Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2004
Aktenzeichen: 11 W (pat) 60/01

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2004, Az.: 11 W (pat) 60/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C22C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2001 aufgehoben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 12, der Beschreibung Seiten 1 bis 7 (8 Blatt) sowie den Zeichnungen Figuren 1 bis 6 jeweils vom 10. Mai 2004 erteilt.

Bezeichnung:

Verfahren zur Herstellung von faserverstärkten metallischen Bauteilen.

Anmeldetag: 06. Februar 2000.

Innere Priorität: vom 09. Februar 1999, Aktenzeichen DE 199 05 100.3.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 12 vom 10. Mai 2004 Beschreibung Seiten 1 bis 7 (8 Blatt) vom 10. Mai 2004 Zeichnungen, Figuren 1 bis 6 vom 10. Mai 2004.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse C 22 C des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 29. August 2001 die am 06. Februar 2000 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität DE 199 05 100.3 vom 09. Februar 1999 eingereichte, am 10. August 2000 offengelegte Patentanmeldung DE 100 05 250 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung von faserverstärkten metallischen Bauteilen" gemäß § 48 PatG mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 12 gegenüber der DE 43 35 557 C1 (1) und der DE 22 26 863 A (2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie legt ein neues Patentbegehren vor und macht dazu geltend, dass der Stand der Technik, gemäß (1) faserverstärkte Metallbauteile mit komplexer räumlicher Geometrie nur durch ein aufwendiges, für große Stückzahlen nicht geeignetes Herstellverfahren erlaube, bei dem im Gegensatz zur Erfindung ein Bauteilhohlraum geschaffen und mit Langfasern ausgefüllt, dieses Werkstück heißisostatisch gepresst und danach die Bauteilaußenkontur durch Bearbeitung hergestellt werde, während erfindungsgemäß die Fasern zwischen einem Profil- und einem Gegenstück angeordnet, diese Einheit zwischen Formwerkzeugen unter Druck, Temperatur und Vakuum bis zur komplexen Bauteilgeometrie plastisch umgeformt und erst dann die Einheit durch höheren Druck und/oder Temperatur zu einem konsolidierten monolithischen Teil verdichtet werde, wodurch das Verfahren ökonomisch auch für MMC-Teile geeignet sei. Die Entgegenhaltung (2) lege das beanspruchte Verfahren ebenfalls nicht nahe, weil es nicht die Herstellung komplexer räumlicher Geometrien betreffe, sondern einfache halbzeugartiger Profilstücke mit gleichförmigem Querschnitt, die durch Walzen, Ziehen, Extrudieren oder Strangpressen umgeformt werden, wobei die Fasern zuvor beispielsweise in Vertiefungen zwischen zwei Werkstückteilen eingelegt worden seien. Eine Trennung des Verfahrensablaufes in zunächst formgebende plastische Umformung einerseits und nachfolgende Verdichtung zum stoffschlüssigen monolithischen Bauteil andererseits, wie sie den Kern des beanspruchten erfindungsgemäßen Verfahren bilde, sei aus (2) weder bekannt noch nahegelegt. Deshalb beruhe das beanspruchte Verfahren auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 12, der Beschreibung Seiten 1 bis 7 (8 Blatt) sowie den Zeichnungen Figuren 1 bis 6 jeweils vom 10. Mai 2004 zu erteilen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

1. Verfahren zur Herstellung von faserverstärkten metallischen Bauteilen mit komplexer, räumlicher Geometrie, bei dem metallbeschichtete SiC- Faserabschnitte - hier SiC - Fasern genannt - durch Druckeinwirkung bei hoher Temperatur in Vakuum miteinander sowie mit dem Bauteilmetall stoffschlüssig verbunden werden, mit folgenden Verfahrensschritten:

