Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. Juni 2007
Aktenzeichen: 3 Ni 15/05

(BPatG: Urteil v. 14.06.2007, Az.: 3 Ni 15/05)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 10. Juli 1990 beim Europäischen Patentamt als internationale PCT-Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 91/00917 unter Inanspruchnahme der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 378 155 vom 10. Juli 1989 angemeldeten und u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in englischer Sprache erteilten europäischen Patentes 0 482 077 B1 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 690 32 713 geführt wird. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyester-Biopolymeren und umfasst in der erteilten Fassung 20 Patentansprüche, die in der deutschen Übersetzung folgendermaßen lauten:

1. Verfahren zur Konstruktion von Polyesterbiopolymeren in einem Wirt durch Auswählen eines Wirts zur Expression von für zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten erforderliche Enzyme codierenden Genen, Einführen des isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, in Kombination mit Regulatorsequenzen zur Expression des Gens im Wirt in den Wirt und Bereitstellen geeigneter Substrate für die exprimierten Enzyme zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten.

2. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem die Polymerase auf der Basis ihrer Substratspezifität ausgewählt wird.

3. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem die Substratspezifität der Polymerase durch Modifizieren des für die betreffende Polymerase codierenden Gens geändert wird.

4. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem eine die Expression des Polymerasegens als Antwort auf spezielle Induktoren kontrollierende Regulatorsequenz bereitgestellt wird.

5. Verfahren nach Anspruch 4, bei welchem der spezielle Expressionsinduktor aus der Gruppe Temperaturänderungen und spezielle induzierende Chemikalien ausgewählt ist.

6. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem das Polymerasegen aus einem Bakterium, ausgewählt aus der Gruppe Zoogloea, Azotobacter, Alcaligenes, Bacillus, Nocardia, Clostridium, Halobacterium, Pseudomonas und Rhodospirillium, stammt.

7. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem der Wirt aus einem bakteriellen Wirt mit einem Mangel an Polyhydroxyalkanoatpolymerase besteht.

8. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem der Wirt aus einer Pflanze besteht.

9. Verfahren nach Anspruch 1, bei welchem die Gene für Enzyme mit Stereospezifität für das D-Isomer des Hydroxyacyl-CoA-Substrat codieren.

10. Isolierte DNA-Sequenz mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann.

11. Sequenz nach Anspruch 10 mit Codierung für ein in einem Bakterium, ausgewählt aus der Gruppe Zoogloea, Azotobacter, Alcaligenes, Bacillus, Nocardia, Clostridium, Halobacterium, Pseudomonas und Rhodospirillium, gefundenes Enzym.

12. Sequenz nach Anspruch 10 mit Codierung für ein in Pseudomonas oleovorans gefundenes Enzym.

13. Sequenz nach Anspruch 12 mit der in Figur 6 dargestellten Sequenz.

14. Sequenz nach Anspruch 12 mit der in Figur 6 dargestellten Sequenz mit den Nucleotiden 554 bis 2231 als offener Leserahmen 1 und den Nucleotiden 3217 bis 3146 als offener Leserahmen 3 oder einer unter Standardbedingungen an diese (Sequenz) hybridisierenden Sequenz.

15. Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann und aus einem isolierten Strukturgen exprimiert ist.

16. Polyhydroxyalkanoatpolymerase nach Anspruch 15, codiert durch ein im Pseudomonas oleovorans gefundenes Gen.

17. System zur Synthese von Biopolymeren mit Polyesterskeletten, umfassend einen Wirt zur Expression von für zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten erforderliche Enzyme codierenden Genen und das isolierte Strukturgen mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, in Kombination mit Regulatorsequenzen zur Expression des Gens im Wirt in einem Nährmedium, umfassend für die Polymerase zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten in dem Wirt geeignete Substrate und Nährstoffe, um den Wirt zu einem Wachstum und die Polymerase zu einer Synthese von Polyhydroxyalkanoaten zu befähigen.

18. System nach Anspruch 17, wobei der Wirt aus Bakterien und Pflanzen ausgewählt ist.

19. System nach Anspruch 17, wobei die Substrate aus der Gruppe Acetoacetylderivate, Olefine, Ester, Alkohole, Diole, Epoxide, D-Hydroxybutyryl-CoA, D-Betahydroxyvaleryl-CoA, verzweigtkettige Beta-Hydroxyacyl-CoAs, monomere Acyl-CoA-Analoge von D-3-hydroxybutyryl-CoA, Acylthiolester-CoAs und Kombinationen hiervon ausgewählt sind.

20. Verwendung eines isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, im Rahmen eines Verfahrens zur Konstruktion eines Polyesterbiopolymers.

Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei für nichtig zu erklären, weil der Gegenstand des Streitpatentes über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgehe, die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne und der Gegenstand des Streitpatentes weder neu noch erfinderisch sei. Zur Begründung verweist sie auf folgende Druckschriften:

NiKEP EP 0 482 077 B1, NiK1 DE 690 32 713 T2, NiK2 WO 91/00 917, NiK3 US 378 155, NiK4 Gross, A. R. et al., Macromolecules, 1989, 22, S. 1106 bis 1115, NiK5 Schubert, P. et al., J. Bacteriol, 1988, 170, S. 5837 bis 5847, NiK6 Nawrath, C. et al., Molecular Breeding, 1995, 1, S. 105 bis 22, NiK7 Lageveen, R. G. et al., Appl. Environ. Microbiol., 1988, 54, S. 2924 bis 2932, NiK8 Huismann, G. W. et al., Appl. Environ. Microbiol., 1989, 55, S. 1949 bis 1954, NiK9 Fukui, T. and Doiy, J. Bacteriol., 1997, 179, S. 4821 bis 4830, NiK10 Langenbach, S. et al., FEMS Microbiology Letters, 1997, 150, S. 303 bis 309, NiK11 Fukui, T. et. al., FEMS Microbiology Letters, 1999, 170, S. 69 bis 75.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 482 077 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

Die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der unzulässigen Erweiterung und fehlenden Ausführbarkeit stehen dem Streitpatent nicht entgegen (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs 1 lit a, lit b, lit c EPÜ).

I.

1. Das Streitpatent betrifft Verfahren zur Konstruktion von Polyester-Bipolymeren, eine isolierte DNA-Sequenz mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, ein System zur Synthese von Biopolymeren mit Polyesterskeletten sowie die Verwendung eines isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase.

2. Wie im einleitenden Teil des Streitpatentes ausgeführt wird, erfolgte die Herstellung vieler komplexer Biopolymerer lange Zeit alleine über die Synthese durch Bakterien, wobei die Regulation der Expression der daran beteiligten Enzyme und Cofaktoren weitgehend empirisch gewesen sei. Um die Produktion dieser komplexen Biopolymeren kontrollieren und modifizieren zu können, sei es jedoch erforderlich, neben der Isolierung und Charakterisierung der für die einzelnen Verfahrensstufen verantwortlichen Proteine auch die für diese Proteine codierenden Gene zu isolieren, zu sequenzieren und zu klonieren sowie die Mechanismen der einzelnen Abläufe aufzuklären. Bei den dabei im Blickpunkt stehenden Biopolymeren handele es sich u. a. um Polyhydroxyalkanoat(PHA)- bzw. Polyhydroxybutyrat(PHB)-Speicherpolymere von Bakterien, wie A. eutrophus und P. oleovorans, mit einem Molekulargewicht von über 10 000, die im Rahmen klassischer Fermentationsverfahren in extrem hohen Ausbeuten erhalten werden könnten und für vielfältige Anwendungsmöglichkeiten geeignet seien. Dem entsprechend würden im Zuge des Bestrebens, neue PHB-ähnliche Biopolymere für verbesserte oder neue Anwendungsgebiete zu entwickeln, im Stand der Technik kontrollierte Fermentationen unter Verwendung ausgewählter Substrate beschrieben. Darüber hinaus seien in diesem Zusammenhang ferner die Polyhydroxybutyratpolymerase- und Acetoacetyl-CoA-Reductasegene und ihre Verwendung in einem Verfahren zur Herstellung von neuartigen Polyester-Biopolymeren bekannt sowie das Klonieren der Alcaligenes eutrophus-Gene zur Synthese von Polyhydroxybutyrat und dessen Synthese in Escherichia coli. Mit der Fähigkeit einer Vielzahl von Enzymen ihre Substratspezifität zu variieren und auf Grund von Techniken Gene, die für Enzyme kodieren, in anderen Wirten, insbesondere in Pflanzen, zu exprimieren, sei es zudem möglich, eine wirtschaftliche, biologisch abbaubare Alternative zu den gegenwärtig verfügbaren, aus Erdöl hergestellten Kunststoffen bereitzustellen (vgl. Streitpatent NiKEP S. 2 Z. 6 bis S. 3 Z. 19).

3. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde,

- Enzyme zur Verwendung bei einem Verfahren zur Synthese von komplexen Biopolymeren, insbesondere PHA oder ähnlichen Polymeren bereitzustellen - zusätzliche Gene, die für diese Proteine zur Polymersynthese codieren, zu isolieren, zu sequenzieren und zu klonieren, sowie Maßnahmen zur Regulierung der Geschwindigkeit und des Grades der Expression dieser Gene bereitzustellen - gereinigte Proteine, die von den Genen mit Codierung für die Proteine zur Synthese von Polyhydroxyalkanoat exprimiert werden, bereitzustellen.

- Verfahren zur Verwendung dieser Proteine und Regulatorsequenzen zur Schaffung neuer Biopolymerer mit Polyesterskeletten bereitzustellen.

- eine wirtschaftliche Quelle für biologisch abbaubare Polyhydroxyalkanoate und neuartige verwandte Polymere unter Verwendung von sowohl Bakterien - als auch Pflanzenzellen zur Produktion bereitzustellen (vgl. NiKEP S. 3 Z. 20 bis Z. 29).

4. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung durch ein 1. Verfahren zur Konstruktion von Polyesterbiopolymeren 2. in einem Wirt 2.1. durch Auswählen eines Wirtes zur Expression von für zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten erforderliche Enzyme codierenden Genen, 3. Einführen des isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, 3.1. die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, 4. in Kombination mit Regulatorsequenzen zur Expression des Gens im Wirt in den Wirt und 5. Bereitstellen geeigneter Substrate für die exprimierten Enzyme zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten.

Die Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 10 ferner durch eine isolierte DNA-Sequenz mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, sowie durch diese Polyhydroxyalkanoatpolymerase gemäß Patentanspruch 15 gelöst.

