Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2013
Aktenzeichen: 1 (Z) Sa 1/13

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 21.02.2013, Az.: 1 (Z) Sa 1/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Inhalt der Gerichtsentscheidung:

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss vom 21. Februar 2013 (Aktenzeichen 1 (Z) Sa 1/13) den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts zurückgewiesen. Die Klägerin ist verpflichtet, die Kosten des Bestimmungsverfahrens zu tragen. Der Gegenstandswert wurde auf 350.000,00 € festgesetzt.

Zum Hintergrund: Die Klägerin geht gegen die Beklagten vor, die von der Z€ Steuerberatungsgesellschaft mbH abgetretene Rechte besitzen. Die Steuerberatungsgesellschaft hatte ihren Sitz in O€. Es wird behauptet, dass der Antragsgegner zu 2., der ehemalige Büroleiter der Steuerberatungsgesellschaft, rechtswidrig den Zutritt zu den Räumlichkeiten in O€ verweigerte und das Firmenschild entfernte. Zudem sollen die Mandantenakten entfernt und die Mandatsverhältnisse auf den Antragsgegner zu 1. bzw. dessen Steuerberatungsgesellschaft übertragen worden sein.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit, da beide allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner in seinen Bezirk fallen.

Da laut dem Vorbringen der Klägerin für beide Antragsgegner der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO begründet ist, ist eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Nr. 3 ZPO nicht erforderlich. Die Klägerin macht Ansprüche wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch eine rechtswidrige Überleitung von Mandatsverhältnissen auf Basis von § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 17 UWG geltend. Es wird behauptet, dass die beiden Antragsgegner gemeinschaftlich gehandelt haben und somit für den behaupteten Schaden verantwortlich sind. Der Begehungsort der unerlaubten Handlung liegt in O€.

Die Bedenken der Klägerin, dass das für die unerlaubte Handlung zuständige Gericht eine solche Haftung verneinen und eine Prüfung hinsichtlich möglicher nichtdeliktischer Ansprüche ablehnen könnte, wurden vom Senat nicht geteilt. Das für den besonderen Gerichtsstand des § 32 ZPO zuständige Gericht muss den Rechtsstreit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen und entscheiden.

Früher wurde aus § 32 ZPO entnommen, dass im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nur über die deliktsrechtlichen materiellen Anspruchsgrundlagen entschieden werden durfte. Diese Auslegung ist jedoch aufgrund von § 17 Abs. 2 GVG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung nicht mehr sachgerecht.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 21.02.2013, Az: 1 (Z) Sa 1/13


Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens.

Der Gegenstandwert wird auf 350.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin geht gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht der Z€ Steuerberatungsgesellschaft mbH vor. Diese Gesellschaft betrieb ihren Hauptsitz in O€. Nach dem Vorbringen in der Antragsschrift war der Verkauf des Mandantenstammes der Gesellschaft an ein anderes Unternehmen beabsichtigt.

Vor diesem Hintergrund soll der Antragsgegner zu 2.) - seinerzeit Büroleiter bei der Zedentin - deren Geschäftsführer rechtswidrig den Zugang zu den Räumlichkeiten in O€ verweigert sowie das Firmenschild der Gesellschaft entfernt haben. Anschließend sollen die Mandantenakten aus dem Büro entfernt worden und die Mandatsverhältnisse auf den Antragsgegner zu 1.) bzw. dessen Steuerberatungsgesellschaft €übergeleitet€ worden sein.

II.

1. Über den Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit hat gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil beide allgemeine Gerichtsstände der Antragsgegner zu seinem Bezirk gehören.

