Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2010
Aktenzeichen: 6 W (pat) 309/06

(BPatG: Beschluss v. 09.02.2010, Az.: 6 W (pat) 309/06)

Tenor

Das Patent 100 05 979 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

- Patentansprüche 1 bis 12 vom 2. Februar 2010, am 3. Februar 2010 per Fax eingereicht,

- übrige Unterlagen wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das am 20. Oktober 2005 veröffentlichte Patent 100 05 979 mit der Bezeichnung "Kugelgelenk" ist am 8. Dezember 2005 Einspruch eingelegt worden.

Die Einsprechende stützt ihren Einspruch auf Druckschriften, die zusätzlich zu denjenigen, bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten genannt worden sind. Sie bringt vor, demgegenüber sei der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht patentfähig.

Im Prüfungsverfahren genannte Druckschriften:

P1 DE19639626A1 P2 DE19842198A1 P3 US3588201 P4 US 26 64 029.

Im Einspruchsverfahren genannte Druckschriften:

E1 DE19952427A1 E2 DE29702965A1 E3 DE4445251A1 E4 EP0836019A1 E5 DE1977638U E6 DE19647024A1 E7 DE 197 05 061 A1 sowie die vom Senat eingebrachte E8 EP 82 638 A1.

Die Einsprechende trägt vor, das anspruchsgemäße Kugelgelenk sei nicht neu gegenüber dem aus der nachveröffentlichten DE 199 52 427 A1 (E1) bekannten Gelenk. Unabhängig davon fehle dem Streitgegenstand auch die Erfindungshöhe gegenüber der im Verfahren vor dem Bundespatentgericht eingebrachten Druckschrift E8, nachdem daraus die wesentlichen Merkmale eines anspruchsgemäßen Kugelgelenks bekannt seien.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten: Patentansprüche 1 bis 12 vom 2. Februar 2010, per Fax eingegangen am 3. Februar 2010, hilfsweise Patentansprüche 1 bis 11 vom 2. Februar 2010 gem. Hilfsantrag, ebenfalls eingegangen am 3. Februar 2010, übrige Unterlagen jeweils wie erteilt.

Die Patentinhaberin widerspricht der Einsprechenden. Sie bringt vor, das Kugelgelenk nach dem geltenden Patentanspruch 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn weder aus der E8 noch aus einer der anderen genannten Entgegenhaltungen gehe ein Kugelgelenk mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 für sich hervor, noch könnten die im Verfahren genannten Druckschriften ein solches Kugelgelenk nahelegen.

Der geltende Anspruch 1, in Form der durch die Einsprechenden erfolgten Gliederung, hat folgenden Wortlaut: wobei M1 Kugelgelenk M2 bestehend aus einem wenigstens einseitig offenen Gelenkgehäuse (1)

M3 mit einer Gehäuseausnehmung (2), einem in der Gehäuseausnehmung mit seiner mit einem M5 Oberflächenschutz M4 versehenen Gelenkkugel (3) gelagerten Gelenkzapfen (4), M6 dessen Zapfenabschnitt aus einer Gehäuseöffnung (18)

herausragt, M7 einer zwischen dem Gelenkgehäuse und der Gelenkkugelangeordneten Lagerschale (5)

M8 sowie einem in das Gelenkgehäuse (1) einzusetzenden, die Gehäuseausnehmung des Gelenkgehäuses verschließenden und die darin eingeordnete Lagerschale verspannenden Verschlussring (7), M9 der Verschlussring (7) mit einer Innenfläche (13) des Gelenkgehäuses (1) lagefixiert in Eingriff gebracht ist M10 und mit seiner Innenkontur durch eine Abschrägung oder einen ausgebildeten Radius der Außenkontur der Lagerschale (5) im Wesentlichen folgtdadurch gekennzeichnet, dass M11 der Verschlussring auf der Seite der Gehäuseöffnung (18), durch die der Zapfenabschnitt des Gelenkzapfens (4) aus dem Gelenkgehäuse (1) herausragt, eine unter elastischer Vorspannung an der Gelenkkugel (3) anliegende Dichtlippe (17) aufweist und M12 dass die Lagerschale (5) in dem an der Innenkontur des Verschlussringes (7) anliegenden Bereich (15) eine gegenüber ihrer sonstigen Wandstärke reduzierte Wandstärke aufweist.

