Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juli 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 101/04

(BPatG: Beschluss v. 20.07.2005, Az.: 32 W (pat) 101/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 7. Januar 2003 und vom 18. Februar 2004 aufgehoben.

Die Marke 300 41 046 wird auf den Widerspruch aus der Marke 1 080 514 gelöscht.

Gründe

I.

Die am 30. Mai 2000 angemeldete und am 25. September 2000 unter der Nr 300 41 046 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Wortmarke Diät Sinfonie Nr. 1 ist für folgende Waren bestimmt:

05: Diätetische Lebensmittel, soweit in Klasse 5 enthalten;

30: feine Backwaren und Konditorwaren, Kuchen, Kekse, Biskuits, Schokolade sowie Schokoladenprodukte, Pralinen, Zuckerwaren, sämtliche vorgenannten Waren auch tiefgekühlt; Speiseeis und Speiseeisprodukte, sämtliche Waren auch als diätetische Lebensmittel, soweit in Klasse 30 enthalten.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin von zwei prioritätsälteren deutschen Wortmarken namens SYMPHONIE.

Hierbei handelt es sich um die am 21. Dezember 1984 angemeldete und am 12. August 1985 eingetragene Marke 1 080 514, geschützt für Konfitüren, Fruchtgelees, Fruchtpasten, Fruchtmassen für Backzwecke, Obst- und Gemüsekonserven, sowie um die von dieser im Jahre 1997 abgetrennten Marke 397 08 429, die ua für Fruchtsoßen (auch als Salatsoßen)

Schutz genießt.

Die Widersprüche richteten sich gegen alle gleichen und ähnlichen Waren der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für Klasse 30 hat in einem ersten Beschluss vom 7. Januar 2003 die Widersprüche mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt. Die Markeninhaberin hat eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat eine eidesstattliche Versicherung eines Angestellten mit Angaben zu Art und Umfang der Benutzung für Konfitüren in den Jahren 2001 bis 2003 sowie verschiedene Etiketten vorgelegt. Die Markeninhaberin hat die Nichtbenutzungseinrede aufrecht erhalten.

Die mit einer Regierungsangestellten im höheren Dienst besetzte Markenstelle hat die Erinnerung durch Beschluss vom 18. Februar 2004 zurückgewiesen. Eine wirksame Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke könne unterstellt werden, da eine Verwechslungsgefahr schon aufgrund fehlender Markenähnlichkeit zu verneinen sei. Wegen der teilweise nicht unbeträchtlichen Warenähnlichkeit und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft zumindest der Widerspruchsmarke 1 080 514 - die dem Begriff "SYMPHONIE" von Hause aus anhaftende Kennzeichnungsschwäche sei durch die hohen Absatzzahlen in den Jahren 2001 bis 2003 kompensiert - sei allerdings ein erheblicher Abstand der Marken erforderlich. Die Vergleichsmarken stimmten zwar zumindest klanglich im Bestandteil "SYMPHONIE/Sinfonie" überein, wichen jedoch durch die im angegriffenen Zeichen zusätzlich enthaltenen Elemente "Diät" und "Nr. 1" voneinander ab. Der inländische Verkehr werde diese nicht vernachlässigen, zumal die jüngere Marke einen Gesamtausdruck darstelle im Sinne von "eine diätetische, reiche Zusammenstellung in besonders gehobener Qualität". Zudem werde die Wortfolge auch durch die lineare Anordnung und gleiche Schriftart als Einheit wahrgenommen. "Sinfonie" sei daher innerhalb der jüngeren Marke kein prägendes Element. Die Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens bestehe ebenfalls nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie stellt den Antrag, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Januar 2003 und vom 18. Februar 2004 aufzuheben und die Marke 300 41 046 zu löschen.

Ihrer Ansicht nach unterliegen die sich gegenüber stehenden Marken der Gefahr einer Verwechslung. "Diät" sei glatt beschreibend, "Nr. 1" ein gerade im Lebensmittelsektor häufig benutzter Werbezusatz. Somit sei der Bestandteil "Sinfonie" der jüngeren Marke eigenständig kollisionsbegründend.

Die Markeninhaberin hat schriftsätzlich beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Nichtbenutzungseinrede weiter aufrecht. Angesichts der nicht vorhandenen bzw allenfalls geringen Ähnlichkeit der Waren und der Kennzeichnungsschwäche des Begriffs "Sinfonie" bestehe keine Verwechslungsgefahr. Das vorangestellte Wort "Diät" werde nicht auf die gekennzeichneten Produkte bezogen, der nachgestellte Bestandteil "Nr. 1" sei unverzichtbar, um das richtige Produkt zu bezeichnen.

