Amtsgericht Hagen:
Beschluss vom 2. Oktober 2015
Aktenzeichen: 90 Ds 22/15

(AG Hagen: Beschluss v. 02.10.2015, Az.: 90 Ds 22/15)

Tenor

In Abänderung des Festsetzungsbeschlusses vom 03.08.2015 wird dem Rechtsanwalt U auf seine Erinnerung vom 11.08.2015 zusätzlich zu dem Festsetzungsbeschluss vom 03.08.2015 die Befriedigungsgebühr (VV 4141) in Höhe von 256,00 Euro nebst Umsatzsteuer in Höhe von 48,64 Euro, damit also insgesamt 304,64 Euro, erstattet und festgesetzt.

Gründe

I.

Der Angeklagte, der von dem Rechtsanwalt U aus Essen verteidigt wurde, wurde mit Urteil des Amtsgerichts Hagen am 19.06.2015 wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt (Bl. 66-68 d.A.). Mit Fax vom 22.06.2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, legte Rechtsanwalt U gegen dieses Urteil Berufung ein. Das begründete Urteil lag am 24.06.2015 bei der Geschäftsstelle und sollte zur weiteren Veranlassung im Hinblick auf die eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft übersandt werden. Mit Schriftsatz vom 06.07.2015, beim Amtsgericht am 08.07.2015 eingegangen, nahm Rechtsanwalt U die Berufung gegen das Urteil zurück. Die Akte befand sich zum Zeitpunkt der Berufungsrücknahme wegen der Kostenerstattungsanträge der Rechtsanwälte noch beim Amtsgericht.

Mit Schriftsatz vom 07.07.2015 beantragte Rechtsanwalt U u.a. die Erstattung von 256,00 Euro als Befriedigungsgebühr im Sinne der VV 4141 wegen der Rücknahme der Berufung (Bl. 80 d.A.).

Diese wurde ihm mit Schreiben vom 03.08.2015 verwehrt mit der Begründung, die Berufungssache wäre beim Landgericht noch nicht anhängig gewesen, so dass keine Gebühr nach VV 4141 entstanden sei (Bl. 93 d.A.).

Gegen diese Entscheidung legte Rechtsanwalt U mit Fax vom 11.08.2015 Rechtsmittel ein (Bl. 103 d.A.).

Der Bezirksrevisor nahm am 27.08.2015 dazu Stellung (Bl. 106 d.A.).

II.

Die zulässige Erinnerung des Rechtsanwalts U ist begründet.

Gemäß VV Nr. 4141 VV Abs. 1 Nr. 3 entsteht die zusätzliche Gebühr dann, wenn sich das gerichtliche Verfahren u.a. durch Rücknahme der Berufung erledigt. Als einzige Voraussetzungen für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr ist zum einen die 2-Wochen-Frist im Falle eines anberaumten Hauptverhandlungstermins im Sinne des VV 4141 Abs. 1 Nr. 3 2.Abs. oder keine Kausalität bei der Erledigung gemäß VV 4141 Abs. 2.

Vorliegend hat sich das Berufungsverfahren durch die Rücknahme der Berufung durch den Rechtsanwalt U erledigt. Da noch kein Berufunsverhandlungstermin anberaumt wurde, sind keine Fristen zu beachten gewesen.

Soweit eingewendet wurde, dass sich die Verfahrensakten noch beim Amtsgericht Hagen befunden haben und deswegen die Gebühr nicht entstanden sei, kann diesem Einwand nicht gefolgt werden.

Ausweislich des Wortlauts der VV Nr. 4141 VV Abs. 1 Nr. 3 ist die Anhängigkeit des Berufungsverfahrens nicht Tatbestandsvoraussetzung.

Auch ist ein solches Erfordernis dem Sinn- und Zweck der Regelung nicht zu entnehmen. Diese Befriedigungsgebühr soll den Rechtsanwalt, der durch seine Mitwirkung eine zeitaufwendige Vorbereitung und Durchführung einer Hauptverhandlung entbehrlich werden lässt, belohnen und gleichzeitig den Verlust einer Terminsgebühr ausgleichen, der eintritt, wenn in der jeweiligen Instanz keine Hauptverhandlung stattfindet (vgl. auch Rechtsanwaltsvergütungsgesetz von Hartung/Schons/Enders, 2. Auflage, 2013, VV 4141, Rnr. 1).

Das hat der Rechtsanwalt auch gemacht. Das Landgericht musste sich nicht mehr mit der Sache befassen, was zwingend der Fall gewesen wäre, wenn der Rechtsanwalt die Berufung nicht zurückgenommen hätte. Dabei kann es nicht darauf ankommen, wo sich die Akten befinden. Das liegt nicht in der Sphäre des Rechtsanwalts und es kann ihm nicht zugemutet werden, dass er sich zunächst danach erkundigt. Die Aktenbearbeitung erfolgt unterschiedlich und es kann nicht vom Zufall abhängen, ob eine solche Gebühr anfällt. Zudem hat das Amtsgericht nach Urteilserlass kein außerhalb des § 319 StPO normiertes Ermessen, was mit der Akte nach einer Berufungseinlegung erfolgt, so dass die Akte zwingend dem Berufungsgericht vorgelegt wird.

Auch die Regelung des § 319 StPO ändert an dieser Ansicht nichts. Das Gericht hat hier die Akten bereits am 22.06.2015 auf den X-Weg zum Landgericht "bringen" wollen, also vor Rücknahme der Berufung. Diese Verfügung wurde jedoch nicht umgehend ausgeführt, weil die Kostenbeamten die inzwischen eingegangenen Kostenerstattungsanträge vorgezogen haben. Allein das zeigt schon, dass der Ort der Akten beim Eingang der Berufungsrücknahme nicht entscheidend sein kann.

Die historische Auslegung dieser Regelung bestätigt diese Auslegung. In VV 4141 hat das RVG im Wesentlichen die Regelung des früheren § 84 Abs. 2 BRAGO übernommen. Die zu § 84 Abs. 2 BRAGO bestehenden Streitfragen waren durch das 2. KostRMoG im Wesentlichen gelöst. Die Gebühr fällt jetzt sogar an, wenn das Verfahren eingestellt wird; VV 4141 Abs. 1 Nr. 1. Auch wird bei der Voraussetzung der Förderung des Verfahrens durch den Rechtsanwalt gemäß VV 4141 Abs. 2 eine Mitwirkung gesetzlich vermutet, d.h. das die Darlegungs- und Beweislast den Mandanten oder der Landeskasse obliegt. All das zeigt, dass an die Regelung keine strengen Voraussetzungen zu stellen sind.

Das Gericht lässt die Beschwerde gegen diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß §§b 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zu.






AG Hagen:
Beschluss v. 02.10.2015
Az: 90 Ds 22/15


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