Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. September 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 40/01

(BPatG: Beschluss v. 16.09.2002, Az.: 15 W (pat) 40/01)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1-14 und Beschreibung S 2-12, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I.

Auf die am 13. April 1984 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentamt das Patent 34 14 042 mit der Bezeichnung

"Verwendung eines waschenden und schäumenden Mittels auf der Basis nichtionischer oberflächenaktiver Agentien und anionischer Polymere in der Kosmetik"

erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 26. September 1996.

Nach Prüfung der beiden dagegen eingelegten Einsprüche wurde das Patent mit Beschluß der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. September 2001 widerrufen. Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 und 7, eingegangen am 20. August 1998, sowie die Patentansprüche 2 bis 6 und 8 bis 16 in der erteilten Fassung zugrunde.

Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1. Verwendung eines waschenden und schäumenden Mittels zum Waschen und Reinigen keratinischer Fasern oder der Haut, das mindestens ein nichtionisches oberflächenaktives Mittel und mindestens ein anionisches Polymer enthält, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Mittel in Anteilen zwischen 0,5 und 20 Gew.-% vorliegt und ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus einem polyoxyethylenierten, polyglycerinierten, polyglycidolierten und polyglycosilierten nichtionischen oberflächenaktiven Mittel mit der Maßgabe, dass es als 10 gew.%-ige wässerige Lösung eine Waschkraft besitzt, die größer oder gleich derjenigen einer 2 gew.%- igen wässerigen Natriumlaurylsulfatlösung ist, das Polymere Carbonsäuregruppen oder ein Salz einer Polyacrylamidosulfonsäure umfasst, dass das Gewichtsverhältnis anionisches Polymer/nichtionisches oberflächenaktives Agens zwischen 0,125 und 2,25 liegt, und das Mittel kein Polymeres mit kationischen Gruppen enthält."

Wegen des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 16 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Widerruf des Patents wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der DE 20 44 601 A (1) sowie der Firmenschrift SEPPIC (Montanoir), Paris 8.3.1975, Etude de Formulation "Gel pour le corps" (Proteines, Miel et Herbes) (2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung am 16. September 2002 überreichte die Patentinhaberin neue Patentansprüche 1 bis 14. Diese Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

"1. Verwendung eines waschenden und schäumenden Mittels zum Waschen und Reinigen der Haare, das mindestens ein nichtionisches oberflächenaktives Mittel und mindestens ein anionisches Polymer enthält, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Mittel in Anteilen zwischen 0,5 und 20 Gew.-% vorliegt und ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus einem polyoxyethylenierten, polyglycerinierten, polyglycidolierten und polyglycosilierten nichtionischen oberflächenaktiven Mittel mit der Maßgabe, dass es als 10 gew.%-ige wässerige Lösung eine Waschkraft besitzt, die größer oder gleich derjenigen einer 2 gew.%-igen wässerigen Natriumlaurylsulfatlösung ist, das Polymere Carbonsäuregruppen oder ein Salz einer Polyacrylamidosulfonsäure umfasst, dass das Gewichtsverhältnis anionisches Polymer/nichtionisches oberflächenaktives Agens zwischen 0,125 und 2,25 liegt, und das Mittel kein Polymeres mit kationischen Gruppen enthält, wobei das anionische Polymer ausgewählt ist unter den Polymeren, deren Carbonsäuregruppen von ungesättigten Mono- oder Dicarbonsäuren entsprechend der folgenden Formel herrühren:

R1 (A)n COOH C == C R2 R3 worin n eine ganze Zahl von 0 bis 10 bedeutet, A eine Methylengruppe darstellt, welche an das Kohlenstoffatom der ungesättigten Gruppe oder an eine benachbarte Methylengruppe gebunden ist, wenn n größer als 1 ist, R1 ein Wasserstoffatom, eine Phenyl- oder Benzylgruppe bedeutet, R2 ein Wasserstoffatom, eine Niedrigalkylgruppe, eine Carboxylgruppe darstellt, R3 ein Wasserstoffatom, eine Niedrigalkylgruppe, eine Gruppe - CH2 - COOH, eine Phenyl- oder Benzylgruppe bedeutet.

