Finanzgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. April 2002
Aktenzeichen: 16 K 5662/99 F

(FG Düsseldorf: Urteil v. 17.04.2002, Az.: 16 K 5662/99 F)

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1996 vom 27.8.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31.8.1999 wird wie folgt abgeändert:

Von dem Gesamtgewinn in Höhe von 358.890 DM und dem hiervon auf A entfallenden Betrag in Höhe von 329.770 DM wird ein Teilbetrag in Höhe von 250.000 DM als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn festgestellt.

Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

A und B bildeten als Rechtsanwälte und Notare eine Sozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. An der Sozietät waren sie je zur Hälfte beteiligt. Unter dem 17.6.1996 vereinbarten sie im wesentlichen folgendes:

§ 1

A verkauft und überträgt seinen sich auf die Anwaltstätigkeit beziehenden Sozietätsanteil an B, der die Übertragung annimmt. Der Sozietätsanteil des Veräußerers wächst dem Anteil des Erwerbers an. Die Sozietät wird dadurch nicht aufgelöst. Der Veräußerer bleibt als Notar Sozius des Erwerbers in dem bisher bestehenden Beteiligungsverhältnis von 50 %.

§ 2

...

Der Veräußerer überträgt dem dies annehmenden Erwerber sowohl sein Alleineigentum als auch seinen hälftigen Anteil am gesamten Inventar mit Ausnahme der im Zimmer des Veräußerers befindlichen Gemälde.

§ 3

Der Anwaltssozietätsanteil wird so übertragen, wie er am 31.5.1996 besteht. Er erfaßt sämtliche von dem Veräußerer bisher bearbeiteten Sachen, sodaß der Anwaltspraxisanteil mit seinen wesentlichen Grundlagen und unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Erwerber übergeht. Da sämtliche Mandate nicht dem Veräußerer persönlich, sondern der Sozietät erteilt worden sind, erfaßt die Übertragung nur die Weiterbearbeitung dieser Geschäftsvorfälle. Sämtliche nach dem 31.5.1996 erteilten Anwaltsmandate fallen allein dem Erwerber zu, dem auch die aus der Bearbeitung entstehenden Gebühren allein zustehen.

§ 4

Der Kaufpreis beträgt 250.000 DM zuzüglich einer evtl. zu zahlenden Mehrwertsteuer.

...

Im Kaufpreis sind die Gebühren enthalten, die bei der Fortführung der vorhandenen Mandate noch entstehen und die dem Erwerber allein zufließen. Der Kaufpreis trägt auch der Tatsache Rechnung, daß es sich um eine Praxis handelt, die seit 1914 in Essen eingeführt ist.

...

§ 5

Die mit den Angestellten geschlossenen ungekündigten Arbeitsverträge werden von dem Erwerber allein fortgeführt mit Ausnahme des mit der Notariatssekretärin bestehendes Vertrags, der von beiden Vertragspartnern fortgeführt wird.

...

§ 6

Der Erwerber verpflichtet sich, den Veräußerer von allen Ansprüchen freizustellen, die aus der Weiterführung der bisher vom Veräußerer bearbeiteten Sachen und aus der Bearbeitung der nach dem 31.5.1996 neu erteilten Anwaltsmandate entstehen. Das gleiche gilt auch hinsichtlich aller Ansprüche aus dem Betrieb der Anwaltspraxis, wie z.B. aus dem Mietverhältnis.

§ 8

Der Veräußerer verpflichtet sich, zukünftig keine Anwaltstätigkeit auf eigene Kosten auszuüben.

