Bundespatentgericht:
Urteil vom 3. Februar 2011
Aktenzeichen: 2 Ni 5/10

(BPatG: Urteil v. 03.02.2011, Az.: 2 Ni 5/10)

Tenor

I. Das Patent DE 197 27 527 wird im Umfang des Patentanspruchs 1 teilweise für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1 trägt der Beklagte. Von den Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 2 trägt der Beklagte und die Klägerin zu 2 .

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 30. Juni 1997 angemeldeten Patents DE 197 27 527 C 2 (Streitpatent), dessen Erteilung am 14. Oktober 1999 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent hat die Bezeichnung: "Auf der Retroreflexion eines Laserstrahlers basierende Sensoreinrichtung" und umfasst 2 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Sensoreinrichtung, die auf der Retroreflexion eines Laserstrahles basiert, mit Mikrotripelrückstrahler, dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen Mikrotripel (9) jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen (4, 5, 6) einer Würfelecke gebildet werden und die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, und dass der Laserstrahl mindestens fünf Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt."

Zum Wortlaut des auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteranspruchs 2 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin zu 2 hat hiergegen Teilnichtigkeitsklage in Bezug auf Patentanspruch 1 erhoben. Die Klägerin zu 1 hat in ihrer Klageschrift das Patent zunächst in vollem Umfang angegriffen, in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2011 jedoch ihre Klage teilweise, nämlich in Bezug auf den Patentanspruch 2 des Streitpatents zurückgenommen.

Beide Klägerinnen machen übereinstimmend geltend, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig; die Klägerin zu 1 beruft sich darüber hinaus auch auf fehlende Neuheit dieses Patentanspruchs gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik. Die Klägerinnen beziehen sich dabei zur Begründung auf folgende Druckschriften und Unterlagen:

NK 1: Registerauszug zum Streitpatent NK 2: Streitpatentschrift DE 197 27 527 C2 NK 3: mit Merkmalsgliederung versehener Patentanspruch 1 des Streitpatents NK 4: DE2159950B2 NK 5 = A3: DE 297 01 903 U1 NK 6 = D 1: Aufsatz von Th. Schaller u. a. "Mechanische Mikrostrukturierung metallischer Oberflächen", F&M 102 (1994) 5-6, S. 274 bis 278 NK 7 = D 2: Aufsatz von W. Bier u. a. "Mechanische Mikrofertigung -Verfahren und Anwendungen", 1. Statuskolloquium des Projektes Mikrosystemtechnik, 23./24. September 1993, Kernforschungszentrum Karlsruhe, KfK 5238 NK 8 = D 4: DE 80 21 085 U1 NK 9 = D 6: DE 1 228 967 NK 10: JP 06-273608 A, mit englischsprachigem Abstract und Computerübersetzung D 3: WO 94/18581 A1 D 5: DE 2236 482 A Außerdem haben die Klägerinnen folgende weitere, das Prüfungsverfahren in der parallelen europäischen Patentanmeldung betreffende Unterlagen eingereicht:

A 1: EP 0 889 334 A1 (europäische Offenlegungsschrift mit Priorität der zum Streitpatent gehörigen Patentanmeldung) A 2: Recherchebericht des europäischen Patentamts vom 28. Oktober 1998 A 4: Bescheid des europäischen Patentamts vom 15. Juni 2000 A 5: Stellungnahme vom 12. Oktober 2000 A 6: Bescheid des europäischen Patentamts vom 24. November 2000 A 7: Stellungnahme vom 06. März 2001 Zusätzlich hat die Klägerin zu 1 auf die erstmals von dem Beklagten genannten Druckschriften NB 10 und NB 11 (siehe unten) verwiesen.

Im deutschen Prüfungsverfahren ist zusätzlich folgende Druckschrift genannt worden:

DE 4240 680 A.

Beide Klägerinnen stellen den Antrag, das deutsche Patent 197 27 527 im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären.

Der Beklagte stellt den Antrag, 1.

die Klage abzuweisen, 2.

der Klägerin zu 2 die Kosten der Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 ZPO aufzuerlegen.

Der Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält Patentanspruch 1 des Streitpatents für patentfähig. Dazu hat er ferner folgende Unterlagen eingereicht:

NB 1: Haken/Wolf, Atomund Quantenphysik, 4. Auflage 1990, erste Seite aus Kap. 21 "Der Laser" NB 2: Urteil LG Düsseldorf 4a 0 3/09, Seiten 1 bis 7 und 40 bis 43 NB 3: Kunststoffe. Plexiglas-Formmasse. Spritzgießen von Rückstrahlern; Prospekt der Röhm GmbH Chemische Fabrik, mit Adressenangabe D-6100 Darmstadt auf der letzten Seite NB 4: Messkurven des Patentinhabers zum Vergleich der Reflektivität von Mikrotripeln und Reflexkugeln NB 5: vom Patentinhaber angefertigte Darstellungen einer Lichtschranke, der Lichtreflexion durch Fullcube Tripel, sowie der Reflexionseigenschaften in Abhängigkeit von der Zahl der Tripel in Bezug zum Durchmesser des Laserstrahls NB 6: Aufsatz von W.H. Venable u. a "Factors affecting the metrology of retroreflecting materials", Applied Optics, Vol. 9, No. 8, 15. April 1980, S. 1242 bis 1246 NB 7: DIN67520 NB 8: Aufsatz von Norbert Aldiek "Reflexionen -Der effektive Einsatz von Tripelreflektorarrays in Lichtschranken", ohne Quellenund Datumsangabe NB 9: Aufsatz von G. Hege u. a. "Polarisationseigenschaften von Tripelprismen -Angabe experimentell bestätigter Bauteilmatrizen", Optik 47 (1977) No. 2, S. 167 bis 184 NB 10: Bernhard Krieg, Automatisieren mit Optoelektronik, Vogel Buchverlag, 1. Auflage 1992, Seiten 45 bis 54, NB 11: Naumann / Schröder, Bauelemente der Optik, Taschenbuch der technischen Optik, 6. neubearbeitete Auflage, Carl Hanser Verlag 1992, Seiten 541 bis 550, NB 12: Laser Reflexions-Lichtschranke, Prospekt der Fa. Leuze electronic GmbH (zum Gegenstand eines parallelen Patentverletzungsverfahrens)

