Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 6. Juni 2005
Aktenzeichen: 4 W 56/05

(OLG Hamm: Beschluss v. 06.06.2005, Az.: 4 W 56/05)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss abgeändert.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert, der den

in erster Instanz entstandenen Verfahrenskosten entspricht, trägt die

Antragsgegnerin.

Gründe

Die gemäß § 91 a Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Das Landgericht hat nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien dem Antragsteller zu Unrecht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Kosten des erledigten Rechtsstreits muss nach § 91 a Abs. 1 ZPO und dem dort maßgeblichen billigen Ermessen die Antragsgegnerin tragen, weil ohne die Abgabe der Unterwerfungserklärung als erledigendes Ereignis der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung voraussichtlich begründet gewesen wäre.

Die Dringlichkeitsvermutung ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er erst am 4. Januar 2005 durch eine verspätete Lektüre der T-Zeitung vom 17. Dezember 2004 von der Anzeige der Antragsgegnerin Kenntnis genommen habe. Innerhalb eines Monats nach dieser Kenntnisnahme, nämlich am 31. Januar 2005 ist der Verfügungsantrag beim Landgericht eingegangen. Die Antragsgegnerin hat nichts dazu vorgetragen, dass der Antragsteller schon zu einem früheren Zeitpunkt von der Anzeige erfahren hat und wann das gegebenenfalls gewesen sein soll. Es gibt auch keine Vermutung dahin, dass ein Wettbewerber den Anzeigenteil einer Zeitung zwangsläufig am Tag ihres Erscheinens wahrnimmt. Vielmehr sind vielfältige Gründe denkbar und hier auch vorgetragen, warum das genauso zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein kann.

Jedenfalls seit Anfang 2005 ist der Antragsteller, der nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen ist, hauptberuflich als Bauträger und Makler auf demselben Markt in Bayern und speziell in N und Umland tätig wie die Antragsgegnerin. Er ist somit deren Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Auch wenn der Antragsteller schon vorher mehrfach gegen Makler und Bauträger vorgegangen ist, die auf ähnliche Weise für zu verkaufende Immobilien werben wie die Antragsgegnerin, ist jedenfalls im vorliegenden Verfahren und angesichts des dargelegten Interesses an der Verfolgung eines solchen Wettbewerbsverstoßes eine rechtsmissbräuchliche Mehrverfolgung im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG weder dargelegt noch ersichtlich.

Der Verfügungsanspruch des Antragstellers hätte sich aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 UWG ergeben. Die Antragsgegnerin hat mit der beanstandeten Anzeige irreführend und damit unlauter geworben. Es kann dabei dahin stehen, ob ein nicht unwesentlicher Teil der angesprochenen Verbraucher schon die Abkürzung WNFL missversteht und davon ausgeht, bei der damit gekennzeichneten Flächenangabe handele es sich nur um Wohnfläche. Selbst wenn der angesprochene Verbraucher erkennen sollte, dass es um Wohn- und Nutzfläche geht, versteht er die Werbeaussage jedenfalls so, dass die angegebene Gesamtfläche zum ganz überwiegenden Teil die Wohnfläche darstellt, die ihn in besonderem Maße als erhebliche Angabe für die Marktentscheidung interessiert (vgl. Fezer/Peifer, UWG, § 5 Rdn.274). Die Nutzfläche, von der annimmt, dass sie noch oder ohnehin nicht zu Wohnzwecken geeignet ist, hält er dagegen -sei es auch nur aufgrund seiner Erfahrung als Mieter oder im Rahmen eines gewollten Optimismus- für unbedeutend.

Diese Verbrauchervorstellung entspricht jedenfalls im vorliegenden Fall nicht den Tatsachen. Bei den Doppelhaushälften sind zu einem ganz erheblichen Anteil Nutzflächen in der einheitlich angegebenen Gesamtgröße enthalten gewesen, nämlich bei der einen Hälfte von 40 qm und bei der anderen Hälfte sogar von 50 qm (von 166 und 168 qm).

Diese Fehlvorstellung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant. Der interessierte Verbraucher teilt nämlich im Regelfall den Kaufpreis durch die Wohnfläche, die er hier zur Vereinfachung mit der Gesamtfläche gleichsetzt, um einen Vergleichsmaßstab zu erhalten. Dadurch, dass ihm die Nutzflächen der von der Antragsgegnerin angebotenen Haushälften nun wesentlich größer erscheinen als sie tatsächlich sind, wirkt deren Verkaufspreis günstiger und kann die Kaufentscheidung beeinflussen. In jedem Fall wird auch ein kritischer Verbraucher in die Situation gebracht, dass er nachfragen muss, wie groß der Anteil der Wohnfläche ganz genau ist, wenn er einen exakten Vergleich mit dem Preis für die Nutzflächen anderer Immobilienangebote vornehmen will. Schon darin ist ein nicht unerheblicher Wettbewerbsvorteil für die Antragsgegnerin im Verhältnis zu den Anbietern zu sehen, die die Größe der Wohnfläche gesondert angeben.

Angesichts der relevanten Irreführung, die damit zugleich auch den Wettbewerb nicht nur unwesentlich im Sinne des § 3 UWG beeinträchtigt, kann dahin stehen, ob sich ein Unterlassungsanspruch auch daraus hätte ergeben können, dass die Werbung auch als unsachliche Beeinflussung auf sonstige unangemessene Weise im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG unlauter sein könnte.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 06.06.2005
Az: 4 W 56/05


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