Das Finanzamt erhöhte den für A im Rahmen der GbR erklärten laufenden Gewinn 1996 um den Kaufpreis für den "Anwaltssozietätsanteil" in Höhe von 250.000 DM sowie darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 37.500 DM - also insgesamt um 287.500 DM. Die Absetzungen für Abnutzung des Praxiswerts setzte es bei B mit 17.969 DM an (= 287.500 DM : 8 Jahre x 1/2). Dementsprechend stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 27.8.1999 den Gewinn für die GbR - Anwalts- und Notariatspraxis - insgesamt auf 358.890 DM gesondert und einheitlich fest - den Gewinn rechnete es mit 329.770 DM A und mit 29.120 DM B zu. Außerdem erhöhte das Finanzamt die für die GbR 1996 erklärte Umsatzsteuer um 37.500 DM und setzte sie mit Bescheid vom 31.3.1998 auf insgesamt 90.225 DM fest.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Es könne hier - so die Ausführungen des Finanzamts in den Einspruchsentscheidungen - nicht von der Aufgabe eines selbständigen Teilbetriebs ausgegangen werden. Ein selbständiger Betrieb sei nur gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen ausübe. Werde davon eine veräußert, stelle dies eine Betriebsveräußerung im Ganzen dar. Bei dem Berufsbild eines Anwaltsnotars könne eine wesensmäßig verschiedene Tätigkeit jeweils als Rechtsanwalt und Notar kaum angenommen werden - ein eigener Kundenstamm für jeden Teilbereich getrennt erscheine ausgeschlossen. Anwaltliche und notarielle Tätigkeit seinen regelmäßig miteinander verwoben. Das folge vor allem aus § 3 Abs. 2 BNotO. Danach sei eine Tätigkeit als Anwaltsnotar eben nicht ohne Zulassung als Anwalt möglich.

Hiergegen richtet sich die laut Klageschrift vom 2.9.1999 von der GbR erhobene Klage. Die Vollmachten sind von A und B für Verfahren der GbR wegen Umsatzsteuer 1996 sowie gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte 1996 erteilt. Mit Schriftsatz vom 21.12.1999 ist erklärt worden, im Rubrum sei die Parteibezeichnung der Kläger zu berichtigen - und zwar seien Kläger A und B. Dies ist im Schriftsatz vom 15.2.2000 damit begründet worden, die Parteibezeichnung in der Klageschrift als "Sozietät A und B GbR" sei eine irrtümliche Falschbezeichnung.

In der Sache wird darauf abgestellt, daß A vereinbarungsgemäß nur noch als Notar tätig sei. Die Tätigkeitsbereiche eines Anwalts einerseits und eines Notars andererseits seien verschieden. Sie hätten keine Berührungspunkte. Anschaulich werde dies beisieplsweise durch § 3 Nr. 7 des Beurkundungsgesetzes - BurkG - in der seit 1.9.1998 geltenden Fassung. Danach sei ein Notar verpflichtet, vor jeder Beurkundung nach einer Vorbefassung ("Verbot der Mitwirkung als Notar") zu fragen und in der Urkunde die Antwort zu vermerken. Grund hierfür sei die Neutralitätspflicht für einen Notar. Daraus folge zugleich, daß der Mandantenstamm getrennt sei. Berate ein Anwalt einen rechtsuchenden Mandanten dahin, eine notarielle Urkunde errichten zu lassen, dürfe er selbst dies nicht ohne weiteres vornehmen, denn er wäre aufgrund der Beratung "vorbefaßt". Auch seien hier Notariats - und Anwaltspraxis organisatorisch getrennt - nämlich durch unterschiedliche Farben der Aktenordner und eine entsprechende buchhalterische Erfassung der Einnahmen.

Der Senat hat das Verfahren wegen Umsatzsteuer 1996 in der mündlichen Verhandlung zu gesonderter Verhandlung und Entscheidung abgetrennt; es wird unter dem Aktenzeichen 16 K 9036/99 U fortgeführt. Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß dieses Verfahren ruht - bis eine Entscheidung in dem Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Einkünften 1996 rechtskräftig ist.

