Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Februar 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 46/04

(BPatG: Beschluss v. 28.02.2007, Az.: 19 W (pat) 46/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 05 B - hat die am 5. März 2003 eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 24. Mai 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der mit Eingabe vom 5. Mai 2004 eingereichte Patentanspruch 1 nicht so klar formuliert sei, dass sich aus ihm ein zweifelsfreies Patentbegehren ableiten lasse.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2007 neue Unterlagen eingereicht und beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Mai 2004 aufzuheben und das Patent gemäß folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 4 sowie Beschreibung Seiten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2007.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Regeln eines Regenerierungsprozesses, umfassend folgende Schritte:

a) Einbringen zumindest eines Garguts und zumindest eines Zubehörs in Form eines Tellers oder einer Unterlage in einem Garraum, undb) Regeln des Garraumklimas, indem zumindest ein erster Temperaturwert und/oder ein erster Feuchtewert im Garraum in Abhängigkeit von dem Wärmeeintrag in das Zubehör geregelt wird, wobei das Zubehör bei Einbringung in den Garraum in etwa die gleiche Temperaturvorbehandlung wie das Gargut erfahren hat, wobei als Gargut vorgegartes Gargut eingesetzt wird, der Wärmeeintrag in das Zubehör über die Differenz zwischen einerseits dem ersten Temperaturwert im Garraum und andererseits einem zweiten Temperaturwert an der Oberfläche des Zubehörs erfaßt wird, unddas Temperaturverhalten, insbesondere Aufwärmverhalten, des Zubehörs an sich und in Korrelation zum Temperaturverhalten, insbesondere Aufwärmverhalten, des Garguts im Garraum beim Regeln des Garraumklimas berücksichtigt wird."

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein bekanntes Verfahren zum Steuern von Garprozessen derart weiterzuentwickeln, dass es den tatsächlichen Klimaänderungen im Garraum eines Gargerätes in angemessener Weise Rechnung trägt, eine zu jedem Zeitpunkt optimale Energieübertragung in das Gargut für jeden Garzustand des eingesetzten Garguts sicherstellt und sowohl ein Austrocknen insbesondere der Oberfläche des Garguts nicht zulässt sowie eine unkontrollierte Kondensation von Wasser auf Zubehörteilen und/oder Gargut unterbinden hilft (S. 3 Abs. 2 der geltenden Beschreibung).

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass für die der/die hier zuständige Durchschnittsfachmann/-frau - ein(e) auf dem Gebiet der Entwicklung und dem Betrieb von Gargeräten tätige(r) Ökotrophologin(e) - den ursprünglichen Unterlagen ein nacharbeitbares Garverfahren als offenbart entnehme.

Zwar sei der verwendete Ofen in den Anmeldeunterlagen nicht beschrieben; jedoch käme der/die Fachmann/-frau im Blick auf die Angaben zum Garraumklima zum Ergebnis, dass dieser eine Heizung, ein Gebläse und eine Beschwadungseinrichtung aufweisen müsse. Solches sei bei intelligenten Gargeräten am Anmeldetag Stand der Technik gewesen.

Die in den ursprüngliche Ansprüchen 4, 5 und 10 angegebenen Korrelationen könnten jeweils nur Temperatur-Zeit-Verläufe betreffen, die über die Zeit miteinander korreliert seien, da die gesamte Anmeldung Garvorgänge zum Gegenstand habe.

Für einen beispielsweise betrachteten Garvorgang mit Beschwadung des Garguts sei deshalb für den/die Fachmann/-frau entnehmbar, dass diese erst eingeleitet werde, wenn die Tellertemperatur den Taupunkt für den vorgesehenen Feuchtewert überschritten habe, um Kondensatpfützen zu vermeiden (S. 5 Z. 2 bis 3 der u. U.).

Bei den in der Steuer- und Regeleinheit hinterlegten Kennfeldern (S. 5 Abs. 1 der u. U.) handele es sich um empirisch in großer Zahl ermittelte Kochkurven als Sollwerte einer Regelung auf einen Soll-Wärmeeintrag in das Gargut.

Verhalte sich ein Teller nach dem Beginn eines Garvorgangs hinsichtlich des Wärmeeintrags nicht so, wie ein anfangs zugrundegelegter Kurvenverlauf es vorgebe, werde während des Garvorgangs auf einen anderen, zutreffenderen Kurvenverlauf gewechselt, um den gewünschten Wärmeeintrag sicherzustellen im Blick auf einen für optimales Garen angestrebten Temperatur-Zeit-Verlauf im Inneren des Gargutes, anhand dessen auch über das Ende des Garprozesses entschieden werde.

Damit sei dem/der Fachmann/-frau die Erfindung in den Anmeldeunterlagen ausführbar offenbart, bei der gemäß dem geltenden Anspruch 1 das Garraumklima in Abhängigkeit von dem Wärmeeintrag in das Zubehör geregelt werde unter Berücksichtigung eines mit dem Temperaturverhalten des Garguts korrellierten Temperaturverhalten des Zubehörs.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde konnte keinen Erfolg haben, da die Erfindung in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).

