Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 303/08

(BPatG: Beschluss v. 28.10.2010, Az.: 23 W (pat) 303/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in diesem Beschluss das Patent widerrufen. Das Streitpatent wurde 1999 angemeldet und im Jahr 2005 erteilt. Die Einsprechende hat 2006 Einspruch erhoben und dabei auf bestimmte Druckschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung im Oktober 2010 hat die Patentinhaberin darauf bestanden, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Das Patent betrifft ein Alarmsystem mit mehreren Überwachungsgeräten an Fenstern/Türen eines zu schützenden Objekts. Es stellt sich die Frage, ob die Patentansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Das Gericht ist zu dem Schluss gekommen, dass die Lehre des Patentanspruchs nicht erfinderisch ist, da ähnliche Lösungen bereits in den zitierten Druckschriften beschrieben werden. Aus diesem Grund wurde das Patent widerrufen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 28.10.2010, Az: 23 W (pat) 303/08


Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I 1. Tatbestand Das Patent 199 44 843 B4 (Streitpatent) wurde am 18. September 1999 beim Deutschen Patentund Markenamt mit der Bezeichnung "Alarmsystem" angemeldet. Die Prüfungsstelle für Klasse G 08 B des Deutschen Patentund Markenamts hat das Streitpatent mit Beschluss vom 1. Juni 2005 erteilt. Die Patenterteilung wurde am 13. Oktober 2005 veröffentlicht.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2006 hat die Einsprechende Einspruch erhoben, per FAX am gleichen Tag eingegangen. Die Einsprechende stützt ihren Einspruchu. a. auf die Druckschriften DE 195 17 037 A1 (D8) und US 4 581 606 (D11).

Mit Schreiben vom 6. September 2010 teilte die Einsprechende mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung am 28. Oktober 2010 nicht teilnehmen wird. Gleichwohl bleibt der Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, bestehen.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2010 beantragt die Patentinhaberin, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Der erteilte, geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Alarmsystem (1) an einem zu schützenden Objekt (2), mit mehreren Überwachungsgeräten (3) an verschiedenen Fenstern (4)/Türen des Objekts (2), jeweils bestehend aus einer Zentraleinheit (19), an die ein Sensor (5) über eine elektrische Leitung (14) angeschlossen ist, der einen hinsichtlich Verletzung des geschützten Objekts (2) relevanten Statusparameter des Fensters (4)/der Tür erfasst und über die Leitung (14) an die Zentraleinheit (19) übermittelt, welche nach Maßgabe des Statusparameters ein Statussignal erzeugt und mit einem Sender (6) drahtlos an einen Empfänger (7) einer Basisstation (8) im Bereich des Objekts (2) übermittelt, die bei Verletzung des Objekts (2) ein Alarmsignal auslöst, wobei jedes Überwachungsgerät (3) ein seinen Betriebszustand kennzeichnendes Betriebssignal sendet, welches der Basisstation (8) über ihren Empfänger (7) drahtlos übermittelt wird und nach Maßgabe dessen die Basisstation (8) ein jeweiliges Funktionsmeldesignal erzeugt, und dass das Funktionsmeldesignal für das entsprechende Überwachungsgerät (3) an der Basisstation über dort befindliche Anzeigemittel (29) unterscheidbar nach ordnungsgemäßem Funktionszustand oder Funktionsstörung angezeigt wird."

Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 14 wird auf die Patentschrift und hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 2. Zuständigkeit des Bundespatentgerichts Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. 1. 1, 2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30.6.2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt (BGH GRUR 2009, 184 -"Ventilsteuerung" m. w. N.).

Demnach besteht eine vor dem 1.7.2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.

3. Die Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte PatG, 8. Auflage § 59 Rdn. 56 und 160 bis 162.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, weil der Widerrufsgrund des § 21 PatG, insbesondere der mangelnden erfinderischen Tätigkeit angegeben ist (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG) und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen angegeben sind (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), weil in der zugehörigen Begründung ein konkreter Bezug der einzelnen Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 zum Stand der Technik nach der Druckschrift D8 gebracht werden, um mangelnde Neuheit zu belegen.