Die Klägerin beantragt im Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Einkünften 1996,

wie erkannt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt hält die Klage wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte 1996 für unzulässig. Die GbR sei nicht berechtigt, selbst Klage gegen den Feststellungsbescheid zu erheben. Die Berichtigung im Schriftsatz vom 21.12.1999 sei nach Ablauf der Klagefrist erfolgt.

Im übrigen beruft es sich auf seine außergerichtlichen Ausführungen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts klagebefugt i.S.d. § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Ergeht ein Feststellungsbescheid, in dem die Einkünfte einer Personengesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt werden, so ist die Personengesellschaft durch diese Feststellungen selbst zwar nicht betroffen, da sich die Feststellungen über die Folgebescheide nur bei den Gesellschaftern auswirken und diese beschweren. Gleichwohl ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO, daß das Klagerecht von der Personengesellschaft wahrgenommen wird, die hierbei durch ihre nach Gesellschaftsrecht vertretungsberechtigten Gesellschafter handelt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.5.1972 IV 251/64, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1972, 672; vom 05.121995 VIII R 67/94, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1996, 485; Urteil des Finanzgerichts - FG - Brandenburg vom 17.10.2001 2 K 762/00, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 157). Die Personengesellschaft wird dabei in gesetzlicher Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter tätig (BFH-Beschluß vom 31.1.1992 VIII B 33/90, BStBl. II 1992, 559 mit weiteren Nachweisen; Ruban in Handelrecht und Steuerrecht, Festschrift für Döllerer, Düsseldorf 1988, 515, 526). Nach der Rechtsprechung besteht eine Klagebefugnis der Gesellschaft darüber hinaus auch in den Fällen, in denen die Gesellschafter ein eigenes Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 FGO in Anspruch nehmen können (BFH-Beschluß vom 31.1.1992 VIII B 33/90,a.a.O.).

Ist die Personengesellschaft in gesetzlicher Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter tätig, so wird sie hierbei nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO durch ihre zur Vertretung berufenen Geschäftsführer vertreten. Wer zur Vertretung berufen ist, bestimmt sich nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags bzw. - bei Fehlen einer vertraglichen Regelung - nach den gesetzlichen Vorschriften, im Fall der Gesellschaft bürgerlichen Rechts somit nach §§ 709, 714 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - (so auch Ruban, a.a.O., 525; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Rz. 11; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 48 Rz. 11; Beermann/von Beckerath, Steuerliches Verfahrensrecht, § 48 FGO Rz. 78). Besteht nach der vertraglichen Regelung lediglich eine Gesamtvertretungsbefugnis aller Gesellschafter, so können diese nur gemeinsam Klage erheben (gleicher Ansicht Ruban, a.a.O., 525; von Beckerath, a.a.O.; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 48 Rz. 49; Dißars/Dißars, Betriebs-Berater 1996, 773, 774; zur entsprechenden Regelung in § 352 AO 1977: Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung. § 352 AO Rz. 69; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 352 Rz. 8; Szymczak, Koch/Schultz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 352 Rz. 10); die Klageschrift muß dementsprechend alle Gesellschafter als für die Gesellschaft handelnde Personen ausweisen (Urteil des FG Brandenburg vom 17.10.2001 2 K 762/00, a.a.O.).

Das ist hier der Fall. Die Klageschrift vom 2.9.1999 weist mit "A" und "B" beide Gesellschafter als für die Klägerin handelnden Personen aus. Dies gilt erst recht unter Heranziehung der vorgelegten Prozeßvollmacht, die von beiden Gesellschaftern unterzeichnet worden ist. An der einmal zulässig erhobenen Klage ändert auch nichts die mit Schriftsatz vom 21.12.1999 erklärte "Berichtigung des Rubrums" in A und B als Kläger - insbesondere ist darin keine Rücknahme der von der Klägerin erhobenen Klage zu sehen. Der Senat legt diesen Schriftsatz bei verständiger Würdigung dahin aus, daß die in einer Klageschrift erforderliche Angabe aller für die Gesellschaft handelnden Personen hier wiederholt und verstärkt werden sollte.

Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1996 vom 27.8.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31.8.1999 ist rechtswidrig, soweit das Finanzamt von dem Gesamtgewinn in Höhe von 358.890 DM und dem hiervon auf A entfallenden Betrag in Höhe von 329.770 DM einen Teilbetrag in Höhe von 250.000 DM nicht als tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn festgestellt hat. Hierdurch werden von der Klägerin wahrgenommene Rechte verletzt.

Die Veräußerung des Anwaltssozietätsanteils von A an B für 250.000 DM ist gemäß §§ 18 Abs. 3, 34 des Einkommensteuergesetzes - EStG - tarifbegünstigt - es handelt sich um die Veräußerung einer Teilpraxis.

Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. In diesem Fall gilt § 16 Abs. 2 bis 4 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung entsprechend (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG); der Veräußerungsgewinn wird - soweit er hiernach nicht steuerfrei bleibt - mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG versteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1992 IV R 16/91, BStBl II 1993, 182; vom 22.12.1993 I R 62/93, BStBl II 1994, 352; vom 6.3.1997 IV R 28/96, BFH/NV 1997, 746 m.w.N.) kann die Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens i.S. von § 18 Abs. 3 EStG in der Form einer Teilpraxisveräußerung nur dann in Betracht kommen, wenn ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen ausübt. Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige Tätigkeit, so schließt die Eigenart der selbständigen Arbeit und die Betonung der Betätigung (im Gegensatz zum Kapitaleinsatz) im allgemeinen die Annahme aus, daß Teile der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erlangt haben, daß sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können. Eine selbständige Teilpraxis kann u.a. dann angenommen werden, wenn eine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit zu verneinen ist - es sich vielmehr um mehrere organisatorisch selbständige Praxisteile handelt, in denen der Sache nach verschiedene Berufstätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen ausgeübt werden. An organisatorisch selbständigen Praxisteilen mit verschiedenen Berufstätigkeiten und verschiedenen Mandantenkreisen fehlt es deshalb beispielsweise bei kassenärztlichem Patientenstamm einerseits und privatärztlichem Patientenstamm andererseits - denn die medizinische Behandlung von Kassen- und Privatpatienten sind keine verschiedenen, sondern gleichartige Tätigkeiten, nur das Abrechnungsverfahren ist anders (BFH-Urteil vom 6.3.1997 IV R 28/96, a.a.O.). Nichts anderes gilt bei einer Behandlung von Groß- und Kleintieren - diese ist aus veterinärmedizinischer Sicht eine gleichartige Tätigkeit (BFH-Urteil vom 29.10.1992 IV R 16/91, a.a.O.). Ebensowenig stellt die Veräußerung eines Teils des Mandantenstamms eines Steuerberaters eine gemäß § 18 Abs. 3 EStG tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung dar - auch hier ist und bleibt die Tätigkeit gleichartig (vgl. BFH-Urteil vom 5.2.1987 IV R 121/83, BFH/NV 1987, 571; siehe auch Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 11.2.1998 II 1205/97, EFG 1998, 741).

Demgegenüber ist das Berufsbild des Notars einerseits und das des Rechtsanwalts andererseits so unterschiedlich, daß die Veräußerung des Anwaltspraxisanteils durch einen sog. Anwaltsnotar die Veräußerung einer Teilpraxis ist. Dabei verkennt der Senat nicht, daß für beide Berufe dieselben juristischen Qualifikationen erforderlich sind, nämlich die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz - DRiG -, § 5 der Bundesnotarordnung - BNotO - und § 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -. Gegenstand beider Berufe ist die Betreuung bzw. Beratung, § 14 Abs. 1 BNotO und § 3 Abs. 1 BRAO. Auch darf in Anwaltsnotar-Bezirken ein Rechtsanwalt nur für die Dauer seiner Zulassung bei einem bestimmten Gericht als Notar bestellt werden, § 3 Abs. 2 BNotO. Diese Gesichtspunkte sind für die Frage, ob die Anwaltspraxis eines Anwaltsnotars eine Teilpraxis sein kann, indessen unerheblich. Entscheidend ist nämlich, daß Notar- und Anwaltspraxis eines Anwaltsnotars gleichwohl voneinander organisatorisch selbständige Praxisteile sind, in denen der Sache nach verschiedene Berufstätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen ausgeübt werden.

