Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 230/99

(BPatG: Beschluss v. 21.11.2000, Az.: 27 W (pat) 230/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 21. November 2000 (Aktenzeichen 27 W (pat) 230/99) entschieden, dass die Beschwerde gegen die Eintragung der Wortmarke "VISIWARE" zurückgewiesen wird. Der Widerspruch gegen die Eintragung wurde aus der prioritätsälteren Wortmarke "visicontrol" eingelegt. Die Markenstelle für Klasse 9 hat den Widerspruch abgelehnt, da sie keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken sieht.

Die Widersprechende ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und legte Beschwerde ein. Sie argumentiert, dass die Bestandteile "control" und "ware" keine Herkunftshinweise seien, sondern rein beschreibende Angaben für elektronische Bauteile und Software. Sie fordert, dass nur der übereinstimmende Bestandteil "visi" betrachtet wird. Die Markeninhaber hingegen sind der Meinung, dass die Marken insgesamt unterschiedlich genug sind und keine Verwechslungsgefahr besteht. Sie bestreiten außerdem die Benutzung der Widerspruchsmarke.

Das Gericht stellt fest, dass die Beschwerde zulässig, aber unbegründet ist, da die jüngere Marke trotz teilweise identischer Waren genügend Abstand zur Widerspruchsmarke aufweist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen. Es wird betont, dass die Marken insgesamt unterschiedlich sind und der gemeinsame Bestandteil "visi" keine prägende Kennzeichnungskraft hat. Es wird auch festgestellt, dass die Frage der glaubhaften Benutzung der Widerspruchsmarke nicht relevant ist.

Die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaber wird als nicht verspätet und zulässig angesehen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es Zweifel gibt, ob die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke ausreichend glaubhaft gemacht hat. Da jedoch keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr besteht, spielt dies keine Rolle.

Die Beschwerde wird daher zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung orientiert sich an der Regelung des Markenrechts und es gibt keine Gründe, davon abzuweichen.

Zusammenfassend hat das Bundespatentgericht die Beschwerde gegen die Eintragung der Wortmarke "VISIWARE" abgelehnt, da keine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke "visicontrol" besteht. Die Marken wurden als insgesamt unterschiedlich angesehen und der gemeinsame Bestandteil "visi" hat keine prägende Kennzeichnungskraft.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 21.11.2000, Az: 27 W (pat) 230/99


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 395 36 307 VISIWARE für "Datenverarbeitungsprogramme und -geräte" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarkevisicontroleingetragen unter der Nr. 2 042 059 für "elektronische Bauteile, Baugruppen und Geräte, insbesondere für die Bilddatenverarbeitung, Echtzeitdatenverarbeitung, Prozeßvisualisierung, Steuerungs-, Regelungs- und Meßtechnik, Automatisierung, computergestützte Konstruktion (CAD), computergestütze Entwicklung (CAE), computergestützte Qualitätskontrolle (CAQ) und computergestützte Fertigung; Reparatur und Wartung von Erzeugnissen der Elektrotechnik, insbesondere der vorgenannten Erzeugnisse; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere auf den vorgenannten Sachgebieten".

Die Markenstelle für Klasse 9 hat durch Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung teils identischer und teils ähnlicher Waren und Dienstleistungen und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke einen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Die Übereinstimmung des Wortanfangs "visi" könne eine Verwechslungsgefahr nicht begründen. Die jeweils abweichenden weiteren Bestandteile würden weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht vernachlässigt. Deshalb könne dahinstehen, ob der gemeinsame Bestandteil "visi" als Hinweis auf "visible" überhaupt geeignet sei, selbständig kennzeichnend zu wirken. Wegen der abweichenden Bedeutung der Bestandteile "ware" und "control" bestehe auch in begrifflicher Hinsicht keine Verwechslungsgefahr. "visi" werde vom Verkehr auch nicht als Hinweis auf den Betrieb der Widersprechenden aufgefaßt, so daß mittelbare Verwechslungsgefahr ebenfalls zu verneinen sei. Die Eignung von "visi", als Stammbestandteil einer Serienmarke zu wirken, sei fraglich.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, die angesprochenen Verkehrskreise sähen weder in "control" noch in "ware" einen Herkunftshinweis, sondern allein glatt beschreibende Bestimmungs- und Beschaffenheitsangaben, die extrem häufig Bestandteile registrierter Marken seien. Aus diesem Grunde sei es geboten, die Rechtsprechung zur Abspaltung von Markenbestandteilen anzuwenden und allein auf den übereinstimmenden Bestandteil "visi" abzustellen. Die Bestandteile "ware" und "control" würden im selben Sinne verstanden, weil es sich jeweils um Hard- oder Software handele.

Die Markeninhaber meinen, die einander gegenüberstehenden Marken seien im relevanten Gesamteindruck nicht zu verwechseln. Auch der gemeinsame Bestandteil "visi" werde häufig in Marken verwendet und weise eine erhebliche Kennzeichnungsschwäche auf. Beide Marken erhielten ihre Originalität jeweils allein aus der Kombination ihrer in Alleinstellung kennzeichnungsschwachen Bestandteile. Die Begriffe "ware" und "control" seien keine Synonyme und würden dahingehend auch nicht analysiert. Sie bestreiten die Benutzung der Widerspruchsmarke.