Die Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 17 weiterhin durch ein System zur Synthese von Biopolymeren mit Polyesterskeletten und die Verwendung eines isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase gemäß Patentanspruch 20 gelöst.

II.

Das Streitpatent in der erteilten Fassung erweist sich als bestandsfähig. Die Klägerin hat den Senat nicht vom Vorliegen der Nichtigkeitsgründe der mangelnden Offenbarung und mangelnden Ausführbarkeit sowie fehlenden Patentfähigkeit überzeugen können.

1. Unzulässige Erweiterung 1.1. Die Nichtigkeitsklägerin begründet ihren Vorwurf, der Gegenstand des erteilten Patentanspruches 1 sei gegenüber den beim europäischen Patentamt ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert, mit der nunmehr ausschließlichen Nennung des isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase ohne weitere Konkretisierung der zur Synthese von Polyhydroxyalkanoaten darüber hinaus erforderlichen Enzyme (Merkmal 3) und dieses sowohl für bakterielle als auch pflanzliche Wirte sowie mit dem Merkmal "C6- bis C18-Substrate" (Merkmal 3.1) und wiederum dessen allgemeinen Bezug auf einen nicht weiter definierten Wirt. Ursprünglich hingegen sei nur der vollständige Enzymweg offenbart gewesen und die für das Substrat genannte Kohlenstoffzahl von "C6- bis C18-" so im Zusammenhang nur mit Fettsäuren und dieses ausschließlich in Verbindung mit Pflanzen angegeben gewesen.

Dieser Sichtweise kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Weder die Patentansprüche noch die Beschreibung der Erstunterlagen lassen diese Interpretation zu. Gemäß der dem Streitpatent zugrunde liegenden internationalen Offenlegungsschrift WO 91/00917 A1 (NiK2), die gleichfalls ein Verfahren zur Konstruktion von Polyesterbiopolymeren in einem Wirt betrifft, wird die Einführung von isolierten Strukturgenen, die für Enzyme kodieren, als einer der zu ergreifenden Verfahrensschritte beschrieben, wobei diese Enzyme aus einer Gruppe bestehend aus vier definierten Mitgliedern, u. a. der Polyhydroxyalkanoatpolymerase, ausgewählt werden (vgl. Patentanspruch 1). Wie sodann anhand des nachgeordneten Patentanspruches 8 zu ersehen ist, kann es sich bei dem die Gene exprimierenden bakteriellen Wirt um einen Organismus handeln, dem es an der Expression von zumindest einem Enzym kodierenden Gen mangelt. In diesem Fall ist aber - wie aus der die Patentansprüche erläuternden Beschreibung zu ersehen ist - auch nur die Einführung dieses fehlenden Strukturgens erforderlich, um den für die gewünschte Polymersynthese benötigten Enzymweg zu vervollständigen. Danach wird dort nämlich im Zusammenhang mit der Bereitstellung neuer oder veränderter Polyester produzierender Systeme entweder von der Einführung mehrerer für den Syntheseweg erforderlicher Enzym kodierender Gene oder - für die Fälle, in denen die zur Produktion der gewünschten Polyester-Biopolymeren erforderlichen Bedingungen ansonsten bereits gegeben sind - von der Einführung lediglich des die PHA-Polymerase exprimierenden Genes gesprochen (vgl. z. B. S. 37 Z. 29 bis 32, S. 38 Z. 11 bis 15, S. 39 Z. 23 bis 28, S. 42 Z. 4 bis 24, S. 45 Z. 24 bis 27 und S. 46/47 übergreifender Satz). Ersichtlich ist dieses insbesondere aus dem die Identifizierung des PHA-Polymerasegens aus P. oleovorans betreffenden Beispiel auf S. 36 Z. 15 bis S. 38 Z. 6 der internationalen Offenlegungsschrift NiK2. Gemäß diesem handelt es sich bei dem aus diesem Mikroorganismus isolierten, für die Synthese von PHA kodierenden System um ein Fragment mit den drei Protein kodierenden Regionen ORF1, ORF2 und ORF3 (vgl. dazu auch Fig. 5), wobei bereits ORF1 jeden PHA-negativen Stamm komplementiere (vgl. S. 37 Z. 21 bis 32). Demnach werden in der zugrunde liegenden internationalen Offenlegungsschrift NiK2 zwei Wege offenbart, die zu einem polyesterproduzierenden System führen, nämlich die Einführung einer Kombination isolierter für den Syntheseweg erforderlicher Gene oder nur eines isolierten PHA-Polymerasegens. Die im erteilten Patentanspruch 1 dem Merkmal 3 der Merkmalsanalyse I.4. entsprechende Verfahrensmaßnahme stellt daher eine Beschränkung auf eine von zwei zunächst angegebenen Alternativen, nicht aber eine unzulässige Erweiterung gegenüber den ursprünglich beim europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen dar.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der mit dem Merkmal 3 der Merkmalsanalyse I.4. angegebene Verfahrensschritt auch für beide in der Streitpatentschrift angegebenen Wirtssysteme, nämlich für bakterielle wie pflanzliche, ursprünglich offenbart. Ersichtlich ist dieses bereits aus den auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüchen 8 und 9, mit denen der Wirtsorganismus entweder als bakterieller oder als pflanzlicher Wirt konkretisiert wird. Damit übereinstimmend wird in Verbindung mit der Aufgabenstellung des Dokumentes NiK2 ausgeführt, dass es Ziel sei, zur Herstellung von Polyhydroxyalkanoaten sowohl bakterielle als auch pflanzliche Zellen zu verwenden (vgl. Beschreibung S. 5 Z. 4 bis 13). Im Rahmen der Beispiele wird sodann in Bezug auf bakterielle Systeme dargelegt, dass bereits die Einführung des isolierten PHA-Polymerase-Gens ORF1 dazu geeignet sei, einen PHA-negativen Stamm zu komplementieren. Die Einführung weiterer Enzyme exprimierender Gene in den Wirt, bei dem es sich z. B. um das Bakterium A. eutrophus handeln kann, sei hingegen nur dann erforderlich, wenn die PHA-Polymerase-Gene aus P. oleovorans nicht exprimiert würden (vgl. S. 37 Z. 29 bis 32, S. 38 Z. 11 bis 15 und Z. 25 bis 29 i. V. m. S. 39 Z. 23 bis 28). Die Offenbarung der Einführung des isolierten PHA-Polymerase-Gens für beide in Rede stehenden Systeme ergibt sich für den Fachmann darüber hinaus aus dem einleitenden Teil des die Herstellung von PHA-Polymeren in pflanzlichen Systemen betreffenden Abschnittes der Beschreibung, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die in bakteriellen Expressionssystemen verwendeten für PHA-Polymerase kodierenden Gene auch in einer Vielzahl von Pflanzen exprimiert werden könnten und dieses - wie sich aus der "und/oder"-Formulierung ergibt - entweder in Kombination mit weiteren enzymkodierenden Genen oder alleine (vgl. S. 45 Z. 24 bis 27).

