Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Januar 2004
Aktenzeichen: 34 O 157/03

(LG Düsseldorf: Urteil v. 28.01.2004, Az.: 34 O 157/03)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist staatlich geprüfter Augenoptiker und betreibt ein Augenoptiker-Geschäft. Der Beklagte hat die Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Er ist ein freier Verband mit der Aufgabe, die gesamten Berufsinteressen der Augenärzte wahrzunehmen, zu fördern und zu vertreten. Hierzu gehört u.a. auch die Förderung der Weiterbildung und der Fortbildung in der Augenheilkunde. Der Beklagte betreibt die Homepage "www.vvvv.de". Auf dieser informiert er über "Wissenswertes und Interessantes rund um`s Auge". Unter der Rubrik "Informationen des BVA" befindet sich der Artikel "Wenn die Brille krank macht …", datiert vom 30.03.2001.

Innerhalb des Artikels befinden sich folgende, zwischen den Parteien im Streit stehende Ausschnitte:

"So müssen beinahe 30 % der Kinder, die nach der fast ausschließlich von Optikern angewandten MKH (Mess- und Korrektionsmethodik nach H.J. Haase) mit Prismenbrillen versorgt wurden, nach einigen Jahren an den Augen operiert werden."

"Den Versuch, Eltern zu überreden, die Brillengläser ihres Kindes zusätzlich mit Prismen zu versehen, unternehmen längst nicht alle Augenoptiker. Es ist nur ein relativ kleiner Kreis, der zum Beispiel auch eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) mit Prismengläsern "heilen" will. Diese Optiker vertreten den längst durch Wissenschaftler widerlegten Standpunkt, Legasthenie müsse durch eine Fehlfunktion der Augen bzw. durch einen "Fehler" in der Zusammenarbeit beider Augen hervorgerufen sein. Diese Fehlfunktion bezeichnen sie als "Winkelfehlsichtigkeit", und das ist ein Begriff, den es in der wissenschaftlich fundierten medizinischen Optik nicht gibt. Ein Optiker hat ihn erfunden und damit ein Gesetz umgangen, das Optikern lediglich erlaubt, Fehlsichtigkeiten auszumessen und zu korrigieren, also Kurzsichtigkeit (Myopie), Übersichtigkeit (Hyperopie), Stabsichtigkeit (Astigmatismus) und Altersweitsichtigkeit (Presbyopie). Alle anderen Abweichungen bedürfen der augenärztlichen Diagnose und Behandlung. Dazu gehört u.a. Schielen und auch das verdeckte Schielen, die Heterophorie. Und die wird von Optikern in "Winkelfehlsichtigkeit" umbenannt, womit der Anschein erweckt wird, dass es sich um eine Fehlsichtigkeit handelt, die sie vermeintlich "legal" mit Prismengläsern korrigieren dürfen."

Der Kläger mahnte den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 21.8.2003 unter dem Gesichtspunkts eines wettbewerbswidrigen Verhaltens aufgrund der in dem Artikel gemachten Äußerungen ab. Der Beklagte wies diese Abmahnung mit Schreiben vom 30.9.2003 zurück.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Artikel in mehreren Punkten irreführende Angaben im Sinne des § 3 UWG enthalte.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes oder Ordnungshaft von einem Monat für jeden Fall der Zuwiderhandlung es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Berufsverband zu behaupten:

1) "Beinahe 30 % der Kinder, die aufgrund der von Augenoptikern angewandten Messmethode nach MKH mit Prismengläsern versorgt werden, müssten nach einigen Jahren operiert werden", ohne auf den Nutzen der von Augenoptikern angewandten Mess- und Korrektionsmethode nach H.J. Haase und die Versorgung mit prismatischen Gläsern hinzuweisen,

2) Augenoptiker würden den Standpunkt vertreten, Legasthenie müsse durch eine Fehlfunktion der Augen bzw. durch einen "Fehler" in der Zusammenarbeit beider Augen hervorgerufen sein,

3) "Heterophorie" werde von Augenoptikern in "Winkelfehlsichtigkeit" umbenannt, und damit der Anschein erweckt, dass es sich um eine Fehlsichtigkeit handele, die Augenoptiker vermeintlich "legal" mit Prismengläsern korrigieren dürften,