Hilfsweise beantragt er, dem Streitpatent eine der Fassungen der Patentansprüche der mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2010 vorgelegten Hilfsanträge 1 bzw. 2 und 3 -welche in der mündlichen Verhandlung zu Hilfsanträgen 3 bis 4 umnummeriert worden sind -sowie des in der mündlichen Verhandlung neu überreichten Hilfsantrags 2 zu geben.

Den ursprünglich gestellten und dann umnummerierten Hilfsantrag 5 hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Der Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags lautet (mit hervorgehobenen Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents):

"Sensoreinrichtung zur Feinabtastung, die auf der Retroreflexion und Polarisationsdrehung eines Laserstrahls basiert, mit Mikrotripelrückstrahler, wobei die einzelnen Mikrotripel (9) jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen (4, 5, 6) einer Würfelecke gebildet werden und die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, und wobei der Laserstrahl und die Schlüsselweite der Mikrotripel so aneinander angepasst sind, dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Retroreflektor in jeder Position mindestens fünf Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt."

Patentanspruch 1 des -in der mündlichen Verhandlung neu vorgelegten 2. Hilfsantrags lautet (mit hervorgehobenen Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents):

"Verwendung einer Sensoreinrichtung, die auf der Retroreflexion und Polarisationsdrehung eines Laserstrahls basiert, wobei die Sensoreinrichtung einen Mikrotripelrückstrahler aufweist, wobei die einzelnen Mikrotripel (9) jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen (4, 5, 6) einer Würfelecke gebildet werden und wobei die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, undwobei der Laserstrahl und die Schlüsselweite der Mikrotripel so aneinander angepasst sind, dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Rückstrahler in jeder Position mindestens 5 Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt, zur Beobachtung von Glaskörpern in einer Flaschenabfüllanlage."

Patentanspruch 1 des 3. Hilfsantrags lautet (mit hervorgehobenen Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags):

"Sensoreinrichtung zur Feinabtastung, die auf der Retroreflexion und Polarisationsdrehung eines gepulsten Laserstrahls basiert, mit Mikrotripelrückstrahler, wobei die einzelnen Mikrotripel (9) jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen (4, 5, 6) einer Würfelecke gebildet werden und die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, und wobei der Laserstrahl und die Schlüsselweite der Mikrotripel so aneinander angepasst sind, dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Retroreflektor in jeder Position mindestens fünf Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt."

Patentanspruch 1 des 4. Hilfsantrags lautet (mit hervorgehobenen Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags):

"Sensoreinrichtung zur Feinabtastung, die auf der Retroreflexion und Polarisationsdrehung eines Laserstrahls basiert, mit Mikrotripelrückstrahler, wobei die einzelnen Mikrotripel (9) jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen (4, 5, 6) einer Würfelecke gebildet werden und die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, und wobei der Laserstrahl und die Schlüsselweite der Mikrotripel so aneinander angepasst sind, dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Retroreflektor in jeder Position mindestens fünf Mikrotripel, aber nicht alle Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt."

Die Klägerin beantragt, auch insoweit das Streitpatent für nichtig zu erklären, hilfsweiseden Termin im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung neu vorgelegten Hilfsantrag 2 und eventuell notwendiger Recherchen zu vertagen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die auch seitens der Klägerin zu 1 nach erfolgter Teilrücknahme der Klage nur noch gegen den Patentanspruch 1 des Streitpatents gerichteten Teilnichtigkeitsklagen, mit der beide Klägerinnen den in § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorgesehenen Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 des Streitgegenstands geltend machen, sind zulässig und begründet.

I.

1. Das Streitpatent betrifft eine auf der Retroreflexion eines Laserstrahles basierende Sensoreinrichtung.

Gemäß Sp. 1 Abs. 2 ist es Ziel dieser Sensoreinrichtung, für die auf Retroreflexion und Polarisationsdrehung basierende Lasersensorik eine in der Praxis einfach zu handhabende retroreflektive Fläche zu schaffen, die ein konturenscharfes Lasersignal zur Auswertung liefert und damit wesentlich bessere, hochauflösende Feinabtastung ermöglicht.