Nach Überzeugung des Senates ist ferner das Merkmal "C6- bis C18-Substrate" und wiederum dessen allgemeiner Bezug auf einen Wirt, bei dem es sich um ein bakterielles wie pflanzliches Wirtssystem handeln kann, ebenfalls so aus den ursprünglich beim europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen NiK2 herleitbar. Eine ausschließliche Beschränkung der Offenbarung auf C6- bis C18-Fettsäuren, wie sie die Klägerin sieht, liegt alleine schon deshalb nicht vor, weil das von der Klägerin zur Begründung angegebene Zitat in der Beschreibung auf S. 47 Z. 3 bis 5 lediglich ein Beispiel für die allgemeine - und damit offenbarte - davor stehende Angabe "längere (längerkettige) Substrate" darstellt. Dieses trifft um so mehr zu, als in der Beschreibung des Dokumentes NiK2 im Zusammenhang mit der Darstellung des Standes der Technik zu P. oleovorans, dem genuinen Wirt des in Rede stehenden PHA-Polymerase-Gens, nicht nur ausgeführt wird, dass dieser Mikroorganismus zur Produktion unterschiedlicher PHA-Biopolymeren tatsächlich auch unterschiedliche Kohlenstoffquellen verstoffwechseln kann, wie z. B. n-Alkane, 1-Alkene oder Fettsäuren (vgl. Beschreibung S. 36 Z. 21 bis 25), sondern auch in allgemeiner Form ausgeführt wird, dass die PHA-Polymerase aus P. oleovorans eine Vielzahl von Substraten verwenden kann (vgl. S. 37 Z. 1 bis 3). Im Zusammenhang mit der Angabe "längerkettige Substrate" wird der Fachmann, ein promovierter Biochemiker bzw. Mikrobiologe mit mehrjähriger Erfahrung auf dem hier betrachteten Gebiet der Biotechnologie, somit nicht ausschließlich die beispielsweise genannten Fettsäuren als zur Herstellung der gewünschten Biopolymeren geeignet offenbart verstehen (vgl. BGH GRUR 2001, 232, 233 - "Brieflocher"). Daher stellt die im angegriffenen Patentanspruch 1 angegebene Formulierung "C6- bis C18-Substrate" gleichfalls lediglich eine zulässige Beschränkung der ursprünglich im Kontext mit der PHA-Polymerase offenbarten Angabe "längere (längerkettige) Substrate" auf solche mit einer konkreten Kohlenstoff-Kettenlänge dar.

Auch der von der Klägerin gesehene ausschließliche Bezug dieses Merkmales auf pflanzliche Systeme ist so der internationalen Offenlegungsschrift NiK2 nicht zu entnehmen. Wie vorstehend dargelegt, ist gemäß diesem Dokument die gegebenenfalls ausschließliche Einführung eines isolierten PHA-Polymerase-Gens sowohl für bakterielle wie auch für pflanzliche Systeme vorgesehen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, weshalb das von diesem Gen exprimierte Enzym sodann je nach Wirtsystem unterschiedliche Substrate verstoffwechseln sollte. Vielmehr ist die Substratspezifität bekanntlich eine Eigenschaft des Enzyms, nicht aber eine unmittelbare Eigenschaft des dieses beherbergenden Wirtes, werden damit doch die Stoffe angegeben, die vom jeweiligen Enzym umgesetzt werden.

1.2. Damit trifft der Vorwurf der unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen entsprechend der internationalen Offenlegungsschrift NiK2 aber auch nicht auf die erteilten Patentansprüche 10, 15, 17 und 20 zu, die eine isolierte DNA-Sequenz mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, ein System zur Synthese von Biopolymeren mit Polyesterskeletten bzw. die Verwendung eines isolierten Strukturgens mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase betreffen. Die vorstehend dargelegten Argumente gelten für diese entsprechend.