4) die gesetzlichen Krankenkassen würden die Kostenübernahme für Brillengläser mit Prismenzusatz ablehnen, sofern sie nicht vom Augenarzt verschrieben seien, weil sie wüssten, dass beinahe 30 % der Kinder, die nach der von Augenoptikern angewandten MKH mit Prismenbrillen versorgt wurden, nach einigen Jahren an den Augen operiert werden mussten, ohne den Hinweis darauf zu geben, dass die Heil- und Hilfsmittelrichtlinien ausschließlich den Fall regeln, dass "krankhafte Störungen" in der sensorischen und motorischen Zusammenarbeit der Augen vorliegen und es nur für diese Fälle einer augenärztlichen Verordnung bedarf.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, eine Irreführung sei nicht gegeben. Die Aussagen des Beklagten in dessen streitgegenständlichem Artikel auf der Homepage "www.vvv.de" seien alle nachzuweisen bzw. zu belegen.

Im übrigen erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten in den geltend gemachten Fällen kein Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1,3 UWG zu.

Denn die im Streit stehenden Aussagen des Beklagten sind weder als irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse im Sinne von § 3 UWG noch als unlauteres Verhalten im Sinne von § 1 UWG zu beurteilen. Die Aussagen des Beklagten haben vornehmlich nicht die Funktion einer typischen Werbung. Vielmehr sind die Aussagen im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit einer gesundheitsrelevanten Frage erfolgt. Der Beklagte will die Öffentlichkeit informieren und insbesondere warnen. Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der vorliegend getätigten Aussagen des Beklagten im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale des § 3 UWG, insbesondere bei der Auslegung eines Handeln zum Zwecke des Wettbewerbs und dem Vorliegen einer irreführenden Angabe, ist der Gesamtzusammenhang des Artikels und der damit verfolgte Zweck zwingend mit einzubeziehen. Denn soweit die Meinungskundgabe Mittel im Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage ist, kann eine Äußerung trotz ihrer objektiv wettbewerblichen Auswirkungen vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gedeckt und einer Beurteilung nach dem UWG entzogen sein (BGH GRUR 1986, 812, 813 - Gastro-Kritiker; Piper in Köhler/Piper, § 3 UWG, Rn. 86).

1.

Die Aussage des Beklagten, "beinahe 30 % der Kinder, die aufgrund der von Augenoptikern angewandten Messmethode nach MKH mit Prismengläsern versorgt wurden, müssen nach einigen Jahren operiert werden", ist ohne einen Hinweis auf den Nutzen der von Augenoptikern angewandten Mess- und Korrektionsmethode nach H.J. Haase und die Versorgung mit prismatischen Gläsern nicht als eine irreführende Angabe zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 3 UWG zu bewerten.

a) Irreführend wird eine Angabe gewöhnlich sein, wenn ein objektiv falscher Tatbestand behauptet wird. Irreführend kann eine Angabe aber auch sein, wenn sie objektiv richtig ist. Das ist der Fall, wenn ein nicht unerheblicher Teil der umworbenen Verkehrskreise mit einer objektiv richtigen Angabe eine unrichtige Vorstellung verbindet (BGHZ 13, 244, 253 - Cupresa-Kunstseide). Beides trifft vorliegend aber nicht zu für die Aussage des Beklagten.

Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob Werbeangaben irreführend sind, ist dabei grundsätzlich das Verständnis der umworbenen Verkehrskreise. Zugrunde zu legen ist, was diese bei ungezwungener Betrachtungsweise, geprägt durch den Gesamteindruck und den Zusammenhang den Angaben entnehmen. Ohne Bedeutung ist insbesondere das Verständnis des Werbenden selber, was objektiv bzw. vernünftigerweise aufgrund der Angaben zu verstehen ist. Ausreichend ist bereits die Eignung der Angaben zur Täuschung bzw. die Gefahr einer solchen Täuschung des Verkehrs. Für den Bereich des Gesundheitswesens sind grundsätzlich strenge Anforderungen an die Richtigkeit von werbenden Angaben zu fordern (vgl. Piper in Köhler/Piper, § 3 UWG, Rn. 267 f.).

