Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2009
Aktenzeichen: 5 Ni 15/09

(BPatG: Beschluss v. 23.02.2009, Az.: 5 Ni 15/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Der Beklagte war Inhaber eines deutschen Patents für einen Fahrradsattel mit Ventilationsfunktion. Die Klägerin griff das Patent an und behauptete, dass der Gegenstand des Patents weder neu noch erfinderisch sei. Sie legte zahlreiche Druckschriften als Beweis vor.

Der Beklagte erklärte jedoch mit Schriftsatz vom 4. September 2008 die "Rücknahme des Patents" und legte eine Verzichtserklärung beim Patentamt vor. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und der Beklagte stimmte zu.

In der mündlichen Verhandlung wurde über die Kosten des Verfahrens entschieden. Das Gericht berücksichtigte dabei den bisherigen Sach- und Streitstand. Es entschied, dass der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hatte und den Klageanspruch sofort anerkannt hatte. Daher sollte er keine Kosten tragen. Die Klägerin hatte in der vorgerichtlichen Korrespondenz keine konkreten Nichtigkeitsgründe genannt und den Beklagten nicht zum Verzicht auf das Patent aufgefordert. Daher musste sie die Kosten des Verfahrens tragen.

Zusammenfassend bedeutet das, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits tragen muss, da der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hatte und den Klageanspruch sofort anerkannt hatte. Die Klägerin hatte in der vorgerichtlichen Korrespondenz keine konkreten Nichtigkeitsgründe genannt und den Beklagten nicht zum Verzicht auf das Patent aufgefordert. Daher musste sie die Kosten des Verfahrens tragen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 23.02.2009, Az: 5 Ni 15/09


Tenor

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

I.

Der Beklagte ist Inhaber des am 12. Juli 2000 angemeldeten deutschen Patents 100 33 793, dessen Erteilung am 6. Juni 2002 veröffentlicht worden ist. Es trägt die Bezeichnung "Fahrradsattel mit Ventilationsfunktion". Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an. Sie macht geltend, der Gegenstand des Hauptanspruchs und der Unteransprüche 2 und 3 sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung beruft sie sich auf zahlreiche Druckschriften, die sie als Anlagen NK4 bis NK10 vorgelegt hat.

Die Klage wurde dem Beklagten am 4. August 2008 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 4. September 2008, bei Gericht eingegangen am selben Tage, erklärte der Beklagte die "Rücknahme des Patents". Er erklärte weiter, dass auch für die Vergangenheit keine Rechte aus dem Patent geltend gemacht würden. Der Beklagte legte weiter eine Verzichtserklärung gegenüber dem Patentamt vom 4. September 2008 vor, die dort am 5. September 2008 eingegangen ist.

Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2008, bei Gericht eingegangen am 20. Oktober 2008, erklärte die Klägerin den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte stimmte mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2008, der bei Gericht am 28. Oktober eingegangen ist, der Erledigungserklärung zu.

Die Parteien beantragen, jeweils dem Gegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Klägerin trägt hierzu vor, sie sei auf der Grundlage des Streitpatents abgemahnt worden. Mit Schreiben der Kanzlei T... vom 31. Mai 2007 sei sie von der ausschließlichen Lizenznehmerin des Beklagten aufgefordert worden, die Herstellung und den Vertrieb des Sattels "Respiro" einzustellen. Mit den Schreiben der Lizenznehmerin des Beklagten vom 2. August und vom 14. September 2007 werde eine sofortige Unterlassung der Benutzung in Deutschland gefordert.

Der Beklagte ist der Ansicht, er habe keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben. Er trägt vor, die Klägerin habe die Nichtigkeitsklage über ein Jahr nach der Anfrage vom 31. Mai 2007 erhoben und ihn als Patentinhaber nicht zum Verzicht auf das Patent aufgefordert; sie habe mit einem Schreiben vom 5. Juli 2007 nur auf den Stand der Technik hingewiesen. Aus diesem Schreiben ergebe sich auch, dass die Klägerin keine weiteren Schritte unternehmen wolle, sofern der Patentinhaber keine Verletzungsklage erhebe. Der Beklagte meint, zwischen September 2007 und Juli 2008 habe es keine Korrespondenz gegeben; er sei mit der Klage überfallen worden.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstandes nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist auch der Grundgedanke des § 93 ZPO heranzuziehen, wonach der Beklagte keine Kosten zu tragen hat, wenn er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt hat. Dies ist hier der Fall.

1. Der Beklagte hat keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.

Beklagter im Patentnichtigkeitsprozess ist der Patentinhaber, der sein erteiltes Schutzrecht inne hat. Weder eine Verwarnung aus dem Patent noch die Erhebung einer Verletzungsklage rechtfertigen die sofortige Erhebung einer Nichtigkeitsklage. Veranlassung hierzu ist grundsätzlich erst dann gegeben, wenn der Kläger den Beklagten unter substantiierter Angabe der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und mit angemessener Fristsetzung erfolglos zum Verzicht auf das Schutzrecht aufgefordert hat. Das für die Klageerhebung maßgebliche Material muss dabei genannt werden (BPatGE 22, 33/35; BPatGE 25, 138 = GRUR 1983, 504; BPatGE 26, 139 zum Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl. § 81 Rdn. 38; Busse/Keukenschrijver Patentgesetz, 6. Aufl. § 84 Rdn. 18 f.).

