Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 181/02

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2002, Az.: 28 W (pat) 181/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes -Markenstelle für Klasse 12- vom 11. Juni 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wortfolge 1er Reiheals Kennzeichnung für die Waren

"Kraftfahrzeuge, Personenkraftwagen".

Die Markenstelle für Klasse 12 hat die Anmeldung wegen Bestehen eins Eintragungshindernisses § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren auf Eintragung weiter und macht geltend, dass die angemeldete Marke keinen eindeutigen konkreten Sinngehalt vermittle und auch nicht geeignet sei, die Waren glatt zu beschreiben. Die Unterscheidungskraft ergebe sich auch daraus, dass der Verkehr nicht "unvorbereitet" auf die Marke treffe, sondern daran durch die Verwendung von vergleichbaren eingetragenen Marken der Anmelderin gewöhnt sei.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) noch das der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) entgegen.

1. An der angemeldeten Marke besteht in Bezug auf die beanspruchten Waren kein Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, denn es ist nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.

Um eine Marke von der Eintragung auszuschließen - auf die nach § 33 Abs 2 S 2 MarkenG ein Anspruch besteht, so dass Zweifel letztlich zugunsten der Anmeldung zu werten sind - bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich eine Wortfolge ausschließlich und unzweideutig zur Beschreibung der Waren eignet. Die bloße Vermutung oder Möglichkeit, dass eine Marke in einem bestimmten Sinn verstanden wird und sich daraus ein warenbeschreibender Bezug ergeben könnte, genügt nicht.

Im vorliegenden Fall konnte ein beschreibender Gebrauch der Marke in ihrer Gesamtheit im Inland nicht belegt werden. Die von der Markenstelle angeführten Beispiele (1er, 3er oder 5er Reihe) stammen ausnahmslos von der Anmelderin selbst und können ihr nicht entgegengehalten werden.

Die Wortfolge ist allenfalls aus der Grundschule als Hinweis auf Multiplikationen mit der Zahl 1 bekannt. Dies rechtfertigt aber nicht schon die Annahme einer freihaltungsbedürftigen Angabe. Zunächst ist sie selbst im Zusammenhang von Kraftfahrzeugen mehrdeutig. Zwar spricht man dort von Baureihen. Die vorliegende Wortfolge ist in ihrer Bedeutung aber unklar und kann völlig verschiedene Gesichtspunkte betreffen: etwa im Sinne einer Größenangabe innerhalb der eigenen Modellpalette oder aber auch als Hinweis auf Hubraumgrößen von Motoren (etwa 1-Liter, 2-Liter oder 3-Liter). Darüber hinaus beschreiben beide Bedeutungen die hier betroffenen Waren nicht unmittelbar. Vielmehr ist noch ein weiterer Gedankenschritt erforderlich. Dass sich der mögliche warenbeschreibende Sinn einer Marke aber erst nach mehreren Überlegungen und gedanklichen Konstruktionen auftut, genügt nicht den Erfordernissen einer unzweideutig und unmittelbar beschreibenden Angabe. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die beanspruchte Wortfolge nicht als Fachwort nachweisbar ist und deshalb auch nicht vom Verkehr ohne weiteres in seiner beschreibenden Bedeutung erkannt werden wird. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die betroffenen Mitbewerber der Anmelderin gerade auf die beanspruchte Wortfolge zur Beschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen angewiesen sind. Ein Gebrauch der Wortfolge ist lediglich bei der Anmelderin festzustellen, und zwar zur Kennzeichnung ihrer einzelnen Modellreihen. Andere Hersteller haben sich eigene, davon abweichende Kennzeichnungssysteme zugelegt ("-Klasse", "-Type" oder systematische Zahlen-/ Buchstabenkombinationen). Unter diesen Umständen können die Interessen der Mitbewerber, die möglicherweise die streitige Wortfolge in beschreibender Weise verwenden wollen, durch eine sachgerechte Anwendung des § 23 MarkenG geschützt werden.

2. Für eine Verneinung der Unterscheidungskraft fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen, zumal jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Vielmehr spricht für die Annahme einer ausreichenden Originalität, dass die Wortfolge aus dem Kennzeichnungssystem der Anmelderin in den Medien als Betriebshinweis verwendet wird (vgl. Autobild Nr. 9 vom 1. März 2002 und Nr. 15 vom 12. April 2002, Süddeutsche Zeitung Nr. 181 vom 8. August 2001, S. 28).

Hinzu kommt, dass die Anmelderin bereits über zahlreiche ähnlich gebildete Marken verfügt, die unbeanstandet eingetragen wurden ("3er Reihe" bis "8er Reihe"). Auch wenn kein Eintragungsanspruch aus ähnlichen Voreintragungen abgeleitet werden kann, so trägt doch eine entsprechende Amtspraxis, die viele gleiche Sachverhalte gleich regelt, zur Entwicklung einer entsprechenden Verkehrsauffassung bei. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Berufung auf mangelnde Unterscheidungskraft kaum möglich. Nur in Fällen konsequenter Falscheintragung ist das Bundespatentgericht gehalten, die eingetretene Entwicklung zu begrenzen. Im vorliegenden Fall gibt es hierfür jedoch keine Anhaltspunkte.

Nach alledem musste die Beschwerde der Anmelderin Erfolg haben.

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BPatG:
Beschluss v. 04.12.2002
Az: 28 W (pat) 181/02


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