Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Mai 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 317/02

(BPatG: Beschluss v. 21.05.2003, Az.: 7 W (pat) 317/02)

Tenor

Das Patent 199 56 059 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 199 56 059 mit der Bezeichnung Verfahren zur Zuführung von Gießpulvergranulat zu einer Stranggußkokille, dessen Erteilung am 14. März 2002 veröffentlicht worden ist, haben die Firmen I. St... GmbH in O...

II. M... GmbH in E...

Einspruch erhoben.

Die Einsprechenden I und II beantragen, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin macht geltend, dass der Gegenstand des Patents gegenüber dem Stand der Technik neu sei und ihm gegenüber auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Der Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

Verfahren zur Zuführung von Gießpulvergranulat zu einer Stranggußkokille, wobei das Gießpulvergranulat in Zeitintervallen, deren Dauer gesteuert wird, auf die Oberfläche eines in der Stranggußkokille befindlichen Metallbades aufgegeben wird, gekennzeichnet dadurch, dass aus einem Drucksendegefäß ein oder mehrere Ströme aus in einem Fördergas suspendiertem Gießpulvergranulat mittels pneumatischer Förderung bei für jeden Strom im wesentlichen konstanter Förderleistung in unabhängig voneinander zu- und abschaltbaren Förderleitungen zu der Stranggußkokille geführt werden und das Gießpulvergranulat durch freien Fall vom Austritt der Förderleitungen auf die Oberfläche des Metallbades aufgebracht wird.

Nach Spalte 2, Zeilen 25 bis 31 der Streitpatentschrift liegt die Aufgabe vor, ein Verfahren zur Zuführung von Gießpulvergranulat zu einer Stranggußkokille vorzuschlagen, das es ermöglicht, dass das Gießpulvergranulat auf den Badspiegel in der Stranggußkokille dosiert aufgegeben wird und dabei die dafür erforderlichen Vorrichtungen nicht in unmittelbarer Nähe oder im Arbeitsraum der Stranggußkokille angeordnet werden müssen.

Die Patentansprüche 2 bis 7 sind auf Merkmale gerichtet, die das Verfahren nach Patentanspruch 1 weiter ausgestalten sollen.

In der mündlichen Verhandlung sind u.a. die deutsche Offenlegungsschrift 197 48 948 und die belgische Patentschrift 100 40 46 abgehandelt worden.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziffer 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Die frist- und formgerecht erhobenen Einsprüche sind ausreichend substantiiert und daher zulässig. Sie sind auch sachlich gerechtfertigt.

3. Der Gegenstand des Patents stellt keine patentfähige Erfindung dar.

Die deutsche Offenlegungsschrift 197 48 948 zeigt und beschreibt eine Vorrichtung für die Zugabe von Gießpulver bei Stranggießanlagen, bei der das Gießpulver aus einem Vorratsbehälter in einen Speicherbehälter pneumatisch gefördert wird (vgl Sp 1, Z 64 bis Sp 2, Z 4). Wie die Patentinhaberin in der Würdigung dieser Druckschrift in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ausgeführt hat, werden bei dieser bekannten Anlage die Vorteile des Gießpulvergranulats genutzt.

Von dem Speicherbehälter führt ein Förderkanal zur Stranggußkokille. Der Förderkanal weist eine solche Neigung auf, dass das Gießpulver (Gießpulvergranulat mittels Schwerkraft dorthin befördert werden kann (vgl Sp 2 Z 22 bis 29). Die Dauer der Zuführung des Gießpulvers wird durch ein Ventil gesteuert. Bei dieser Art der Zuführung ist es nachteilig, dass der Förderkanal wegen der notwendigen Neigung einen Mindestabstand zwischen Verteiler mit der flüssigen Schmelze und Gießkokille benötigt.

Will der zuständige Durchschnittsfachmann, hier ein Entwicklungsingenieur auf dem Gebiet der Stranggussanlagen, der Kenntnisse auf dem Gebiet der pneumatischen Förderung von Schüttgut hat, diesen Abstand verringern, so stößt er bei der Suche nach einer Lösung auf die belgische Patentschrift 100 40 46.

Dort ist eine Vorrichtung, für den Transport und die Dosierung eines Gießpulvers in die Gießkokille beschrieben, bei der das Gießpulver mittels eines inerten Gases direkt in die Gießkokille gefördert wird (vgl S 9, Z 4 bis 8 und 14 bis 20 iVm Fig 2). Bei dieser Art der Förderung braucht der Förderkanal nahezu kein Gefälle. Der Fachmann weiß aufgrund seiner Fachkenntnis, dass der Einfluß des Gasstroms auf das Granulat vor dem Verlassen des Transportkanals stark verringert werden bzw. ganz aufgehoben werden muß. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass sich der Transportkanal trichterförmig erweitert, wie aus der belgischen Patentschrift 100 40 46 Figur 5 entnehmbar ist, oder wie es in der von der Patentinhaberin genannten deutschen Offenlegungsschrift 24 40 647 für eine Vorrichtung zum Trennen des festen Förderguts vom gasförmigen Fördermittel beschrieben ist. Bei dieser bekannten Vorrichtung geschieht die Trennung dadurch, dass die Geschwindigkeit des Fördermittels in einer oder mehrerer Stoßdiffusorstufen herabgesetzt und ggf. anschließend der Förderstrom um eine Kante umgelenkt wird (vgl Patentanspruch 1).

Der Fachmann erkennt ohne weiteres aus dem Stand der Technik, dass er den bei der Vorrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 197 48 948 vorhandenen Speicherbehälter weglassen kann und die Förderleitung von dem Förderbehälter, der in der Streitpatentschrift "Drucksendegerät" genannt wird, direkt an die Kokille heranführen kann. Er wird aufgrund seiner Fachkenntnis dafür Sorge tragen, dass wie vorstehend ausgeführt, das Gießpulvergranulat vor dem Austritt aus dem Transportkanal vom fördernden Gas weitgehend getrennt wird, so dass es im wesentlichen im freien Fall auf die Oberfläche des Metallbades in der Kokille aufgebracht wird. Auf diese Weise gelangt der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zum Verfahren gemäß Patentanspruch 1.

Der Patentanspruch 1 ist daher nicht rechtbeständig.

Die Patentansprüche 2 bis 7 fallen als echte Unteransprüche mit dem Patentanspruch 1.

Köhn Dr. Franz Dr. Pösentrup Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 21.05.2003
Az: 7 W (pat) 317/02


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