In der mündlichen Verhandlung, an der die Markeninhaberin - nach vorheriger Ankündigung - nicht teilgenommen hat, wurde der Widerspruch aus der Marke 397 08 429 zurückgenommen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Soweit die Beschwerde den Widerspruch aus der Marke 397 08 429 betraf, hat das Verfahren nach dessen Rücknahme in der mündlichen Verhandlung seine Erledigung gefunden.

2. Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 1 080 514 ist die Beschwerde begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr unterliegen (§ 9 Abs 1 Nr 2, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG).

a) Auf die nach § 43 Abs 1 Sätze 1 und 2 zulässigerweise erhobene Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hat die Widersprechende bereits im patentamtlichen Verfahren Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke für "Konfitüren" vorgelegt und vorgetragen, diese würden seit der 40. Kalenderwoche des Jahres 1999 ununterbrochen über ihre deutschen Einzelhandelsfilialen vertrieben. Zwar beziehen sich die in der eidesstattlichen Versicherung angeführten - beträchtlichen - Umsatzzahlen nur auf die Jahre 2001 bis 2003 (weil angeblich Absatzzahlen vor Januar 2001 nicht vorliegen), so dass eine rechtserhaltende Benutzung an sich nur für den zweiten maßgeblichen Benutzungszeitraum (§ 43 Abs 1 S 2 MarkenG), der sich von Juli 2000 bis Juli 2005 erstreckt, zweifelsfrei belegt ist. Was den ersten Benutzungszeitraum (§ 43 Abs 1 S 1 MarkenG; hier: Oktober 1995 bis Oktober 2000) anbetrifft, so reicht der schriftsätzliche Vortrag der Widersprechenden, ihre Marke werde seit Jahren unter dem Zeichen "SYMPHONIE" zur Kennzeichnung von Konfitüre umfassend benutzt, in dieser Form nicht aus. Andererseits hat der Senat aber keinen ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der eidesstattlich versicherten Behauptung, die im Einzelnen genannten Konfitürenartikel unter der Marke "SYMPHONIE" (mit den betreffenden Etiketten) seien seit der 40. Kalenderwoche des Jahres 1999 auf dem genannten Vertriebsweg in den Verkauf gelangt. Somit ist - was ausreicht - zumindest das letzte Jahr des ersten Benutzungszeitraums abgedeckt, wobei - selbst wenn insoweit keine konkreten Umsatzzahlen genannt werden - angesichts der Größe und der Bedeutung des Unternehmens der Markeninhaberin die überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine vom Umfang her ausreichende Benutzung spricht. Ob eine Benutzung glaubhaft gemacht ist oder nicht, entscheidet das Bundespatentgericht (ebenso wie das Deutsche Patent- und Markenamt) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wobei ein bestimmtes Maß an Wahrscheinlichkeit nach den Gesamtumständen ausreicht (BPatG Mitt 1984, 236 - ALBATRIN; BPatGE 33, 228 - Lahco).

b) Nach § 42 Abs 2 Nr 1, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Fakten, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr; vgl BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

aa) "Konfitüren" - nur diese sind als benutzte Waren gemäß § 43 Abs 1 S 3 MarkenG auf Seiten der Widersprechenden zu berücksichtigen - sind mit sämtlichen von der jüngeren Marke beanspruchten Waren ähnlich. Diese Beurteilung gilt auch für "diätetische Lebensmittel, soweit in Klasse 5 enthalten" (dh solchen für medizinische Zwecke). Diese lassen sich von "normalen" Lebensmitteln, dh solchen, die für allgemeine Ernährungs- und Genusszwecke bestimmt sind, nicht immer klar unterscheiden, weil insoweit nicht allein auf den (unterschiedlichen) Verwendungszweck, sondern auch auf die sich nicht unterscheidende äußere Erscheinungsform und zum Teil auch auf gemeinsame Vertriebsstätten abzustellen ist (vgl BPatG GRUR 2000, 432 - Netto 62). Dass es auch diätetische Konfitüren gibt, kann nicht zweifelhaft sein.