In Sp. 1 Z. 11ff der Patentschrift werden verschiedene bekannte Rückstrahler beschrieben. Als bekannte Anwendungen in der Sensorik sind Reflexlichtschranken, Entfernungsmessung und Gasanalyse aufgeführt. Um Fehler bei der Signalauswertung zu vermeiden, werde der Laserstrahl oft zusätzlich polarisiert und/oder gepulst und/oder auf bestimmte Lichtspektren begrenzt. Entscheidend sei bei allen genannten Systemen, einen möglichst konturscharfen retroreflektierten Strahl für die Signalauswertung zu erhalten, der von Fremdlicht oder unerwünschten Reflexionsstrahlen unterscheidbar ist. Solche unerwünschten Reflexionsstrahlen entstünden z. B. bei der Beobachtung von Glaskörpern in einer Flaschenabfüllanlage und ebenso auf Metall-, Lackoder Kunststoff-Oberflächen. Die Feinauflösung des Reflexsensorsystems sei davon abhängig, dass der Retroreflektor ein konturscharfes, nicht mit Fremdstrahlung verwechselbares Signal erhalte. Daher werde bevorzugt Laserlicht verwendet. Jedoch seien herkömmliche Retroreflektoren in ausreichender Präzision zu unwirtschaftlich in der Herstellung oder veränderten den Laserstrahl nachteilig, wenn die Lichtquelle sich etwa durch Erschütterungen bewege.

2.

Es sei daher Aufgabe des Streitpatents (vgl. Streitpatentschrift Sp. 1 Z. 67 bis Sp. 2 Z. 3), eine wesentliche Verbesserung der Feinabtastung des Sensorsystems durch exakte Umlenkung des Laserstrahles im Retroreflektor und Rücksendung eines konturenscharfen Signals zu bewirken.

3.

Zur Lösung offenbart der erteilte Patentanspruch 1 eine 1) Sensoreinrichtung, die auf der Retroreflexion eines Laserstrahles basiert, 2) mit Mikrotripelrückstrahler, dadurch gekennzeichnet, dass 3) die einzelnen Mikrotripel jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen einer Würfelecke gebildet werden und 4) die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, 5) dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, 6) und dass der Laserstrahl mindestens fünf Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt.

Im Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags ist Merkmal 1) ersetzt durch 1I) Sensoreinrichtung zur Feinabtastung, die auf der Retroreflexion und Polarisationsdrehung eines Laserstrahls basiert, und Merkmal 6) ist ersetzt durch 6I) dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Retroreflektor in jeder Position mindestens fünf Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt.

Der Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrags ist gerichtet auf die 1II) Verwendung einer Sensoreinrichtung, die auf der Retroreflexion und Polarisationsdrehung eines Laserstrahls basiert, 2II) wobei die Sensoreinrichtung einen Mikrotripelrückstrahler aufweist, wobei 3) die einzelnen Mikrotripel (9) jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen (4, 5, 6) einer Würfelecke gebildet werden und wobei 4) die Projektionsfläche der einzelnen Mikrotripel auf die Rückstrahlerfläche jeweils ein gleichseitiges Sechseck bildet, 5) dessen Schlüsselweite 0,002 mm bis 1,4 mm beträgt, und 6II) wobei der Laserstrahl und die Schlüsselweite der Mikrotripel so aneinander angepasst sind, dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Rückstrahler in jeder Position mindestens 5 Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt, 7) zur Beobachtung von Glaskörpern in einer Flaschenabfüllanlage.

Der Patentanspruch 1 des 3. Hilfsantrags unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags dadurch, dass der verwendete Laserstrahl gepulst ist.

Der Patentanspruch 1 des 4. Hilfsantrags unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags dadurch, dass Merkmal 6I) ersetzt ist durch 6IV) dass der Laserstrahl bei einer Bewegung über den Retroreflektor in jeder Position mindestens fünf Mikrotripel, aber nicht alle Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich berührt.

4. Der hier zuständige Fachmann ist ein Ingenieur mit Fachhochschuloder Hochschulabschluss, der mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung von optischen Messund Prüfeinrichtungen besitzt. Einem solchen Fachmann sind die in solchen Einrichtungen eingesetzten optischen und elektronischen Bauteile, etwa Lichtquellen, Retroreflektoren und optoelektronische Empfänger und deren Wirkungsweise vertraut.

Im Lichte der Patentschrift versteht ein solcher Fachmann die beanspruchte Lehre wie folgt:

Die Sensoreinrichtung gemäß Merkmal 1 kann z. B. eine Reflexlichtschranke mit Sender (Laser), Empfänger und Retroreflektor sein, welche die Anoder Abwesenheit von Gegenständen misst, vgl. Sp. 1 Z. 24 bis 28. Unter Retroreflexion versteht der Fachmann, dass auf ein geeignetes Element (Retroreflektor bzw. Rückstrahler) auftreffende Lichtstrahlen in deren jeweilige Einfallsrichtung zurück reflektiert werden. Wenn die Abtastung mit feiner Auflösung erfolgen soll (Feinabtastung, vgl. den jeweiligen Patentanspruch 1 nach dem 1., 3. und 4. Hilfsantrag), kommt ein Laserstrahl zum Einsatz, dessen Lichtstrahl wenig aufgespreizt ist und ein konturscharfes Signal liefert, vgl. Sp. 1 Z. 36 bis 40 und 58 bis 61. Die Verwendung eines gepulsten Laserstrahls (3. Hilfsantrag) dient ebenso wie die Polarisation des Laserstrahls (1. bis 4. Hilfsantrag, Merkmale 1I, 1II) der Unterscheidung zwischen gewünschtem Signallicht und Fremdlicht, vgl. Sp. 1 Z. 44 bis 50, wobei eine Polarisationsdrehung durch den Retroreflektor selbst zustande kommt, wie dem Fachmann bekannt ist, vgl. den unten erläuterten Fachbuchauszug NB 10.

