Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juni 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 46/04

(BPatG: Beschluss v. 30.06.2006, Az.: 14 W (pat) 46/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. Juli 2004 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung P 43 45 487.9-41 mit der Bezeichnung

"Verwendung von R-(+)-alpha-Liponsäure, R-(-)-Dihydroliponsäure und Metabolite in Form der freien Säure oder als Salze oder Ester oder Amide zur Herstellung von Arzneimitteln zur Behandlung von Erkrankungen mit eingeschränkter Funktion oder erniedrigtem Gehalt der Glukosetransporter"

aus den Gründen des Bescheides vom 2. Mai 2000 gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

In o. g. Bescheid ist im Wesentlichen darauf hingewiesen worden, dass eine Arzneimittelerfindung nur dann mit Sinn erfüllt sei und eine ausführbare technische Lehre beinhalte, wenn erkennbar sei, welche Krankheit mit dem Arzneimittel behandelt werden könne. Angaben über die tatsächliche Krankheit fehlten aber in der vorliegenden Anmeldung, denn die allgemeine Angabe und Erkenntnis, dass R-(+)--Liponsäure oder R-(-)-Dihydroliponsäure die Glukoseaufnahme durch den Muskel steigere, beinhalte lediglich eine Wirkangabe, aber nicht das Auffinden einer weiteren Indikation. Darüber hinaus sei aus der Entgegenhaltung

(1) DE 42 18 572 A1 bereits das R-Enantiomere von -Liponsäure als wirksames Prinzip bei der Behandlung von Diabetes Typ I und Typ II bekannt. Nachdem aber die Anmelderin die anspruchsgemäßen Wirkstoffe ebenfalls zur Behandlung von Diabetes verstanden haben wolle, stelle die anspruchsgemäße Behebung der eingeschränkten Funktion oder des erniedrigten Gehalts der Glukosetransporter nichts Neues mehr dar. Diese Wirkung ergebe sich nämlich bei der aus (1) bekannten Indikation und sachgemäßen Verabreichung von R-(+)--Liponsäure von selbst.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Patenansprüche 1 und 2 weiterverfolgt. Diese haben folgenden Wortlaut:

"1. Verwendung von R-(+)--Liponsäure, R-(-)-Dihydroliponsäure oder Metabolite sowie deren Salze, Ester, Amide zur Herstellung von Arzneimitteln zur Behandlung von Erkrankungen mit eingeschränkter Funktion oder erniedrigtem Gehalt der Glukosetransporter.

2. Verwendung von R-(+)--Liponsäure, R-(-)-Dihydroliponsäure oder Metabolite sowie deren Salze, Ester, Amide zur Herstellung von Arzneimitteln zur Behandlung von Folgeerkrankungen bzw. Spätkomplikationen von Erkrankungen mit eingeschränkter Funktion oder erniedrigtem Gehalt der Glukosetransporter."

Die Anmelderin macht im Wesentlichen geltend, dass in (1) zwar die antidiabetische Wirkung des R-Enantiomeren der -Liponsäure als bekannt erwähnt sei, beansprucht werde aber die Verwendung zur Behandlung von Krankheiten, deren Ursache eine Störung in der Glukosetransportfunktion sei. Solche Störungen seien jedoch, unabhängig davon, dass bei Diabetes Typ II hier ebenfalls ein funktionelles Defizit auftrete, konkreten Krankheitsbildern, wie z. B. dem Glukosetransportersyndrom (GTPS) oder dem "Frankonie-Bickel"-Syndrom, zuordbar. Da dem Fachmann die gemeinsame Basis dieser Erkrankungen unter dem Oberbegriff "Glukosetransporterstörungen" bekannt sei und es klar sei, welche Krankheitsbilder auf der Basis von Glukosetransporterstörungen von der Erfindung umfasst würden, sei es durchaus begründet, in der Anmeldung keine speziellen Krankheitsbilder zu beschreiben. Trotz unterschiedlicher klinischer Bilder werde sich wegen der gemeinsamen Ursache nämlich die Therapie gleichen. Im Übrigen seien in der Anmeldung auch zwei Beispiele zur enantioselektiven Beeinflussung von zwei Glukosetransportern durch R--Liponsäure beschrieben, wobei das andere Enantiomere überraschend einen inversiven Effekt zeige. Dagegen offenbare die Entgegenhaltung (1) den Einsatz von beiden Enantiomeren in der Kombination mit Vitaminen.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 2 zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.

