Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Mai 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 45/00

(BPatG: Beschluss v. 02.05.2002, Az.: 17 W (pat) 45/00)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Erteilung des vorliegenden Patents 42 25 784 mit der Bezeichnung

"Hülle zum Halten von zwei Compact Discs oder dergleichen"

wurde ein Einspruch erhoben.

Auf den Einspruch hin wurde das Patent von der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamts mit der Begründung widerrufen, dass es ausgehend vom Stand der Technik keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um zum Gegenstand des Patents zu kommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.

Sie verfolgt das Patent weiter auf der Grundlage von Patentansprüchen 1 bis 6, eingegangen am 25. März 2002.

Der Patentanspruch 1, mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:

1. Hülle zum Halten von Compact Discs oder dergleichen mit 1.1 einem vorderen Abdeckteil (12), 1.2 einem hinteren mit Wänden (30) versehenen Abdeckteil (14), 1.3 einem ein stufenförmiges Teilstück (48) und einen ebenen Teilbereich (36)

aufweisenden Trägerteil (18)

1.3.1 mit einer Halteeinrichtung (44a, 44b) zum Festhalten von Compact Discs 1.4 mit einer ersten Schwenkverbindung (24, 34), 1.4.1 um das vordere und das hintere Abdeckteil (11, 14) längs einer Kante der Hülle (10) schwenkbar zu verbinden, 1.5 und einer zweiten Schwenkverbindung (50, 52), 1.5.1 um das Trägerteil (18) zwischen den Abdeckteilen (12, 14) nahe oder an der einen Kante der Hülle (10) schwenkbar zu befestigen, 1.5.2 und um das Trägerteil (18) mit einem der Abdeckteile (12, 14) zu verbinden, 1.5.3 wobei die Schwenkachse der zweiten Schwenkverbindung (50, 52) nahe der einen Kante der Hülle (10) liegt und im wesentlichen parallel dazu und im Abstand von der Schwenkachse der ersten Schwenkverbindung (24, 34) verläuft, 1.6 wobei die Hülle (10) in geschlossenem Zustand ungefähr die gleiche Dicke hat wie eine Standardhülle zum Halten einer einzigen Compact Disc, dadurch gekennzeichnet, 1.3.2 dass das Trägerteil (18) zum Festhalten von zwei Compact Discs an jeder seiner zwei gegenüberliegenden Seiten (38, 40) des ebenen Teilbereichs (36) mit einer Halteeinrichtung (44a, 44b) versehen ist, 1.5.4 dass die zweite Schwenkverbindung (50, 52) durch Drehzapfen (50) und Schwenköffnungen (52) gebildet ist, die einerseits an dem stufenförmigen Teilstück (48) des Trägerteils (18) und andererseits an den Wänden (30) des hinteren Abdeckteils (14) ausgebildet sind, 1.7 und dass das stufenförmige Teilstück (48) des Trägerteils (18) so bemessen ist, dass es zwischen die Wände (30) des hinteren Abdeckteils (14) passt.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der nunmehr geltende Patentanspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung nicht unzulässig erweitert sei und sich auch in erfinderischer Weise vom Stand der Technik abhebe. Sie verweist hierzu insbesondere darauf, dass das stufenförmige Teilstück als versenkbare Griffleiste ausgestaltet sei.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuhebenund das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, eingegangen am 25. März 2002, Beschreibung Seiten 1 bis 4, eingegangen am 10. April 2001, Spalte 3 bis 7 gemäß Patentschrift, 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift.

Der Einsprechende stellte den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass die Formulierung des Merkmals 1.7 des Anspruchs 1 jedenfalls in der vorliegenden Form nicht durch die ursprüngliche Beschreibung gedeckt sei.

Außerdem sei die CD - Hülle durch verschiedene Kombinationen der genannten Druckschriften dem Fachmann nahegelegt, so durch die EP 0 272 042 A2 und die DE 88 10 917 U1; das Patent könne daher keinen Bestand haben.

II Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig.

Sie hat jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).

Die vorliegende Fassung des Patentanspruchs 1 ist zulässig. Dessen Merkmale ergeben sich - wenn auch unter teilweiser Umstellung und Präzisierung - aus den erteilten Ansprüchen 1 und 5. Dass entsprechend Merkmal 1.7 das stufenförmige Teilstück des Trägerteils so bemessen ist, dass es zwischen die Wände des hinteren Abdeckteils passt, ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen auf S 8, Abs 1 der ursprünglichen Beschreibung. Dort ist ausgeführt, dass das Trägerteil so bemessen ist, "dass es zwischen die C-förmigen Wände 30 und 32 des hinteren Abdeckteils 14 passt".