Gemäß den Merkmalen 2 bzw. 2II, 3 und 4 wird als retroreflektierende Fläche ein Mikrotripelrückstrahler verwendet, dessen einzelne Mikrotripel jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen einer Würfelecke zusammengesetzt sind und deren Kontur von oben betrachtet ein reguläres Sechseck bildet, vgl. Fig. 2 und 4.

Merkmal 5 schränkt die Schlüsselweite der Mikrotripel ein. Unter der Schlüsselweite ist gemäß Sp. 4 Z. 21 bis 26 der Abstand zweier paralleler Seiten der sechsseitigen Grundfläche des Mikrotripels zu verstehen. Die Beschränkung der Schlüsselweite auf kleine Werte dient der Positionsgenauigkeit des Messsystems (geringer Strahlversatz, vgl. Sp. 3 Z. 21 bis 22 und Sp. 4 Z. 9 bis 17).

Gemäß Merkmal 6 berührt der Laserstrahl mindestens fünf Mikrotripel auf der Rückstrahlerfläche zugleich, wobei eine vollständige Überdeckung nicht nötig ist, vgl. Fig. 7 bis 15; dass dies bei einer Bewegung über den Retroreflektor in jeder Position gelten soll, wie es in den Merkmalen 6I, 6II bzw. 6IV explizit angegeben ist, liest der Fachmann beim Studium der Patentschrift, insbesondere der Figuren 7 bis 15 mit Beschreibung, bereits in Merkmal 6 implizit mit. Somit müssen der Laserstrahlquerschnitt und die Schlüsselweite der Mikrotripel entsprechend aneinander angepasst sein, wie in Merkmal 6II explizit angegeben ist und auch in den Merkmalen 6, 6I bzw. 6IV implizit enthalten ist. Die Bewegung kann z. B. durch Erschütterungen zustande kommen, wenn der Sensor an einer Maschine befestigt ist, vgl. Sp. 1 Z. 61 bis 66. Die durch dieses Merkmal vorgegebene Mindestgröße des Laserstrahlquerschnitts (im Verhältnis zur Größe der Mikrotripel) soll starke Schwankungen in der Form des retroreflektierten Laserstrahls (die mit Intensitätsschwankungen des Messsignals einher gehen) verhindern, welche die Präzision der Messung negativ beeinflussen, vgl. Sp. 4 Z. 2 bis 21. In den Merkmalen 6, 6I und 6Ii ist lediglich eine untere Grenze für den Laserstrahlquerschnitt (im Verhältnis zur Größe der Mikrotripel) angegeben, d. h der Strahlquerschnitt ist nach oben offen. Gemäß Merkmal 6IV ist der Strahlquerschnitt dadurch eingeschränkt, dass nicht alle Mikrotripel des Mikrotripelreflektors zugleich berührt werden sollen.

Merkmal 1II in Verbindung mit Merkmal 7 (2. Hilfsantrag) beschreibt die Verwendung der Sensoreinrichtung zur Beobachtung von Glaskörpern (Flaschen) in einer Flaschenabfüllanlage.

II.

Der dem Streitpatent in der erteilten Fassung zu entnehmende Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG). Entsprechendes gilt für den jeweiligen Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den Fassungen des 1., 2., 3. und 4. Hilfsantrags.

Dies ergibt sich aus der Würdigung der zum Stand der Technik genannten Druckschriften und Unterlagen.

1.1 Als relevant sieht der Senat die vorveröffentlichten DruckschriftenDE29701903 U1 (A3 bzw. NK5), DE8021085U1 (NK8 bzw. D 4), DE 1 228 967 (NK 9 bzw. D 6) sowie die Fachbuchauszüge NB 10 und NB 11 an.

Die Druckschrift DE 297 01 903 U1 (A 3 bzw. NK 5) betrifft einen Messtechnikretroreflektor, der beispielsweise in Lichtschranken eingesetzt werden kann, vgl.

S. 3 Abs. 1. Der beschriebene Reflektor ist aus kubischen Tripeln (Fullcubes) zusammengesetzt, was theoretisch eine Retroreflexion von nahezu 100% ermöglichen soll, vgl. S. 3 Abs. 1 sowie S. 6 Abs. 2. Gemäß Fig. 1 und 2 mit der Beschreibung auf S. 9 Abs. 2 und 3 ist jeder Fullcube-Tripel aus drei aneinander angrenzenden Flächen eines Würfels zusammengesetzt und besitzt als Grundfläche ein (gleichseitiges) Sechseck. Die bei bekannten Reflektoren mittig angeordnete Befestigungsbohrung wird als nachteilig angesehen; ein solcher Tripelspiegel könne nicht in kürzeren oder wechselnden Beobachtungsentfernungen verwendet werden, da sich hierbei der Durchmesser des Beobachtungslichtkegels verändere und das nicht reflektierende Zentrum bei kleinerem Strahldurchmesser sich auf die Messung negativ auswirke, vgl. die letzten drei Absätze auf S. 5. Daher werden an den Ecken des Retroreflektors anzubringende Befestigungsbohrungen vorgeschlagen. Die erste beschriebene Ausführungsform betrifft die Bestimmung der Lageposition eines Fadens vor dem Hintergrund des Messtechnikreflektors mit Hilfe eines (engen) Laserstrahls, vgl. S. 7 Abs. 2. In dieser Ausführungsform werden sehr kleine Tripel bevorzugt mit einer Schlüsselweite kleiner als 1,5 mm, da hierdurch der bei kubischen Tripeln mögliche Strahlversatz des reflektierten Strahls besonders klein und die Messgenauigkeit groß wird, vgl. S. 7 vorle. Abs. bis S. 8 Abs. 1. Gemäß S. 10 Abs. 2 und S. 6 Abs. 1 kann der Beobachtungslichtkegel im Durchmesser beliebig (bis nahe Null) verringert werden. Für Lichtschranken, deren Sender und Empfänger nicht in der gleichen optischen Achse liegen, wird eine andere Ausführungsform des Retroreflektors vorgeschlagen mit größeren Schlüsselweiten, vgl. S. 8 le. Abs. bis S. 9 Abs. 1.