2. Verwendung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Agens ausgewählt ist unter den Glukosid-Alkylethern oder den Kondensationsprodukten von Monoalkoholen, -Diolen, Alkylphenolen und Alkanolamiden mit Glycidol oder den Vorstufen von Glycidol.

3. Verwendung gemäß Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Agens ausgewählt ist unter:

- den Verbindungen entsprechend der Formel:

R1 - CHOH - CH2 - O - (CH2 - CHOH - CH2 - O )p H worin R1 einen aliphatischen, cycloaliphatischen oder arylaliphatischen Rest mit zwischen 7 und 21 Kohlenstoffatomen bedeutet oder deren Gemische, wobei die aliphatischen Ketten Ether-, Thioether- oder Hydroxymethylengruppen aufweisen können und p zwischen 1 und einschließlich 10 liegt;

- den Verbindungen entsprechend der Formel:

R2O [ C2H3O(CH2OH) ] q H worin R2 einen Alkyl-, Alkenyl- oder Alkylarylrest bedeutet und q einen statistischen Wert zwischen 1 und einschließlich 10 darstellt;

- den Verbindungen entsprechend der Formel:

R3CONH - CH2 - CH2 - O - CH2 - CH2 - O - [CH2 - CHOH - CH2 - O] r H worin R3 einen Rest oder ein Gemisch von aliphatischen, linearen oder verzweigten, gesättigten oder ungesättigten Resten darstellt, welcher bzw. welche gegebenenfalls eine oder mehrere Hydroxylgruppen aufweisen können, 8 bis 80 Kohlenstoffatome besitzen, natürlichen oder synthetischen Ursprungs sind, r eine ganze oder dezimale Zahl von 1 bis 5 bedeutet und den mittleren Kondensationsgrad darstellt.

4. Verwendung gemäß Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Mittel der folgenden Formel entspricht:

R1 - CHOH - CH2 - O - (CH2 - CHOH - CH2 - O ) p H worin R1 ein Gemisch von Alkylresten mit 9 bis 12 Kohlenstoffatomen darstellt und p einen statistischen Wert von 3,5 bedeutet.

5. Verwendung gemäß Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass das oberflächenaktive Agens der folgenden Formel entspricht:

R2-Oz C2H3O-(CH2OH)] q H worin R2 C12H25 bedeutet und q einen statistischen Wert von 4 bis 5 darstellt, oder R2 ein Gemisch von Resten C10H21 und C12H25 bedeutet und q eine statistischen Wert von 3,75 darstellt.

6. Verwendung gemäß Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Agens der folgenden Formel entspricht:

R3 - CONH - CH2 - CH2 - O - CH2 - CH2 - O -[ CH2 CHOH - CH2 - O]-- r ÑH worin R3 ein Gemisch von Resten darstellt, welche von Laurinsäure, Myristinsäure, Oleinsäure und/oder Koprasäure abgeleitet sind und r einen statistischen Wert von 3 bis 4 darstellt.

7. Verwendung gemäß Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das nichtionische oberflächenaktive Agens ein Glukosid-Alkylether der folgenden Formel ist:

worin R4 einen Alkylrest mit 8 bis 10 Kohlenstoffatomen bedeutet, n gleich 1, 2, 3 oder 4 ist.

8. Verwendung gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass das anionische Polymer ausgewählt ist unter den Polymeren mit einem Molekulargewicht zwischen 500 und 6 000 000.

9. Verwendung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das anionische Polymer ausgewählt ist unter den Homo- und Copolymeren von Acryl- oder Methacrylsäure, den Polyacrylamid-Carbonsäuren, den Polymeren von Polyhydroxycarbonsäuren, den Polymeren von ungesättigten aß -Dicarbonsäuren, ausgewählt unter Maleinsäure, Fumarsäure, Itaconsäure, Citraconsäure, Phenylmaleinsäure, Benzylmaleinsäure, Dibenzylmaleinsäure, Ethylmaleinsäure, oder ein Anhydrid dieser Säuren oder eine Semiester/Semi-Säure, gegebenenfalls copolymerisiert mit Verbindungen, welche eine Gruppe C = CH2 enthalten, ausgewählt unter Ethylen, den Vinylestern, Allylestern oder Methallylestern, den Vinylethern, Vinylhalogeniden, Phenylvinylderivaten, Acrylsäure oder Methacrylsäure und deren Estern, den Estern der Zimtsäure, den Acrylamiden oder Methacrylamiden, welche gegebenenfalls substituiert sind, den -Olefinen oder N-Vinylpyrrolidon.

10. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Salz von Polyacrylamidosulfonsäure Polyacrylamidoethylpropansulfonat ist.

11. Verwendung gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das anionische Polymer in Konzentrationen zwischen 0,05 und 15 %, vorzugsweise zwischen 1 und 8 Gew.-% vorliegt.

12. Verwendung gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der pH-Wert zwischen 2 und 10 liegt.

13. Verwendung gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel auch ein anionisches oberflächenaktives Agens umfasst.

14. Verwendung gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass es in Form einer wässrigen oder wässrigalkoholischen, gegebenenfalls verdickten Lösung, Creme, Gel, Dispersion, Emulsion oder als entsprechender Aerosolschaum vorliegt."

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik neu und erfinderisch. Sie führt insbesondere aus, durch die Einschränkung auf das Waschen und Reinigen der Haare einerseits und auf die anionischen Polymere des Patentanspruchs 9 gemäß Streitpatent andererseits seien Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik nunmehr gegeben, zumal die DE 20 44 601 A (1) nach der Einschränkung auf das Waschen und Reinigen der Haare gattungsfremd und daher zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht mehr heranzuziehen sei.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten, Patentansprüche 1-14 und Beschreibung S 2-12, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Einsprechende zu 1) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, die Lehre des Streitpatents sei gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik nicht ausführbar, da nicht erkennbar sei, welches nichtionische oberflächenaktive Mittel die anspruchsgemäße Maßgabe eines Waschkraftvergleichs mit Natriumlaurylsulfat erfülle, und unter welchen Bedingungen hinsichtlich Temperatur und Wasserhärte dieser Vergleich anzustellen sei. Im übrigen beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch nach der hinsichtlich Verwendung und Zusammensetzung vorgenommenen Einschränkung nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Einsprechende zu 2), die, obwohl ordnungsgemäß geladen, nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, äußerte sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2002 beantragt sie, den Verhandlungstermin vom 16. September 2002 wegen einer dringenden anderweitigen Verpflichtung des Vertreters auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Nach Zwischenverfügung vom 14. August 2002, in der unter Bezugnahme auf § 227 ZPO der Einsprechenden mitgeteilt worden war, dass der anberaumte Termin bestehen bleibt, wiederholt sie ihren Antrag auf Terminsverlegung mit Schriftsatz vom 21. August 2002 mit der Begründung eines nicht vorhersehbaren längeren Krankenhausaufenthalts des Sachbearbeiters.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Dem Antrag der Einsprechenden zu 2) auf Verlegung des Termins für die mündliche Verhandlung konnte nicht entsprochen werden.

Ein bereits anberaumter Verhandlungstermin kann verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden, sofern erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden (§ 227 Abs 1, 2 ZPO).

Das Vorliegen eines erheblichen Grundes, der eine Teilnahme der Einsprechenden zu 2) an der mündlichen Verhandlung am 16. September nicht zulässt, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Ein in Hinblick auf den mit Schriftsatz vom 21. August 2002 nachgebrachten Grund eines längeren stationären Krankenhausaufenthalts des Sachbearbeiters für erforderlich erachtetes ärztliches Attest (vgl hierzu Aktennotiz des Berichterstatters vom 26. August 2002 über ein Telefonat mit der Einsprechenden 2), für dessen Vorlage vor dem anberaumten Termin noch ausreichend Zeit zur Verfügung stand, ist nicht eingereicht worden.

III.

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie ist unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden Patentbegehrens in der Sache auch begründet.

