Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juni 2011
Aktenzeichen: 20 W (pat) 317/06

(BPatG: Beschluss v. 06.06.2011, Az.: 20 W (pat) 317/06)

Tenor

Das Patent DE 198 38 433 wird auf der Grundlage folgender Unterlagen in geändertem Umfang aufrecht erhalten:

Patentansprüche:

-Patentanspruch 1 wie im Termin übergeben -Patentansprüche 2 bis 4 wie Patentschrift Bezeichnung:

Rotationserfassungseinrichtung Beschreibung:

Beschreibung wie Patentschrift Zeichnungen:

3 Blatt Zeichnungen mit 5 Figuren wie Patentschrift.

Gründe

I.

Auf die am 24. August 1998 unter Inanspruchnahme der japanischen Unionspriorität P 9-228444 vom 25. August 1997 eingereichte Patentanmeldung wurde durch Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes vom 24. Mai 2005 -Prüfungsstelle für Klasse G01P -das Patent 198 38 433 mit der Bezeichnung "Rotationserfassungseinrichtung" erteilt. Die Patenterteilung wurde am 3. November 2005 im Patentblatt veröffentlicht. Das erteilte Patent umfasst insgesamt vier Patentansprüche.

Bezüglich des Wortlauts der erteilten Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen dieses Patent hat die Einsprechende mit einem am 1. Februar 2006 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangenen Schriftsatz vom 30. Januar 2006 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende stützte ihren Einspruch auf die Druckschriften T1 DE 25 18 054 A1, T2 DE 44 20 692 C2, T3 DD 223 827 A1 und T4 JP 59 -206 769 AA.

Mit Schriftsatz vom 27. März 2007 (also nach Ablauf der Einspruchsfrist) führte die Einsprechende zusätzlich folgende Druckschriften ein:

T5 JP06 -273437AAund T6 Internetauszug "Hall-Effekt".

Die Druckschriften T1, T4 und T5 waren bereits im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt in Betracht gezogen worden.

Die Einsprechende hat, wie mit Schriftsatz vom 11. Mai 2011 angekündigt, an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

Schriftsätzlich hat sie mit Eingabe vom 30. Januar 2006 beantragt, das Patent DE 198 38 433 vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt wie entschieden.

Sie ist dem Einspruch entgegengetreten und hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen Patentanspruch 1 überreicht.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliederung (Änderungen gegenüber erteiltem Patentanspruch 1 fett):

M1 "Rotationserfassungseinrichtung, mit M2 einem ersten Übertragungselement (1) und einem zweiten Übertragungselement (3), die jeweils gegenüber einem an einem drehbaren Körper als Erfassungsteil angeordneten Getrieberotor (5) vorgesehen sind, und M3 einer Signalverarbeitungsvorrichtung (13), die mit dem ersten Übertragungselement (1) und dem zweiten Übertragungselement (3) verbunden ist zur Erzeugung von Pulssignalen auf der Basis von durch das erste Übertragungselement (1) und das zweite Übertragungselement (3) erzeugten Signalen, dadurch gekennzeichnet, dass M4 die Signalverarbeitungsvorrichtung (13) ein erstes Pulssignal mit einer vorbestimmten längeren Pulsbreite oder ein zweites Pulssignal mit einer anderen vorbestimmten kürzeren Pulsbreite in Abhängigkeit von dem Pegel des Signals von einem der beiden Übertragungselemente (1, 3) erzeugt, wenn das Signal des anderen der beiden Übertragungselemente (3, 1) schaltet, so dass ein Schwellenwertpegel auf Seiten einer Steuereinrichtung ausreichend ist, und M5 die Drehrichtung des Getrieberotors (5) auf der Basis der längeren bzw. kürzeren Pulsbreite des ersten oder zweiten Pulssignals der Signalverarbeitungseinrichtung (13) bestimmt wird."

Wegen des Wortlauts der geltenden abhängigen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Einsprechenden und der Patentinhaberin wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1. Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig und führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

1.1 Die einfachen Formerfordernisse (Schriftlichkeit, Einhaltung der Frist, rechtzeitige Entrichtung der Einspruchsgebühr, Identifizierbarkeit des Einsprechenden, Geltendmachung eines gesetzlichen Einspruchsgrundes, Einspruchsberechtigung) hat die Einsprechende erfüllt. Sie gibt im Einspruchsschriftsatz vom 30. Januar 2006 auch im Einzelnen an, aus welchen Gründen sie der Meinung ist, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig (vgl. hierzu Diskussion der T1 im Einspruchsschriftsatz auf den Seiten 3 und 4). Aus dieser Darstellung der Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, ergibt sich erkennbar -obwohl nicht explizit ausgeführt -, dass die Einsprechende den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG geltend machen will.

