Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 310/09

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2009, Az.: 6 W (pat) 310/09)

Tenor

Das Patent 102 57 721 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 4. August 2005 veröffentlichte Patent 102 57 721 mit der Bezeichnung "Steuerungssystem für eine Türanlage" ist am 27. Oktober 2005 von der Einsprechenden I und am 4. November 2005 von der Einsprechenden II Einspruch erhoben worden. Die Einsprüche sind mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus, er sei weiterhin nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweisen die Einsprechenden u. a. auf die DE 43 44 729 C2 und die DE 101 05 189 A1.

Sie beantragen übereinstimmend, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Weiterhin stellt sie in Aussicht, sich auf eine Kombination des Anspruchs 1 mit dem Unteranspruch 2 und ggf. Unteranspruch 3 zurückzuziehen.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, dass der erteilte Anspruch 1 neu sei und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Steuerungssystem für eine Türanlage, beinhaltend einen Mikroprozessor (1), der Schnittstellen für Steuerungssysteminterne (7, 9) und Steuerungssystemexterne Bussysteme (22) aufweist zum Anschluss von Modulen (8) und Sensoren (10, 11), dadurch gekennzeichnet, dass mindestens drei verschiedenartige Schnittstellen für den wahlweisen Anschluss von drei unterschiedlich leistungsfähigen Arten/Stufen von Steuerungssysteminternen und Steuerungssystemexternen Bussystemen vorgesehen sind, die aber Mikroprozessorexterne Bussysteme sind."

Wegen des Wortlauts der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche sowie weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH X ZB 6/08 -Ventilsteuerung, Urteil vom 6. Dezember 2008).

2.

Die fristund formgerecht erhobenen Einsprüche sind ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

3.

Die geltenden Ansprüche sind zulässig, da sie im Wesentlichen den ursprünglichen Ansprüchen entsprechen.

Die Ansicht der Einsprechenden I, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gehe über den Inhalt in der angemeldeten Fassung hinaus, teilt der Senat nicht. Wie sich aus S. 7, Z. 13 und 14 der Anmeldungsunterlagen ergibt, besteht der Kern der Erfindung in der Kombination von mindestens drei verschiedenartigen Schnittstellen. Dieser Kerngedanke findet sich auch im erteilten Anspruch 1 wieder. Ob dabei zusätzlich -wie im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 angegeben -an mindestens einer der Schnittstellen der jeweils gewünschte Bus aufgeschaltet ist, ist aufgabenhaft und für die Lehre, welche die Erfindung beinhaltet, unerheblich, so dass ein entsprechendes Merkmal nicht zwingend in einem Anspruch 1 vorhanden sein muss.

4.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Es mag dahinstehen, ob der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu ist, er ist zumindest nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der DE 43 44 729 C2 ist unbestritten ein gattungsgleiches Steuerungssystem bekannt (vgl. Abs. [0012] der Streitpatentschrift).

Weiterhin ist aus der DE 101 05 189 A1 eine Überwachungsgerät bekannt, das universell und auch zur Überwachung eines Schlosses (vgl. Anspruch 5) und damit einer Tür eingesetzt werden kann (vgl. auch Abs. [0002]: Überwachung von Gefängniszellen). Dieses bekannte Überwachungsgerät zeichnet sich bereits dadurch aus, dass mindestens drei verschiedenartige Schnittstellen für den wahlweisen Anschluss von drei unterschiedlich leistungsfähigen Arten/Stufen von Steuerungssysteminternen und Steuerungssystemexternen Bussystemen vorgesehen sind, die aber Mikroprozessorexterne Bussysteme sind.

Denn wie sich aus der einzigen Figur i. V. m. der Beschreibung Abs. [0012] und [0013] entnehmen lässt, sind an der Platine und damit auch an dem Mikroprozessor 24 (vgl. Abs. [0021]) mindestens drei verschiedene Schnittstellen für den wahlweisen Anschluss von drei unterschiedlich leistungsfähigen Arten/Stufen von Steuerungssysteminternen und Steuerungssystemexternen Bussystemen vorgesehen; nämlich eine Schnittstelle 1 für einen LSN-Bus, eine Schnittstelle 2 für einen CAN-Bus und eine Schnittstelle 30, die als RS485-Schnittstelle ausgebildet ist, wobei gemäß Abs. [0022] die einzelnen Schnittstellen auch mehrfach vorhanden sein können. Weiterhin handelt es sich bei den anzuschließenden Bus-Systemen um Mikroprozessorexterne Bussysteme, da gemäß der einzigen Figur die Bussysteme von außerhalb an die Platine angeschlossen werden, während der Mikroprozessor innerhalb der Platine angeordnet ist.