1.3 Die von der Klägerin schriftsätzlich in Abrede gestellt Berechtigung zur Inanspruchnahme der Priorität steht gleichfalls außer Zweifel.

Die vorstehend im Zusammenhang mit der ursprünglichen Offenbarung diskutierten Merkmale sind auch aus dem Prioritätsdokument NiK3 herleitbar (vgl. Patentansprüche 1, 8 und 9, Beschreibung S. 7 Z. 1 bis 7, S. 8 Z. 1 bis 12, S. 11 Z. 19 bis S. 12 Z. 8, S. 59 Z. 9 bis S. 61 Z. 19, S. 62 Z. 6 bis 10, S. 63 Z. 1 bis 5, S. 64 Z. 13 bis S. 65 Z. 6, S. 68/69 übergreifender Absatz, S. 74/75 übergreifender Absatz sowie S. 76/77 übergreifender Absatz).

2. Die technische Lehre der Gegenstände gemäß den erteilten Patentansprüchen ist auch so ausreichend offenbart, dass sie der Fachmann ausführen kann.

Eine Lehre, für die Patentschutz verlangt wird, muss wiederholbar, d. h. für den zuständigen Fachmann ausführbar sein. Die Ausführbarkeit ist dann gegeben, wenn die Lehre in ihrer Gesamtheit aufgrund der Angaben in den Patentunterlagen und mit den Fachkenntnissen am Prioritätstag ohne eigenes erfinderisches Zutun des Fachmannes so verwirklicht werden kann, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Dazu muss mindestens ein Weg zum Ausführen eindeutig aufgezeigt werden. Dabei ist es aber nicht erforderlich, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruches fallenden Ausgestaltungen auch ausgeführt werden können, d. h. es steht der Ausführbarkeit nicht entgegen, wenn die Lehre in einzelnen Fällen versagt (vgl. Busse PatG 6. Aufl. § 34 Rdn. 273, 276, 278 und 281 sowie BGH GRUR 2001, 813, 818 li. Sp. - "Taxol", BGH GRUR 1991, 518, 520 III.3.d) - "Polyesterfäden" und BGH GRUR 1976, 213, 214 II.1. - "Brillengestelle").

Die Klägerin stützt ihren Einwand der mangelnden Ausführbarkeit zum einen darauf, dass anhand des erteilten Patentanspruches 1 nicht erkennbar sei, was alles unter die Bezeichnung Wirt und Substrate zu subsumieren sei, womit eine Breite beansprucht werde, die so nicht offenbart sei. Zum anderen enthalte die Streitpatentschrift nur geringe Informationen, wie ein Dritter zum gewünschten Ziel kommen könne. So sei aus dieser weder zu ersehen, wie der geeignete Wirt aufgefunden werden könne, noch welches Nährmedium geeignet sei oder welche Substrate verwendet werden müssten.

Nach Auffassung des Senates bestehen jedoch keine Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit der mit dem Streitpatent beanspruchten technischen Lehre. So werden in dem das PHA-Polymerasegen betreffenden Teil auf Seite 15 Zeile 7 bis Seite 16 Zeile 21 der Streitpatentschrift EP 0 482 077 B1 (NiKEP) nicht nur die Wege zur Isolierung und Identifizierung des PHA-Polymerasegens aus P. oleovarans bzw. der proteinkodierenden Regionen des dieses umfassenden Fragmentes ausführlich beschrieben (vgl. Beschreibung S. 15 Z. 21 bis Z. 35). Im folgenden wird auch detailliert auf die Konstruktion verschiedener, proteincodierende Regionen dieses Fragmentes enthaltender Plasmide und auf Klonierungsversuche eingegangen sowie auf die Insertion der Gene in den Mikroorganismus A. eutrophus (vgl. S. 15 Z. 46 bis S. 16 Z. 14, insb. S. 16 Z. 7 bis 14). Dem Fachmann werden in diesem Zusammenhang zudem Hinweise gegeben, welche Substrate er als Kohlenstoff-Quellen nutzen kann (vgl. S. 15 Z. 12 bis 14 sowie S. 18 Z. 43 bis 44) und - anhand von beispielhaften Ausführungen zur Herstellung von Polyhydroxybutyraten (vgl. S. 17 Z. 14 bis Z. 48) - wie er sowohl diese als auch die Enzymspezifität modifizieren kann, um in ihrer Struktur veränderte Biopolymere zu erhalten. In diesem Beispiel wird ferner darauf eingegangen, welche Maßnahmen der Fachmann zu ergreifen hat, wenn das Wirtssystem die Gene nicht so wie erwartet exprimiert (vgl. S. 16 Z. 14 bis 16). Nachdem mit den Figuren 5 und 6 darüber hinaus nicht nur die Lokalisierung der proteinkodierenden Regionen auf dem das P. oleovorans-PHA-Polymerasegen tragenden Fragment aufgezeigt wird, sondern auch die Nukleotidsequenzanalyse des gesamten Fragmentes angegeben wird, ist der Fachmann nach Überzeugung des Senates anhand der im Streitpatent enthaltenen Angaben in Verbindung mit seinem Fachwissen auch in der Lage, die mit diesem Fragment isolierten, PHA-Polymerasen exprimierenden Gene ORF1 und ORF3 bzw. die Depolymerase ORF2 zu identifizieren. Davon ausgehend kann er sodann - ohne Überlegungen erfinderischer Art anstellen zu müssen - unter Zugrundelegung der im Streitpatent angegebenen Gruppe der in Betracht zu ziehenden Substrate die individuelle Substratspezifität der von diesen exprimierten Enzyme ermitteln. Damit aber offenbart das Streitpatent dem fachkundigen Leser nicht nur einen Mikroorganismus als Wirt sowie die DNA-Sequenz mit Codierung für eine PHA-Polymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, es gibt ihm auch die entscheidende Richtung an, wie er - ohne erfinderisch tätig werden zu müssen - die einzelnen Maßnahmen des Verfahrens gemäß Streitpatent mit Erfolg anlegen kann, um die für ihn jeweils günstigste Lösung aufzufinden. Dieses trifft umso mehr zu, als es sich - wie selbst die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - bei dem im erteilten Patentanspruch angegebenen Verfahren im Grunde um ein "altes" Verfahren handelt (vgl. auch BGH GRUR 1984 272, 273 II.2. - "Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung").

