Bundespatentgericht:
Urteil vom 10. Februar 2009
Aktenzeichen: 4 Ni 67/07

(BPatG: Urteil v. 10.02.2009, Az.: 4 Ni 67/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 945 051 (Streitpatent), das am 18. März 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 198 13 233 vom 26. März 1998 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 599 06 320 geführt. Es betrifft eine Mähmaschine und umfasst 15 Ansprüche, die allesamt angegriffen sind.

Anspruch 1 lautet wie folgt:

Mähmaschine, insbesondere ein Scheibenmähwerk mit einer in einer Arbeitsund Betriebsstellung seitlich von einem landwirtschaftlichem Trägerfahrzeug (3) geführten Mäheinrichtung (4), die eine Anzahl auf einem Mähholm (5) angebrachter, um jeweils eine etwa vertikale Achse (6) rotierender Schneidorgane (7) umfasst, sowie mit einer Trageinrichtung (1), welche einen einoder mehrteiligen Tragarm (9) aufweist, an dem mittels einer zumindest um eine in Fahrtund Arbeitsrichtung (F) gerichtete Achse (17) schwenkbaren und bezüglich der Arbeitsbreite zumindest etwa mittig an der Mäheinrichtung (4) angebrachten Gelenkverbindung (16) die Mäheinrichtung (4) gehaltert ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Gelenkverbindung (16) zwischen dem Tragarm (9) der Trageinrichtung (1) und der Mäheinrichtung (4) zumindest zwei Schwenkachsen (17, 18) aufweist und dass der Gelenkverbindung (16) zur Führung der Mäheinrichtung (4) Lenker (20, 21) zugeordnet sind, welche sich von dem Tragarm (9) ausgehend zu einem seitlichen Abschnitt (25) der Mäheinrichtung (4) erstrecken, der der Fahrspur des landwirtschaftlichen Trägerfahrzeugs zugewandt ist.

Wegen des Wortlauts der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 945 051 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch erfinderisch. Zur Begründung trägt sie vor, im Stand der Technik sei zum Prioritätszeitpunkt eine Mähmaschine mit den Merkmalen des Patentgegenstands bereits bekannt gewesen. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

NK2 GB 2 013 466 A NK2' Übersetzung der Anlage NK2 NK3 Konvolut zur Gegenüberstellung von NK2 und dem Streitpatent NK4 Abbildung eines Mähwerks aus dem Verletzungsprozess NK5 Colorierte Fig. 1 bis Fig. 3 der NK2 NK7 DE 33 22 030 A1 NK8 DE 41 37 717 A1 NK9 Kopie aus einem Prospekt der Beklagten.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 945 051 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass das Streitpatent ohne Bezugszeichen folgende Fassung erhält:

1.

Mähmaschine, insbesondere Scheibenmähwerk, mit einer in einer Arbeitsund Betriebsstellung seitlich von einem landwirtschaftlichen Trägerfahrzeug geführten Mäheinrichtung, die eine Anzahl auf einem Mähholm angebrachter, um jeweils eine etwa vertikale Achse rotierender Schneidorgane umfasst sowie mit einer Trageinrichtung, welche einen einoder mehrteiligen Tragarm aufweist, an dem mittels einer zumindest um eine in Fahrtund Arbeitsrichtung gerichtete Achse schwenkbaren und bezüglich der Arbeitsbreite zumindest etwa mittig an der Mäheinrichtung angebrachten Gelenkverbindung die Mäheinrichtung gehaltert ist, dadurchgekennzeichnet, dass die Gelenkverbindung zwischen dem Tragarm der Trageinrichtung und der Mäheinrichtung zumindest zwei Schwenkachsen aufweist und dass der Gelenkverbindung zur Führung der Mäheinrichtung in einer zumindest etwa in Fahrtund Arbeitsrichtung gerichteten vertikalen Ebene übereinander oder in zwei zumindest etwa in Fahrtund Arbeitsrichtung gerichteten und in einem Abstand zueinander angeordneten vertikalen Ebenen angeordnete Lenker zugeordnet sind, welche sich von dem Tragarm ausgehend zu einem seitlichen Abschnitt der Mäheinrichtung erstrecken, der der Fahrspur des landwirtschaftlichen Trägerfahrzeugs zugewandt ist.

2.