Die Widersprechende meint, das Geltendmachen des Nichtbenutzungseinwands sei verspätet, weil dieser bereits im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hätte geltend gemacht werden können. Zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke weist sie auf die Internet-Hompage der Widersprechenden hin und legt Prospektmaterial vor.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil die jüngere Marke auch in Anbetracht einander gegenüberstehender teilweise identischer Waren einen die Verwechslungsgefahr mit ausreichender Sicherheit ausschließenden Abstand einhält, so daß die Voraussetzungen des MarkenG § 9 Abs 1 Nr 2 nicht vorliegen und es auf die Frage nicht ankommt, ob die Benutzung der Widerspruchsmarke hinreichend glaubhaft gemacht wurde.

Dennoch sei in diesem Zusammenhang auf folgendes hingewiesen: Die Nichtbenutzungseinrede wurde zulässig, insbesondere nicht verspätet erhoben. Denn die Widerspruchsmarke wurde ihrerseits erst am 9. August 1993 in das Register eingetragen, so daß die Benutzungsschonfrist erst am 9. August 1998 endete. Die den Markeninhabern vom Deutschen Patent- und Markenamt zur Stellungnahme auf den Widerspruch gesetzte Frist endete am 18. März 1997; innerhalb dieser Frist konnten sie mithin eine Nichtbenutzungseinrede noch nicht zulässig erheben.

Zweifelhaft ist, ob die Widersprechende auf die Nichtbenutzungseinrede hin die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke hinreichend glaubhaft gemacht hat. Denn die Benutzungsunterlagen lassen größtenteils nicht erkennen, aus welchem Zeitraum sie stammen; darüber hinaus wurde die Bezeichnung "visicontrol" jedenfalls teilweise nicht markenmäßig, sondern nur als Firmenname ohne Bezug zu einem Produkt verwendet.

Dies kann jedoch dahinstehen, weil zwischen den einander gegenüberstehenden Marken - wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr besteht.

In ihrem Gesamteindruck, auf den bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr abzustellen ist, weil der Schutz eines einzelnen aus einer - hier noch nicht einmal mehrgliedrigen, sondern nur aus einem einzigen Wort bestehenden - Marke herausgelösten Elements dem Markenrecht fremd ist, sind die Marken so unterschiedlich, daß mit der Gefahr von Verwechslungen in relevantem Umfang auch im Bereich identischer Waren unter keinem Aspekt zu rechnen ist.

Bei einem direkten Vergleich der einander gegenüberstehenden Markenwörter sind die Unterschiede sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht offensichtlich; auch weicht die Bedeutung von "ware" (deutsch: Steinzeug, Ware, Oxford/Duden, Englisch Großwörterbuch) von der von "control" (deutsch: Kontrolle, Leitung, Kontrollobjekt, Kontrollperson, Regler, Schalttafel, Bedienungstafel usw, Oxford/Duden, aaO) und damit auch die Bedeutung der einander gegenüberstehenden Gesamtbegriffe entgegen der Ansicht der Widersprechenden offensichtlich voneinander ab; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß beide Begriffe im Zusammenhang mit elektronischer Datenverarbeitung gebraucht werden.

Auch daraus, daß beide Markenwörter mit "visi" beginnen, ist die Gefahr von Verwechslungen nicht herzuleiten. Insbesondere prägt der Bestandteil "visi" - unabhängig davon, daß es sich bei den einander gegenüberstehenden Marken jeweils um Einzelwörter handelt, bei denen die Abspaltung eines Teils in der Regel nicht infrage kommt - weder den Gesamteindruck der angegriffenen noch den der Widerspruchsmarke. Zwar kann grundsätzlich in (mehrgliedrigen!) Marken einem Bestandteil besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden, so daß bei Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (vgl BGH BlPMZ 1996, 415, 416 - "Sali Toft"; BlPMZ 1998, 524 - "ECCO II"). Ein solcher Fall liegt hier aber - unabhängig davon, daß sich nicht mehrgliedrige Marken, sondern solche, die jeweils aus einem einzigen Wort bestehen, gegenüberstehen - nicht vor. Denn der auf "visible" hinweisende, häufig verwendete Markenbestandteil "visi" ist ebenso kennzeichnungsschwach wie der jeweils hinzukommende Teil "ware" bzw "control". Beide Zeichen beziehen ihre Originalität allein aus der Zusammenfassung von jeweils zwei in Alleinstellung extrem schwachen Bestandteilen, so daß bei der Beurteilung des Gesamteindrucks nicht von einer Reduzierung einer oder beider Marken auf "visi" auszugehen ist.

Für die Annahme einer markenrechtlich relevanten Gefahr von Verwechslungen aufgrund gedanklichen In-Verbindung-Bringens fehlt es bereits an der Eignung des - wie bereits oben ausgeführt - schwachen Bestandteils "visi", herkunftshinweisend zu wirken, so daß die bei der Gefahr mittelbarer Verwechslungen zu berücksichtigenden fachlich orientierten oder zumindest interessierten Verkehrskreise (vgl Althammer/Ströbele, Markenrecht, 6. Aufl, § 9 RdNr 212) diesem keinen Hinweis auf die Widersprechende entnehmen werden.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des MarkenG § 71 Abs 1 S 2. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Hellebrand Albert Friehe-Wich Ju






BPatG:
Beschluss v. 21.11.2000
Az: 27 W (pat) 230/99


Link zum Urteil:
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