Der Einwand der Klägerin, aus der Streitpatentschrift sei nicht zu ersehen, wie der geeignete Wirt aufgefunden werden könne, weil jegliche Angaben, welche Bedingungen er erfüllen müsse, wie er beschaffen sein sollte oder welches Nährmedium geeignet sei, fehlten, kann die Ausführbarkeit ebenfalls nicht in Frage stellen. Abgesehen davon, dass - wie vorstehend dargelegt - in der Beschreibung ein zur Durchführung des Verfahrens geeigneter Mikroorganismus angegeben wird (vgl. S. 16 Z. 7 bis 14), ist es dem Wissen des Fachmannes zuzurechnen, welchen Mikroorganismus er jeweils seiner Zielsetzung entsprechen auswählt. Bei diesen als Wirte vorgesehenen Mikroorganismen handelt es sich üblicherweise nicht um solche, die unbekannt sind, sondern vielmehr um Bakterienstämme, die zusammen mit den für sie anzuwendenden Kulturbedingungen dem Stand der Technik zuzurechnen sind (vgl. gutachtlich z. B. auch NiK4, NiK5, NiK7 sowie NiK8) und die der auf diesem Gebiet arbeitende Fachmann auf Grund seiner Erfahrung und gegebenenfalls unter Einbeziehung von Standardwerken in Betracht zieht. Die im Zusammenhang mit diesen Mikroorganismen bekannten üblichen Kulturbedingungen den Zielsetzungen entsprechend zu optimieren, stellt sodann eine Routinetätigkeit dar.

Der Senat kann der Argumentation der Klägerin hinsichtlich des Vorliegens mangelnder Nacharbeitbarkeit insbesondere auch deshalb nicht folgen, weil für den Fall, dass der Wirt ein pflanzliches System ist, entsprechende Vorbehalte von Seiten der Klägerin - wie sie in der mündlichen Verhandlung ausführte - nicht bestehen. Bei der in Rede stehenden DNA-Sequenz mit Kodierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase handelt es sich um ein Gen bakterieller Herkunft. Dessen Insertion wiederum in einen bakteriellen Wirtsorganismus, wird der Fachmann aber von vornherein als unkomplizierter erachten, als dessen Insertion in ein pflanzliches Wirtssystem, d. h. in Zellen mit einem anderen Aufbau als die Ursprungszellen.

Die Klägerin macht auch ohne Erfolg geltend, dass der Fachmann zur erfolgreichen Durchführung des im strittigen Patentanspruch 1 angegebenen Verfahrens bekannte Systeme erst anpassen müsse, um die jeweils gewünschten Erzeugnisse zu erhalten und im Rahmen dessen gegebenenfalls auch aufwendigere Versuche erforderlich seien. Der Ausführbarkeit steht es nämlich nicht entgegen, wenn der Fachmann erst Versuche machen muss, um festzustellen, welches Material und welche Mengen davon geeignet sind, um den vom Streitpatent erstrebten Erfolg zu erreichen. Angesichts dessen, dass es sich vorliegend um die Anpassung von Standardmethoden handelt, liegen diese im Rahmen des Zumutbaren und Angemessenen, und zwar selbst dann, wenn diese in Einzelfällen fehlschlagen (vgl. BGH GRUR 1991, 518, 520 III.3.d) - "Polyesterfäden" und BGH GRUR 1976, 213, 214 II.1. - "Brillengestelle").

Der Verweis der Klägerin auf den nachveröffentlichten Artikel von S. Langenbach et al. in FEMS Microbiology Letters 1997, 150, S. 303 bis 309 (NiK10), wonach erst mit diesem der Gegenstand des Streitpatentes beschrieben worden sei, vermag ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage zu führen. Dieses Dokument befasst sich primär mit den Stoffwechselvorgängen und der Ausbeuteerhöhung im Zusammenhang mit der PHA-Synthese in rekombinanten Escherichia coli. Selbst wenn es sich dabei um die erste wissenschaftliche Beschreibung dieser Synthese in rekombinantem E. coli handelt, wird damit weder die Ausführbarkeit an sich noch das im Streitpatent angegebene den Mikroorganismus A. eutrophus betreffende Beispiel S. 16 Z. 7 bis 14 im besonderen widerlegt.