Mähmaschine nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Gelenkverbindung zwischen dem Tragarm der Tragvorrichtung und der Mäheinrichtung zumindest eine in Fahrtund Arbeitsrichtung gerichtete Schwenkachse und eine zumindest etwa quer zur Fahrtund Arbeitsrichtung angeordnete Schwenkachse umfasst.

3.

Mähmaschine nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Schwenkverbindung vorzugsweise als ein Kugelgelenk ausgebildet ist.

4.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich die der Gelenkverbindung zugeordneten Lenker vom Tragarm ausgehend in einer der Fahrtund Arbeitsrichtung entgegengesetzt gerichteten Richtung zur Mäheinrichtung erstrecken.

5.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die der Gelenkverbindung zugeordneten Lenker vom Tragarm ausgehend in einer der Fahrtund Arbeitsrichtung entsprechenden Richtung zur Mäheinrichtung verlaufen.

6.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die der Gelenkverbindung zugeordneten Lenker mit einem Aufnahmestück des Tragarms und einem Aufnahmestück der Mäheinrichtung eine Form eines viergliedrigen Kurbelgetriebes aufweisen.

7.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Lenker parallel zueinander angeordnet sind.

8.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Lenker einenends an einer Aufnahmelasche am Tragarm und anderenends in einer Aufnahmelasche an einer Gehäusewand des der Fahrspur des landwirtschaftlichen Trägerfahrzeug zugewandten, seitlichen Abschnitts der Mäheinrichtung gelagert sind.

9.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Lenker an ihren Enden zur Lagerung bzw. Anlenkung am Tragarm und an der Mäheinrichtung mit einem Kugelgelenk versehen sind.

10.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest einer der Lenker längenveränderbar ausgebildet ist.

11.

Mähmaschine nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der obere Lenker längenveränderbar ist.

12.

Mähmaschine nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der obere Lenker in einer die Gelenkverbindung mittig schneidenden, zumindest etwa in Fahrtund Arbeitsrichtung ausgerichteten, vertikalen Ebene und der untere Lenker in der Ebene entlang der Gehäusewand des der Fahrspur des landwirtschaftlichen Trägerfahrzeugs zugewandten seitlichen Abschnitts der Mäheinrichtung angeordnet ist.

13.

Mähmaschine nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass der obere Lenker sich von einem oberhalb der Gelenkverbindung gelegenen und am Tragarm gehalterten Aufnahmestück zu einem an der Oberseite eines Gehäuses der Mäheinrichtung angebrachten Aufnahmestück erstreckt, während der untere Lenker an der Aufnahmelasche am Tragarm und an der Aufnahmetasche an der Gehäusewand des der Fahrspur zugewandten, seitlichen Abschnittes angelenkt ist.

Im Übrigen tritt die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin entgegen und ist der Ansicht, dass das Streitpatent zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang patentfähig sei.

Die Klägerin beantragt auch insoweit die Nichtigerklärung des Streitpatents.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung und mit ihm auch die Gegenstände der rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 15 sind patentfähig, da ein Nichtigkeitsgrund i. S. d. Art. II § 6 Abs. 1. Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ nicht vorliegt. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat auch keine Kenntnisse und Erfahrungen des Fachmanns ergeben, unter deren Berücksichtigung es für ihn aufgrund des in das Verfahren eingeführten Stands der Technik nahe lag, die streitpatentgemäße Lösung aufzufinden. Auf den Hilfsantrag kommt es daher nicht an.

II.

1.

Das Streitpatent betrifft eine Mähmaschine, wie sie hauptsächlich zur Ernte von Gras oder entsprechenden landwirtschaftlichen Halmgütern eingesetzt wird. Derartige Maschinen, die im Betrieb beidseitig eines landwirtschaftlichen Trägerfahrzeugs eingesetzt werden können, sind im Stand der Technik bekannt (Abs. 0001 der Streitpatentschrift). So wird in der Einleitung des Streitpatents eine derartige Mähmaschine gemäß dem deutschen Gebrauchsmuster DE 296 14 199 U1 erwähnt, bei deren Betrieb es aber nachteilig sein soll, dass die Mäheinrichtung in der Arbeitsund Betriebsstellung beim Passieren von Bodenunebenheiten, insbesondere an den in Relation zur Arbeitsbreite äußersten Abschnitten, zunächst zurückgehalten wird, um dann, nach Passieren der Unebenheit, vorzuschnellen. Dadurch treten dauernde Drehschwingungen um die vertikale Achse auf, die zu Belastungsspitzen an der Schwenkverbindung zwischen dem Tragarm und der Mäheinrichtung führen, die schließlich -insbesondere bei einer großen Arbeitsbreite -zu Beschädigungen oder Brüchen an der Schwenkverbindung führen können (Abs. 0002).