Bei Auswertung der von den Parteien vorgelegten vorgerichtlichten Korrespondenz ergibt sich, dass die Klägerin den Beklagten weder zum Verzicht auf das Patent aufgefordert, noch Material genannt hat, das der Patentfähigkeit entgegensteht.

In dem Schreiben der Vertreter der ausschließlichen Lizenznehmerin des Beklagten an die Klägerin vom 31. Mai 2007 (NK11) ist eine Abmahnung enthalten. Danach soll die Herstellung und der Vertrieb des Sattels "Respiro" sofort eingestellt werden.

In dem Schreiben der i... Klägervertreter an T... vom 5. Juli 2007 wird zum Streitpatent gesagt, dass der Erfinder den beanspruchten Sattel bereits anlässlich der T1... Show im April 2000, also vor dem Prioritätstag, ausgestellt habe. Weiter wird allgemein auf Stand der Technik hingewiesen, der der Patentfähigkeit des Streitpatents entgegenstehe. Konkrete Druckschriften werden jedoch nicht genannt. In dem Schreiben ist zum Schluss ausgeführt, es sei ratsam, wenn beide Parteien ihre eigenen Patente behielten und sich nicht bekämpften. Es bestünde das Risiko, alle Patente zu verlieren. Man hoffe, dass beide Mandanten ihre guten geschäftlichen und persönlichen Beziehungen fortsetzen und fruchtlose Streitigkeiten vermeiden könnten.

In einem Antwortschreiben von T... vom 2. August 2007 ist eine nochmalige Abmahnung enthalten; eine Antwort binnen 30 Tagen werde erwartet.

Die hierauf ergangene Antwort der i... Klägervertreter vom 11. September 2007 enthält einen allgemeinen Hinweis darauf, dass auch ein erteiltes Patent bei fehlender Patentfähigkeit vor Gericht für nichtig erklärt werden könne. Als Antwort der Anwaltskanzlei T... enthält das Schreiben vom 14. September 2007 eine erneute Abmahnung mit einer 10 Tagesfrist, sonst werde die Sache den deutschen Anwälten übergeben.

Aus dieser Korrespondenz ergibt sich, dass die Klägerin vorgerichtlich nur allgemein ausgeführt hat, dass der Gegenstand des Streitpatents weder neu noch erfinderisch sei und vage Angaben zu einer angeblichen Vorbenutzung durch den Patentinhaber selbst gemacht hat. Eine Aufforderung zum Verzicht auf das Streitpatent kann keinem der Schreiben entnommen werden. Darüber hinaus liegt zwischen dem Ende der -vorgelegten -Korrespondenz und dem Eingang der Nichtigkeitsklage ein Zeitraum von ca. 9 Monaten. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beklagte in diesem Zeitraum Veranlassung zur Klage, die am 23. Juli 2008 bei Gericht eingegangen ist, gegeben haben soll.

2. Der Beklagte hat den Klageanspruch entsprechend § 93 ZPO sofort anerkannt.

Nach der Rechtsprechung kommt im Patentnichtigkeitsverfahren ein Anerkenntnis im zivilprozessualen Sinn nicht in Betracht, weil kein Anerkenntnisurteil (§§ 307, 313b ZPO) ergehen kann. Die entsprechende Anwendung von § 93 ZPO ist jedoch dann möglich und geboten, wenn der Beklagte dem Nichtigkeitskläger in vergleichbarer Weise einen Erfolg des Klagebegehrens sichert. Der Kläger muss hinreichend sicher sein, aus dem Patent nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das kann durch einen Verzicht auf das Streitpatent und gegebenenfalls auf Ansprüche aus dem Patent für die Vergangenheit geschehen. Der Verzicht wird nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG erst mit Abgabe der schriftlichen Verzichtserklärung gegenüber dem Patentamt wirksam. Die Verzichtserklärung kann nach ihrem Zugang nicht mehr zurückgenommen werden und führt das Erlöschen des Patents unmittelbar herbei (BGH Urt. v. 8. Dezember 1983 -X ZR 15/82, BlPMZ 1984, 246 -Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung; Urt. v. 29. Juli 2003 -X ZR 26/00, GRUR 2004, 138 -Dynamisches Mikrophon; Benkard/Rogge § 81 Rdn. 37; Busse/Keukenschrijver, § 84 Rdn. 17).

Diesen Anforderungen ist der Beklagte gerecht geworden. Er hat innerhalb der Widerspruchsfrist "das Streitpatent zurückgenommen" und erklärt, dass daraus keine Rechte für die Vergangenheit geltend gemacht würden. Sehr zeitnah -einen Tag später -hat er die gleiche Erklärung gegenüber dem Patentamt abgegeben. Die Formulierung, das Streitpatent werde zurückgenommen, ist dabei als Verzichtserklärung zu werten; darauf hat das Gericht die Parteien bereits hingewiesen. Diese Erklärungen des Beklagten reichen aus, um die erforderliche Sicherungswirkung für die Klägerin herbeizuführen.

Schuster Guth Dr. Höchst Pü






BPatG:
Beschluss v. 23.02.2009
Az: 5 Ni 15/09


Link zum Urteil:
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