Als zuständige(r) Fachmann/-frau ist hier ein Diplom-Ingenieur (FH) der Elektrotechnik mit Berufserfahrungen bei der Entwicklung und dem Betrieb von Gargeräten anzusehen, der/die aufgrund der seitens der Gastronomie gestellten hohen Anforderungen an die Speisenqualität im Team mit einem erfahrenen Koch oder Ökotrophologen zusammenarbeitet. Die Summe des Fachwissens beider Fachleute stellt dann das Wissen und Können des Durchschnittsfachmanns/-fachfrau dar (vgl. BGH GRUR 86, 798 - Abfördereinrichtung für Schüttgut).

2. In der Anmeldung offenbart ist alles, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen enthalten ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt (Schulte PatG, Kommentar, 7. Auflage, Rn. 341 zu § 34 m. w. N.). Bei gegebenem Anlass stellt der/die Fachmann/-frau auch Überlegungen an, ob Merkmale fehlen und ergänzt diese (a. a. O. Rn. 346).

Die Anforderungen des § 34 (4) PatG sind erfüllt, wenn der/die Fachmann/-frau die Erfindung anhand der Offenbarung (a. a. O. Rn. 351 ff) mit zumutbarem Aufwand (a. a. O. Rn. 369 ff.) praktisch verwirklichen kann.

3. Dies ist auch für das nunmehr beanspruchte Verfahren zum Regeln eines Regenerierungsprozesses, bei dem als Gargut vorgegartes Gargut eingesetzt wird, im Hinblick auf das Merkmal b) des geltenden Anspruchs 1 nicht der Fall, nach dem ein erster Temperaturwert und ein erster Feuchtewert im Garraum in Abhängigkeit von dem Wärmeeintrag in das Zubehör geregelt werden soll.

3.1 Der Senat kann schon nicht erkennen, dass für den/die Fachmann/-frau in den ursprünglichen Unterlagen nacharbeitbar offenbart ist, wie er den Wärmeeintrag in das Zubehör über die Differenz des ersten Temperaturwertes im Garraum und des zweiten Temperaturwertes an der Oberfläche des Zubehörs unter Berücksichtigung der im Merkmal f) angegebenen Korrelation "erfassen" kann.

Zwar gehört es zu den Grundlagen der Wärmelehre, dass der Wärmeintrag in einen Körper in erster Linie von dessen Masse und spezifischer Wärmekapazität sowie von der Differenz seiner Oberflächentemperatur und der Umgebungstemperatur abhängt.

Jedoch ist für den geltenden Anspruch 1 zu beachten, dass - die als Zubehör beanspruchte Unterlage (Merkmal a) das Gargut lediglich vor einem Absturz im Ofen sichern muss, ansonsten aber beliebige Gestalt und beliebiges Temperaturverhalten haben kann,

- dass die Art des vorgegarten Gargutes im Anspruch 1 nicht beschränkt ist und demnach sowohl beliebige materialeinheitliche Lebensmittel (Steak, Hörnchen,..) als auch komplette Tellergerichte mit Beilagen umfasst, die überdies in unterschiedlich großer Zahl (d. h. mit unterschiedlicher Beladung des Ofens) gleichzeitig servierbereit gemacht werden sollen, wie die Vertreterin der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung erläutert hat,

- dass die Menge des Gargutes unberücksichtigt bleibt (und erst im geltenden Anspruch 2 überhaupt ins Blickfeld kommt), und - dass außer dem ersten Temperaturwert und ersten Feuchtewert zumindest auch die Luftumwälzung, d. h. insgesamt drei Klimagrößen den Wärmeeintrag beeinflussen (wie die Anmelderin selbst ausgeführt hat).

Damit müssen für die Erfassung des Wärmeeintrags in das Zubehör sechs voneinander unabhängige Kenngrößen berücksichtigt werden, die einschließlich der Unterlage (Stichwort "Teilbeladung des Ofens") auch noch zahlenmäßig definiert werden müssen.

Schon die Zahl der zugehörigen Kochkurven, die - wie die Anmelderin vorgetragen hat - vom Fachmann bzw., der Fachfrau empirisch ermittelt und als Kennfelder abgelegt werden (S. 5 Abs. 1 der u. U.), erscheint dem Senat deshalb nahezu unübersehbar und das angemeldete Verfahren auch nach Beschränkung auf einen Regenerierprozess mit zumutbarem Aufwand nicht nacharbeitbar.