Dass vorliegend die Aussage des Beklagten falsch ist bzw. von den umworbenen Verkehrskreisen falsch verstanden wird, ist indes nicht zu sehen. Denn vorliegend gelangen wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass zwischen 25 bis 29 % der Kinder in den dargelegten Fällen operiert werden mussten. Soweit der Beklagte diese Eingrenzung mit der Formulierung "beinahe 30 %" umschreibt, ist dies nicht bereits als falsche Angabe zu bewerten. Die angegebenen Zahlen schließen diese Formulierung mit ein, ohne nach dem allgemeinen Sprachverständnis dadurch eine wesentliche höhere Zahl der Fälle zu suggerieren. Gerade weil auch Abweichungen in den Untersuchungen bestehen, ist diese Umschreibung ohne genaue Festlegung noch im Rahmen des Zulässigen. Ob jede wissenschaftliche Studie zu diesem Ergebnis gelangt, ist insoweit unerheblich. Denn es reicht für die Annahme, dass keine falsche Angabe vorliegt, wenn zumindest ein Teil der wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Ergebnis gelangen. Soweit der Kläger vorträgt, dass es auch andere Studien mit anderen Ergebnissen gibt, folgt daraus nicht zwingend, dass diese andere Studien als nicht objektiv richtig erscheinen lassen.

b) Auch das Unterlassen des Beklagten, (ausdrücklich) auf den Nutzen der von Augenoptikern angewandten Mess- und Korrektionsmethode nach H.J. Haase und die Versorgung mit prismatischen Gläsern hinzuweisen, lässt die vorliegende Aussage nicht zu einer irreführenden Angabe werden.

Im Verschweigen einer Tatsache liegt eine irreführende Angabe, wenn für den Werbenden eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht besteht, wenn sie sich nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun ergibt, im Wettbewerb nicht schlechthin, da der Verkehr nicht ohne weiteres die Offenlegung aller, insbesondere auch der weniger vorteilhaften Eigenschaften einer Ware oder Leistung erwartet. Wohl aber kann sich eine Aufklärungspflicht aus der besonderen Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs für den Kaufentschluss zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, also eine Entschließung irgendwie zu beeinflussen (Baumbach/Hefermehl, UWG, § 3 Rn. 48 m.w.N.).

Soweit es um den geltenden gemachten Zusatz des Klägers geht, sind allerdings zwei Umstände zu beachten, die den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als unbegründet darstellen.

Dem Beitrag des Beklagten ist zum einen - wenn zwar nicht ausdrücklich so zumindest konkludent - zu entnehmen, dass die MKH-Methode und die Versorgung mit Prismengläsern auch einen Nutzen aufweist. In Bezug auf den Nutzen der Versorgung mit Prismengläsern ergibt sich dies bereits aus dem nachfolgenden Satz: "Die gesetzlichen Krankenversicherungen wissen das und lehnen daher die Kostenübernahme für Brillengläser mit Prismenzusatz ab, sofern sie nicht vom Augenarzt verschrieben sind". Bereits aus der Verschreibung von Prismengläsern durch den Augenarzt ist auf einen gesundheitlichen Nutzen von Prismengläsern in gewissen Fällen zu schließen. Entsprechendes lässt sich für die MKH-Methode anführen, zu der vom Beklagten der Hinweis erteilt wird: "Da die mit ihr (der MKH-Methode) zu gewinnenden Ergebnisse allein nicht zuverlässig sind, wird sie von Augenärzten - wenn überhaupt - nur in Verbindung mit anderen Diagnosemethoden angewandt". Insoweit lässt sich natürlich anführen, dass der Beklagte den Nutzen aus eigener Sicht nur als sehr beschränkt bis teilweise zweifelhaft erachtet.

Bei der Auslegung des Voraussetzungen einer irreführenden Werbung im Sinne des § 3 UWG ist zudem - wie bereits oben angesprochen - zu beachten, dass der Beitrag weniger im Sinne einer positiven Werbung für die augenärztliche Diagnostik, sondern vielmehr als Warnung vor einer Versorgung des Kindes mit Prismengläsern nach Untersuchung eines Optikers zu verstehen ist, ohne dass eine vorhergehende augenärztliche Untersuchung stattgefunden hat. Darin ist der vornehmliche Zweck des Beitrags zu verstehen, verbunden mit der Aufklärung über die Risiken von Prismengläsern. Soweit dabei aber nicht ausdrücklich auf die Vorteile der MKH-Methode und der Prismenbrillen vom Beklagten hingewiesen wird, ist die nicht umfassende bzw. ausdrückliche Aufklärung in Abwägung mit dem vornehmlichen Zweck des Pressebeitrags und dem Anliegen des Beklagten zu stellen.

