Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 141/04

(BPatG: Beschluss v. 30.05.2007, Az.: 29 W (pat) 141/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 2003 und vom 1. April 2004 aufgehoben. Das Patentamt wird angewiesen, die Löschung der Marke 300 18 869 für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse (Veröffentlichung und Herausgabe), auch periodisch erscheinende Zeitschriften; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträgern" anzuordnen.

Gründe

I.

Die Wortmarke 300 18 869 SMART: gut organisiert!

wurde am 15. Mai 2000 eingetragen für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse (Veröffentlichung und Herausgabe), auch periodisch erscheinende Zeitschriften; kulturelle Aktivitäten, Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträgern; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, wissenschaftliche und industrielle Forschung"

der Klassen 16, 41 und 42.

Dagegen ist Widerspruch eingelegt worden aus der älteren Wortmarke 395 47 212 SMART, die für die Ware "Zeitschrift" der Klasse 16 eingetragen ist. Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse (Veröffentlichung und Herausgabe), auch periodisch erscheinende Zeitschriften; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträgern" der jüngeren Marke.

Mit Beschluss vom 4. August 2003 hat die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die jüngere Marke den erforderlichen großen Abstand einhalte, auch wenn man berücksichtige, dass sich die Marken auf identischen Waren begegnen könnten und von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden wurde mit Beschluss vom 1. April 2004 zurückgewiesen.

Mit der gegen die Zurückweisung des Widerspruchs gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die jüngere Marke den erforderlichen großen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht einhalte. Sie ist - gestützt auf Umfragegutachten - der Auffassung, dass "SMART" den Status einer berühmten Marke und damit eine erhöhte Kennzeichnungskraft habe. Die phonetische und schriftbildliche unterschiedliche Länge der sich gegenüberstehenden Marken genüge nicht, um den zu wahrenden Abstand herzustellen. Der in der jüngeren Marke nach dem Wortbestandteil "SMART" hinter dem Doppelpunkt enthaltene Zusatz "gut organisiert!" sei wegen seines anpreisenden Charakters nicht als Markenbestandteil zu werten. Auch zeige diese Ausgestaltung, dass das angegriffene Zeichen in zwei Teile aufgespalten sei. Dies werde noch dadurch unterstrichen, dass der kennzeichnende, markenbildende Teil "SMART" groß geschrieben, während der anpreisende Teil, wie für derartige Angaben üblich, in Kleinbuchstaben wiedergegeben sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 2003 und vom 1. April 2004 aufzuheben und das Patentamt anzuweisen, die Löschung der Marke 300 18 869 für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse (Veröffentlichung und Herausgabe), auch periodisch erscheinende Zeitschriften; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträgern" anzuordnen.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Löschung der jüngeren Marke war im angegriffenen Umfang anzuordnen, da Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt besteht, dass die Vergleichszeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2006, 60 ff. - Rn. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859 ff. - Rn. 16 - Malteserkreuz).

1. Benutzungsfragen sind nicht angesprochen, so dass für die Frage der Ähnlichkeit der im Beschwerdeverfahren zu beurteilenden Waren und Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen ist.

1.1. Zwischen der im Warenverzeichnis der älteren Marke beanspruchten Ware "Zeitschrift" und "Druckereierzeugnisse (Veröffentlichung und Herausgabe), auch periodisch erscheinende Zeitschriften" der angegriffenen Marke besteht Identität.

1.2. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor annimmt, dass die Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH GRUR 2006, 941 ff. - Rn. 13 - TOSCA BLU; GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion). Danach liegen die Dienstleistungen "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträgern" angesichts der Tatsache, dass Verlage ihre Printprodukte auch online im Internet zugänglich machen (z. B. süddeutsche.de, faz.net) bzw. als DVD- oder CD- oder Cassetten-Versionen anzubieten (u. a. MarkenR, NJW) oder Bücher auch in Form von Hörbüchern herausgegeben werden, im engsten Ähnlichkeitsbereich. Sie entstammen identischen Herkunftsstätten, die Waren und Dienstleistungen haben für die Abnehmer denselben Nutzen und sind einander ergänzend.

2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Der Begriff "smart" stammt aus dem Englischen und weist eine Vielzahl von Bedeutungen auf, u. a. "schlau", "clever", "schick" bzw. "schnell" oder "Intelligenz" auf (vgl. Collins PONS, Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, 1. Auflage, Seite 849). Das Wort hat zwischenzeitlich auch Eingang in die deutsche Sprache gefunden und wird hier im Sinne von "modisch elegant", "schneidig" oder "clever" verwendet (vgl. Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache, 21. Auflage, Seite 688). Insoweit kann "smart" zwar Bezüge zum Inhalt von Zeitschriften haben, etwa im Bereich der Mode, hat jedoch in Alleinstellung keinen eindeutigen und einem konkreten Thema zuordenbaren Sinngehalt.

