Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. April 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 380/05

(BPatG: Beschluss v. 01.04.2009, Az.: 7 W (pat) 380/05)

Tenor

Das Patent 196 18 313 wird widerrufen.

Gründe

I.

Der gegen die am 21. Juli 2005 veröffentlichte Erteilung des Patents 196 18 313 mit der Bezeichnung "Axialturbine eines Abgasturboladers" erhobene Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

Die Einsprechende macht insbesondere geltend, der Patentgegenstand in der erteilten Fassung des Anspruchs 1 sei gegenüber dem Stand der Technik nicht neu, zumindest nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhend, und verweist hierzuu. a. auf die im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt bereits berücksichtigte Druckschrift DE 27 34 840 A1 sowie auf eine CIMAC-Veröffentlichung von M...: "The New NA/S/T9 Turbocharger Series for Twostroke and Fourstroke Diesel Engines -State Development and Operating Results", 20th International Congress on Combustion Engines, London 1993 (im Weiteren kurz als E1 bezeichnet). Auch der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 7 sei aus der Druckschrift E1 bekannt.

Auf die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandte Zwischenverfügung vom 14. Januar 2009 des Senats, in der nach vorläufiger Beurteilung die Patentfähigkeit des Patentgegenstandes im Lichte des entgegengehaltenen Standes der Technik in Frage gestellt worden war, hat die Patentinhaberin am 9. März 2009 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Der Termin der Verhandlung wurde daraufhin abgesetzt und das Verfahren schriftlich fortgeführt.

Die Einsprechende hat den Antrag gestellt, das Patent 196 18 313 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat sich zum Einspruch sachlich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Axialturbine eines Abgasturboladers, welche ein Gaseintrittsgehäuse (1), ein Gasaustrittsgehäuse (2) mit einer gaseintrittsseitigen Wand (5) und eine umlaufende Turbinen Scheibe (10) mit einer Anzahl von Laufschaufeln (11) aufweist, wobei die Turbinenscheibe (10) nach außen von einem ersten Ring (12) begrenzt wird, der ein als Diffusor ausgebildeter Abdeckring (12) ist, wobei radial außerhalb der Laufschaufeln (11) ein zweiter Ring (8) angeordnet ist, der als Berstschutzring (8) ausgebildet ist, sich axial im Bereich der Turbinenscheibe (10) erstreckt und in radialem Abstand von der Umlaufebene der Laufschaufeln (11) angeordnet ist, wobei der Berstschutzring (8) als ein integraler Bestandteil der gaseintrittsseitigen Wand (5) des Gasaustrittsgehäuses (2) ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Berstschutzring (8) eine radiale Höhe (18) aufweist, welche in etwa der Höhe einer Laufschaufel (11) entspricht."

Der Patentanspruch 7 lautet:

"Abgasturbolader, gekennzeichnet durch eine Axialturbine gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche."

Weiterbildungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 sind in den Patentansprüchen 2 bis 6 angegeben. Zum Wortlaut dieser Ansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

II.

Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig.

III.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindungi. S. d. §§ 1bis 5PatGdar.

Es kann dahin stehen, ob der Patentgegenstand nach Anspruch 1 neu ist; er beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als hier zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur anzusehen, der auf dem Gebiet der Strömungsmaschinen mehrjährige Berufserfahrung besitzt und insbesondere mit konstruktiven Verbesserungen des Berstschutzes bei derartigen Maschinen befasst ist.

Gemäß der Streitpatentschrift (Absatz [0003]) werden heute eingesetzte Abgasturbolader mit sehr hohen Umfangsgeschwindigkeiten betrieben, so dass aufwendige konstruktive Maßnahmen am Turbinengehäuse erforderlich sind, um Bruchstücke geborstener Turbinenteile sicher im Gehäuse zurückhalten zu können. Ausgehend von aus dem Stand der Technik bekannten Abgasturboladern mit Berstschutz liegt dem angefochtenen Patentgegenstand die Aufgabe zugrunde, einen einfachen, kostengünstigen und verbesserten Berstschutz für die Axialturbine eines Abgasturboladers zu schaffen (Absatz [0007]).