Die Berufsbilder sind wesensverschieden - sowohl hinsichtlich des Gegenstands als auch der Ausübung der Tätigkeit. Dem Notar kommen Aufgaben zu, die nur er wahrnehmen darf - und nicht auch ein Rechtsanwalt. Der Notar wird gemäß § 1 BNotO als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amts u.a. für die Beurkundung von Rechtsvorgängen bestellt; die notarielle Beurkundung ist beispielsweise in wesentlichen Bereichen Voraussetzung für die Wirksamkeit bürgerlichrechtlicher Vereinbarungen, so bei Grundstücksgeschäften nach § 313 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - a.F. Bei der Ausübung der Tätigkeit ist wesentlicher Unterschied, daß ein Notar gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht Vertreter einer Partei ist, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten - ein Rechtsanwalt ist hingegen gemäß § 3 Abs. 1 BRAO der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.

Aus diesen Unterschieden hinsichtlich des Gegenstands und der Ausübung der Tätigkeit eines Notars einerseits und eines Rechtsanwalts andererseits folgt für einen Anwaltsnotar zugleich, daß er nur für seine anwaltliche Berufsausübung sozietätsfähig ist - nicht jedoch für die Tätigkeit als Notar. Deshalb kann sich eine Sozietät zwischen Rechtsanwalt und Anwaltsnotar gemäß § 9 Abs. 1 BNotO nur auf die Büroorganisation und die anwaltliche Tätigkeit (§ 3 Abs. 2 und 3 BNotO) erstrecken. Dabei gelten für den Anwaltsnotar weitreichende Tätigkeitsverbote. So ist ihm nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Beurkundungsgesetzes - BUrkG die Mitwirkung an Beurkundungen in Angelegenheiten verboten, in denen bereits ein anwaltliches Mandat besteht, weil dieses Mandat im Rahmen der Sozietät auch von ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt angenommen worden ist. Eine Überweisung von Mandanten der Sozietät durch die anwaltlichen Sozien zur Beurkundung durch den "hauseigenen" Notar ist also ausgeschlossen (Hartung in Henssler/Prütting, Kommentar zur BRAO, 1997, § 59 a Rdn. 22). Umgekehrt ist den zur Sozietät gehörenden Rechtsanwälten anwaltliche Tätigkeit untersagt, wenn der zur Sozietät gehörende Anwaltsnotar bereits in seiner Eigenschaft als Notar tätig geworden ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BRAO i.V.m. Abs. 3). Insoweit bestehen auch - bezogen auf eine bestimmte Tätigkeit - verschiedene Mandantenkreise.

