnen und Musikerzieher sei grundsätzlich an die Vorlage von Prüfungs- oder Studienbescheinigungen von bereits ausgebildeten Schülerinnen oder Schülern zu binden.

Mit Schreiben vom 2. März 2004 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2004 ein, der sich gegen die Ausklammerung des Früherziehungsunterrichts an Kinder ab dem 3. Lebensjahr, gegen die Befristung zum 31. Dezember 2004 und gegen die Nebenbestimmung richtete, die Bescheinigung nicht zu Werbezwecken verwenden zu dürfen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei willkürlich, Musikunterricht an Kinder vor Vollendung des 4. Lebensjahres von der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG auszuklammern. Insbesondere sei nicht richtig, die Geeignetheit von Kursen für die ordnungsgemäße Berufs- bzw. Prüfungsvorbereitung an dem Kriterium der Erforderlichkeit für das mögliche Ausbildungsziel zu messen. Die Eignung des Unterrichts, einem möglichen Ausbildungserfolg zu dienen, sei begrifflich viel weiter als die Erforderlichkeit des Unterrichts dafür. Wenn sich Eltern von Kindern in Kenntnis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Pädagogik und der Gehirnforschung dafür entschieden, mit dem Musikunterricht möglichst früh zu beginnen, weil dies der persönlichen, seelischen, geistigen und musikalischen Entwicklung des Kindes und damit auch der Berufs- bzw. Prüfungsvorbereitung diene, müsse auch dieser Bereich bei gesetzeskonformer Auslegung in die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG aufgenommen werden, wenn der Unterricht von fachlich qualifizierten Lehrkräften mit ordnungsgemäßen Lerninhalten vermittelt werde. Die Befristung der Bescheinigung sei rechtswidrig. Der Unterricht im Fach Musik könne nicht nur versetzungsrelevant sein, sondern auch auf das Abitur vorbereiten; das Abitur sei eine staatliche Prüfung im Sinne von § 4 Nr. 21 a) bb) UStG. Derartige Schülerbescheinigungen könnten beigebracht werden. Das Werbeverbot sei rechtswidrig, weil es dem Zweck, Steuergleichheit herbeizuführen, zuwider laufe. Mit Schreiben vom 6. April 2004 überreichte die Klägerin ergänzend 27 Bescheinigungen von Schülern nebst deren Schulzeugnissen, die sehr gute bzw. gute Noten im Fach Musik aufweisen; darunter befinden sich Zeugnisse der Klasse 10, der Jahrgangsstufe 11 und 12 von Gymnasien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung legte die Beklagte dar, das Werbeverbot solle verhindern, dass andere Schulen, die möglicherweise die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung auch erfüllten, aber keine Bescheinigung beantragt hätten, durch die Werbung mit der Befreiung benachteiligt würden. Würden ferner die Bereiche privater Erwerbswirtschaft und hoheitliche Über- und Unterordnung nicht sauber getrennt, könne es zu Wettbewerbsvorteilen kommen, die das Wettbewerbsrecht verhindern wolle. Wegen dieser Besonderheiten sei die öffentliche Hand nicht nur den gleichen Handlungsbeschränkungen wie private Unternehmen unterworfen, an sie würden auch besondere Anforderungen gestellt, deren Nichtbefolgung wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach sich zögen. Der öffentlichen Hand obliege eine allgemeine Zurückhaltungspflicht in wettbewerblicher Hinsicht. Die Inanspruchnahme hoheitlicher Autorität für die Bewertung privatwirtschaftlicher Leistungen, sei es durch die öffentliche Hand selbst oder durch dritte Unternehmer, sei in der Regel wettbewerbswidrig. Ferner sei die Ausklammerung des Früherziehungsunterrichts an Kinder im Alter von 3 Jahren rechtmäßig. Von einer Bezogenheit eines Kurses auf den späteren Instrumentalunterricht könne nicht mehr ausgegangen werden, wenn das spielerische Element in den Mittelpunkt rücke. Solche Kurse mögen im Sinne einer Gesamtpersönlichkeitsförderung des Kindes positiv sein, sie seien jedoch nicht erforderlich im Hinblick auf eine spätere Berufsausübung im musikalischen Bereich. Hierbei müsse auch berücksichtigt werden, dass Kinder erst ab einem bestimmten Alter in der Lage seien, Musik systematisch zu begreifen und das Gelernte selbst umzusetzen. So ergebe sich aus einer grafischen Zusammenstellung verschiedener Studien zur altersbedingten musikalischen Entwicklung von Kindern, dass diese erst etwa ab dem 5. Lebensjahr in der Lage seien, einfache Rhythmen zu reproduzieren, schriftliche Symbole zu lesen und selber einfache Melodien mit ihrer Hilfe darzustellen sowie ein Verständnis für Tonartwechsel, den Zeitbegriff in der Musik, die Gegensätze von hochtief bzw. aufwärtsabwärts und für die Metrik zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass ein systematisches Lernen im Hinblick auf einen späteren Instrumentalunterricht allerfrühestens ab dem 4. Lebensjahr in Betracht komme. Die Befristung sei rechtmäßig, weil die Ausstellung der Bescheinigung für private Musikeinrichtungen oder selbstständige Musikerzieherinnen und Musikerzieher grundsätzlich an die Vorlage von Prüfungs- oder Studienbescheinigungen von bereits ausgebildeten Schülerinnen oder Schülern zu binden sei. Die mit Schreiben vom 6. April 2004 vorgelegten Bestätigungen seien nicht ausreichend, da es sich hier lediglich um die Verbesserung von Schulnoten handele, eine erfolgreiche Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung bzw. auf einen Beruf habe bei keinem der genannten Schülerinnen/Schüler stattgefunden.