Die Patentansprüche finden ihre Offenbarung in den ursprünglichen und in den erteilten Unterlagen. Der Patentanspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 10, 13 und der ursprünglichen Beschreibung S 8, Z 7 bis 9, 17 bis 19, 21, 22, S 13 Z 18 bis 22, S 18 Z 29 bis 31 sowie in entsprechender Weise aus den erteilten Ansprüchen 1 und 9 und der Patentschrift S 2 Z 5. Die Patentansprüche 2 bis 14 sind darauf in unterschiedlicher Weise rückbezogene echte Unteransprüche und ergeben sich dementsprechend aus den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 9, 11, 14 bis 17 und der ursprünglichen Beschreibung S 18 Z 32 bis 33 sowie in entsprechender Weise aus den erteilten Ansprüchen 2 bis 8 und 10 bis 15.

Die bezüglich der Maßgabe des Waschkraftvergleichs des nichtionischen oberflächenaktiven Mittels mit einer 2 Gew.-igen wässrigen Na-Laurylsulfat-Lösung angegriffene Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents ist nach Überzeugung des Senats gegeben.

In den Patentansprüchen sowie in der Beschreibung einschließlich der Ausführungsbeispiele des Streitpatents sind neben zahlreichen konkreten anionischen Polymeren auch zahlreiche konkrete nichtionische oberflächenaktive Agentien und diese umfassende waschende und schäumende Mittel in ihrer Zusammensetzung so ausführlich beschrieben, dass ein Fachmann ohne weiteres in der Lage ist, sie herzustellen und zum Waschen und Reinigen der Haare zu verwenden. Auch der angegriffene Waschkraftvergleich ist im Streitpatent in Einzelheiten ausgeführt (vgl aaO S 2 Z 46 bis S 3 Z 13).

Angaben zur Temperatur und Wasserhärte, unter denen der Vergleich anzustellen ist, deren Fehlen seitens der Einsprechenden bemängelt wurde, sind nach Auffassung des Senats für die Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre entbehrlich. Wie auch die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausführt, werden solche Waschvergleichsversuche üblicherweise unter Standardbedingungen durchgeführt. Für das Waschen und Reinigen der Haare kommt somit ohnehin nur ein sehr enger Temperaturbereich zwischen etwa 25 bis 40 Grad Celsius in Frage, der bei gegebener Temperaturabhängigkeit der Waschkraft mittels einiger weniger Versuche experimentell vollständig zu erfassen ist. Entsprechendes gilt für den Bereich der Wasserhärte.

Wenn die Einsprechende 1 und Beschwerdegegnerin 1 unter Bezugnahme auf die Druckschrift Waschmittelchemie, herausgegeben von der Henkel & Cie GmbH Düsseldorf, Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg 1976, S 73 bis 89 (11) dagegen vorbringt, die Waschkraft von Na-Laurylsulfat sei im Gegensatz zu üblichen nichtionischen oberflächenaktiven Mitteln von der Wasserhärte abhängig (vgl aaO S 76 Abb 1, Beisp 5 = Na-Laurylsulfat), so dass über den Bereich der Wasserhärte auch kein konstanter Vergleichswert existiere, so ist dies nicht eine Frage der Ausführbarkeit sondern der Abgrenzbarkeit und somit der Neuheit der streitpatentgemäßen Lehre. Die Relevanz des Merkmals betreffend die Maßgabe der Waschkraft des nichtionischen oberflächenaktiven Mittels im Vergleich zu Na-Laurylsulfat kann jedoch dahinstehen, da es für die Bewertung der Neuheit des Gegenstandes des Streitpatents - wie aus dem Folgenden ersichtlich - auf dieses Merkmal nicht ankommt.

Die Neuheit der nunmehr eingeschränkten Verwendung eines waschenden und schäumenden Mittels gemäß Patentanspruch 1 ist gegeben, da in keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften die Verwendung eines Mittels zum Waschen und Reinigen der Haare beschrieben ist, das die anspruchsgemäße Kombination aus nichtionischen oberflächenaktiven Substanzen und ausgewählten anionischen Polymeren aufweist.

Unter die allgemeine Offenbarung der DE 20 44 601 A1 (1) sind zwar auch Zusammensetzungen subsummierbar aus nichtionischen oberflächenaktiven Verbindungen und Carbonsäuregruppen enthaltenden anionischen Polymeren auf Basis von gegebenenfalls substituierter Acrylsäure (vgl aaO Anspr 1 iVm S 7 Abs 2 und S 16 vorle Z bis S 17 Abs 2), jedoch sind diese Zusammensetzungen darin nicht zum Waschen und Reinigen der Haare, sondern ausschließlich zum Waschen und Reinigen von Textilien und nichttextilen Oberflächen vorgesehen (vgl aaO S 26 Abs 2).