DE 80 21 085 U1 (NK 8 bzw. D 4) beschreibt einen Retroreflektor mit einer Schicht aus retroreflektierenden Partikeln, insbesondere Glaskugeln, die ebenso wie Tripelspiegel retroreflektierende Eigenschaften haben, vgl. S. 5 Abs. 1. Auf S. 5 Abs. 2 ist es als bekannt beschrieben, Retroreflektoren bei Lichtschranken, Lichtgittern und Lichtvorhängen einzusetzen, um auf eine exakte Ausrichtung von Reflektor und Lichtsender-Empfänger verzichten zu können. Fig. 1 zeigt eine aus retroreflektierenden Partikeln bestehende Schicht mit einem darauf auftreffenden, im Vergleich zur Partikelgröße relativ breiten Lichtstrahl. Gemäß S. 10 Abs. 1 vorletzter Satz wird innerhalb eines Winkelbereichs von ± 30 bis 40¡ um die Senkrechte herum eine weitgehend gleichmäßige, fast hundertprozentige Reflexion erzielt. Gemäß S. 10 Abs. 2 ist es wesentlich, dass der wirksame Querschnitt des Lichtbündels wesentlich größer ist als die Partikel der retroreflektierenden Schicht; bei der Retroreflexion seien also immer zahlreiche retroreflektierende Partikel wirksam. Im Weiteren wird eine zusätzliche Grobstrukturierung des Retroreflektors beschrieben, die eine gute Retroreflexion auch in einem größeren Winkelbereich ermöglicht. Gemäß S. 13 le. Abs. bis S. 14 Abs. 1 sollen die der Grobstrukturierung dienenden Strukturen (die jeweils mehrere retroreflektierende Partikel umfassen, vgl. Fig. 2, 4, 7, 8 und 10 bis 14) ca. 2 bis 5 mal kleiner sein als der verwendete Strahlquerschnitt.

Die aus dem Jahr 1966 stammende Druckschrift DE 1 228 967 (NK 9 bzw. D 6) betrifft eine Lichtschranke mit Rückstrahler (Retroreflektor). Die verwendete Lichtquelle ist hier noch kein Laser, sondern eine Glühlampe mit Wendel, vgl. Sp. 4 Z. 4. Gemäß Sp. 1 Z. 13 bis 30 wurde früher der Durchmesser des auf den Rückstrahler auftreffenden Lichts kleiner als die Rückstrahlerfläche gewählt, so dass der Rückstrahler sowohl bei einer Taumelbewegung als auch bei einer seitlichen Versetzung zurücksendet. Nachteilig sei hier die je nach Ausleuchtung eines Einzeltripels unterschiedliche seitliche Versetzung des rückgestrahlten Lichts, was zu Lichtverlusten führe. Abb. 2 A und B zeigen, wie sich bei einem aus mehreren kubischen Tripeln zusammengesetzten Rückstrahler bei seitlicher Verschiebung eines auftreffenden Lichtstrahls kleinen Durchmessers die Anzahl der vollständig ausgeleuchteten Tripel und damit die in den Empfänger zurückgestrahlte Lichtmenge ändert (im Beispiel im Verhältnis 3:5), was die Wirksamkeit der Lichtschranke in Frage stellen könne, vgl. Sp. 3 Abs. 2; dieser Effekt entspricht der in der Streitpatentschrift Spalte 4 Zeilen 2 bis 17 beschriebenen Formund Präzisionsänderung. In NK 9 wird vorgeschlagen, die beleuchtete Fläche mindestens viermal so groß zu wählen wie die (aus mehreren Tripeln zusammengesetzte) Rückstrahlerfläche, so dass bei seitlicher Verschiebung des Lichtstrahls die ausgeleuchtete Rückstrahlerfläche im Wesentlichen gleich bleibt, vgl. in NK 9 den Anspruch 1. Im Beispiel gemäß Abb. 2 C werden immer dieselben 7 Tripel ausgeleuchtet; im Beispiel gemäß Abb. 3 ändert sich die ausgeleuchtete Fläche (die ebenfalls mehrere Tripel enthalten muss) nur in einer Richtung, in der anderen Richtung bleibt sie gleich.