Die Klägerin hat am 25. Juni 2004 Klage erhoben, die sich wendet gegen die Ablehnung, den Unterricht an Kinder ab dem 3. Lebensjahr in den begünstigten Bereich der Bescheinigung aufzunehmen, die Befristung und das Werbeverbot. Zur Begründung vertieft die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, zu betonen sei, dass die Beklagte sich bei der Auswertung der Literatur aus dem Jahr 1995 auf veraltete und überholte Ansichten gestützt habe. Jüngere Ergebnisse der Gehirnforschung hätten inzwischen zu der Erkenntnis geführt, dass systematisches Lernen auch im Bereich der Musik bereits im frühesten Kindesalter deutlich unter 3 Jahren stattfinde. In Konsequenz der Forschungsergebnisse hätten einige staatliche Hochschulen neben Freiburg das Fach Elementare Musikerziehung in den Studiengang mit dem Abschluss Diplom- Musikpädagoge aufgenommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 17. Februar 2004 ab 1. Januar 2002 unbefristet und ohne Werbeverbot zu bescheinigen, dass die Einrichtung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG auch mit dem Unterricht in dem Kurs „Musikalische Früherziehung (ohne Altersbeschränkung)" auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet; die Bescheinigung soll insgesamt unbefristet sein und ohne Werbeverbot erteilt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

wobei sie sich auf ihre Ausführungen in den Verwaltungsentscheidungen stützt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Befragung des Sachverständigen laut Sitzungsprotokoll vom 16. Februar 2005 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben,

vgl. dazu ausführlich Urteil der Kammer vom 10. März 2003 - 25 K 3541/02 -.