Die DE 28 39 869 A1 (15), die bereits im Prüfungsverfahren entgegengehalten worden war, betrifft Zubereitungen aus nichtionischen oberflächenaktiven Substanzen und Carboxylgruppen enthaltenden anionischen Polymeren und deren Verwendung zum Waschen und Reinigung der Haare (vgl aaO Anspr 12 iVm S 1 Formel I und S 23 Z 2 bis 5). Die Carboxylgruppen der anionischen Polymere rühren jedoch nicht von ungesättigten Mono- oder Dicarbonsäuren mit einer Formel gemäß nunmehr geltendem Patentanspruchs 1 des Streitpatents her.

Die Firmenschrift SEPPIC (Montanoir), Paris 8.3.1975, Etude de Formulation "Gel pour le corps" (Proteines, Miel et Herbes) (2) sowie die Druckschriften Dr. J. Stephan Jellinek: Kosmetologie, 2. Aufl., Dr. Alfred Hüthig Verlag GmbH, Heidelberg 1967, S 266 bis 270 (4) und Edward Sagarin: Cosmetics, Science and Technology, Interscience Publ. New York, 3rd Printing 1966, S 400 und 1361 (5) beschreiben Einzelrezepturen zum Waschen und Reinigen des Körpers einschließlich der Haare mit jeweils Carboxymethylcellulose als anionischem, Carboxylgruppen enthaltendem Polymeren und mit verschiedenen nichtionischen oberflächenaktiven Mitteln mit Gewichtsanteilen und Anteilsverhältnissen, die entweder, wie im Fall von (4), unter die anspruchsgemäßen Zahlenbereiche des Streitpatents fallen, oder, wie im Fall von (2) und (5), das anspruchsgemäße Anteilsverhältnis des Streitpatents knapp verfehlen. Durch die Aufnahme der konkreten anionischen Polymere gemäß Patentanspruch 9 in den Patentanspruch 1 ist das Streitpatent gegen diese Einzelrezepturen des Standes der Technik in stofflicher Hinsicht jedoch eindeutig abgegrenzt.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen entweder bezüglich der Verwendung oder der stofflichen Zusammensetzung ferner ab und vermögen die Neuheit nicht in Frage zu stellen.

Die von den Einsprechenden zur Neuheit vorgebrachte japanische Offenlegungsschrift JP-Kokai 59-4696 A (3) ist am 11. Januar 1984 und somit erst nach dem Anmeldetag der im Streitpatent in Anspruch genommenen Unionspriorität LU 84753 vom 15. April 1983 offengelegt worden. Sie musste daher bei der Beurteilung der Patentfähigkeit der Lehre des Streitpatents außer Betracht bleiben, was in der mündlichen Verhandlung auch unbestritten blieb.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die gemäß Streitpatent darin besteht, neue waschende und schäumende Mittel zur kosmetischen Verwendung bereitzustellen, in denen die Konzentration an oberflächenaktivem Agens verringert ist, ohne die Waschkraft zu reduzieren (vgl aaO S 2 Z 20 bis 22).