A) Auf ein metallisches Profilstück (1,2,3) mit einfacher Geometrie werden metallbeschichtete SiC - Fasern (4,5,6) in gewünschter Anzahl, Verteilung und Orientierung aufgebracht und mit einem danach auf dem Profilstück (1,2,3) fixierten, metallischen Gegenstück (7,8,9) zwangsfrei gehalten, B) die Einheit (10) aus Profilstück, Fasern und Gegenstück (2,5,8) wird zwischen Formwerkzeugen (12,13) unter Druck bei erhöhter Temperatur in Vakuum plastisch bis zum Erreichen der gewünschten komplexen Geometrie umgeformt bis die Einheit (10) vollständig plastisch umgeformt ist, d.h. vollflächig an den Kontaktflächen der Formwerkzeuge (12,13) anliegt, wobei noch keine nennenswerte stoffschlüssige Verbindung der Fasern (5) untereinander sowie der Fasern (5) mit dem Bauteilmetall entsteht, C) durch Erhöhung des Druckes und / oder der Temperatur die umgeformte Einheit (10) zwischen den Formwerkzeugen (12,13) weiter verdichtet und durch metallischen Stoffschluss (Diffusionsschweißen) zu einem monolithischen Teil (11,15) konsolidiert, wobei - nach Abkühlung und Entnahme aus den Formwerkzeugen (12,13) - das Teil alleine oder in stoffschlüssiger Verbindung mit weiteren Teilen das Bauteil (16) bildet.

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 betreffen Ausbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1.

Es liegt die Aufgabe vor, ein Verfahren zur Herstellung von SiC - faserverstärkten metallischen Bauteilen anzugeben, welches speziell bei dreidimensionalen Geometrien die Erzeugung von definierten Faserverstärkungen auf reproduzierbare und ökonomische Weise ermöglicht und somit die Anwendung der MMC-Technik auf eher komplex geformte Bauteile erstmalig wirklich sinnvoll macht.

Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (FH) für Werkstofftechnik, der über langjährige Erfahrung in der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von faserverstärkten Metallbauteilen verfügt.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet.

Die geltenden Ansprüche leiten sich aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen her, sie sind formal zulässig. Der Anspruch 1 entspricht dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 unter ergänzender Aufnahme des Beschreibungsmerkmals von Seite 5, Zeilen 5 und 6 "bis die Einheit (10) vollständig plastisch umgeformt ist, d.h. vollflächig an den Kontaktflächen der Formwerkzeuge (12,13) anliegt", im Anspruchsmerkmal B). Die Ansprüche 2 bis 12 entsprechen deren ursprünglich eingereichter Anspruchsfassung.

Das Verfahren nach Anspruch 1 ist offensichtlich gewerblich anwendbar, es ist gegenüber dem Stand der Technik auch neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Entgegenhaltungen (1) und (2) sowie die von der Anmelderin noch genannte DE 43 24 755 C1 (3) betreffen allesamt kein Verfahren, bei dem zuerst eine Einheit aus Profilstück, Fasern und Gegenstück zwischen Formwerkzeugen unter Druck bei erhöhter Temperatur in Vakuum plastisch bis zum Erreichen einer gewünschten komplexen Geometrie umgeformt wird, also bis die Einheit plastisch vollständig so weit umgeformt ist, dass sie vollflächig an den Kontaktflächen der Formwerkzeuge anliegt, und zwar ohne dass dabei eine nennenswerte stoffschlüssige Verbindung der Fasern untereinander sowie der Fasern mit dem Bauteilmetall entsteht und erst danach durch Erhöhung des Druckes bzw. der Temperatur die umgeformte Einheit zwischen den Formwerkzeugen weiter verdichtet und durch metallischen Stoffschluss zu einem monolithischen Bauteil konsolidiert wird.

Bei dem Verfahren nach der DE 43 35 557 C1 (1) wird ein Werkstück zunächst mit einem gegenüber dem herzustellenden Bauteil im Querschnitt kleineren Hohlraum erzeugt und dieser mit beschichteten Langfasern ausgefüllt, bevor diese Einheit eingekapselt und heißisostatisch gepresst wird um zuletzt zur Erzeugung der Bauteilaußenkontur bearbeitet zu werden. Somit findet hier die Konsolidierung, d.h. die Bildung der stoffschlüssigen Verbindung zwischen den Faser und mit dem Bauteilmetall zum monolithischen Teil durch heißisostatisches Pressen statt, bevor die gewünschte komplexe Bauteilgeometrie durch Bearbeitung und nicht durch plastische Umformung hergestellt wird. Dieses Verfahren kann somit das Beanspruchte nicht nahe legen.