Hieran schließen sich die erteilten rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 an.

Bezüglich deren Wortlauts sowie wegen der weiteren Äußerungen der Beteiligten wird auf die Akten verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Der Einspruch wurde fristgerecht erhoben und ist mit Gründen versehen. Er ist damit zulässig, was von der Patentinhaberin auch nicht bestritten worden ist.

3.

Der erteilte Patentanspruch ist sprachlich geringfügig abgeändert, entspricht aber inhaltlich der ursprünglich eingereichten Fassung. Gegenüber seiner erteilten Fassung wurden die Merkmale des erteilten Anspruchs 11 beschränkend aufgenommen. Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 sowie 12 und 13 bleiben als neue Ansprüche 2 bis 12 unverändert.

4.

Als zuständigen Durchschnittsfachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich Wälzlager anzusehen.

5.

Die nachveröffentlichte DE 199 52 427 A1 (E1) offenbart ein Kugelgelenk mit praktisch allen Merkmalen nach Anspruch 1 des Streitpatents. Bei diesem Kugelgelenk wird vorgeschlagen, den Gelenkzapfen und die Gelenkkugel aus einem korrosionsbeständigen Werkstoff herzustellen, bevorzugt aus Edelstahl. Damit werde unter anderem einer Spaltkorrosion entgegengewirkt, die sich bei starkem Feuchtigkeitseinfluss zwischen dem Gelenkzapfen und der Abdichtmanschette ausbilden könne und die ebenfalls zu Undichtigkeiten bzw. zum Eindringen von Feuchtigkeit ins Gelenkinnere führen könne. Damit ist das Merkmal M5: "mit einem Oberflächenschutz versehene Gelenkkugel" nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Außerdem weist die Lagerschale 14 nach der E1 erkennbar im Bereich des Verschlussringes keine verringerte Wandstärke auf. Dementsprechend ist ein Kugelgelenk nach dem geltenden Anspruch 1 des Streitpatents diesem Technikstand gegenüber neu.

Die ebenfalls nachveröffentlichte DE 198 42 198 A1 (P2) geht auf die Streitpatentinhaberin zurück und offenbart eine zum Streitpatent identische Ausbildung eines Kugelgelenks, bei dem allerdings ein Oberflächenschutz i. S. des Streitpatents nicht angesprochen wird. Zu den weiteren von der Einsprechenden genannten Entgegenhaltungen wurde fehlende Neuheit nicht vorgetragen. Das Kugelgelenk nach Streitpatent ist diesen gegenüber auch neu, wie der Senat überprüft hat und aus den weiteren Ausführungen hervorgeht.

6. Ein Kugelgelenk mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 1 ist auch das Resultat einer erfinderischen Tätigkeit. Der nächstkommende Stand der Technik wird durch ein Kugelgelenk entsprechend der EP 0 082 638 A1 (E8) repräsentiert. Daraus ist bekannt ein M1 Kugelgelenk M2 bestehend aus einem wenigstens einseitig offenen Gelenkgehäuse 11 M3 mit einer Gehäuseausnehmung 12, 13, M4 einem in der Gehäuseausnehmung mit einer Gelenkkugel 16 gelagerten Gelenkzapfen 18, M6 dessen Zapfenabschnitt aus einer Gehäuseöffnung herausragt, M7 einer zwischen dem Gelenkgehäuse und der Gelenkkugel angeordneten Lagerschale 14 M8 sowie einem in das Gelenkgehäuse einzusetzenden, die Gehäuseausnehmung des Gelenkgehäuses verschließenden und die darin eingeordnete Lagerschale verspannenden Verschlussring 21, wobei M9 der Verschlussring 21 mit einer Innenfläche 13 des Gelenkgehäuses 11 lagefixiert in Eingriff gebracht ist (S. 4, 3. Abs.)