Der angefochtene Beschluss lässt keine formalen oder sachlichen Mängel erkennen. Die Verwendung von R-(+)--Liponsäure, wie sie mit den Patentansprüchen 1 und 2 beansprucht wird, ist auch nach Auffassung des Senates durch die Entgegenhaltung (1) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Dieses Dokument betrifft Arzneimittel, die neben mindestens einem Vitamin -Liponsäure, Dihydroliponsäure und deren oxidierten und reduzierten R- oder S- Isomeren sowie Metaboliten der -Liponsäure enthalten (vgl. Patentanspruch 1 sowie Beschreibung S. 2 Z. 3 bis 6) und u. a. zur Behandlung von Diabetes Typ I und Typ II verwendet werden können (vgl. Patentanspruch 9). In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass das R-Enantiomere der -Liponsäure eine im Vergleich zum Racemat überlegene Aktivität aufweist (vgl. S. 2 Z. 45 bis 48 i. V. m. S. 3 Z. 28 bis 32) und es die R--Liponsäureenthaltenden Zubereitungen und nicht die die S-Enantiomeren enthaltenden Formulierungen sind, die eine blutzuckersenkende Wirkung besitzen (vgl. S. 2 Z. 54 bis 59). Damit wird in (1) R--Liponsäure als Wirkstoff mit antidiabetischen Eigenschaften beschrieben. Diese Wirkung der in Rede stehenden Verbindungen ist es aber, die auch anmeldungsgemäß erzielt wird. Zwar wird nach Patentanspruch 1 Schutz für die Verwendung von R-(+)--Liponsäure oder Metaboliten davon zur Behandlung von Erkrankungen mit eingeschränkter Funktion oder erniedrigtem Gehalt der Glukosetransporter begehrt und nicht zur Behandlung einer konkreten Krankheit. Bei der im Patentanspruch 1 angegebenen Funktionsstörung handelt es sich jedoch, wie in der Beschreibung der Patentanmeldung unter Bezugnahme auf veröffentlichtes Schrifttum ausgeführt wird und wie von der Anmelderin schriftsätzlich vorgetragen worden ist, um eine grundlegende Störung bei Diabetes (vgl. Beschreibung S. 2 Abs. 5). Damit übereinstimmend dient dieses Krankheitsbild anmeldungsgemäß auch zur Darlegung der mit Patentanspruch 1 genannten Wirkung von R-(+)--Liponsäure (vgl. Beschreibung S. 2 Abs. 4 und 5, S. 3 Abs. 3, S. 4 Beispiel 1 sowie S. 8/9 Beispiel 6). Daher werden gemäß der Anmeldung aber die R-(+)--Liponsäure oder deren Metaboliten zur Behandlung der gleichen Krankheit verwendet wie nach der Entgegenhaltung (1), weshalb im vorliegenden Fall keine andere technische Wirkung erzielt wird als sie bereits mit (1) aufgezeigt worden ist. Aus diesem Grunde wird mit der Wirkungsangabe gemäß Patentanspruch 1 keine andere Krankheit definiert, diese stellt vielmehr eine Erklärung der Wirkungsweise von R-(+)--Liponsäure oder deren Metaboliten dar, die sich bei der aus der Entgegenhaltung (1) bekannten Behandlung von Diabetes Typ I oder Typ II von selbst ergibt (vgl. Busse PatG 6. Aufl. § 3 Rdn. 198 sowie BGH GRUR 1994, 357 3. Ls. - "Muffelofen"). Nachdem die mit Patentanspruch 1 beanspruchte Verwendung somit eine Ausführungsform umfasst, die im Stand der Technik bereits vorbeschrieben ist, weist dieser nicht die erforderliche Neuheit auf.

Das Argument der Anmelderin, die im Patentanspruch 1 genannte Störung trete zwar auch bei Diabetes Typ II auf, die beanspruchte Verwendung beziehe jedoch alle Krankheiten mit ein, deren Ursache eine Störung der Glukosetransporterfunktion sei, wobei die Nennung spezieller Krankheitsbilder im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht angezeigt sei, weil es für den Fachmann klar sei, welche Krankheitsbilder auf der Basis von Glukosetransporterstörungen von der Erfindung umfasst würden, kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Offenbart in Verbindung mit der geltend gemachten Wirkung ist in den vorliegenden Unterlagen als konkretes Krankheitsbild nämlich einzig die Behandlung von Diabetes bzw. als weitere ins Auge zu fassende Indikationen Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus genannt (vgl. Erstunterlagen S. 1 Abs. 3 und Abs. 5 bis S. 3 Abs. 1 und S. 3 Abs. 3 bzw. S. 2 Abs. 4 i. V. m. S. 10 Abs. 3 sowie Beispiele 1 und 6).






BPatG:
Beschluss v. 30.06.2006
Az: 14 W (pat) 46/04


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