Nach der DE 22 26 863 A (2) werden zwei Werkstückteile mit dazwischen angeordneten vorzugsweise beschichteten Faserlagen mechanisch fest miteinander verbunden, wobei hierfür ein Walz- oder Ziehprozess, ein Extrudieren oder Strangpressen bzw. mehrmaliges Walzen mit Plattiervorgang sowie gegebenenfalls jeweils noch gefolgt von einer Wärmebehandlung mit oder ohne Schutzgas Verwendung finden.

Die Einheit aus den zwei Werkstückteilen mit den eingeschlossenen Fasern wird also nicht zwischen zwei Formwerkzeugen im Vakuum plastisch bis zum Erreichen einer komplexen Bauteilgeometrie umgeformt bis die Einheit vollflächig an den Kontaktflächen der Formwerkzeuge anliegt, sondern gewalzt, gezogen, extrudiert oder stranggepresst wobei gleichzeitig auch schon die stoffschlüssige Verbindung der Fasern untereinander sowie mit dem Bauteilmetall gebildet wird, was nach Anspruch 1 erst nach Beendigung der plastischen Formgebung durch Erhöhung von Druck und / oder Temperatur zwischen den Formwerkzeugen durch weitere Verdichtung zum metallischen Stoffschluss und monolithischer Bauteilkonsolidierung führt. Der beanspruchte Verfahrensablauf ist somit durch den aus (2) bekannten ebenfalls nicht nahegelegt.

Dies gilt um so mehr, als offensichtlich durch das aus (2) bekannte Verfahren und dessen mechanische Umformverfahren nur halbzeugartige Profilstücke mit einfacher Geometrie und gleichförmigem Querschnitt hergestellt werden können, während im Gegensatz dazu nach dem beanspruchten Verfahren komplexe Bauteilgeometrien, also mit sich dreidimensional ändernder Oberflächenkontur und ungleichförmigem Querschnittsverlauf wie zum Beispiel Triebwerksschaufeln hergestellt werden sollen, was nach dem Verfahren gemäß (2) nicht möglich ist.

Das Verfahren gemäß der DE 43 24 755 C1 (3), die von der Anmelderin genannt wurde, betrifft das Bewickeln der zylindrischen oder ringförmigen Vorform von Triebwerkskomponenten, wie zum Beispiel von scheibenlosen Laufrädern, mit beschichteten Fasern sowie deren anschließendes Abdecken mittels Folien, Bändern, Drähten, aufgesinterten Pulvern oder atomisierter Matrixlegierungsbeschichtung sowie nachfolgendem heißisostatischen Pressen der abgedeckten Vorform.

Dieses bekannte Verfahren ist für räumlich komplex geformte MMC-Bauteile mit SiC - Fasern wie beispielsweise Triebwerksschaufeln nicht ökonomisch einsetzbar und kann das erfindungsgemäße Verfahren nicht nahe legen.

Somit beruht das Verfahren nach Anspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik und dem beim Fachmann vorauszusetzenden Wissen und Können auf einer patentbegründenden erfinderischen Tätigkeit, weil auch die Zusammenschau der genannten Schriften nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 führen kann.

Der Anspruch 1 ist deshalb gewährbar.

Mit ihm sind das auch die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12.

Nach alledem war dem Beschwerdeantrag der Anmelderin zu folgen.

Dellinger Dr. Henkelv. Zglinitzki Schmitz Bb






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2004
Az: 11 W (pat) 60/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/46eae173c799/BPatG_Beschluss_vom_10-Mai-2004_Az_11-W-pat-60-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share