Der Fachbuchauszug NB 10 zeigt in Bild 4.1 bis 4.5 auf S. 45 bis 48 Reflexionslichtschranken in unterschiedlichen Sender/Empfänger -Anordnungen. Als mögliche Reflexionsmittel sind auf den Seiten 50 und 51 Tripelreflektoren und Reflexfolien mit Kunststoffoder Glaskügelchen aufgeführt; Tripelreflektoren müssen nicht genau justiert werden, vgl. die auf S. 46 aufgeführten Vorteile von Reflexionslichtschranken. S. 52 bis 54 zeigen die Verwendung der Polarisationsdrehung in Lichtschranken; auf S. 52 Mitte wird auf die polarisationsdrehende Eigenschaft von Tripelreflektoren hingewiesen. Kap. 4.5 mit Bild 4.15 auf S. 54 zeigt die Anwendung einer Reflexionslichtschranke, die Objekte auf einem Förderband erkennt; im Bild ist deutlich zu sehen, dass es sich bei den Objekten um Bierflaschen handelt.

Der Fachbuchauszug NB 11 zeigt auf S. 543 Bild 19.2.1 c) mit Beschreibung auf S. 542 unten bis S. 543 Abs. 1 Reflexionslichtschranken mit Tripelreflektoren (oder Reflexfolien mit Glaskugeln), für die eine Feinausrichtung nicht notwendig ist; auf S. 544 unten bis S. 545 Abs. 1 wird auf die Möglichkeit hingewiesen, Polarisationsdrehung in Lichtschranken auszunutzen. Auf S. 541 ist zur Ausschaltung von Störlichteinflüssen unter Anderem eine Modulation des Nutzlichts im Sender mit Trennung der Nutzlichtimpulse von langsamen Störlichtänderungen durch Differenzierschaltungen erwähnt.

1.2 Gegenüber dem vor dem Anmeldetag des Streitpatents bekannten Stand der Technik beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl in der erteilten Fassung als auch in der jeweiligen Fassung des 1., 2., 3. und 4. Hilfsantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wie oben zu DE 297 01 903 U1 (NK 5 bzw. A 3) ausgeführt, wird der dort beschriebene Messtechnikretroreflektor (siehe Titel) etwa bei Lichtschranken eingesetzt, also in einer auf Retroreflexion basierenden Sensoreinrichtung. Der Retroreflektor besteht aus Fullcube-Tripeln, die jeweils aus drei aneinander angrenzenden, quadratischen Flächen einer Würfelecke gebildet werden und deren Grundfläche (Projektionsfläche auf die Fläche des Retroreflektors) ein gleichseitiges Sechseck bildet. In einer ersten Ausführungsform soll zur Erzielung eines möglichst geringen Strahlversatzes und einer hohen Messgenauigkeit die Schlüsselweite des kubischen Tripels kleiner als 1,5 mm sein, d. h. es handelt sich um Mikrotripel; als Lichtquelle wird ein (eng gebündelter) Laser eingesetzt - Merkmale 1, 2, 3, 4. Eine untere Grenze für die Schlüsselweite ergibt sich zwangsläufig durch den Aufwand für die Herstellung des Reflektors. Hiervon ausgehend liegt die Auswahl einer Schlüsselweite zwischen 0,002 mm und 1,4 mm (was sehr nahe an der in NK 5 angegebenen oberen Grenze von 1,5 mm liegt) vollständig im handwerklichen Bereich -Merkmal 5.

NK 5 behandelt ein anderes Problem als das Streitpatent, nämlich die Anbringung einer Befestigungsbohrung an einer geeigneten Stelle im Reflektor, worauf die Beklagte hinweist. Jedoch gehörte zu den typischen Aufgaben des Fachmanns, der eine Sensoreinrichtung unter Verwendung des aus NK 5 bekannten Retroreflektors realisieren wollte, die Dimensionierung einer solchen Einrichtung einschließlich der Größe der Retroreflektorelemente und ebenso des auf den Retroreflektor auftreffenden Laserstrahls, d. h. des Beobachtungslichtkegels. Die Angabe in NK 5 S. 10 Abs. 2 und S. 6 Abs. 1, dass dessen Durchmesser beliebig (bis nahe Null) verringert werden kann, belegt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht ein Vorurteil der Fachwelt gegenüber einer unteren Grenze für die Schlüsselweite; nach Überzeugung des Senats interpretierte der Fachmann dies im Lichte seines Fachwissens dahingehend, dass der Lichtkegeldurchmesser zwar angesichts der kleinen Abmessungen der einzelnen Tripel ebenfalls klein sein kann, aber mindestens so groß sein muss, dass die Funktionsfähigkeit der Sensoreinrichtung in ihrer vorgesehenen Umgebung gewährleistet ist.