3.2 Selbst wenn man unterstellen könnte - wozu allerdings die Anmeldeunterlagen mangels Angaben über besonders bevorzugte Unterlagen (Teller werden in der Gastronomie in unterschiedlichster Größe verwendet, so dass auch dieses Merkmal nicht als beschränkend anzusehen ist), Gargüter, Gargutmengen oder Klimawerte für einen optimalen Regenerierprozess keinerlei Anlass geben - dass der/die Fachmann/-frau beim Stichwort "Regenerieren" (z. B. S. 5 Abs. 2 der u. U.) am Anmeldetag zuerst und bevorzugt an Tellergerichte mit Fleisch oder Fisch und jeweils zwei Beilagen gedacht hat, die gleichzeitig serviert werden sollen, fehlt ihm bzw. ihr zur Nacharbeitbarkeit des beanspruchten Verfahrens jeder Hinweis, wie er mit "Zwischenwerten" (z. B. bei unterschiedlichem Wärmebedarf der Komponenten oder bei unterschiedlicher Ofenbeladung) umgehen soll, die dann im Betrieb auftreten, und mit der beanspruchten Klimaregelung ausgeregelt werden müssen.

Die Ausführungen der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung zum Garprozess (die auch für den Regenerierprozess gelten müssen), nach denen der Prozess mit einer bestimmten Kennlinie für den Soll-Wärmeeintrag begonnen und nach einiger Zeit auf eine andere geeignetere Kennlinie umgeschaltet werde, wenn der tatsächliche Verlauf des Wärmeeintrags vom gewünschten Verlauf abweiche, finden in den Anmeldeunterlagen keinerlei Stütze, so dass auch hieraus keine Offenbarung für den beanspruchten Regelvorgang abgeleitet werden kann.

3.3 Auch nach Beschränkung auf einen Regenierprozess kann der Senat sich der Ansicht der Anmelderin nicht anschließen, dass der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen entnimmt, dass die Regelung - allein - auf einen Soll-Wärmeeintrag in das Zubehör erfolgt.

Der hinsichtlich der Offenbarung des Wärmeeintrags auch für einen Regenerierprozess geltende ursprüngliche Anspruch 4 enthält vier als gleichwertig ("oder") nebeneinandergestellte Alternativen zur Erfassung eines Wärmeeintrags, nämlich über:

a) die Temperaturdifferenz zwischen Garraumtemperatur und Zubehöroberfläche (entsprechend dem geltenden PA 1), b) die Temperaturdifferenz zwischen Garraumtemperatur und Oberflächentemperatur eines (in der ganzen Anmeldung nicht näher beschriebenen und deshalb für jede Offenbarung unbeachtlichen) Referenzkörpers, c) die Temperaturdifferenz zwischen Garraumtemperatur und einem Temperaturwert am Ansaugbereich eines Gebläses, oderd) einem Heizkörper zum Aufheizen des Garraums abgenommene Leistung.

Variante a) lässt den Wärmeeintrag in den Ofen selbst außer Acht (Ofenwände, übliches Traggestell für Unterlagen und Teller sowie die Ofenverluste), der aber gerade beim Regenieren von vorgegartem Gargut eine erheblich größere Rolle spielen muss und deshalb nach Ansicht des Senats in der jeweiligen Regelgröße - d.h. zusätzlich zum Wärmeeintrag in das Zubehör - berücksichtigt werden müsste.

Dass dies geschieht und wie, ist an keiner Stelle der ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Auch die Varianten c) und d) können hierzu keinen Hinweis geben, denn sie berücksichtigen jeweils nur den Gesamtwärmeeintrag in den Ofen samt Gargut.

Dass die Varianten b) bis d) in den geltenden Unterlagen nicht mehr angegeben sind, ändert die Offenbarung nicht.

Die ursprünglichen Ansprüche 4 und 5 stellen auf eine in den gesamten Unterlagen nicht definierte "Korrelation" zwischen dem Temperaturverhalten des Zubehörs und des Garguts ab.

3.4 Auch aus den von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung wiederholt zitierten Beschreibungsteilen (S. 4 le. Abs. bis S. 5 Abs. 1 der u. U.) kann der/die Fachmann/-frau nicht entnehmen, wie er bzw. sie den beanspruchten Regenerierprozess allein über den Soll-Wärmeeintrag in das Zubehör regeln kann. Denn dort geht es darum, Kondensationen am Zubehör bzw. Austrocknen des Garguts zu vermeiden, die allein von der Zubehörtemperatur (die den Taupunkt nicht unterschreiten darf) bzw. vom Wasserinhalt des Gargutes abhängen.

Um dies zu vermeiden, muss der/die Fachmann/-frau aber den Temperaturwert an der Zubehöroberfläche zum Regeln des Garraumklimas bzw. den Wassergehalt des Gargutes verwenden.

Dass diese beiden Größen aus einem zunächst ermittelten Wärmeeintrag in das Zubehör abgeleitet werden, ist an keiner Stelle beschrieben; dass der/die Fachmann/-frau daran denken könnte, anstelle einer als Messwert zur Verfügung ste- henden Zubehörtemperatur einen von dieser in einer lediglich empirisch ermittelbaren Weise abhängigen Wärmeeintrag als Regelsollwert zu verwenden, erscheint dem Senat wenig naheliegend.






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