4. Patentgegenstand Das Patent betrifft -nach der Beschreibungseinleitung -ein Alarmsystem an einem zu schützenden Objekt mit mehreren Überwachungsgeräten an verschiedenen Fenstern/Türen des Objekts, wobei dieses Alarmsystem als erstes Glied seiner Meldekette einen Sensor aufweist, beispielsweise einen Glasbruchsensor.

Es liegt der vorliegenden Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Alarmsystem mit hoher Funktionssicherheit bei geringstem apparativen und schaltungstechnischem Aufwand anzugeben, welches gegenüber Störungen durch äußere Einwirkungen, wie beispielsweise Interferenzen, vergleichsweise unempfindlich ist und bei welchem darüber hinaus zur Erhöhung der Sicherheit der Betriebszustand auch bei einer Vielzahl beteiligter Komponenten -inklusive eventueller Defekte -jederzeit einfach und zentral erkannt werden kann, vgl. Streitpatent Abschnitt [0004].

Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 gelöst. Der Patentanspruch 1 hat gegliedert nach Merkmalen a. bis l. folgenden Wortlaut:

a.

"1. Alarmsystem (1) an einem zu schützenden Objekt (2), b.

mit mehreren Überwachungsgeräten (3) an verschiedenen Fenstern (4)/Türen des Objekts (2), c. jeweils bestehend aus einer Zentraleinheit (19), an die ein Sensor (5) über eine elektrische Leitung (14) angeschlossenist, d. der einen hinsichtlich Verletzung des geschützten Objekts (2)

relevanten Statusparameter des Fensters (4)/der Tür erfasstunde. über die Leitung (14) an die Zentraleinheit (19) übermittelt, f. welche nach Maßgabe des Statusparameters ein Statussignalerzeugt undg. mit einem Sender (6) drahtlos an einen Empfänger (7) einer Basisstation (8) im Bereich des Objekts (2) übermittelt, h. die bei Verletzung des Objekts (2) ein Alarmsignal auslöst, i. wobei jedes Überwachungsgerät (3) ein seinen Betriebszustand kennzeichnendes Betriebssignal sendet, j. welches der Basisstation (8) über ihren Empfänger (7) drahtlos übermittelt wird undk. nach Maßgabe dessen die Basisstation (8) ein jeweiliges Funktionsmeldesignal erzeugt, l. und dass das Funktionsmeldesignal für das entsprechendeÜberwachungsgerät (3) an der Basisstation über dort befindliche Anzeigemittel (29) unterscheidbar nach ordnungsgemäßem Funktionszustand oder Funktionsstörung angezeigtwird."

Bei dieser Lehre muss die Hierarchie von Basisstation einerseits und der Überwachungsgeräte mit Zentraleinheit und mit dieser über Leiter verbundenem Sensor andererseits in dem Sinne festgehalten werden, dass die Basisstation hierarchiemäßig am höchsten einzuordnen ist.

Bei der Lehre des Patentanspruchs 1 ist es wesentlich, dass bei detektiertem Angriff auf das zu schützende Objekt die Basisstation ein Alarmsignal auslöst und Informationen über den Betriebszustand der Überwachungsgeräte auswertet und eine entsprechende Anzeige veranlasst.

5. Patentfähigkeit Die erteilten Patentansprüche 1 bis 14 dürften ursprünglich offenbart sein, jedoch kann diese Frage dahinstehen, weil die Lehre des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf die Druckschriften D8 und D11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruht, vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 II. 1. -"Elastische Bandage".

Der zuständige Fachmann ist hier als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Alarmanlagen betrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss zu definieren.

Die Druckschrift D8 offenbart in der Terminologie des Streitpatents ein Bei der Alarmanlage gemäß der Druckschrift D8 ist die Basisstation (Funk-Alarmzentrale 1) mit den Überwachungsgeräten (Melder 2, M1 bis Mn oder sonstigen peripheren Einrichtungen 3 bis 6) über bidirektionale Nachrichtenkanäle verbunden.