Dem Fachmann war als Vorteil von Retroreflektoren bekannt, dass diese nicht exakt positioniert werden müssen, vgl. etwa NB 10 und NB 11. Dass es dadurch und durch Bewegungen (Erschütterungen) im Betrieb einer Sensoreinrichtung in industrieller Umgebung zu unterschiedlichen Auftreffpositionen des Lichtstrahlbündels auf dem Retroreflektor und somit zu Intensitätsschwankungen kommen kann, war dem Fachmann aus seiner Praxis geläufig; vgl. hierzu auch NK9 Sp. 1 Z. 18 bis 20. Da dem hier anzunehmenden Fachmann Aufbau und Wirkungsweise von Fullcubetripel-Reflektoren vollständig bekannt waren, wusste er auch Bescheid über die Ursachen der Intensitätsschwankungen, die sich hieraus ergeben: Wenn der Querschnitt des auftreffenden Lichtbündels nur wenige Elemente des Retroreflektors umfasst, schwankt je nach Auftreffposition die Form des rückgestreuten Lichts und damit der auf den Sensor treffende Lichtanteil. Diese Wirkung ist in NK 9 Abb. 2 A und B erläutert: Die Schwankungen rühren von den im Randbereich des Lichtbündels liegenden, nur teilweise ausgeleuchteten Reflektorelementen her. Da deren Anteil an der ausgeleuchteten Reflektorfläche mit zunehmender Anzahl der vom Lichtbündel getroffenen Reflektorelemente abnimmt, wird dieses Problem mit zunehmendem Lichtbündelquerschnitt geringer. Zwar zeigt die Druckschrift NK 9 in Abb. 2 C eine Anpassung des Lichtstrahls auf die Größe des gesamten Reflektors (nicht auf die Größe der einzelnen Tripel), so dass bei Schwankungen in der Auftreffposition immer der gesamte Reflektor ausgeleuchtet wird, worauf der Beklagte zu Recht hinweist (was allerdings in NK 9 Abb. 3 zumindest für eine Richtung nicht mehr gilt). Die Druckschrift NK 9 ist jedoch im vorliegenden Verfahren nur insoweit von Belang, als in Abb. 2 A und B die Wirkungsweise von Fullcube-Tripelreflektoren und die sich zwangsläufig hieraus ergebenden Probleme erläutert sind, die dem Fachmann bereits lange vor dem Anmeldetag des Streitpatents aus seinem Fachwissen bekannt waren.

Um im Abtastverfahren gemäß NK 5 Schwankungen in der gemessenen Lichtintensität möglichst klein zu halten und damit eine gute Erkennungssicherheit des Abtastverfahrens zu gewährleisten, sollte demnach der Querschnitt des auftreffenden Lichtbündels relativ groß gewählt werden gegenüber dem Querschnitt der Elemente des Retroreflektors. Dies entspricht auch der in optischen Systemen allgemein bekannten Tatsache, dass eine Erfassung vieler Einzelelemente eines aus gleichen Elementen zusammengesetzten optischen Bauteils zu stabileren Messergebnissen (im Sinne einer Mittelung) führt als eine Erfassung nur weniger Elemente, vgl. auch NK 8 S. 10 Abs. 2. Andererseits beeinträchtigt ein großer Lichtbündelquerschnitt naturgemäß die Feinheit (Auflösung) der damit möglichen Abtastung, was dem Fachmann ebenfalls geläufig war. Bei der Dimensionierung des Lichtbündels musste der Fachmann somit je nach der ihm gestellten Messaufgabe eine Abwägung treffen zwischen den beiden Gesichtspunkten "Messwertstabilität bzw. Erkennungssicherheit" und "Auflösung". Wurden an die Auflösung des Verfahrens keine besonders hohen Anforderungen gestellt, so wählte der Fachmann den Lichtbündelquerschnitt eher groß im Verhältnis zum Querschnitt der Reflektorelemente, um eine hohe Erkennungssicherheit zu gewährleisten, und gelangte damit ohne Weiteres in den durch Merkmal 6 definierten Bereich.

Mit Hilfe dieser Überlegungen konnte der Fachmann zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gelangen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Dass der in NK 5 ausgewiesene Messtechnikreflektor zur Feinabtastung verwendet werden kann, ergab sich für den Fachmann aus der in NK5 S. 7 Abs. 2 angesprochenen Ermittlung der Lageposition eines (dünnen) Fadens vor dem Hintergrund eines Messtechnikreflektors. Dem Fachmann war aus seinem Fachwissen geläufig, dass in Tripelreflektoren verwendenden Systemen und Verfahren vorteilhaft Polarisationsdrehung zur Unterscheidung zwischen Signalund Fremdlicht eingesetzt werden kann, vgl. NB 10 oder NB 11; je nach Art der zu detektierenden (beispielsweise reflektierenden) Objekte setzte er daher in der durch NK 5 nahegelegten Feinabtasteinrichtung polarisiertes Laserlicht in Verbindung mit einem polarisationsdrehend ausgebildeten Mikrotripelrückstrahler (vgl. NB 10 S. 52 Abs. 4) ein - Merkmal 1I. Dass aus NK 5 nicht hervorgeht, ob der dort ausgewiesene Mikrotripelrückstrahler polarisationsdrehend ausgebildet ist, wie die Beklagte hervorhebt, ist dabei ohne Belang, da dem Fachmann jedenfalls totalreflektierende, polarisationsdrehende Tripelrückstrahler als eine übliche Ausführung von Tripelrückstrahlern aus seinem Fachwissen bekannt waren; dies wird durch den Hinweis in NB 10 bestätigt. Wie oben erwähnt, musste der Fachmann bei der Dimensionierung der Sensoreinrichtung, insbesondere der Festlegung des Laserstrahldurchmessers auf dem Mikrotripel enthaltenden Retroreflektor darauf achten, dass einerseits eine ausreichende Auflösung erzielt wird und andererseits die Messwertstabilität bzw. Erkennungssicherheit gewährleistet bleibt. Sollte eine Feinabtastung mit relativ hoher Auflösung durchgeführt werden, so wählte der Fachmann sowohl die Größe der einzelnen Tripel als auch den Lichtbündelquerschnitt eher klein, letzteren aber mindestens so groß, dass in jeder Position des Lichtbündels der zum Empfänger reflektierte Lichtanteil ausreichte, um vom Empfänger detektiert und von dem Zustand "Gegenstand im Strahlengang" (d. h. kein oder zu wenig Lichtempfang) unterschieden zu werden. Je nach den Gegebenheiten der Anordnung, gegebenenfalls durch einige einfache Versuche, gelangte der Fachmann zu einer geeigneten Querschnittsfläche des Laserstrahlbündels, die beispielsweise wenig größer als die Querschnittsfläche eines Fullcube-Tripels ist und in dem durch Merkmal 6I bzw. 6II definierten Bereich liegt.