Somit beschreibt die DE 101 05 189 A1 ein Überwachungsgerät für eine Türanlage mit sämtlichen im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen.

Der Fachmann -ein mit der Entwicklung von Steuerungssystemen betrauter Informatiker -brauchte also lediglich die aus der DE 101 05 189 A1 bekannten Merkmale auf ein Steuerungssystem nach der gattungsbildenden DE 43 44 729 C2 zu übertragen, um zum Patentgegenstand zu gelangen. Eine solche Übertragung hat aber auch nahe gelegen, da die DE 101 05 189 A1 ebenso wie die Erfindung darauf abzielt, u. a. eine kostengünstige Türsteuerung zu schaffen, welche individuell an den Einzelfall anpassbar ist (Streitpatentschrift Abs. [0013] bzw. DE 101 05 189 A1 Abs. [0002]).

Der erteilte Anspruch 1 ist somit nicht bestandsfähig.

b. Ein Anspruch 1, der -wie von der Patentinhaberin in Aussicht gestellt -mit dem Unteranspruch 2 und ggf. Unteranspruch 3 kombiniert würde, wäre ebenfalls nicht gewährbar.

Die Unteransprüche 2 und 3 beinhalten Aussagen darüber, welche verschiedenen Arten von Bussystemen an die Schnittstellen angeschlossen werden sollen, nämlich ein LIN-Bus, ein CAN-Bus und eine weitere Schnittstelle zum Anschluss an ein übergeordnetes Datennetz, welche gemäß Anspruch 3 ein Ethernet sein soll.

Welche Schnittstellen benötigt werden, ergibt sich jedoch schon allein durch den jeweiligen Anforderungskatalog, der festlegt, welche Bussysteme angeschlossen werden sollen, und ist im übrigen im Hinblick auf die DE 101 05 189 A1 auch nahe gelegt, wo bereits ein LSN-Bus, ein CAN-Bus und eine RS485-Schnittstelle verwendet werden. Denn sowohl LIN-Bus als auch LSN-Bus dienen zur Vernetzung von Mikrocontrollern, Sensoren, Elektromotoren, Ventilen und anderer elektronischer Komponenten, und eine RS485-Schnittstelle kann ebenfalls zur Verbindung mit dem Ethernet verwendet werden.

Somit wäre auch eine Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit Anspruch 2 und ggf. Anspruch 3 nicht gewährbar.

c. Die Unteransprüche fallen notwendigerweise mit dem Hauptanspruch (vgl. BGH GRUR 1989, 103 "Verschlussvorrichtung für Gießpfannen" i. V. m. BGH GRUR 1980, 716 "Schlackenbad").

5. Nachdem die unterlegene Beteiligte, hier die Patentinhaberin, keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, konnte der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden. Die Entscheidung kommt für die Patentinhaberin auch nicht überraschend und es ist ihr sowohl hinsichtlich des Patents mit den erteilten Unterlagen als auch hinsichtlich der in Aussicht gestellten Beschränkung hinreichend rechtliches Gehör gegeben worden, da die Einsprechenden in ihren Einspruchsschriftsätzen bereits ausgeführt haben, dass nicht nur die Merkmale des erteilten Anspruchs 1, sondern auch die Merkmale der erteilten Ansprüche 2 und 3 durch den nachgewiesenen Stand der Technik verwirklicht bzw. nahe gelegt seien (vgl. dazu Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 59, Rdn. 226; Einl. Rdn. 244, 248).

Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 17.02.2009
Az: 6 W (pat) 310/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4406ea9c8585/BPatG_Beschluss_vom_17-Februar-2009_Az_6-W-pat-310-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share