Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. November 2006
Aktenzeichen: AnwZ(B) 60/05

(BGH: Beschluss v. 22.11.2006, Az.: AnwZ(B) 60/05)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 24. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am 5. Januar 2002 erneut zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und dem Landgericht B. sowie bei dem Oberlandesgericht B. zugelassen. Mit Verfügung vom 6. Juli 2004 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls sowie nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO wegen fehlender Berufshaftpflichtversicherung; zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung ihrer Widerrufsverfügung an. Mit Bescheid vom 20. Juli 2004 hob die Antragsgegnerin die Anordnung des Sofortvollzugs auf, nachdem die Haftpflichtversicherung des Antragstellers wieder in Kraft getreten war.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 3. Juli 2006 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn. Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist.

Der Antragsteller war im Zeitpunkt des Widerrufs mit zwei Haftbefehlen im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts B. - Zweigstelle P. - eingetragen (M /04 und M /04). Die dadurch begründete Vermutung für einen Vermögensverfall ist nicht bereits dadurch widerlegt, dass der Antragsteller die den Haftbefehlen zugrunde liegenden Forderungen der C. Bank in Höhe von 4.180,90 € (M /04) und die (allerdings nur noch geringfügige) Restschuld gegenüber der Consulting-Bau M. A. GmbH (M /04) kurz nach Erlass der Widerrufsverfügung beglichen hat und die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis daraufhin im August 2004 gelöscht wurden; um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der Rechtsanwalt vielmehr seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegen (st.Rspr.; Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 80/90, NJW 1991, 2083 unter II 1 a). Daran fehlt es. Der Antragsteller hat es nicht nur vor Erlass der Widerrufsverfügung an einer entsprechenden Mitwirkung zur Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse, zu der er nach § 36 a Abs. 2 BRAO verpflichtet ist (Senatsbeschluss vom 25. März 1991, aaO), fehlen lassen, sondern hat auch im gerichtlichen Verfahren nicht darzulegen vermocht, dass seine Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung entgegen der gesetzlichen Vermutung in Ordnung waren. Hierfür reicht der Nachweis der nachträglichen Tilgung (nur) der Forderungen, die der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrunde lagen, nicht aus. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb aufgrund der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO mit Recht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall befand.

b) Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern des Rechtsanwalts. Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden bei Erlass der Widerrufsverfügung ausnahmsweise nicht gegeben war, sind weder dargetan noch ersichtlich. Der Umstand, dass der Antragsteller nach seinen Angaben kein Fremdgeld annimmt und verwaltet, sondern Zahlungen für die Mandanten direkt an diese geleistet werden, vermag eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht zuverlässig auszuschließen, weil ein solches Vorgehen allein vom Willen des Antragstellers abhängt und nicht kontrollierbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102, unter II 1 b).

2. Der Widerrufsgrund ist auch nicht nachträglich entfallen.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend macht, dass seine Vermögensverhältnisse zwischenzeitlich wieder geordnet seien, ist dieses Vorbringen zwar im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356). Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller jedoch nicht dargetan.

Zwar sind die im Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden Eintragungen des Antragstellers im Schuldnerverzeichnis nach Erlass der Widerrufsverfügung gelöscht worden. Im Beschwerdeverfahren ist aber aufgrund der vom Senat eingeholten Mitteilung des Amtsgerichts B. - Zweigstelle P. - vom 17. Oktober 2006 bekannt geworden, dass gegen den Antragsteller erneut vollstreckt wird, unter anderem aufgrund eines Vollstreckungsersuchens des Hauptzollamts R. vom 1. Juni 2006 wegen einer Forderung in Höhe von 1.249,72 € (M /06); in zwei weiteren Vollstreckungsverfahren (M /06 und M /06) ist der Widerspruch des Antragstellers gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen worden. Die diesen aktuellen Vollstreckungsmaßnahmen zugrunde liegenden Forderungen hat der Antragsteller entgegen den gerichtlichen Verfügungen vom 19. Juni und 23. August 2006, mit denen er (erneut) dazu aufgefordert worden war, seine Verbindlichkeiten anzugeben, nicht offenbart. Er hat auch die im Schreiben der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2006 enthaltene Frage nach weiteren Verbindlichkeiten, zu deren Beantwortung sich der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verpflichtet hatte, nicht beantwortet und hat die Auskunft über bestehende Steuerrückstände sowie über seine monatlichen Einnahmen und Ausgaben in seinem Schreiben vom 4. August 2006 ausdrücklich verweigert. Unter diesen Umständen fehlt es nach wie vor an der für den Nachweis eines zweifelsfreien Wegfalls des Widerrufsgrundes erforderlichen Mitwirkung des Antragstellers an einer Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse. Aus diesem Grund und angesichts der erneuten Vollstreckungsmaßnahmen ist auch im Beschwerdeverfahren davon auszugehen, dass sich der Antragsteller weiterhin in Vermögensverfall befindet und die damit verbundene Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden fortbesteht.

3. Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2006 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben. Der nachträgliche Widerruf dieser Erklärung im Schriftsatz des Antragstellers vom 2. Oktober 2006 steht dem nicht entgegen. Denn eine wesentliche Änderung der Prozesslage, die den Widerruf rechtfertigen könnte (§ 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog; vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2004 - AnwZ(B) 72/02, NJW 2005, 1420, unter II 3), hat der Antragsteller nicht dargetan und ist auch nicht zu ersehen.

Hirsch Basdorf Otten Frellesen Frey Wosgien Quaas Vorinstanz:

AGH München, Entscheidung vom 24.05.2005 - BayAGH I - 17/04 -






BGH:
Beschluss v. 22.11.2006
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