2.

Daher soll die streitpatentgemäße Erfindung eine Mähmaschine bereitstellen, die unter Beibehaltung einer optimalen Führung der Schneidwerkzeuge bei Bodenunebenheiten und einer über die Arbeitsbreite gleichbleibenden Auflagekraft eine zuverlässige Aufnahme aller beim Mäheinsatz auftretenden Beanspruchungen ermöglicht [0003].

3.

Patentanspruch 1 kennzeichnet demgemäß eine Mähmaschine mit folgenden Merkmalen:

1.

Mähmaschine mit einer in einer Arbeitsund Betriebsstellung seitlich von einem landwirtschaftlichen Trägerfahrzeug geführten Mäheinrichtung 1.1 Die Mäheinrichtung umfasst eine Anzahl auf einen Mähholm angebrachter, um jeweils eine etwa vertikale Achse rotierender Schneidorgane.

2.

Die Mähmaschine weist eine Trageinrichtung auf.

2.1 Die Trageinrichtung weist einen einoder mehrteiligen Tragarm auf.

2.1.1 An dem Tragarm ist die Mäheinrichtung mittels einer zumindest um eine in Fahrtund Arbeitsrichtung gerichtete Achse schwenkbaren und bezüglich der Arbeitsbreite zumindest etwa mittig angebrachten Gelenkverbindung gehaltert.

2.1.1.1 Die Gelenkverbindung weist zwischen dem Tragarm der Trageinrichtung und der Mäheinrichtung zumindest zwei Schwenkachsen auf.

2.1.1.2 Der Gelenkverbindung sind zur Führung der Mäheinrichtung Lenker zugeordnet.

2.1.1.2.1 Die Lenker erstrecken sich ausgehend von dem Tragarm zu einem seitlichen Abschnitt der Mäheinrichtung, der der Fahrspur des landwirtschaftlichen Trägerfahrzeuges zugewandt ist.

Während die Merkmalsgruppe 1. die seitlich eines Trägerfahrzeugs geführte Mäheinrichtung der beanspruchten Mähmaschine charakterisiert, ist die Merkmalsgruppe 2. auf die Ausgestaltung der Trageinrichtung gerichtet, mit der das dem Patentgegenstand zu Grunde liegende technische Problem gelöst werden soll. Die Problemlösung stellt dabei auf die Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung ab und zwar im Hinblick auf die Abwendung schädlicher Einflüsse auf diese einzige Gelenkverbindung (vgl. Text des Anspruchs 1, kennzeichnender Teil, "die ..." bzw. "der Gelenkverbindung") bedingt durch die von der Mäheinrichtung aufgebauten Drehschwingungen um eine (virtuelle) vertikale Achse. Hierzu ist zunächst in Merkmal 2.1.1 eine Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung beschrieben. Diese Gelenkverbindung soll bezüglich der Arbeitsbreite (der Mäheinrichtung) etwa mittig an der Mäheinrichtung angebracht sein. Diese Angabe bedeutet bei Hinzunahme weiterer Angaben aus der Beschreibung sowohl bzgl. des gattungsbildenden Standes der Technik (Abs. 0002) als auch bzgl. der patentgemäßen Lösung (Abs. 0005) eindeutig eine Anlenkung bzw. Aufhängung der Mäheinrichtung in deren Schwerpunkt. Auch weist die Gelenkverbindung eine in Fahrtund Arbeitsrichtung gerichtete, demnach horizontale Schwenkachse auf. Um nun Drehschwingungen des Mähwerks um eine (virtuelle) vertikale Achse hinsichtlich ihrer Wirkung auf die reale horizontale Schwenkachse der Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung abzumildern, wird gemäß Merkmal 2.1.1.1 eine zweite Schwenkachse für diese Gelenkverbindung vorgeschlagen (vgl. auch Abs. 0005). Des Weiteren sollen mehrere Lenker zur Führung der Mäheinrichtung Verwendung finden (Merkmal 2.1.1.2), die sich ausgehend von dem Tragarm zu einem seitlichen Abschnitt der Mäheinrichtung erstrecken und zwar nur auf der zum Trägerfahrzeug hin weisenden Seite der Mäheinrichtung (Merkmal 2.1.1.2.1).