Von den im Verfahren befindlichen Druckschriften ist zur Lösung dieser Aufgabe der gattungsgleiche Stand der Technik, soweit vorveröffentlicht, heranzuziehen. Weder der DE 28 39 869 A1 (15) noch SEPPIC (Montanoir), Paris 8.3.1975, Etude de Formulation "Gel pour le corps" (Proteines, Miel et Herbes) (2), Dr. J. Stephan Jellinek: Kosmetologie, 2. Aufl., Dr. Alfred Hüthig Verlag GmbH, Heidelberg 1967, S 266 bis 270 (4) oder Edward Sagarin: Cosmetics, Science and Technology, Interscience Publ. New York, 3rd Printing 1966, S 400 und 1361 (5) konnte der Fachmann, hier ein Chemiker mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Herstellung kosmetischer Zubereitungen zum Waschen und Reinigung der Haut und der Haare, einzeln oder in der Zusammenschau Anregungen oder Anhaltspunkte zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe entnehmen. In der Druckschrift (15) findet sich keine Textstelle, aus der auf die Möglichkeit zur Verringerung der Konzentration des nichtionischen oberflächen- und damit waschaktiven Agens durch Zusatz von anionischen Polymeren und damit auf die streitpatentgemäße Problemlösung geschlossen werden könnte (vgl aaO S 21 Z 20 bis S 22 Z 14). Die Druckschriften (2), (4) und (5) betreffen Einzelrezepturen mit jeweils Carboxymethylcellulose als speziellem anionischen Polymer. Eine darüber hinaus gehende allgemeine Lehre zum Einsatz auch anderer, von Carboxymethylcellulose verschiedener anionischer Polymeren lässt sich aus diesen Rezepturen jedoch nicht ableiten.

Um Probleme bzw. Aufgabenstellungen betreffend die Reinigung des Körpers einschließlich der Haare zu lösen, wird der Fachmann dagegen weder die DE 20 44 601 A (1) und die US 4 284 533 (16), welche die Reinigung von Textilien und/oder von verschiedenen Materialoberflächen betreffen, noch die DE 28 11 010 A1 (13) und die DE 30 44 754 A1(14), in denen ausschließlich Mittel zur Behandlung und zum Konditionieren der Haare nach dem Waschen und Reinigen beschrieben sind, in Betracht ziehen.

Nach Überzeugung des Senats sind Druckschriften, die Mittel zum Waschen und Reinigen textiler und nichttextiler Materialien und Oberflächen im häuslichen und industriellen Bereich betreffen, nicht als Grundlage anzusehen für die Verbesserung und Weiterentwicklung von Wasch- und Reinigungsmitteln im Bereich der Kosmetik, insbesondere der Haare. In der hier seitens der Einsprechenden als relevant erachteten Druckschrift (1) bezieht sich der Begriff "Waschmittel" ausweislich der Beschreibung nur auf Mittel zum Waschen und Reinigung von Textilien (vgl aaO S 22 Abs 3 Z 2, S 23 vorle Z), und der Begriff "Reinigungsmittel" ausschließlich auf die Anwendung an nichttextilen Materialoberflächen (vgl aaO S 26 Abs 2). Druckschrift (1) scheidet nach der vorgenommenen Einschränkung der streitpatentgemäßen Lehre auf Haare somit als Basis für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit aus.

Dem steht nach dieser Einschränkung auch nicht das Vorbringen der Einsprechenden entgegen, wonach der Fachmann unter dem Begriff "Waschmittel" generell solche zum Waschen von Textilien, zu denen in erster Linie Wolle, also keratinische Fasern zählen, aber selbstverständlich auch Mittel zum Waschen der Haare und manuelle Geschirrspülmittel verstehe (vgl Schriftsatz d Einspr 2 v 21. Sept 1998, S 2 Mitte ff.; sowie Ausführungen der Einspr 1 in der mündlichen Verhandlung).

Sofern die Einsprechenden des weiteren auf die Monographie K. Schrader "Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika", 2. Aufl., Hüthig Buch Verlag, S 679, 5. Absatz (6) verweisen, wonach die für das Waschen von Textilien gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres auf das Haar übertragen werden können (vgl Schriftsatz der Einsprechenden 2 v 21. Sept. 1998 S 2 Abs 4), handelt es sich dabei um eine, wie die Einsprechende 2 in ihren schriftsätzlichen Ausführungen auch durch den Zusatz "gutachterlich" zu erkennen gibt, gegenüber dem Streitpatent nachveröffentlichte Textstelle, zu der sich jedenfalls in den zahlreichen im Verfahren befindlichen vorveröffentlichten Druckschriften kein Äquivalent finden läßt.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit patentfähig. Mit diesem sind auch die Ansprüche 2 bis 14 gewährbar, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 betreffen.

Dr. Kahr Dr. Niklas Klante Dr. Egerer Kr






BPatG:
Beschluss v. 16.09.2002
Az: 15 W (pat) 40/01


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