2. Für die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Nr. 3 ZPO ist kein Raum, da nach dem maßgeblichen Vorbringen der Antragstellerin für beide Antragsgegner der gemeinschaftliche besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO begründet ist; somit die Zuständigkeit des für in O€ begangene unerlaubte Handlungen zuständigen Landgerichts Neuruppin. Die Antragstellerin macht hier Ansprüche wegen des Verrates von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch eine rechtswidrige Überleitung von Mandatsverhältnissen gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 17 UWG und somit aus unerlaubter Handlung geltend. Dem in der Antragsschrift geschilderten Sachverhalt lässt sich auch der Vorwurf entnehmen, dass die beiden Antragsteller insoweit gemeinschaftlich gehandelt haben sollen und so zumindest gemäß § 830 BGB für den behaupteten Schanden verantwortlich sind. Für den besonderen Gerichtsstand des § 32 ZPO reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen, aus denen sich ein deliktischer Anspruch ergeben kann. Jedenfalls der Begehungsort und wohl auch der Erfolgsort der in der Antragsschrift schlüssig dargelegten unerlaubten Handlung ist im vorliegenden Fall O€.

3.) Dem stehen auch nicht die nach einem Hinweis des Senats mit Schriftsatz vom 13. Februar 2013 geäußerten Bedenken der Antragstellerin entgegen, das für die unerlaubte Handlung zuständige Gericht könne eine solche Haftung verneinen und eine Prüfung hinsichtlich möglicher nichtdeliktischer Ansprüche ablehnen sowie die Klage insoweit als unzulässig zurückweisen.

Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO ist, dass der Kläger sein Begehren auf eine unerlaubte Handlung stützt, d. h. dass er einen materiellen Anspruch aus unerlaubter Handlung darlegt (vgl. Sen.Beschl. v. 19.02.2002 - X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425). Eine dadurch begründete örtliche Zuständigkeit erstreckt sich nach dem Wortlaut der Bestimmung auf die €Klage€. Der Gesetzeswortlaut knüpft damit insoweit nicht an materiell-rechtliche Kategorien an, sondern an den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Streitgegenstand. Wird bei Darlegung einer unerlaubten Handlung mit der hierauf gestützten Klage ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht, hat das insoweit örtlich zuständige Gericht deshalb den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden (BGHZ 153, 178 = NJW 2003, 828). Das ist auch hier der Fall. Die geltend gemachten materiellen Rechte bilden einen einheitlichen prozessualen Anspruch. Nach heutigem Verständnis sind hierfür maßgeblich der Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und der Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 117, 1, 5 m. w. N.; auch Sen.Urt. v. 18.07.2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493). Insoweit decken sich die hier in materieller Hinsicht einmal auf Verstöße gegen das UWG gestützten Ansprüche mit denen aus ungerechtfertigter Bereicherung bzw. der Verletzung nachvertraglicher Pflichten.

Soweit vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 GVG n. F. in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - dem Reichsgericht (RGZ 27, 385) folgend - aus § 32 ZPO entnommen wurde, im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung dürfe trotz Geltendmachung eines einheitlichen prozessualen Anspruchs nur über die deliktsrechtlichen materiellen Anspruchsgrundlagen entschieden werden (BGH, Urt. v. 04.02.1986 - VI ZR 220/84, NJW 1986, 2436, 2437; BGH, Urt. v. 11.02.1980 - II ZR 259/78, VersR 1980, 846, jeweils m. w. N.; vgl. auch BGHZ 98, 362; BGH, Beschl. v. 03.03.1983 - I ARZ 682/82, NJW 1983, 1799; und auch noch BGH, NJW 1996, 1411, allerdings zu einem Falle der internationalen Zuständigkeit), kann hieran nicht mehr festgehalten werden. Die dieser Auffassung zu Grunde liegende Auslegung von § 32 ZPO, die zur Folge hat, dass dasselbe Begehren im allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten unter Berufung auf nicht deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen erneut geltend gemacht werden kann (BGH, Urt. v. 05.07.1977 - VI ZR 268/75, VersR 1978, 59), ist in Anbetracht von § 17 Abs. 2 GVG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung nicht mehr sachgerecht (BGH a. a. O.).






Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 21.02.2013
Az: 1 (Z) Sa 1/13


Link zum Urteil:
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