Amtsgericht Nürnberg:
End-Urteil vom 28. Oktober 2015
Aktenzeichen: 32 C 4607/15

(AG Nürnberg: End-Urteil v. 28.10.2015, Az.: 32 C 4607/15)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Es handelt sich um das End-Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 28. Oktober 2015 mit dem Aktenzeichen 32 C 4607/15. Die Klage wurde abgewiesen und die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Außerdem wurde der Streitwert auf unter 500,00 Euro festgesetzt.

Im Tatbestand wird aufgrund von § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO auf die Darstellung eines Tatbestandes verzichtet.

Das Gericht hat entschieden, dass die Klage zwar zulässig ist, aber unbegründet. Es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz oder Erstattung der Ermittlungs- oder Abmahnkosten gemäß §§ 97 Abs. 1, Abs. 2, 97a Abs. 3 UrhG, da kein urheberrechtlich geschützter Gegenstand vorliegt.

Es liegt kein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG vor. Es handelt sich um eine Reproduktionsfotografie eines gemeinfreien Gemäldes, bei der es keine geistig schöpferische oder persönliche Leistung des Fotografen gibt.

Auch ein Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG besteht nicht, da im vorliegenden Fall eine teleologische Reduktion des Schutzgegenstandes vorgenommen wird. Die Klägerin verbietet grundsätzlich die Anfertigung von Fotografien innerhalb ihrer Museen und erlaubt nur die Nutzung ihrer eigenen Lichtbilder gegen entsprechende Vergütung. Dadurch umgeht sie die Gemeinfreiheit des Kunstwerks und gründet ein neues Schutzrecht.

Die Entscheidung des Gerichts beruht auf der Auffassung, dass die rein technische Reproduktion von zweidimensionalen Werken keinen Lichtbildschutz im Sinne von § 72 UrhG erfährt. Im vorliegenden Fall ist die Einschränkung der Fotografierbarkeit durch die Klägerin maßgeblich.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 91 Abs. 1 ZPO und die vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 711, 713 ZPO.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

AG Nürnberg: End-Urteil v. 28.10.2015, Az: 32 C 4607/15


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf unter 500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insoweit bestehen die von der Beklagtenseite geltend gemachten Bedenken bezüglich des Klageantrages hinsichtlich des Schadensersatzes nicht, da der Lizenzanalogie-Schadensersatz gemäß § 97 UrhG der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO unterliegt. Insoweit ist auch ein unbestimmter Klageantrag entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.

Nachdem die Klagepartei klargestellt hat, dass nicht der Eigenbetrieb sondern vielmehr die Stadt Mannheim selbst Klagepartei ist, bestehen auch insoweit keine Bedenkengegen die Parteifähigkeit, nachdem die Klägerin selbst einräumte, dass ein Eigenbetrieb mangels eigener Rechtspersönlichkeit insbesondere nicht parteifähig sein kann.

II.

Die Klage ist aber unbegründet.

Ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Ermittlungskosten bzw. der Abmahnkosten gemäß §§ 97 Abs. 1, Abs. 2,97 a Abs. 3 UrhG besteht im Ergebnis nicht, da kein urheberrechtlich schützenswerter Gegenstand vorliegt.

1. Ein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG liegt nicht vor. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine sogenannte Reproduktionsfotografie eines gemeinfreien Werkes, nämlich eines Gemäldes im Bestand der Klägerin. Die Reproduktionsfotografie zeichnet sich insbesondere nicht durch eine geistig schöpferische oder persönliche Leistung des Fotografen aus. Vielmehr wfird das Gemälde lediglich in einer handwerklichen bzw. professionellen Weise abgebildet.

2. Im Ergebnis besteht auch kein Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es sich grundsätzlich bei dem streitgegenständlichen Lichtbild um ein Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG handelt (Fromm/Nordeman, 11. Auflage, § 72, Randziffer 10).

Im konkreten Einzelfall ist aber aufgrund einer teleologischen Reduktion der Schutzgegenstand zu verneinen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, in deren Besitz sich das hier abfotografierte Gemälde befindet, das alleinige Entscheidungsrecht darüber hat, wer dieses Gemälde ablichtet bzw. fotografiert. Insoweit ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Anlagen, namentlich den Entscheidungen des Landgerichts Berlin bzw. Amtsgerichts Charlottenburg, dass die Klägerin grundsätzlich die Anfertigung von Fotografien innerhalb ihrer Museen untersagt. Soweit ein Kunstinteressent Ablichtungen eines Gemäldes aus dem Bestand der Klägerin verwenden möchte, ist er zwangsläufig auf die eigens von der Klägerin bzw. deren Fotografen gefertigten Lichtbilder angewiesen und insoweit verpflichtet, die Nutzung dieser Lichtbilder entsprechend der Honorartabeile der Klägerin im Wege der Lizenzierung zu vergüten. Obwohl es sich bei dem abfotografierten Gemälde um ein gemeinfreies Werk handelt, ist es dabei letztlich dem betrachtenden Publikum nicht möglich, trotz der Wertungen der Gemeinfreiheit das genannte Gemälde im Wege von Fotografien zu nutzen bzw. zu eigenen Zwecken unentgeltlich wiederzugeben. Im Endeffekt werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren umgangen. Indem die Klägerin durch eigene Fotografen eigene Lichtbilder fertigen lässt, begründet sie letztlich ein neues Schutzrecht mit einer Schutedauer von weiteren bzw. neuen 50 Jahren gemäß § 72 Abs. 3 UrhG. Zur Überzeugung des Gerichts werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen.

Zur Lösung des sich insoweit stellenden Problems schließt sich das Gericht der Auffassung an, dass für diese Fälle eine teleologischen Reduktion des § 72 Abs. 1 UrhG vorzunehmen ist (Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, § 72, Randnummer 11 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist insbesondere auszuführen, dass selbst der BGH in seiner Entscheidung Bibelreproduktion (Urteil vom 08.11.1989, Az: I ZR 14/88, zitiert nach Juris) die grundsätzliche Problematik erkannte. In der genannten Entscheidung ging es allerdings lediglich um die rein technische Reproduktion zweidimensionaler Werke. Insoweit geht auch die ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die rein technische Reproduktion im Wege rein technischer Abläufe für zweidimensionale Vorlagen keinen Lichtbildschutz im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG erfährt. Zur Überzeugung des Gerichts ist jedenfalls im konkreten Fall diese Auffassung auszudienen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist dabei die aufgezeigte Einschränkung der Fotografierbarkeit bzw. Ablichtbarkeit durch die Klägerin, die ihren Nutzem grundsätzlich die eigenständige Vervielfältigung der gemeinfreien Gemälde nicht gestattet sondern sie insoweit auf dio vorhandenen Fotografien und die vergütungspflichtige Lizenzierung verweist.

Die Kostenentseheidung folgte aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 711, 713 ZPO.






AG Nürnberg:
End-Urteil v. 28.10.2015
Az: 32 C 4607/15


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/467db58f0c59/AG-Nuernberg_End-Urteil_vom_28-Oktober-2015_Az_32-C-4607-15




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