Die Klage ist begründet, denn die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass diese auch mit ihrem Unterricht „Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Klägerin hat einen Anspruch auf die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, die auch das Unterrichtsfach „Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" umfasst, sodass der dies verneinende Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25. Mai 2004 aufzuheben ist. Ferner sind diese Bescheinigungen unbefristet und ohne Werbeverbot zu erteilen, sodass sich die Bescheinigung der Beklagten vom 17. Februar 2004 insoweit als rechtswidrig erweist, als darin eine Befristung und die Auflage enthalten ist, die Bescheinigung nicht für Werbezwecke zu verwenden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG sind von den Umsätzen steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Diese Regelung setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/88 EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer: ... den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

In diesem Sinne ist die von der Klägerin betriebene Musikschule eine Einrichtung, die auf eine Prüfung im Sinne des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG ordnungsgemäß vorbereitet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Dezember 1976 - Bundessteuerblatt 1977, Teil II, Seite 334 folgende - ausgeführt, für die ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung genüge eine Tätigkeit, die einen Bildungsgang fördert, der im Allgemeinen mit einer staatlichen Prüfung abschließt. Vorbereitung auf eine Prüfung ist auch eine Tätigkeit, die der schulischen nahe kommt und sie ergänzt. In diesem Sinne genügt auch ein Hinwirken auf die nächste Versetzung, da regelmäßig die Versetzung Vorbedingung für einen Schulabschluss ist und die bei der Versetzung erteilten Noten Einfluss auf die Abschlussprüfung haben. Ordnungsgemäß ist die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht wird und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen. Dass die von der Klägerin betriebene Musikschule, die privaten Musikunterricht vermittelt, grundsätzlich zu den von § 4 Nr. 21 a) bb) UStG erfassten Einrichtungen zu zählen ist, ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig, wie die von der Beklagten ausgestellte Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt vom 17. Februar 2004 zeigt.

Die der Klägerin auszustellende Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG ist darauf zu erstrecken, dass die von der Musikschule angebotene Bildungsmaßnahme „Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Auch diese Leistungen dienen ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- und Berufsfortbildung. Nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuermäßige Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten, ist ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert,

vgl. BFH, Urteil vom 10. Juni 1999, BFH NW 1999 Seite 1435, 1436.

Die in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 durchgeführte Beweisaufnahme der Kammer durch Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T zu dem Thema der Elementaren Musikerziehung hat ergeben, dass vorbezeichnete Anforderungen erfüllt sind, nämlich dass auch der Kurs „Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert.

Der Sachverständige hat ausgeführt, das Gehirn des Kleinkindes lerne schon im Mutterleib, das Kind lerne dort Musik, die es höre. Nachgewiesen sei, dass es sich daran später erinnern könne und dass Kinder im Alter von etwa einem halben bis zu einem Jahr unterschiedlich auf verschiedene Melodien reagierten. Schon in dem Alter von wenigen Monaten erkennen Kinder verschiedene Melodien und verschiedene Rhythmen. Ein Musiktraining in ganz jungen Jahren sei hiernach sehr gut für die spätere Ausbildung. Herausragende Beispiele hierfür seien Mozart und Bach, Mozarts Genie sei auch dadurch unterstützt worden, dass er ganz früh intensivst gefördert worden sei. Der Sachverständige hat ausdrücklich betont, wenn die Förderung der Fähigkeiten eines Kindes sehr früh einsetzt, wird insgesamt am Ende ein höherer Stand der Qualifikation erreicht, als wenn die Förderung erst später beginnt. Der Sachverständige hat sodann weitere näher erläuternde Ausführungen dazu gemacht, auf welche Art und Weise sich Lernen in einem menschlichen Gehirn vollzieht. Für die Kammer ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ohne Zweifel, dass mit möglichst früher Förderung die Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung des BFH ermöglicht, gefördert, ergänzt und erleichtert wird. Der Sachverständige hat seine zutreffenden Ausführungen nachvollziehbar verdeutlicht; der Kammer ist ergänzend bekannt, dass allgemein zugängliche Artikel in Tageszeitungen und Fachpresse bereits seit geraumer Zeit ähnliche Erkenntnisse veröffentlichen. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. T hat im Folgenden ausgeführt, grundsätzlich könne die Ausbildung und diese Förderung nicht früh genug einsetzen. Kinder hätten beispielsweise zunächst ein absolutes Gehör; sie merkten, wenn ein Lied in einer anderen Tonart gesungen werde. Im Laufe der ersten Jahre verlernten die Kinder dieses absolute Gehör, indem sie sich mehr auf Rhythmen, Liedfolgen und Tonhöhenfolgen konzentrierten. Man könne wohl das absolute Gehör stützen und es weiter lernen; mit 6 Jahren sei es aber verloren, wenn es verloren sei, könne man es auch nicht wieder neu erlernen. Über die Musik gebe es die besten Erkenntnisse zum Gehirn. Je nachdem, in welchem Alter ein Schüler mit dem Geigenspielen beginne, entwickele er in seiner Großhirnrinde mehr oder weniger Platz für die Zellen, die für die Finger der linken Hand benötigt würden, dies mache einen erheblichen Unterschied aus.