- Alarmsystem (Funk-Alarmanlage mit Funk-Alarmzentrale 1 einschließlich der Scharfschalte-Einrichtung 3, SSE) an einem zu schützenden Objekt (wie Fenster und/oder Türen mittels Glasbruchsensoren; vgl. D8, Sp. 4, Z 12

/ Merkmal a.),

- mit mehreren Überwachungsgeräten (Melder 2, M1 bis Mn) an verschiedenen Fenstern und/oder Türen des Objekts (Merkmal b.),

- jeweils bestehend aus einer Zentraleinheit (Mikrokontroller 7 der Melder / D8 Anspruch 1, 2. Spiegelstrich sowie Figur 2 mit zugehöriger Beschreibung,) andie ein Sensor (Sensor 8 als Glasbruchsensor, Infrarotmelder, Kontaktmelder, Ultraschallmelder, kapazitiver Melder, Geräuschmelder usw., wobei der Mikrokontroller 7 den Sensor 8 steuert und dessen Signale auswertet / vgl.

D8, Sp. 4, Zn. 11 bis 19) über eine elektrische Leitung (ebenso wie der Mikrokontroller 7 an den Energieversorgungsmodul 11 / vgl. D8, Figur 2 mitzugehöriger Beschreibung) angeschlossen ist (Merkmal c.),

- der einen hinsichtlich Verletzung des geschützten Objekts (2) relevanten Statusparameter des Fensters/der Tür erfasst und über die Leitung (ohne Bezugszeichen in Figur 2) an die Zentraleinheit (Mikrocontroller 7 der Melder 2)

übermittelt (Merkmale d. und e.),

- welche (Mikrocontroller 7) nach Maßgabe des Statusparameters ein Statussignal erzeugt und mit einem Sender (Transceiver 9 des Melders 2)

drahtlos an einen Empfänger (Transceiver 9 der Funk-Alarmzentrale 1 / vgl.

Figur 3 mit zugehöriger Beschreibung) einer Basisstation (Funk-Alarmzentrale 1 einschließlich der Scharfschalte-Einrichtung 3, SSE) im Bereichdes Objekts übermittelt (Merkmale f. und g.),

- die Basisstation (Funk-Alarmzentrale 1) bei Verletzung des Objekts ein Alarmsignal auslöst (Im Alarmfall sendet der Mikrokontroller 7 über den Transceiver 9 des Melders 2 eine entsprechende Meldung an den Transceiver 9 der Funk-Alarmzentrale 1 /vgl. D4 Sp. 4, Z 19 ff / Merkmal h.).

Die weiteren Merkmale i. bis l. des Patentanspruchs 1 sind in der Druckschrift D8 nicht offenbart, auch wenn in dieser Druckschrift bei der Aufgabenstellung (vgl. D8, Sp. 2, Z 49 ff.) auf Funktionssicherheit, Erkennung von Störungen und Manipulationsversuchen besonders geachtet wurde.

Andererseits offenbart die Druckschrift D11 in der Terminologie des geltenden Patentanspruchs 1 ein -Alarmsystem (security alarm system / vgl. dort Patentanspruch 1) an einem zu schützenden Objekt (household / Merkmal a.),

-mit mehreren Überwachungsgeräten (sensors 14, 16, 18, 20 with specific Transmitter 22, 24, 26, 28) an verschiedenen Fenstern (window 42)/ Türen (door 44) des Objekts (Merkmal b.),

-jeweils bestehend aus einer Zentraleinheit (specific transmitter 22, 24, 26, 28), an die ein Sensor (plurality of sensors 14, 16, 18, 20) über eine elektrische Leitung (electrical lead 30) angeschlossen ist (Merkmal c.),

-der einen hinsichtlich Verletzung des geschützten Objekts relevanten Statusparameter des Fensters (42) / der Tür (44) erfasst und über die Leitung (30) an die Zentraleinheit (specific transmitter 22, 24, 26, 28) übermittelt (Merkmale d. e.),