Die Hülle zum Halten von Compact Discs nach dem Anspruch 1 ist dem Fachmann jedoch durch folgende Druckschriften nahegelegt:

1) EP 0 272 042 A2 2) DE 88 10 917 U1.

In der EP 0 272 042 A2 ist eine Hülle zum Halten von Compact Discs oder dergleichen (storage container for a recording medium) beschrieben, die hinsichtlich der Abmessungen (size) dem Industriestandard entspricht (vgl Sp 3, Z 42 - 46). Diese Hülle weist auch nach Auffassung der Patentinhaberin die Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 auf (vgl S 3, Abs 1 der Beschreibung). Sie ist für die Aufnahme einer Compact Disc konzipiert und besteht im wesentlichen aus einem vorderen und einem hinteren Abdeckteil (base, cover), die über eine erste Schwenkverbindung (Fig 20 pin 102 hole 200) gegeneinander verschwenkt werden können. Zwischen den beiden Abdeckteilen befindet sich ein Trägerteil (holder) mit einer Aufnahme für die Compact Disc. Dieser Trägerteil ist an einer zweiten Schwenkverbindung (living hinge 186) gelagert, deren Achse parallel und in geringem Abstand zur ersten Schwenkverbindung angeordnet ist, so dass sich die Hülle zur Entnahme der Compact Disc nach Art eines Buches öffnen lässt (vgl Sp 9, Z 40 bis Sp 10, Z 36 iVm den Figuren 20 bis 24).

Dabei ist entsprechend Merkmal 1.7 des Anspruchs 1 das stufenförmige Teilstück des Trägerteils so bemessen, dass es (mit Spiel) zwischen die Wände des hinteren Abdeckteils passt (vgl pin 188, hole 200, Figur 20 iVm Sp 9, Z 45 - 50). Eine solche Bemessung ist schon deshalb erforderlich, weil andernfalls das Trägerteil durch das Abdeckteil am Herausschwenken gehindert würde, wodurch die Entnahme der Compact Disc unmöglich würde.

Die beanspruchte Hülle unterscheidet sich von dieser bekannten CD-Hülle sonach nur hinsichtlich der Merkmale 1.3.2 und 1.5.4.

Dass die zweite Schwenkverbindung nicht nur durch ein Filmscharnier (living hinge), sondern auch durch Drehzapfen und Schwenköffnungen gemäß Merkmal 1.5.4 realisiert werden kann, ist für den zuständigen Fachmann, einen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik bzw Spritztechnik tätigen Konstrukteur, selbstverständlich.

Die Anregung, eine Hülle zum Halten von einer Compact Disc mit handelsüblichen Abmaßen mit einem Trägerteil zu versehen, das zum Festhalten von zwei Compact Discs an jeder seiner zwei gegenüberliegenden Seiten mit einer Halteeinrichtung versehen ist, erhält der Fachmann aus der DE 88 10 917 U1.

Diese Druckschrift befasst sich mit der Aufgabenstellung, die Aufnahmekapazität einer gebräuchlichen Einzelverpackung für Compact Discs zu verdoppeln (vgl S 4, Z 28 - 32). Hierzu schlägt sie vor, an Stelle eines Trägerteils für eine Compact Disc ein Trägerteil vorzusehen, das auf der Vorder- und Rückseite je eine Compact Disc tragen kann (vgl insb Anspruch 5). In Kenntnis dieser Druckschrift lag es für den Fachmann nahe, auch die in der EP 0 272 042 A2 beschriebene Hülle, die ebenfalls die Abmessungen nach dem Industriestandard aufweist, zur Erhöhung der Aufnahmefähigkeit mit einem Trägerteil zum Festhalten von zwei Compact Discs zu versehen.

Die Patentinhaberin führt hiergegen an, dass die Ausgestaltung des stufenförmigen Teilstücks des Trägerteils als Griffleiste diene, bei deren Niederdrücken die Compact Discs leicht entnommen werden könnten.

Ein solcher Vorteil ist durch die Beschreibung des Patents nicht gestützt. Gegen ihn spricht auch, dass sich die Schwenkachse des Trägerteils nahe oder an der Kante der Hülle befinden soll (vgl Merkmal 1.5.1), so dass ein Druck auf das stufenförmige Teilstück kein Anheben des Trägerteils bewirken kann.

Die Hülle zum Halten von Compact Discs nach dem Anspruch 1 beruht sonach nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Mit dem nicht bestandsfähigen Anspruch 1 fallen auch die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6.

Die Beschwerde der Patentinhaberin gegen den Beschluss der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamts war daher zurückzuweisen.

Grimm Dr. Schmitt Bertl Prasch Bb






BPatG:
Beschluss v. 02.05.2002
Az: 17 W (pat) 45/00


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