Der Sachverständige hat im Weiteren die Erwägungen der Beklagten verneint, dass in jungem Alter der Kinder spielerische Aspekte im Vordergrund stehen, indem er ausgeführt hat, Lernen finde eigentlich immer statt. Hirnstrukturen würden immer angelegt und es sei in der Forschung festgestellt worden, dass diese Hirnstrukturen sich auch verfestigten, je eher sie angelegt würden. Dies entspreche im Übrigen auch den internationalen Erkenntnissen. International werde insbesondere in dem Bereich der Musik immer früher gefördert; anders als es noch vor etlichen Jahren gewesen sei. Die in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25. Mai 2004 angeführten Abhandlungen von 1992 und 1995 stellen sich damit als durch neuere Erkenntnisse ersetzt dar. Mithin wirken sich Frühförderungen nachhaltig auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns aus; musikalische Elemente in der Früherziehung sind dazu geeignet, Prägungen herbeizuführen, die sich im späteren Leben über den Erwerb spezifisch musikalischer Kompetenzen hinaus im Bereich des Sozialverhaltens, der intelligenten Fähigkeiten wie räumlichem Denken sowie des Spracherwerbs nachhaltig auswirken. Die Beklagte ist mithin verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass auch mit dem Unterricht „Musikalische Früherziehung ab dem 3. bis 5. Lebensjahr" ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet wird.

Ferner ist die Auflage, dass die Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt nicht für Werbezwecke verwendet werden darf, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Bescheinigungen gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG sind ohne Werbeverbot zu erteilen. Soweit die Beklagte sich zur Begründung des Werbeverbotes in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004 darauf stützt, das Werbeverbot solle verhindern, dass andere Schulen, die möglicherweise die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung auch erfüllen, aber keine Bescheinigung beantragt haben, durch die Werbung mit der Befreiung benachteiligt werden, ist diese Argumentation rechtsfehlerhaft. Die Kammer hat durch Urteil vom 10. März 2003 in dem Verfahren 25 K 4379/02 mit ausführlichen Begründungen entschieden, dass bei dem Bescheinigungsverfahren gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG nicht von einem Antragsverfahren auszugehen ist, sondern dass die umsatzsteuerrechtliche Bescheinigung nach den gesetzlichen Regelungen von Amts wegen zu erteilen ist. Aus den maßgeblichen Vorschriften ist zu entnehmen, dass die zuständigen Behörden jedenfalls dann, wenn ihnen amtlich bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung vorliegen könnten, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren zur Beurteilung dieser Frage einzuleiten und gegebenenfalls die Bescheinigung zu erteilen haben. Die Regelungen des § 4 Nr. 20 und 21 UStG binden alle Beteiligten - Steuerschuldner wie Steuergläubiger - gleichmäßig. Jeder Unternehmer, der die Voraussetzungen erfüllt, erhält eine entsprechende Bescheinigung, eine Benachteiligung infolge fehlenden Antrages tritt nicht ein.