Die Streitpatentschrift nennt als gattungsbildend die aus der Druckschrift DE 27 34 840 A1, Figur 3, bekannte Axialturbine eines Abgasturboladers (Absatz [0001]). Diese umfasst ein hier zweiteiliges Gaseintrittsgehäuse (1A, 1B) und ein Gasaustrittsgehäuse (4) mit einer gaseintrittsseitigen Wand, die etwa in der Radialebene einer mit einer Anzahl an Laufschaufeln (3) versehenen, umlaufenden Turbinenscheibe verläuft. Die Turbinenscheibe ist radial außen durch einen als Diffusor ausgebildeten und sich im Bereich der Turbinenscheibe axial erstreckenden Gehäusering abgedeckt. Integral mit diesem Gehäuseteil ausgebildet und radial beabstandet von der Umlaufebene der Laufschaufeln (3) ist ein weiteres ringartiges Gehäusewandteil mit im Axialschnitt etwa rechteckigem Querschnitt vorgesehen, das sich mit seiner schmaleren Seite im Bereich der Turbinenscheibe axial und mit seiner längeren Seite radial erstreckt. Aufgrund dieser Anordnung und Formgestaltung bildet dieses weitere Gehäuseteil einen Berstschutzring im Sinne des Streitpatents, da es ggf. nach radial außen geschleuderten Bruchstücken einen erheblichen Widerstand entgegen zu setzen vermag. Dieser Wandbereich bzw. Berstschutzring ist zugleich integraler Bestandteil des gaseintrittsseitigen Wandabschnitts des Gasaustrittsgehäuses (4).

Die Axialturbine nach der Druckschrift DE 27 34 840 A1 weist damit unstreitig sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 auf. Von dieser unterscheidet sich die nach Anspruch 1 des Streitpatents noch durch das einzige kennzeichnende Merkmal, wonach die radiale Höhe des Berstschutzringes in etwa der Höhe einer Laufschaufel entspricht. Dies unter der hier angenommenen Vorraussetzung, dass die Figur 3 der DE 27 34 840 A1 als nicht maßstäbliche Werkstattzeichnung zu interpretieren ist und die zeichnerisch weitgehende Übereinstimmung der Höhen von Turbinenlaufschaufel und Berstschutzwandelement als zufällig zu unterstellen ist, da sie keine Stütze in der Beschreibung hat.

Das unterstellte verbleibende Unterschiedsmerkmal kann jedoch eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Den Berstschutzring wird der Fachmann entsprechend den Anforderungen, die an den Berstschutz eines Gehäuses zu stellen sind, geeignet bemessen, wobei er aufgrund seiner Grundkenntnisse der technischen Mechanik der Erstreckung des Berstschutztbauteils in radialer Richtung im Bereich der Turbinenscheibe eine entscheidende Bedeutung beimisst. Die Relation der radialen Höhe des Berstschutzringes zur Höhe einer Laufschaufel ist dagegen von untergeordneter Bedeutung. Das zeigt sich darin, dass bei einem hinreichenden Berstschutz mit beispielsweise einer ermittelten ausreichenden radialen Höhe des Berstschutzringes, die nur etwa der halben Höhe der Laufschaufel entspräche, eine Verlängerung auf die gesamte Höhe der Laufschaufel wenig Sinn machen würde und sehr willkürlich erschiene, im Übrigen auch nur zu einem erwartungsgemäßen, jedoch unter Optimierungsgesichtspunkten nicht funktionsnotwendigen und in nachteiliger Weise mit baulichem Mehraufwand verbundenen größeren Berstschutz führen würde. Derartige Abwägungen baulicher Alternativen liegen im fachnotorischen Können des Fachmannes und begründen stets keine erfinderische Tätigkeit.

Ein Eingehen auf die Entgegenhaltung E1, die in Figur 9 einen Turboverdichter mit einem Berstschutzring am radial äußeren Umfang der Laufschaufeln eines Turbinenrades zeigt, erübrigt sich, da sie hinsichtlich der für den angefochtenen Patentgegenstand maßgeblichen Merkmale nicht über den Stand der Technik nach DE 27 34 840 A1 hinausgeht. Auch Figur 9 der E1 vermittelt wie Figur 3 der DE 27 34 840 A1 lediglich schematisch, dass die Höhe des Berstschutzringes in der Größenordnung der Höhe der Laufschaufeln des Turbinenrades liegen könnte, ohne dass sich dafür ein Hinweis in der Beschreibung findet.

Der Anspruch 1 ist danach nicht rechtsbeständig und in Folge auch die auf ihn zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 6.

Der Abgasturbolader nach Anspruch 7 beruht gegenüber dem Bekannten aus Druckschrift DE 27 34 840 A1 ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da die daraus bekannte, oben zum Anspruch 1 des Streitpatents erläuterte Axialturbine für einen Abgasturbolader genutzt wird.

Auch der Anspruch 7 ist nicht rechtsbeständig.

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BPatG:
Beschluss v. 01.04.2009
Az: 7 W (pat) 380/05


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