Die Widerspruchsmarke verfügt für "Zeitungen" nicht über eine erhöhte Kennzeichnungskraft. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten der GfK aus den Jahren 2000 und 2003 ergeben eine erhöhte Bekanntheit lediglich für Kraftfahrzeuge. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft kann zwar auf eng verwandte Waren und Dienstleistungen ausstrahlen. Die Ausstrahlungswirkung umfasst jedoch auf keinen Fall den gesamten Bereich der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen oder noch entferntere Gebiete (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG 8. Aufl. 2006, § 9, Rn. 196). Zu letzteren zählen die hier relevanten "Zeitschriften". Bei ihnen kann entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen (vgl. u. a. BGH GRUR 1999, 731 - Canon II) nicht ohne Weiteres der Eindruck aufkommen, sie könnten auf der selbständigen gewerblichen Tätigkeit eines Unternehmens beruhen, das auch Kraftfahrzeuge herstellt. Zwar geben eine Vielzahl von Automobilherstellern Kundenzeitschriften heraus. Bei diesen handelt es sich aber lediglich um eine journalistisch aufgemachte Eigenwerbung.

Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist ebenfalls nicht festzustellen. Weder ist die Benutzung der von der Markeninhaberin vorgetragenen mit dem Bestandteil "Smart" gebildeten Drittmarken im Verfahren liquide noch liegen diese Marken im engsten Ähnlichkeitsbereich zu den beiden Vergleichsmarken (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. Rn. 199 - 201). Dass der Bestandteil "Smart" verbraucht wäre, weil ihm die angesprochenen Verkehrskreise angesichts seines häufigen Auftretens in Kennzeichen für die hier relevanten Waren und Dienstleistungen wenig Beachtung schenken, kann daher nicht angenommen werden.

3. Den wegen der Identität bzw. der engen Ähnlichkeit der einander gegenüber stehenden Waren und Dienstleistungen sowie der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gebotenen erheblichen Abstand hält die jüngere Marke nicht ein.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH GRUR 2006, 60 ff. - coccodrillo). Maßgeblich für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist dabei der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen (BGH a. a. O. - Malteserkreuz Rn. 17). Denn auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf verschiedene Einzelheiten.

3.1. Nach ihrem Gesamteindruck unterscheiden sich die Vergleichszeichen in klanglicher und in schriftbildlicher Hinsicht in ausreichendem Maße. Die Widerspruchsmarke ist eine Einwortmarke. Dagegen besteht die jüngere Marke aus den Bestandteilen "SMART", dem nachfolgenden Doppelpunkt und der mit einem Ausrufezeichen abgeschlossenen Wortfolge "gut organisiert". Diese Unterschiede werden sowohl akustisch als auch visuell eindeutig wahrgenommen.

Auch in begrifflicher Hinsicht weisen die Marken keine Ähnlichkeit auf. Zwar enthalten beide das Wort "SMART", aber aufgrund der weiteren Bestandteile der jüngeren Marke fehlt es an einer inhaltlichgedanklichen Übereinstimmung der Zeichen.

3.2. In dem mehrgliedrigen jüngeren Zeichen ist das Element "Smart" auch nicht prägend. Eine Prägung setzt voraus, dass die übrigen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Dies ist bei der Wortfolge "SMART: gut organisiert!" nicht der Fall. Denn sie bildet den aus allen ihren Elementen gebildeten in sich schlüssigen Aussagesatz, dass es "smart" ist, gut organisiert zu sein.

4. Allerdings besteht bezüglich der angegriffenen Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse (Veröffentlichung und Herausgabe), auch periodisch erscheinende Zeitschriften; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträgern" die Gefahr, dass das Publikum die angegriffene Marke unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens gedanklich mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringt. Dazu ist nicht zwingend erforderlich, dass die Widersprechende bereits über eine Reihe von Zeichen mit dem relevanten Bestandteil in Form einer Serienbildung verfügt. Auch wenn der Inhaber des älteren Zeichens dieses nur als Einzelzeichen benutzt hat, kann gleichwohl der Eindruck eines Serienzeichens entstehen, wenn die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen den gleichen Wortstamm aufweisen und der Stammbestandteil für die Betriebsstätte des rangbesseren Benutzers Hinweischarakter besitzt (vgl. BGH GRUR 2002, 542 ff. - BIG). Dies ist hier zu bejahen. Dabei ist es ohne Belang, dass die Beschwerdeführerin unter ihrer Firma Kleinwagen herstellt. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist alleine ausschlaggebend, dass die Widerspruchsmarke "Smart" für Zeitschriften geschützt ist. Mit der Verwendung des Bestandteils "SMART", der neben seiner Eigenschaft, eine eigenständige Marke für Zeitschriften zu sein, auch Teil des Firmennamens "smart gmbh" der Inhaberin der älteren Marke ist, gibt die Widersprechende deutlich zu erkennen, dass dieses Wort für sie umfassenden Hinweischarakter haben soll (vgl. auch BGH MarkenR 2000, 134 - ARD 1). Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher Druckereierzeugnisse, insbesondere eine periodisch erscheinende Zeitschrift, und die entsprechenden Herausgabedienstleistungen mit der Bezeichnung "Smart: gut organisiert!" als Teil einer Serie der Widersprechenden auffassen. Der Zusatz ":gut organisiert!" weist in der jüngeren Marke nämlich darauf hin, dass sich die so gekennzeichneten Waren und (Herausgabe-)Dienstleistungen mit der Organisation verschiedener Lebensbereiche oder Arbeitsabläufe befassen (s. o. 3.2).

Die Löschung der jüngeren Marke war daher im angegriffenen Umfang anzuordnen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 30.05.2007
Az: 29 W (pat) 141/04


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