Zur Begründung des Werbeverbotes hat die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004 ferner sinngemäß den der Vorschrift des § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) zugrunde liegenden Rechtsgedanken herangezogen. Gemäß § 1 UWG kann derjenige auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen. Auch derlei Erwägungen vermögen das Werbeverbot nicht zu rechtfertigen. Auszugehen ist davon, dass die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, also die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs, wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig ist und erst bei Hinzutreten besonderer Umstände wettbewerbswidrig wird. Auch für die öffentliche Hand gilt insoweit der allgemeine Grundsatz, dass bei der Beurteilung des Verhaltens die wettbewerbliche Ausgangslage, der Anlass und Zweck des Handelns, die Begleitumstände und die Auswirkungen auf den Leistungswettbewerb zu berücksichtigen sind,

vgl. Köhler/Piper, UWG, Kommentar, 2. Auflage 2001, § 1 UWG Randnote 455.

Soweit sich die öffentliche Hand am Wettbewerb beteiligt und damit in eine Konkurrenzsituation zu Privaten tritt, kann sie nicht deshalb eine generelle Vorzugsstellung für sich in Anspruch nehmen, weil sie öffentliche Aufgaben und Zwecke verfolgt. Umgekehrt ist die öffentliche Hand allerdings auch nicht generell besonderen Verhaltensanforderungen unterworfen,

vgl. Köhler/Piper, § 1 UWG Randnote 456.

Die Empfehlung eigener oder fremder Leistung ist nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig. Auskünfte sind unparteiisch, objektiv und sachgerecht zu erteilen. Der Bürger bringt Äußerungen der öffentlichen Verwaltung, seien es Auskünfte, Empfehlungen, Kritik oder eigene Werbe- und Verkaufsmaßnahmen, besonderes Vertrauen entgegen. Dieses Vertrauen ist auch schutzwürdig, weil die öffentliche Verwaltung zu neutraler und objektiver Amtsführung verpflichtet ist. Wettbewerbswidrig ist nur ein Missbrauch dieses Vertrauens,

vgl. Köhler/Piper § 1 UWG Randnote 461, 462, 463 und 464.

Eine Wettbewerbsabsicht ist grundsätzlich zu verneinen, wenn sich die öffentliche Hand streng im Rahmen ihrer Aufgabe hält und sachlich und unparteiisch verfährt,

vgl. Köhler/Piper § 1 UWG Randnote 452.

Das Unwerturteil kann sich daraus ergeben, dass die öffentliche Hand von Machtmitteln, die ihr die öffentlich- rechtliche Sonderstellung gibt, zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs missbräuchlich Gebrauch macht,

vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Kommentar, 22. Auflage 2001, § 1 UWG Randnote 928.

Alle vorstehend aufgezeigten Gesichtspunkte, die allein dazu führen könnten, Unlauterkeit des Wettbewerbs zu bejahen, sind sämtlich nicht gegeben: Amtliche Autorität und die mit ihr verbundene Vertrauensstellung der öffentlichen Hand wird nicht zur Erreichung von Vorteilen im Wettbewerb missbräuchlich ausgenutzt, sondern es wird seitens der Unternehmer lediglich darauf verwiesen, dass eine entsprechende Bescheinigung nach Prüfung der gesetzlichen Vorgaben ausgestellt worden ist. Dies entspricht den tatsächlichen Umständen. Das Werbeverbot in den Bescheinigungen entbehrt mithin jeglicher Rechtsgrundlage.

Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass ihr nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bekannt geworden ist, deren Leitsatz in einer Tageszeitung als Pressenotiz veröffentlicht war. Danach müssen private Betreiber von Glücksspielen oder Spielautomaten von der Mehrwertsteuer befreit werden, wenn ihre staatliche Konkurrenz keine Mehrwertsteuer zahlen muss. Der Europäische Gerichtshof gab der Klage zweier Betreiber von Spielhallen aus Deutschland statt. Sie hatten unter Verweis auf die Mehrwertsteuerbefreiung öffentlicher Spielbanken dieses Recht auch für sich in Anspruch genommen. Der EuGH erkannte in der Ungleichbehandlung eine Wettbewerbsverzerrung; auch dies bestätigt die Rechtsauffassung der Kammer.