M10 und mit seiner Innenkontur durch eine Abschrägung oder einen ausgebildeten Radius der Außenkontur der Lagerschale 14 im Wesentlichen folgt.

Das Merkmal M5 des "Oberflächenschutzes" geht daraus ebenso wenig hervor, wie die Merkmale M11 (Dichtlippe) und M12 (reduzierte Wandstärke der Lagerschale im Bereich des Verschlussringes). Das Merkmal M5 (Oberflächenschutz) ist einzig bei einem Kugelgelenk nach der auf die Streitpatentinhaberin zurückgehenden DE 19 77 638 U (E5) verwirklicht, zusammen mit den allgemeinen Merkmalsgruppen M1 bis M4 und M6 sowie M7. Das Merkmal M11 (Dichtlippe) ist allein bei einem Kugelgelenk nach der EP 0 836 019 A1 (E4) bekannt. Dieses Kugelgelenk verfügt mit Ausnahme des Oberflächenschutz ansonsten über die gleichen Merkmale, wie das oben angeführte Kugelgelenk nach der E5. Das Merkmal M12 "dass die Lagerschale in dem an der Innenkontur des Verschlussringes anliegenden Bereich eine gegenüber ihrer sonstigen Wandstärke reduzierte Wandstärke aufweist" kann dem gesamten nachveröffentlichten Stand der Technik nicht entnommen werden. Der hier tätige Fachmann erhält daraus auch keinerlei Anregungen, welche ihn zu einer solchen Ausgestaltung führen könnten, denn weder bei einem Kugelgelenk nach der E2 noch bei denjenigen nach der E4 bis E7 bzw. bei denjenigen, welche im Prüfungsverfahren nachgewiesen wurden, liegen Lagerschale und Verschlussring, soweit überhaupt vorhanden, radial zueinander. Eine solche relative Lage ist einzig einem Kugelgelenk nach der E3 zu entnehmen, allerdings ist auch dort eine Wandstärkenreduzierung der Lagerschale i. S. des Streitpatents weder gezeigt noch beschrieben. Auch die E8 gibt keine Anregung zu einem solchen Vorgehen. Die Einsprechende hat in der Verhandlung darauf hingewiesen, bei einer Kugelgelenksausbildung, entsprechend der EP 0 082 638 A1 (E8, vgl. Figuren 1 und 2) werde im Bereich der gegenseitigen Überdeckung von Lagerschale und Verschlussring bereits eine Materialersparnis durch Wandstärkenreduzierung des dort abgebildeten Verschlussringes erreicht. Der Fachmann könne daraus ohne erfinderisches Zutun auch die Lehre ziehen, anstatt beim Verschlussring die Wandstärke der Lagerschale dünner auszubilden. Ein solches Vorgehen respektive ein solcher Vergleich wird nach Auffassung des Senats der im Streitpatent beschriebenen Problemstellung allerdings nicht gerecht, denn während die mindere Wandstärke im Stand der Technik in erster Linie der Herstellung einer flexiblen, übereinander schiebbaren und danach einschnappenden Klipsverbindung dient, soll gemäß Streitpatent eine Lösung gefunden werden, deren Vorteile -Herabsetzung der Axialelastizität -im Absatz [0034] der Patentschrift beschrieben sind und die im Stand der Technik ohne Vorbild sind. Das bedeutet, dass der Fachmann auch im Falle einer Zusammenschau von mehreren der oben beschriebenen Kugelgelenke keine Hinweise für eine anspruchsgemäße Gestaltung eines Kugelgelenks erhalten würde.

Der geltende Anspruch 1 ist daher gewährbar.

Damit sind auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 gewährbar, da sie zweckmäßige Ausgestaltungen des Kugelgelenks nach dem geltenden Anspruch 1 zum Inhalt haben.

Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Diskussion des gestellten Hilfsantrags. Nach alledem war das Patent im beantragten Umfang beschränkt aufrecht zu erhalten.

Schneider Guth Hildebrandt Ganzenmüller Cl






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