Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 150/00

(BPatG: Beschluss v. 09.07.2001, Az.: 30 W (pat) 150/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung MICROTEST mit dem Warenverzeichnis:

"Elektrische Apparate und Instrumente soweit in Klasse 9 enthalten".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, weil in bezug auf die beanspruchten Waren ein eindeutiger und beschreibender Begriff vorliege, der für eine sichere Unterscheidung der Waren der Anmelderin gegenüber denen anderer Unternehmen nicht geeignet sei. Insbesondere sei eine Mehrdeutigkeit des Markenbestandteils "Micro-" im Hinblick auf das beantragte Warenverzeichnis nicht gegeben und selbst eine Wortneuschöpfung, die hier nicht vorliege, sei dann nicht schutzfähig, wenn sie sprachüblich gebildet sei und ein nicht unbeachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs ihr eine eindeutige Sachinformation im Hinblick auf die beanspruchten Waren entnehme.

Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben. Sie hält die Marke mit weiteren Ausführungen insgesamt für schutzfähig. Insbesondere sei aufgrund der nicht vorliegenden Eindeutigkeit des Zeichens unter Bezugnahme auf das beanspruchte Warenverzeichnis weder eine fehlende Unterscheidungskraft noch ein Freihaltebedürfnis festzustellen. Zudem habe sich die Markenstelle nicht mit den Argumenten der Anmelderin auseinandergesetzt und die Indizwirkungen der erfolgten Voreintragungen der angemeldeten Marke nicht ausreichend gewürdigt.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. März 2000 aufzuheben, die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurück zu verweisen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, hilfsweise die Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. März 2000 und eine Entscheidung auf der Grundlage eines auf "elektrische Apparate und Instrumente, nämlich Apparate und Instrumente zum Prüfen, Überwachen oder Auswerten von Computernetzen und anderen Verkabelungssystemen, sowie Teile und Adapter der vorgenannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten" beschränkten Warenverzeichnisses, hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen, den Inhalt des patentamtlichen Beschlusses, die der Anmelderin übermittelten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwendungsbeispiele sowie auf die von der Anmelderin im Termin übergebenen Schriftstücke Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache sowohl im Haupt- als auch in den Hilfsanträgen ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht auch unter Berücksichtigung des beschränkten Warenverzeichnisses ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.

1. Eine Zurückverweisung der Sache gemäß § 70 Abs 3 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt ist nicht veranlaßt, da keiner der in dieser Vorschrift genannten Sachverhalte vorliegt. Die erst mit dem angefochtenen Beschluß erfolgte Zustellung in Internetrecherchen kann zwar unter Umständen den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen (BGH GRUR 1997, 637 Top Selection). Dies kann jedoch die Zurückverweisung nur unter der zusätzlichen Voraussetzung geboten erscheinen lassen, daß die Entscheidung ohne diesen Verstoß voraussichtlich anders ausgefallen wäre. Dienen die Fundstellen nur eher erläuternden Zwecken, bilden jedoch erkennbar nicht die eigentliche Entscheidungsgrundlage und deckt die Nachholung des rechtlichen Gehörs auch keine übersehenen Gesichtspunkte auf, besteht kein Anlaß zur Zurückverweisung. Auch der von der Anmelderin beanstandete Aufbau der rechtlichen Begründung könnte - seine Richtigkeit unterstellt - die Zurückverweisung nicht rechtfertigen.

2. Gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung unter anderem der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der Waren dienen können. Die angemeldete Bezeichnung MICROTEST ist in ihrer Gesamtheit im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren eine unmittelbar beschreibende Angabe und muss daher den Mitbewerbern zum freien Gebrauch erhalten blieben.

Das der griechischen Sprache entstammende Wort "mikro-" dient in der deutschen Sprache als Bestimmungswort von zahlreich vorkommenden Wortzusammensetzungen mit den Bedeutungen von "klein, gering, fein" (vgl DUDEN, Herkunftswörterbuch, S 440) und wird in dem hier maßgebenden Warengebiet etwa in den Kombinationen "Mikroelektronik" als Fachausdruck für die Anwendung integrierter Schaltungen in der Elektronik (vgl Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, Bd 3, S 261) oder "Mikroprozessor" als Zentraleinheit eines "Mikrocomputers" (vgl Brockhaus aaO, S 262 f.) allgemein verwendet, wobei sich auch im Deutschen immer mehr die in der englischen Sprache übliche Schreibweise "micro-" durchsetzt (vgl DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd 6, S 2581), etwa bei "Microtrauma" für kleinsträumige Verletzungen oder "Microscooter" für die derzeit modernen Kleinstroller sowie bei "Microbrowser" für Mobiltelefonanwendungen (vgl Microsoft Press Computer Lexikon, Ausgabe 2001, S 465). Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich auf dem hier maßgebenden Warengebiet Englisch Fachsprache ist und die hier angesprochenen Verkehrskreise mit deren Gebrauch durchweg vertraut sind.

"Test" wiederum ist die im Deutschen wie im Englischen übliche Bezeichnung für den nach einer durchdachten Methode vorgenommenen Versuch, eine Prüfung zur Feststellung der Eignung, der Leistung oder ähnlicher Kriterien einer Person oder einer Sache (vgl DUDEN, Fremdwörterbuch, S 775).