Die Beklagte hat die Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt vom 17. Februar 2004 für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 erteilt. Gestützt wird diese Befristung auf Ziffer 5.10 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 18. Dezember 1989 zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a) und 21 a) UStG. Gemäß Ziffer 5.10 ist die Ausstellung der Bescheinigung für private Musikeinrichtungen oder selbstständige Musikerzieherinnen und Musikerzieher grundsätzlich an die Vorlage von Prüfungs- oder Studienbescheinigungen von bereits ausgebildeten Schülerinnen oder Schülern zu binden. Die abgelegten Prüfungen müssen unmittelbar berufsvorbereitend oder den Aufnahmeprüfungen an Hochschulen vergleichbar sein. Ausreichend ist auch der Nachweis von Schülerinnen oder Schülern, die beruflich als Musikerinnen und Musiker tätig geworden sind. Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob Ziffer 5.10 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 18. Dezember 1989 als rechtmäßig anzusehen ist; nach neuerlichen Überlegungen neigt sie allerdings eher dazu, dies zu verneinen: Diese Anforderungen dürften nämlich mit den Erfordernissen, die von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellt werden, nicht vereinbar sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Dezember 1976 - Bundessteuerblatt 1977, Teil II, Seite 334 folgende - ausgeführt, die von dem Gesetz geforderte ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung beinhalte qualitative Anforderungen an die die Prüfungsvorbereitung betreibende Einrichtung und die von ihr eingesetzten Lehrkräfte. Ordnungsgemäß sei die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie objektiv geeignet sei, der Prüfungsvorbereitung zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht werde und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besäßen. Damit dürfte die in dem Runderlass aufgestellte Forderung nach Unterlagen, die letztendlich bestätigen sollen, dass erfolgreich auf eine Prüfung vorbereitet wurde, nicht vereinbar sein. Die Regelung des Erlasses, dass die Ausstellung der Steuerbescheinigung grundsätzlich an die Vorlage von Prüfungs- oder Studienbescheinigungen bereits ausgebildeter Schülerinnen oder Schüler zu binden ist, dürfte demnach über die gesetzliche Regelung hinausgehen: Während die Frage der Ordnungsgemäßheit der Vorbereitung an die Durchführung, die vermittelnde Tätigkeit anknüpft, bezieht sich die erfolgreiche Vorbereitung auf das Ergebnis des Unterrichts. Ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG wird eine erfolgreiche Vorbereitung nicht zur Voraussetzung für die Bescheinigung gemacht.

Aus erfolgreichen Ausbildungen kann zwar der Rückschluss gezogen werden, dass die Unterrichtung der privaten Musikschule deshalb ordnungsgemäß gewesen ist; eine solche Regelung darf aber nicht dahingehend umgekehrt werden, dass nur bei solchen Nachweisen die Ordnungsgemäßheit der Ausbildung bejaht wird. Die Vielzahl der von der Klägerin vorgelegten Schülerbescheinigungen nebst Schulzeugnissen mit sehr guter bzw. guter Musikschulnote sind mithin als ausreichend für die Annahme einer ordnungsgemäßen Prüfungsvorbereitung anzusehen; dies gilt insbesondere für die Zeugnisse von Schülern in Gymnasien der Klasse 10 sowie der Jahrgangsstufen 11 und 12. Die Musiknoten fließen in das jeweilige Versetzungszeugnis ein; regelmäßig ist die Versetzung Vorbedingung für einen Schulabschluss und die bei der Versetzung erteilten Noten haben Einfluss auf das Abitur als Abschlussprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1976, a.a.O.). Die Bescheinigungen gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG sind der Klägerin mithin unbefristet zu erteilen.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Düsseldorf:
Urteil v. 16.02.2005
Az: 25 K 4194/04


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