c) Eine Irreführung entfällt zwar noch nicht deshalb, weil es sich vorliegend um die Aussage eines Fachverbandes mit ideeller Zielsetzung handelt, die im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungsaufgaben getätigt worden ist. Denn ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs kann auch dann angenommen werden, wenn der Fachverband den wirtschaftlichen Wettbewerb ihrer im gewerblichen Bereich tätigen Mitglieder zum Nachteil ihrer nicht dem Verband angehörenden Mitbewerber zu fördern beabsichtigt (Baumbach/Hefermehl, UWG Einl., Rn. 242). Bei der Beurteilung der Irreführung durch Werbeangaben mit einzubeziehen ist allerdings, zu welchem Zweck die angegriffenen Angaben vorrangig dienen. Zudem lässt sich mit dem Unterlassungsanspruch nicht ein völliges Verbot der Werbeangabe, sondern nur erreichen, dass für die Ware oder Leistung mit einem aufklärenden Zusatz geworben wird. Dies ist vorliegend aber in Abwägung mit dem vom Beklagten verfolgten Aufklärungszweck zu setzen. Denn nur so kann der im veröffentlichten Artikel vertretenen Meinung im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Betrachtung der Aussagen seinerseits die verfassungsrechtlich garantierte Beachtung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG genüge getan werden. Müsste der Beklagte über die Vorschrift des § 3 UWG sämtliche Vorteile der MKH-Methode und den Nutzen der Versorgung mit Prismengläsern benennen, würde die in dem Artikel vertretene Auffassung im erheblichen Maße an der beabsichtigten Wirkung verlieren. Sind Äußerungen nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben als Beitrag zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage anzusehen, so schlägt dies auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung durch (Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 11 Rn. 56, vgl. auch BGHZ 45, 296, 302 - Höllenfeuer; 3, 270, 278 - Constanze I). Dass aber ein entsprechender Streit, der die Öffentlichkeit auch berührt, um die Versorgung von Prismengläsern und die Anwendung der MKH-Methode durch Augenoptiker besteht, wird allein schon durch die von den Parteien angeführten Artikel zur Problematik verdeutlicht. Der vom Beklagten veröffentlichte Beitrag zielt genau auf eine dahingehende Meinungsbildung ab, ohne sich feststehend falscher Angaben zu bedienen.

2.

Auch die dahingehende Aussage des Beklagten, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kostenübernahme für Brillengläser mit Prismenzusatz ablehnen würden, sofern sie nicht vom Augenarzt verschrieben seien, weil sie wüssten, dass beinahe 30 % der Kinder, die nach der von Augenoptikern angewandten MKH mit Prismenbrillen versorgt wurden, nach einigen Jahren an den Augen operiert werden mussten, ist ohne einen Hinweis darauf, dass die Heil- und Hilfsmittelrichtlinien ausschließlich den Fall regeln, dass "krankhafte Störungen" in der sensorischen und motorischen Zusammenarbeit der Augen vorliegen und es nur für diese Fälle einer augenärztlichen Verordnung bedarf, nicht irreführend im Sinne des § 3 UWG. Die Aussage des Beklagten ist nicht als falsche Angabe zu bewerten und vermag die angesprochenen Verbraucherkreise in diesem Zusammenhang auch nicht in die Irre zu führen.

Letztlich ergibt sich aus dieser Aussage lediglich, dass kein Augenoptiker prismatische Gläser eigenverantwortlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (Hervorhebung des Gerichts) abgeben kann, sondern es dafür auch der Verschreibung durch einen Augenarzt bedarf. Dass es zudem kumulativ einer krankhaften Störung in der sensorischen und motorischen Zusammenarbeit der Augen nach den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien für den Kostenersatz durch die gesetzliche Krankenversicherung bedarf, begründet nicht eine Irreführung des angesprochenen Verbraucherkreises durch den Beklagten. Denn es geht hier ersichtlich nicht darum darzustellen, in welchen Fällen der Augenarzt die Verschreibung prismatischer Gläser verordnen kann und diese Voraussetzungen aufzuzeigen. Es dient dem Beklagten nur als Argument, auf die gesundheitlichen Risiken einer Anwendung prismatischer Gläser ohne vorhergehende augenärztliche Untersuchung hinzuweisen, wofür auch die fehlende Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherungen ein Indikator sein soll. Insoweit fehlt es aber an einem Beweis des Klägers, dass ausschließlich andere Gründe als die vom Beklagten genannten Risiken die gesetzlichen Krankenkassen dazu bewegt haben, die Kostenerstattung auch von einer augenärztlichen Verordnung abhängig zu machen.