Das Markenwort "MICROTEST" in seiner Gesamtheit bedeutet daher im Zusammenhang mit dem beanspruchten Warenverzeichnis ein Gerät, das zum Testen (Prüfen, Überwachen, Auswerten) auf dem Gebiet der Mikroelektronik und mit deren Hilfe bestimmt ist. In bezug auf das Warenverzeichnis - und zwar sowohl in der ursprünglichen als auch in der im Wege des Hilfsantrages eingeschränkten Form - ergibt sich die sinnvolle und zur Beschreibung geeignete Sachaussage, dass es sich um Geräte handelt, die nach Art, Beschaffenheit und Bestimmung im Bereich der Testung durch mikroelektronische Geräte oder für solche Geräte eingesetzt werden können. Im Rahmen der weiten Fassung des ursprünglich beanspruchten Warenverzeichnisses waren alle derartigen Geräte darunter zu fassen; aber auch nach der im Wege des Hilfsantrags eingeschränkten Fassung des Warenverzeichnisses ergibt sich im Ergebnis nichts anderes, weil hierbei unter anderem "Apparate und Instrumente, nämlich Apparate und Instrumente zum Prüfen, Überwachen und Auswerten von Computernetzen und anderen Verkabelungssystemen" beansprucht werden und damit - jedenfalls im Rahmen von Computernetzen - zwangsläufig der Einsatz mikroprozessorgesteuerter Geräte verbunden ist. Zudem erfolgt der Einsatz der Geräte dann im Verbund von Mikrocomputern. Insoweit ist die Marke daher als beschreibende Angabe sowohl der Art der Waren als auch im Hinblick auf deren Bestimmungszweck freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG und daher von der Eintragung ausgeschlossen.

Die Annahme eines (aktuellen) Freihaltebedürfnisses ist auch nicht davon abhängig, ob die angemeldete Bezeichnung als solche für den hier einschlägigen Warenbereich unmittelbar nachweisbar ist. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, der lediglich verlangt, dass die fragliche Bezeichnung zur Beschreibung dienen kann, ergibt sich, dass auch die erstmalige Verwendung dieser Zeichenzusammensetzung nicht schutzbegründend ist (vgl BGH GRUR 1996, 770 - MEGA), zumindest, wenn sie wie hier, sprachüblich gebildet ist und der beschreibende Aussagegehalt deutlich und unmissverständlich zu Tage tritt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdnr 142).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Anmelderin vorgelegten Recherche hinsichtlich der Eintragung anderer Marken mit dem Bestandteil "Micro-" und /oder "Mikro-", weil die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage ist und daher eine Selbstbindung daraus nicht herzuleiten ist (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdnr 85).

Entsprechenden ausländischen Voreintragungen einer angemeldeten fremdsprachigen Bezeichnung in einem Land des betreffenden Sprachkreises kann zwar eine gewisse Indizwirkung hinsichtlich der freien Verwendbarkeit einer Bezeichnung zukommen, gleichzeitig erschöpft sich diese Wirkung aber darin, weil nicht bekannt ist, auf welcher Grundlage, etwa einer möglichen Verkehrsdurchsetzung oder im Rahmen eines bloß kursorischen Verfahrens, diese Eintragung erfolgt ist. Zudem nimmt diese Indizwirkung proportional zur Gebräuchlichkeit der angemeldeten Bezeichnung im Inland ab (vgl Althammer/Ströbele, aaO, Rdnr 88). Bei der hier vorliegenden Bezeichnung "MICROTEST" kann daher den vorgelegten ausländischen Voreintragungen im Ergebnis wegen der Gebräuchlichkeit der Markenbestandteile "Micro-" und "Test" kein entscheidendes Gewicht bezüglich einer fehlenden Freihaltebedürftigkeit im Inland beigemessen werden.

Schließlich kommt es für die Frage eines Freihaltebedürfnisses in erster Linie auf die Belange der Mitbewerber der Anmelderin an. Ob die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Bezeichnung richtig verstehen, ist nur insofern von Belang, als eine zur Warenbeschreibung dienende Eignung nur dann ausgeschlossen wäre, wenn die Unverständlichkeit der Bezeichnung von Anfang an feststünde (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdnr 69). Das ist hier nicht zutreffend, da sowohl "Micro-" als auch "Test" geläufige Begriffe im fraglichen Anwendungsbereich darstellen. Hinzu kommt, dass die beteiligten Verkehrskreise in diesem Bereich, der deutsche Fachbezeichnungen mit unter gar nicht erst aufkommen hat lassen, an den Gebrauch englischsprachiger oder an die englische Sprache angenäherter Bezeichnungen gewöhnt und mit deren Gebrauch durchweg vertraut sind. Da zudem ein von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausgehender (vgl EuGH, GRURInt 1999, 734 - Lloyd) und vom Bundesgerichtshof übernommener (vgl BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND) Wandel des Verbraucherleitbildes vom flüchtigen Abnehmer zum durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher festzustellen ist, kann von einer so weitgehenden Unverständlichkeit des angemeldeten Zeichens, die jedes Interesse von Mitbewerbern an dieser Bezeichnung entfallen ließe, nicht ausgegangen werden.

3. Die Anordnung einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht veranlaßt. Eine Rückzahlung wird nur angeordnet, wenn besondere Umstände es unbillig erscheinen ließen, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 71 Rdnr 37). Solche Umstände liegen hier nicht vor, da zum einen eine grob fehlerhafte Sachbehandlung durch das Deutsche Patent- und Markenamt nicht erkennbar ist und zum anderen die erforderliche Kausalität zwischen der Sachbehandlung durch das Deutsche Patent- und Markenamt und der Notwendigkeit einer Beschwerdeeinlegung nicht gegeben ist (Althammer/Ströbele aaO Rdnr 38).

4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 83 Abs 2 MarkenG angeführten Sachverhalte vorliegt.

Dr. Buchetmann Schramm Voit Hu






BPatG:
Beschluss v. 09.07.2001
Az: 30 W (pat) 150/00


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