2.

Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

2.1 Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 sind den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmbar.

Für die Merkmalsgruppen M1 bis M3 ergibt sich dies aus dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1. Soweit in der Merkmalsgruppe M3 zwei Veränderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Wortlaut vorgenommen wurden ("Pulssignale" statt "Pulssignal" und "Signale" statt "Rotationssignale") ist der so beanspruchte Gegenstand mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart (vgl. Seite 8, Zeilen 19 -25 und Seite 5, Zeilen 4 -11).

Für die Merkmalsgruppe M4 ergibt sich die ursprüngliche Offenbarung ebenfalls aus den ursprünglichen Unterlagen (vgl. dort Seite 5, Zeilen 4 bis 11 und 23 bis 28 sowie Seite 7, Zeile 15 bis Seite 8, Zeile 8 i. V. m. Seite 9, Zeilen 1 bis 6; die Tabellen 1 und 2 sowie Fig. 2). Gerade den Ausführungen auf Seite 9, Zeilen 1 bis 6 entnimmt der Fachmann -ein Ingenieur der Schaltungstechnik mit Fachhochschulausbildung, der mit der Entwicklung von Rotationserfassungs-Einrichtungen befasst ist -zur Überzeugung des Senates unmittelbar, dass die "vorbestimmten" Pulsbreiten im Sinne des Streitpatents eine längere und eine kürzere, jeweils einer Drehrichtung fest zugeordnete und von der Drehzahl des Messobjektes drehzahlunabhängige Pulsbreite darstellen, da andernfalls eine Drehrichtungsdetektion mittels eines Schwellwertpegels nicht möglich wäre (vgl. auch Seite 8, Zeilen 13 bis 14 der ursprünglichen Unterlagen: "...mit einer Pulsbreite entsprechend der Drehrichtung des Getrieberotors 5...").

Die Merkmalsgruppe M5 schließlich findet ihre Offenbarung ebenfalls in den vorgenannten Stellen der ursprünglichen Unterlagen, insbesondere auf Seite 8, Zeilen 4 bis 17 und Seite 9, Zeilen 1 bis 6.

Für die Ursprungsoffenbarung der abhängigen Ansprüche sei verwiesen auf folgende Abschnitte der ursprünglich eingereichten Unterlagen:

Patentansprüche 2 und 3: Seite 5, Zeile 4 bis Seite 7, Zeile 13 sowie die Tabelle 1 (für PA 2) und Tabelle 2 (für PA 3), Patentanspruch 4: Seite 9, Zeilen 8 -11.

2.2 Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 wird durch den geltenden Patentanspruch 1 in zulässiger Weise beschränkt.

Die im geltenden Patentanspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung in die Merkmalsgruppen M4 und M5 aufgenommenen Merkmale (vgl. Merkmalsgliederung in Abschnitt I.) beschränken den erteilten Patentgegenstand auf Lösungen, bei denen die Signalverarbeitungseinrichtung Pulssignale mit einer längeren Pulsbreite bzw. einer kürzeren Pulsbreite in einer Weise erzeugt, dass ein Schwellwertpegel auf Seiten einer Steuereinrichtung ausreichend ist.

3.

Stand der Technik Der Senat sieht in der Druckschrift T3 (DD 223 827 A1) den nächstkommenden Stand der Technik.

Diese Druckschrift zeigt eine Schaltungsanordnung zum Feststellen der Drehrichtung einer Maschine, mithin eine Rotationserfassungseinrichtung (vgl. Titel, Merkmal M1).

Zwar kann der Druckschrift T3 die Verwendung zweier Übertragungselemente (hier Impulsgeber) entnommen werden (vgl. bspw. Seite 3, letzter Absatz), zur Anordnung dieser Übertragungselemente verhält sich die Druckschrift nur insoweit, als sie "um 90¡ phasenverschoben arbeitend angeordnet" sind (vgl. ebenda; Merkmal M2tlw).

Eine Signalverarbeitungseinrichtung, im Falle der Druckschrift T3 i. W. bestehend aus einem D-Flip-Flop (vgl. dort Fig. 1), ist mit dem ersten und dem zweiten Übertragungselement verbunden (vgl. ebenda sowie Seite 3, unten bis Seite 4, oben). Im Falle einer "richtigen" Drehrichtung erzeugt die Signalverarbeitungseinrichtung ein Gleichstromsignal, somit kein Signal, das der Fachmann als Pulssignal ansehen würde, da letzteres aus Sicht des Fachmanns durch eine sich wiederholende Amplitudenänderung gekennzeichnet ist (vgl. Fig. 2, Signal "I", linker Teil). Im Falle einer "falschen" Drehrichtung erzeugt die Signalverarbeitungseinrichtung hingegen ein Pulssignal auf der Basis von durch das erste Übertragungselement und das zweite Übertragungselement erzeugten Signalen (vgl. Figur 2, rechter Teil; Merkmal M3tlw).