-welche nach Maßgabe des Statusparameters ein Statussignal erzeugt und mit einem Sender (transmitter 144 of the transmitter 22 / Figur 8) drahtlos an einen Empfänger (receiver 148 of the central monitor 12) einer Basisstation (central monitor 12 / vgl dort Figuren 1, 2 und 7) im Bereich des Objekts übermittelt, die bei Verletzung des Objekts (window 42, door 44) ein Alarmsignal (trouble 40, voice 38, dialer 36, horn 34 / Figur 1) auslöst (Merkmale f. bis h.),

-wobei jedes Alarm auslösende Überwachungsgerät (sensor 14, 16, 18, 20 together with the specific transmitter 22, 24, 26, 28) ein seinen Betriebszustand (sensor status in the status register 118 of the transmitter 22 / vgl. dort Figuren 6b und 8, wobei der erste Platz in diesem Register durch den Niederspannungsdetektor 120, der zweite Platz von dem Stromsensor 122 und der dritte und vierte Platz durch die Anschlüsse des Sensors 100 definiert werden) kennzeichnendes Betriebssignal sendet (Zu Merkma i.),

-welches der Basisstation (central monitor 12 / Figur 7) über ihren Empfänger (receiver & demodulator 147 / Figur 7) drahtlos übermittelt wird (Merkma j.) und -nach Maßgabe dessen die Basisstation (central monitor 12) ein jeweiliges Funktionsmeldesignal (The 25 bits of information contain the system identification number, sensor description, sensor location index, sensor location subindex and sensor status transmitted by a particular transmitter / vgl. dort Spalte 8, Zn. 42 bis 47 i. V. m. den Figuren 6a und 6b mit zugehöriger Beschreibung in Sp. 4 und 7. This information is stored in the bit stream comparator 156 / a. a. O.) erzeugt (Merkmal k.),

-und dass das Funktionsmeldesignal für das entsprechende Überwachungsgerät (sensor 14, 16, 18, 20 together with the specific transmitter 22, 24, 26, 28) an der Basisstation (central monitor 12 gemäß Figur 7) über dort befindliche Anzeigemittel (keyboard & display 50 with visual display 52 / vgl. dort Figuren 7 und 2 bis 4) unterscheidbar nach ordnungsgemäßem Funktionszustand oder Funktionsstörung angezeigt wird (Merkmal l.).

Somit unterscheidet sich das Alarmsystem nach der Druckschrift D11 von demjenigen nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents lediglich dadurch, dass gemäß D11 nur das Alarm auslösende Überwachungsgerät ein seinen Betriebszustand kennzeichnendes Betriebssignal sendet und nicht wie es im Merkmal i. des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorgesehen ist, dass bei jedem Alarmfall jedes Überwachungsgerät ein seinen Betriebszustand kennzeichnendes Betriebssignal sendet.

Jedoch begründet dieser Unterschied keine erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, weil bei einem Ereignis, wie Einbruch durch massiven Einsatz von beispielsweise Sprengmitteln usw., auch die übrigen Überwachungsgeräte beschädigt oder zerstört sein könnten, noch bevor diese von sich aus einen Alarm auslösen konnten.

Daher ist es für den zuständigen Fachmann naheliegend die Funkverbindungen zwischen der Basisstation und sämtlichen Überwachungsgeräten -dem Vorbild der Lehre der Druckschrift D8 folgend -bidirektional auszubilden, so dass in einem Alarmfall die Basisstation auch alle übrigen Überwachungsgeräte auf deren jeweiligen Betriebszustand abfragen kann.

Somit beruht die die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.

Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch alle rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 14.

Daher musste das Streitpatent widerrufen werden.

Lokys Frau Dr. Hock gehört seit Ende Januar 2011 nicht mehr dem BPatG an. Maile Dr. Friedrich Lokys Cl






BPatG:
Beschluss v. 28.10.2010
Az: 23 W (pat) 303/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/41d0ccf06e60/BPatG_Beschluss_vom_28-Oktober-2010_Az_23-W-pat-303-08




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