Zu den Waren der jüngeren Marke in Klasse 30 sind "Konfitüren" ebenfalls durchweg ähnlich (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl, S 162). Backwaren und Konditorwaren, Gebäck, Schokoladen- und Zuckerwaren werden häufig mit Füllungen aus Konfitüren angeboten, so dass auch in diesem Verhältnis (noch) Ähnlichkeit besteht. Entsprechendes gilt für Speiseeis, das zusammen mit Konfitüren genossen werden kann; aber auch Speiseeis in verpackter Form, wie es im Lebensmittelhandel, an Kiosken usw. angeboten wird, enthält vielfach Konfitüren und Fruchtsoßen, teilweise sogar in verquirlter Form (vgl Senatsbeschluss 32 W (pat) 104/02 - happy time).

bb) Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke liegt annähernd im durchschnittlichen Bereich. Zwar mag der Begriff "SYMPHONIE" (auch) auf dem Lebensmittelsektor generell beliebt sein und von daher eine Originalitätsschwäche aufweisen. Als glatt beschreibend für "Konfitüren" kann er aber nicht angesehen werden; auch der beschreibende Anklang (Zusammentreffen von Geschmacksrichtungen usw) wird breiten Verbraucherkreisen meist nicht ohne Weiteres bewusst werden. Auf die Frage einer Kompensation der Kennzeichnungsschwäche durch Benutzung (vor dem Anmeldetag der jüngeren Marke) kommt es daher nicht entscheidend an.

cc) Die sich gegenüberstehenden Zeichen sind einander ähnlich, weil das mittlere Wortelement "Sinfonie" die jüngere Marke im Gesamteindruck prägt und dieses mit dem Widerspruchszeichen "SYMPHONIE" klanglich (ganz weitgehend) und begrifflich (völlig) übereinstimmt.

Das am Anfang der angegriffenen Marke stehende Wort "Diät" ist gerade für "diätetische Lebensmittel" in Klasse 5, aber auch für sämtliche Lebensmittel in Klasse 30 als Fachbegriff glatt beschreibend (vgl Dr. Oetker, Lexikon Lebensmittel und Ernährung, 3. Aufl, S 130, 131). Es wird vielfach nicht als Teil der Marke angesehen und auch bei der Benennung nicht stets mitverwendet werden. Dass "Diät Sinfonie" ein in seiner Bedeutung stets feststehender Gesamtbegriff wäre, der deshalb nicht getrennt würde, ist in keiner Weise ersichtlich. Das nachgestellte Element "Nr. 1" ist ebenfalls deutlich kennzeichnungsschwächer - unabhängig von der Frage, ob es in Alleinstellung überhaupt schutzfähig wäre - als der Begriff "Sinfonie". Soweit es - was nicht fern liegt - als anpreisend verstanden wird, zB als Hinweis auf ein sogenanntes Premium-Produkt, muss ebenfalls mit seiner Vernachlässigung bei der Benennung der Marke gerechnet werden. Soweit es dagegen als Sortiments-Bezeichnung (neben Nr 2, Nr 3 usw.) aufgefasst wird, kann es bei der Benennung zwar nicht weggelassen werden, weil andernfalls nicht gewährleistet wäre, dass der Kunde das von ihm gewünschte Produkt erhält. Aber derartige, auf die "eigentliche" Marke folgende Sortiments-, Serien- oder Bestellnummern sind derart kennzeichnungsschwach, dass der markenmäßige Schwerpunkt innerhalb des Gesamtzeichens bei dem voranstehenden, nicht unmittelbar warenbeschreibenden Begriff (dh hier "Sinfonie") liegt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9, Rdn 378, 379). Dieser ist somit - bei jedem in Betracht kommenden Verständnis der jüngeren Marke - für sich selbstständig kollisionsbegründend.

dd) Die Gesamtabwägung von durchschnittlicher bis entfernter Warenähnlichkeit, nicht wesentlich verminderter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und sehr großer klanglicher Zeichenähnlichkeit (bzw sogar begrifflicher Identität) ergibt, dass - entgegen der Auffassung der Markenstelle - von einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Marken ausgegangen werden muss. Mithin war die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen. Ob daneben - für einen weiteren Teil des Verkehrs - auch die Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens der Vergleichsmarken (sog assoziative Verwechslungsgefahr) besteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Viereck Dr. Albrecht Kruppa Hu






BPatG:
Beschluss v. 20.07.2005
Az: 32 W (pat) 101/04


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