Somit beruht auch der Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zudem waren dem Fachmann zur Unterscheidung zwischen Signalund Fremdlicht in derartigen Messeinrichtungen verschiedene übliche Möglichkeiten bekannt, sowohl Polarisationsdrehung als auch der Einsatz gepulsten Laserlichts, vgl. die in NB 11 erwähnte Modulation des Nutzlichts mit Trennung der Nutzlichtimpulse von Störlicht im Empfänger. Solche Methoden setzte er je nach Art der zu detektierenden Objekte und des Umgebungslichts (auch in Kombination) ohne Weiteres beim der durch NK 5 nahegelegten Sensoreinrichtung zur Feinabtastung ein.

Somit beruht auch der Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wie oben ausgeführt, war bei einer Feinabtastung der Durchmesser des Laserstrahls auf dem Retroreflektor eher klein zu wählen. Dass in diesem Fall nicht alle Fullcube-Tripel des Retroreflektors zugleich vom Laserstrahl berührt werden, las der Fachmann aus NK 5 mit - Merkmal 6IV. Dies ergab sich angesichts der dem Fachmann bekannten Tatsache, dass übliche Retroreflektoren bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents eine Vielzahl von Mikrotripeln umfassten, vgl. NK 5 Fig. 3; wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, haben sie eine Größe von beispielsweise 50x50 oder 100x100 mm2.

Somit beruht auch der Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zudem war dem Fachmann der Einsatz von Reflexionslichtschranken (die Retroreflektoren verwenden) zur Erkennung von (Glas-)Flaschen, etwa in einer Flaschenabfüllanlage bekannt, vgl. NB 10 S. 54 Kap. 4.5 mit Bild 4.15 - Merkmal 7. Da Glasflaschen stark reflektieren und damit Störlicht verursachen können, drängte es sich hier für den Fachmann in besonderem Maße auf, zur Vermeidung von Störlicht eine auf Polarisationsdrehung basierende Reflexionslichtschranke als Sensoreinrichtung einzusetzen. Als Rückstrahler bot sich der beispielsweise aus NK 5 bekannte, aus Würfelecken zusammengesetzte Mikrotripelrückstrahler an, der den Vorteil einer hohen Retroreflexion und in Verbindung mit Laserlicht die Möglichkeit feiner Abtastung (relativ genauer Lagebestimmung) bietet - Merkmale 1II, 2II, 3, 4. Sollte eine relativ hohe Auflösung (relativ genaue Positionsbestimmung der Flaschen) erzielt werden, so wählte der Fachmann eine geeignete Schlüsselweite und einen auf diese abgestimmten Laserstrahlquerschnitt nach denselben Überlegungen aus, wie sie bereits oben im Hinblick auf den erteilten Patentanspruch 1 erläutert wurden, und gelangte damit ohne Weiteres in die Bereiche gemäß den Merkmalen 5 und 6II .

Somit beruht auch der Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

1.3 Die Beklagte argumentiert zusätzlich, die beanspruchte Berührung von mindestens fünf Tripeln zeichne sich dadurch aus, dass ab dieser Zahl von berührten Tripeln die Verteilung des reflektierten Lichts gleichmäßig genug sei, so dass das Abtastverfahren einwandfrei arbeiten könne; dies werde durch die Versuchsergebnisse gemäß NB 5 belegt. NK 8 hätte der Fachmann nicht berücksichtigt, da die dort verwendeten Glaskügelchen nicht polarisierend wirkten, schlechter reflektierten als Fullcube-Tripel und für Lichtschranken nicht geeignet seien, und da dort sägezahnähnliche Grobstrukturen gelehrt würden; zudem werde gemäß den dort angegebenen Lichtstrahldurchmessern kein Laser verwendet. Dass ein Tripelreflektor für kleinere Winkel besser geeignet sei als Glaskugeln, zeige sich auch an den Messkurven gemäß NB 4, NB 6 und NB 7.

Die Berücksichtigung dieses Vorbringens konnte zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen.

NB 5 zeigt, dass die Energieverteilung des reflektierten Lichts im Fall mehrerer beleuchteter Tripel etwas gleichmäßiger ist als wenn nur wenige Tripel vom Lichtbündel berührt werden; dies entspricht dem aufgrund der oben dargelegten Überlegungen des Fachmanns zu Erwartenden. Ein besonderer, überraschender Effekt bei der Berührung von mindestens fünf Tripeln ist nicht zu erkennen. Dass in NK 8 und NK 9 andere Lösungen mit einer Mehrzahl ausgeleuchteter Reflektorelemente gelehrt werden, die für die Abtastung mit sehr hoher Auflösung weniger geeignet sind, und dass in NK 8 als retroreflektierende Elemente Glaskugelreflektoren und möglicherweise kein Laserlicht eingesetzt werden, hielt den Fachmann nicht von eigenen Überlegungen hinsichtlich Feinabtastverfahren mit Mikrotripeln ab.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Sredl Prasch Merzbach Baumgardt Dr. Thum-Rungprö






BPatG:
Urteil v. 03.02.2011
Az: 2 Ni 5/10


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