Das Argument der Breite kann gleichfalls zu keinem anderen Ergebnis führen. Die bloße Breite eines Patentanspruches spricht nämlich nicht gegen eine ausreichende Offenbarung und stellt im übrigen auch keinen eigenständigen Nichtigkeitsgrund dar (vgl. BGH GRUR 2004, 47 LS.2 - blasenfreie Gummibahn I).

3. Die Gegenstände gemäß Streitpatent sind auch neu und ihre Bereitstellung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.1. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angegriffene Neuheit ist gegeben, weil mit keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen eine isolierte DNA-Sequenz mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann, gemäß Patentanspruch 10 oder die entsprechende Polyhydroxyalkanoatpiolymerase gemäß Patentanspruch 15 beschrieben wird.

Dieses trifft auch auf den von der Klägerin schriftsätzlich als der Neuheit entgegenstehend genannten wissenschaftlichen Beitrag von R. A. Gross et al. in Macromolecules, 1989, 22, S. 1106 bis 1115 (NiK4) zu. Dieser Artikel betrifft die Biosynthese und Charakterisierung von Polyhydroxyalkanoaten, die von P. oleovorans produziert werden. In diesem Zusammenhang werden in Verbindung mit dem vermuteten Synthesemechanismus mögliche Eigenschaften des Polymerase-Enzyms diskutiert, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Isolierung dieses Enzyms hilfreich sein könnte, sich von der Richtigkeit der im Zusammenhang mit dem Synthesemechanismus aufgestellten Hypothese zu überzeugen (vgl. S. 1114 li. Sp. 2. Absatz.). Es wird jedoch an keiner Stelle dieses Dokumentes von der Isolierung dieses Enzyms oder des dieses Enzym exprimierenden Gens, von dessen Nukleotidsequenz oder dessen Einführung in einen dieses Enzym nicht produzierenden Organismus berichtet. Somit aber waren mit diesen Angaben weder die Identität des im Patentanspruch 10 angegebenen Gens noch die des im Patentanspruch 15 angegebenen Enzyms vor dem Prioritätstag bekannt (vgl Schulte PatG 7. Aufl. § 1 Rdn. 92 bis 94 sowie 112, 113).

Damit sind aber auch das im Patentanspruch 1 angegebene, das in Rede stehende Gen nutzende Verfahren sowie das im Patentanspruch 17 angegebene, das in Rede stehende Gen aufweisende System oder die Verwendung dieses Gens im Rahmen eines Verfahrens zur Konstruktion eines Polyesterbiopolymeren gemäß Patentanspruch 20 der Druckschrift NiK4 nicht als vorbeschrieben entnehmbar.

Die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen können die Neuheit ebenfalls nicht in Frage stellen.

3.2. Die Bereitstellung der Gegenstände gemäß Streitpatent ist im Hinblick auf den im Verfahren genannten Stand der Technik auch nicht nahe gelegt.

Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin diskutierte wissenschaftliche Beitrag von R. A. Gross et al. in Macromolecules, 1989, 22, S. 1106 bis 1115 (NiK4) betrifft, wie vorstehend bereits dargelegt, die Biosynthese von Polyhydroxyalkanoaten in Pseudomonas oleovorans und dessen Charakterisierung. Das Augenmerk dieses Artikels liegt dabei auf dem Auffinden verbesserter Kulturbedingungen zur Erhöhung der Ausbeuten sowie der Herstellung von unterschiedlichen Polyhydroxyalkanoaten, abhängig von den zugefütterten Kohlenstoffquellen (vgl. S. 1106 "Abstract" sowie re. Sp. 3. Abs. nach der allg. Formel, S. 1108 re. Sp. Tabellen I und II). Abschließend interpretieren die Autoren sodann anhand des von ihnen vermuteten Mechanismus die mit den beschriebenen Versuchen erhaltenen Ergebnisse. Im Zusammenhang damit führen sie aus, dass die Isolierung des Polymerase-Enzyms aus P. oleovorans und dessen Reaktion mit unterschiedlichen Substraten in einem zellfreien System hilfreich sein könnte, gegebenenfalls die Richtigkeit der im Zusammenhang mit dem Synthesemechanismus aufgestellten Hypothese zu bestätigen (vgl. S. 1114 li. Sp. 2. Absatz.). Anregungen dahingehend jedoch, das dieses Enzym exprimierende Gen zu isolieren, mit dem Ziel dessen Struktur aufzuklären und es in ein anderes bakterielles oder pflanzliches System einzuführen, um - gemäß der dem Streitpatent u. a. zugrunde liegenden Aufgabe - auf diese Weise neue wirtschaftliche Quellen für biologisch abbaubare Polyhydroxyalkanoate und neuartige verwandte Polymere unter Verwendung von sowohl Bakterien- als auch Pflanzenzellen zur Produktion bereitzustellen, werden mit diesem Dokumenten nicht gegeben.