Bei einem Anwaltsnotar muß mithin konsequent zwischen notarieller und anwaltlicher Tätigkeit getrennt werden - bedingt durch die unterschiedlichen Vorgaben des Berufsbildes des Notars und das des Rechtsanwalts. Daran ändert auch nichts, daß das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - zu dem Ergebnis gekommen ist, das Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, solange der Anwaltsnotar selbst Steuerberater sein darf und auch nicht gehindert ist, sich mit Nur-Steuerberatern zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen (BVerfG-Beschluß vom 8.4.1998 1 BvR 1773/96, Deutsche Notar-Zeitschrift - DNotZ - 1998, 754) - und dabei vertreten hat, in Anbetracht der unterschiedlichen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltungen des Notarberufs sei es kaum möglich, von einem einheitlichen Berufsbild des Notars auszugehen (so auch Eylmann, Bewegung im Berufsrecht der Notare, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1998, 2929). Selbst wenn sich daraus ein eigenständiges Berufsbild des Anwaltsnotars gegenüber dem Nur-Notar ableiten ließe (verneinend: Löwer, Der Notar im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Amt und freiem Beruf, Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer - MittRhNotK - 1998, 310 und Schmitz-Valckenberg in Eylmann/Vaasen, Kommentar zur BNotO und zum BUrkG, 2000, § 3 BNotO, Rdn. 7), bleibt es bei den aufgezeigten Unterschieden zwischen dem Berufsbild eines Notars und dem eines Rechtsanwalts - auch und gerade innerhalb der Tätigkeit eines Anwaltsnotars. Die Ausführungen des BVerfG verstehen sich offensichtlich allein vor dem Hintergrund, daß es inzwischen praktisch keine großen überörtlichen Sozietäten mehr gibt, denen nicht auch Anwaltsnotare angehören - und deshalb diese Berufsform in gewisser Weise auch Eingang in die Bundesländer gefunden hat, in denen das Nur-Notariat gilt, obwohl auch der Anwaltsnotar Beurkundungen weiterhin nur im eigenen Amtsbereich vornehmen darf, § 10 a Abs. 2 BNotO (BVerfG-Beschluß vom 8.4.1998 1 BvR 1773/96, a.a.O.). Auswirkungen auf die Trennung zwischen notarieller und anwaltlicher Tätigkeit ergeben sich nicht - und sind auch mit Blick auf die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben nicht möglich.

A hat seinen Anwaltssozietätsanteil als mithin gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG selbständigen Teil des Vermögens, das der selbständigen Arbeit dient, in vollem Umfang auf B übertragen. Vereinbarungsgemäß erfaßte die Übertragung sämtliche von ihm bisher bearbeiteten Sachen. Zugleich verpflichtete er sich, zukünftig keine Anwaltstätigkeit auf eigene Kosten auszuüben. Daß er die Zulassung als Rechtsanwalt behielt, weil dies für seine weitere Tätigkeit als Notar gemäß § 3 Abs. 2 BNotO erforderlich war, ist unerheblich. Eine nennenswerte Tätigkeit als Rechtsanwalt ließ dies nicht erwarten - unstreitig ist es hierzu seit dem Zeitpunkt der Übertragung des Anwaltssozietätsanteils auf B auch nicht gekommen. So besteht gemäß § 48 Abs. 1 BRAO zwar grundsätzlich eine Pflicht zur Übernahme der Prozeßvertretung in den dort aufgeführten Fällen. Die Verfahrensvorschriften mildern diesen Zwang indessen ab, indem sie die Beiordnung zwingend auf den "zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt" beschränken. A kann also ohne weiteres frei entscheiden, ob er ein solches Mandat annimmt - oder mit Blick auf die gegenüber B eingegangene Verpflichtung, keine Anwaltstätigkeit mehr auszuüben, ablehnt. Das gilt im Ergebnis auch für Pflichtverteidigungen und Beistandsleistungen gemäß § 49 BRAO sowie die Übernahme von Beratungshilfe gemäß § 49 a BRAO. Eine entsprechende Verpflichtung eines dazu nicht bereiten Rechtsanwaltes ist wenig sinnvoll und damit kaum zu erwarten.

Ebenso sind hier Notariats - und Anwaltspraxis organisatorisch getrennt - nämlich durch unterschiedliche Farben der Aktenordner und eine entsprechende buchhalterische Erfassung der Einnahmen. Die mit den Angestellten bestehenden Arbeitsverträge wurden allein von B fortgeführt - mit Ausnahme des mit der Notariatssekretärin bestehenden Vertrags; deren Aufgabe war weiterhin, auch für das Notariat von A tätig zu sein. Von den Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis wurde A freigestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.






FG Düsseldorf:
Urteil v. 17.04.2002
Az: 16 K 5662/99 F


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