3.

Auch die mit dem Antrag zu 2) angegriffene Aussage des Beklagten, dass Augenoptiker den Standpunkt vertreten würden, Legasthenie müsse durch eine Fehlfunktion der Augen bzw. durch einen "Fehler" in der Zusammenarbeit beider Augen hervorgerufen sein, ist nicht als irreführend im Sinne des § 3 UWG zu beurteilen.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die in dem Antrag des Klägers dargestellte angebliche Angabe der Beklagten sich nicht aus dem Artikel derart entnehmen lässt. Der Beklagte hat in diese Aussage ersichtlich nicht die Optiker "im Allgemeinen", wie es der Ansicht des Klägers entspricht, einbezogen, sondern sich "nur auf einen relativ kleinen Kreis" von Optikern bezogen. Denn insoweit ist die Aussage mit den vorhergehenden Sätzen zu lesen: "Den Versuch, Eltern zu überreden, die Brillengläser ihres Kindes zusätzlich mit Prismen zu versehen, unternehmen längst nicht alle Augenoptiker. Es ist nur ein relativ kleiner Kreis, der zum Beispiel auch eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) mit Prismengläsern "heilen" will. Diese Optiker …"(Hervorhebungen des Gerichts).

Bei der Beurteilung der Frage, ob hierin eine irreführende Angabe des Beklagten in Wettbewerbsabsicht zu sehen ist, sind wiederum die bereits oben genannten Zwecke der Warnung und Auseinandersetzung mit der Thematik mit einzubeziehen. So könnte man - der Ansicht des Klägers folgend - annehmen, dass die Aussage des Beklagten falsch und damit irreführend ist, weil der Beklagte die Verbindung der Legasthenie mit der Fehlfunktion der Augen als zwingenden Standpunkt weniger Optiker und nicht als eine Option von mehreren für Legasthenie darstelle. Indes ist auch diese Aussage in dem Zusammenhang zu sehen, über welchen Standpunkt ein relativ kleiner Kreis der Optiker den Versuch einer Versorgung von Kindern mit Prismengläsern bei Legasthenie begründen will. Das dargestellte Ausschließlichkeitsverhältnis im Sinne einer allgemeinen Aussage, dass nach Ansicht dieser Optiker jeder Fall der Legasthenie durch eine Fehlfunktion der Augen hervorgerufen sein müsse, ist dem nicht zu entnehmen. Dass aber Optiker tatsächlich vertreten, dass Legasthenie eine Verbindung zur Winkelfehlsichtigkeit aufweist, wird vom Kläger selbst nicht in Abrede gestellt.

4.

Genauso wenig ist die Aussage des Beklagten, "Heterophorie" werde von Augenoptikern in "Winkelfehlsichtigkeit" umbenannt und damit der Anschein erweckt, dass es sich um eine Fehlsichtigkeit handele, die sie vermeintlich "legal" mit Prismengläsern korrigieren dürfen, als irreführende Angabe zu bewerten.

Auch diese Aussage des Beklagten ist nicht als falsche Angabe zu sehen. Der Kläger hat vorliegend nicht substantiiert dargelegt, dass der vom Beklagten dargestellte Zusammenhang tatsächlich vorliegt. Die Ausführungen des Klägers zu dieser Behauptung des Beklagten sprechen vielmehr dafür. Denn die genannten Darstellungen des Klägers zur Abgrenzung der Begriffe "Winkelfehlsichtigkeit" und "Heterophorie" verdeutlichen, dass eine gewisse Gefahr der Verwechslung besteht. Dass diese Begriffe von Augenoptikern - wenn auch nur von einem relativ kleinen Kreis, denn darauf bezieht sich die Behauptung - verwechselt bzw. gleich gesetzt werden, kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Die weitere Aussage des Beklagten dient zur Verdeutlichung, in welchem Zusammenhang die Verwechslung der Begriffe von Bedeutung ist. Auch insoweit hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, warum diese Zusammenhänge nicht der Wahrheit entsprechen sollten.

5. Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 25.000 €






LG Düsseldorf:
Urteil v. 28.01.2004
Az: 34 O 157/03


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