Die Signalverarbeitungseinrichtung nach der Druckschrift T3 erzeugt (im Falle der "falschen" Drehrichtung) einen Pulszug in Abhängigkeit von dem Pegel des Signals von einem der beiden Übertragungselemente, wenn das Signal des anderen der beiden Übertragungselemente schaltet (vgl. Fig. 2, rechter Teil, Signal I; Merkmal M4tlw.). Die Pulsbreite dieses Pulszuges nimmt, abhängig von der Drehzahl, einen Wert aus einem Werteintervall an, dessen Grenzen sich aus der niedrigsten bzw. der höchsten verarbeitbaren Drehzahl ableiten (vgl. Fig. 1 und Seite 4, Zeilen 10 -14;). Damit zeigt die Druckschrift T3 keine Generierung eines Pulssignals mit einer vorbestimmten Pulsbreite im oben erläuterten allgemeinen Verständnis einer Pulsbreite, welcher einer Drehrichtung fest zugeordnet und von der Drehzahl des Messobjektes drehzahlunabhängig ist.

Die Drehrichtung des Messobjekts wird nach der Lehre der Druckschrift T3 nicht auf der Basis der Pulsbreite eines Pulssignals der Signalverarbeitungseinrichtung bestimmt, sondern aufgrund der Tatsache, dass bei einer Drehrichtung ein Gleichstromsignal und bei der anderen Drehrichtung ein gepulstes Signal ausgegeben wird (vgl. Seite 4, Z. 1 bis 22 i. V. m. Fig. 1; Merkmal M5 nicht).

Die weiteren Druckschriften haben -im Zusammenhang mit der vorliegenden Anspruchsfassung -in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte. Sie liegen weiter ab, da sie andere Konzepte der Drehrichtungsdetektion zeigen und allesamt keine Auswertung des Signals eines Übertragungselementes zum Zeitpunkt des Schaltens eines zweiten Übertragungselementes lehren.

4.

Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt als neu, da weder die Druckschrift T3, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt, noch eine der übrigen im Einspruch genannten Druckschriften alle seine Merkmale zeigt.

5.

Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruches 1 ergab sich am Anmeldetag für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Ausgehend von einer Rotationserfassungseinrichtung, wie sie in der Druckschrift T3 angesprochen ist, ergibt sich für den Fachmann kein Anlass, das dort gelehrte Konzept der Signalisierung einer Drehrichtung durch die Ausgabe entweder eines Gleichstromsignals (für die eine Drehrichtung) oder eines von der Drehzahl des Messobjektes abhängigen Pulszuges (für die andere Drehrichtung) derart abzuändern, dass 1.

für beide Drehrichtungen jeweils ein Pulszug ausgegeben wird, 2.

die Pulsbreiten dieser Pulszüge einen vorbestimmten kürzeren bzw. einen vorbestimmten längeren drehzahlunabhängigen Wert annehmen und 3.

die Drehrichtung auf Basis dieser kürzeren bzw. längeren Pulsbreiten detektiert wird.

Alle drei Schritte müsste der Fachmann jedoch unternehmen, um wenigstens die Merkmalsgruppen M4 und M5 des geltenden Patentanspruchs 1 zu realisieren. Abgesehen davon, dass ihm für diese "Umkonstruktion" der Lehre der Druckschrift T3 jede Veranlassung fehlt, erforderten diese Änderungen am Gegenstand der Druckschrift T3 erhebliche Eingriffe in die dort gezeigte Struktur. So kann die Vorrichtung nach der Druckschrift T3 gar keine Drehrichtungsdetektion aufgrund zweier Pulszüge, die sich hinsichtlich ihrer Pulsbreiten unterscheiden durchführen, sie würde für beide Drehrichtungen stets ein H-Potential an ihrem Ausgang liefern (vgl. Seite 4, Z. 10 bis 18).

Auch die anderen von der Einsprechenden genannten und vom Senat berücksichtigten Druckschriften können keine Anregung für ein solches Vorgehen liefern.

6.

Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 sind ebenfalls patentfähig. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1.

7.

Die geltende Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Mayer Dr. Mittenberger-Huber Gottstein Musiol Fa






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Az: 20 W (pat) 317/06


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