Eine Lehre in diese Richtung wird dem Fachmann auch nicht in einer Zusammenschau der Entgegenhaltung NiK4 mit dem wissenschaftlichen Beitrag von P. Schubert et al. im Journal of Bacteriology, 1988, 170, S. 5837 bis 5847 (NiK5) vermittelt. In diesem Dokument, das Untersuchungen zur Klonierung der für die Synthese von Polyßhydroxybutyrat (PHB) verantwortlichen Gene aus Alcaligenes eutrophus und zur Synthese von PHB in Escherichia coli zum Inhalt hat, wird die Isolierung und Identifizierung sowie Einführung des Fragmentes PP1, das u. a. das für die PHB-Synthase codierende Gen aufweist, in einen bakteriellen Wirt beschrieben (vgl. S. 5837 Abstract sowie S. 5841 li. Sp. Abs. 5 bis S. 5842 re. Sp. Abs. 4). Wie die Analysen von Rohextrakten, erhalten von rekombinanten Wirten, in die dieses DNA-Fragment eingeführt worden ist, sodann zeigen, enthalten diese jedoch nicht nur die PHB-Synthase sondern auch die Enzyme ß-Ketothiolase und NADPH-abhängige Acetoacetyl-CoA-Reduktase (vgl. S. 5843 re. Sp. Abs. 2 bis S. 5844 li. Sp. Abs. 1). Aufgrund dieser Ergebnisse vermuten die Autoren die Lokalisierung der diese Enzyme exprimierenden Gene ebenfalls auf dem Fragment PP1 (vgl. S. 5844 re. Sp. 1. vollständiger Satz). Angaben hinsichtlich einer Zuordnung der dafür codierenden Regionen auf dem Fragment PP1 sind diesem Artikel aber ebenso wenig zu entnehmen wie dessen DNA-Sequenz oder die DNA-Sequenz des für die Polyhydroxybutyratsynthase codierenden Gens. Somit wird mit diesem Beitrag zwar die Insertion eines PHB-Synthasegens anhand des nicht weiter charakterisierten Fragmentes PP1 in einen bakteriellen Wirt beschrieben. Eine Anregung dahingehend jedoch, aus dem Mikroorganismus P. oleovorans das im Patentanspruch 10 angegebene PHA-Polymerasegen zu isolieren, dessen DNA-Sequenz aufzuklären und dieses in isolierter Form alleine oder gegebenenfalls zusammen mit weiteren für erforderlich erachteten, zusätzlichen Enzyme kodierenden Genen in einen dieses Gen nicht aufweisenden Wirt einzuführen, um damit die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe zu lösen, wird damit - auch unter Einbeziehung der mit dem Dokument NiK4 vermittelten Lehre - ebenfalls nicht gegeben.

Dem Argument der Klägerin, der Fachmann hätte alleine schon aufgrund der Motivation, die isolierte DNA-Sequenz für Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase bereitzustellen, diese ohne weiteres anhand der Homologie ermitteln können, die zwischen den - einer Familie zuzurechnenden - die PHB- und PHA-Enzyme exprimierenden Genen bestände, kann der Senat nicht folgen. Wie vorstehend dargelegt, wird die DNA-Sequenz des PHB-Synthasegens im wissenschaftlichen Artikel NiK5 - entgegen dem Vortrag der Klägerin - nicht angegeben, weshalb sie dem Fachmann zum gegebenen Zeitpunkt aus diesem Beitrag auch nicht bekannt war. Damit aber war es ihm auch nicht möglich, in Kenntnis dieser Entgegenhaltung die isolierte DNA-Sequenz für Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase mit Hilfe der Hybridisierung zu identifizieren und so zu isolieren.

Die von der Klägerin im Zusammenhang mit dem Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit in die Diskussion miteinbezogenen Entgegenhaltungen NiK9 und NiK11 können an der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ebenso wenig ändern wie die Dokumente NiK6, NiK8 und NiK10, weil diese allesamt erst nach dem Prioritätstag des Streitpatentes veröffentlicht worden sind.

Das vorveröffentlichte Dokument NiK7 betrifft ausschließlich Untersuchungen zum Einfluss von Substraten auf die Bildung und die Zusammensetzung von Polyhydroxyalkanoaten bzw. -alkenoaten in Pseudomonas oleovorans. Anregungen zur Isolierung, Identifizierung oder Klonierung des vorliegend in Rede stehenden PHA-Polymerasegens werden aber auch mit diesem Dokument nicht vermittelt.

Angesichts dieses Standes der Technik musste der Fachmann somit erfinderisch tätig werden, um die nach Patentanspruch 10 beanspruchte isolierte DNA-Sequenz mit Codierung für eine Polyhydroxyalkanoatpolymerase, die ein aus C6- bis C18-Substraten ausgewähltes Substrat nutzen kann bereitzustellen. Der Gegenstand gemäß Patenanspruch 10 wird daher vom Stand der Technik nicht nahe gelegt.

Für die Patentansprüche 1, 15, 17 und 20 gelten die vorstehenden Ausführungen zu Patentanspruch 10 sinngemäß. Deren erfinderische Tätigkeit wird daher von den gleichen Argumenten getragen.

Die auf die Patentansprüche 1, 10, 15 und 17 mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9, 11 bis 14, 16, 18 und 19 haben mit diesen Bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Dr. Schermer Dr. Wagner Richter Brandt ist mit Wirkung zum 1. Juli 2007 beurlaubt worden und kann daher nicht unterschreiben.

Dr. Schermer Proksch-Ledig Dr. Gerster Pr






BPatG:
Urteil v. 14.06.2007
Az: 3 Ni 15/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/43d781367bce/BPatG_Urteil_vom_14-Juni-2007_Az_3-Ni-15-05




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