Wie die Beschreibungseinleitung des Streitpatents ausführt (vgl. Abs. 0007), kann durch die in Patentanspruch 1 angegebene Ausbildung der Gelenkverbindung (zwei Schwenkachsen) in Verbindung mit der Anbringung von Lenkern an dem seitlichen Abschnitt der Mäheinrichtung zum Trägerfahrzeug hin in vorteilhafter Weise erreicht werden, dass an der Gelenkverbindung lediglich die Gewichtskraft der Mäheinrichtung aufgenommen wird, während die erforderlichen Führungskräfte für die Mäheinrichtung durch die Lenker aufgebracht werden.

Die patentgemäße Lösung besteht demgemäß im Kern darin, die Wirkungen der betriebsbedingt auftretenden Drehschwingungen an der Mäheinrichtung durch das Zusammenwirken einer zumindest aus zwei Achsen bestehenden Gelenkverbindung sowie einer einseitigen Lenkerführung im Rahmen einer solchermaßen komplexen gesamten Aufhängung für die Mäheinrichtung abzumildern bzw. auszuschalten.

III.

Der Senat konnte nicht feststellen, dass der unstreitig gewerblich anwendbare Gegenstand des Streitpatents gemäß Patentanspruch 1 gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.

1. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Gegenstand des Streitpatents nach dem Patentanspruch 1 nicht als neu gilt.

Von dem Stand der Technik nach dem DE 296 14 199 U1, von dem im Streitpatent ausgegangen worden war, unterscheidet sich der Gegenstand nach Patentanspruch 1 durch die Merkmale 2.1.1.1 bis 2.1.1.2.1 gemäß Merkmalsauflistung nach Punkt II. 3., denn die Gelenkverbindung der entgegengehaltenen Vorrichtung weist lediglich eine Schwenkachse auf (vgl. Seite 4, Zeilen 19 bis 26), wobei auch stabilisierende Lenker nicht vorgesehen sind (vgl. Fig. 1 bis 4).

Das Mähwerk nach der GB 2 013 466 A (Anl. NK2) weist, anders als in Merkmal 1.1 des Patentgegenstandes nach Anspruch 1 angegeben, von einem Mähbalken (Hauptträger 20) nach unten abstehende Mähtrommeln (27) auf, so dass diese Schneidorgane nicht auf einem Mähholm angebracht sind wie bei einem Scheibenmähwerk. Auch ist das entgegengehaltene Mähwerk nach der Anl. NK2 nicht mit einer Mäheinrichtung ausgestattet, die von einer einzigen bezüglich der Arbeitsbreite zumindest etwa mittig angebrachten Gelenkverbindung gehaltert ist, so dass sich die patentgemäße Aufhängung der Mäheinrichtung auch in Merkmal 2.1.1 von diesem Stand der Technik unterscheidet. Nachdem der entgegengehaltene Stand der Technik auch keine solitäre Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung aufweist, der zur Führung der Mäheinrichtung Lenker zugeordnet sind, unterscheidet sich der Gegenstand nach Patentanspruch 1 hiervon auch in den Merkmalen 2.1.1.1 bis 2.1.1.2.1.

Durch die DE 41 37 717 A1 (Anl. NK 8) ist ein gattungsfremdes Trommelmähwerk zum Frontanbau an einen Schlepper bekannt geworden, von dem sich der Patentgegenstand demgemäß bereits in seinen Merkmalen 1. und 1.1 unterscheidet. Zwar sind Lenker vorgesehen, die u. a. auch der Führung der Mäheinrichtung dienen. Jedoch sind diese Lenker (Verstellglieder 7, 7') zu beiden Seiten der Mäheinrichtung jeweils zwischen den jeweils äußeren Mähtrommeln angeordnet, so dass sich die patentgemäße Mähmaschine nach Anspruch 1 auch in Merkmal 2.1.1.2.1 von diesem Stand der Technik unterscheidet.

Das ebenfalls gattungsfremde Frontmähwerk nach der DE 33 22 030 A1 (Anl. NK7) liegt vom Patentgegenstand noch weiter ab, denn die Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung weist lediglich eine (in Fahrtrichtung gelegene) Achse (5) auf, wobei dieser Gelenkverbindung keinerlei Lenker i. S. d. Streitpatents zur Führung der Mäheinrichtung zugeordnet sind, so dass sich der Patentgegenstand von diesem Stand der Technik noch in den Merkmalen 2.1.1 bis 2.1.1.2.1 unterscheidet.

2. Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass die Mähmaschine nach dem Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Durch die von der Klägerin den Vordergrund gestellte GB 2 013 466 A (D1, Anl. NK2) ist eine Mähmaschine mit einer in einer Arbeitsund Betriebsstellung seitlich von einem landwirtschaftlichen Trägerfahrzeug geführten Mäheinrichtung (vgl. Fig. 1) gemäß Merkmal 1. der in Punkt III. 3. angegebenen Merkmalsauflistung bekannt geworden. Anders als im darauf folgenden Merkmal 1.1 angegeben, sind die rotierenden Schneidorgane der Mäheinrichtung allerdings nicht auf einem Mähholm angebracht, sondern die Mähtrommeln (mower drums 27) der als Trommelmähwerk ausgestalteten Mäheinrichtung sind unterhalb eines auch die Antriebsmittel für die Trommel tragenden Hauptträgers (main beam 20) der Mäheinrichtung (2) angeordnet (vgl. Fig. 2 bis 5). Die entgegengehaltene Mähmaschine weist ebenfalls eine Trageinrichtung (mounting beam 3) auf, die auch einen Tragarm (elongate structure 7) umfasst, so dass die Merkmale 2. und 2.1 dort verwirklicht sind (vgl. insbes. Fig. 1).

Eine Gelenkverbindung i. S. d. Streitpatents indes ist nicht vorgesehen, mittels der die Mäheinrichtung an dem Tragarm gehaltert wäre, denn zwischen dem Tragarm (7) und bestimmten, ihrerseits am Hauptträger (20) der Mäheinrichtung (2) befestigten Strukturen sind jeweils Lenker (46, 47, 48) eingesetzt. Demzufolge kann die entgegengehaltene Mäheinrichtung nicht in patentgemäßem Sinne an dem Tragarm gehaltert sein, denn zwischen diesem und der Mäheinrichtung sind die besagten Lenker (46, 47, 48) zwischengeschaltet. Dies hat wiederum zur Folge, dass der Arm (7) jedenfalls im Betrieb des Mähwerks, d. h. also nicht in einer ausgehobenen Stellung, sondern in einer Stellung, in der das Mähwerk mit seinen Auflagetellern 33 auf dem Boden steht, die Mäheinrichtung nicht "tragen" kann und im Betrieb daher auch nicht als "Tragarm" wirken kann, denn die Mäheinrichtung wird hier ausschließlich "schwimmend" geführt, bedingt durch die ausschließlich über drei Lenker hergestellte Verbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung, wie auch aus der entsprechenden Textpassage auf Seite 2, Zeilen 29 bis 36 der Entgegenhaltung ersichtlich ist. Die Mäheinrichtung wird von der armartigen Struktur (7) im Betrieb also lediglich gezogen, wobei sie sich durch die schwimmende Anhängung über Lenker den sich entgegenstellenden Bodenunebenheiten anpassen kann. Auf Grund der schwimmend gehaltenen Verbindung zwischen Arm (7) und Mäheinrichtung (2) mittels Lenker (46, 47, 48) ist es nicht möglich, die drei Lenker oder auch nur einen von diesen bei technisch korrekter Auslegung des Offenbarungsgehalts der GB 2 013 466 A als (weiteren) Teil eines evtl. mehrteiligen Tragarms zu betrachten, denn durch die schwimmende Anlenkung der Mäheinrichtung und die Anlenkung der jeweiligen Lenker zu diesem Zweck an ihren beiden Enden, größtenteils sogar über Kugelgelenke (vgl. Fig. 1), können diese eine Tragfunktion im patentgemäßen Sinne nicht erfüllen. Mit einer derartigen technischen Beurteilung der Funktion der Lenker als nicht zu einer Trageinrichtung gehörende Bauteile steht auch deren Positionierung außerhalb der Mitte der Mäheinrichtung (vgl. Fig. 1, 3) bzw. außerhalb eines in Fig. 3 mit "C" angegebenen Schwerpunkts der Mäheinrichtung im Einklang. Vielmehr lässt die gesamte Offenbarung dieser Entgegenhaltung erkennen, dass keiner der Lenker im Schwerpunkt der Mäheinrichtung (2) angreifen soll, denn -wie aus Seite 5, Zeile 105 bis Seite 6, Zeile 30 der D1 hervorgeht -besteht ein wesentliches konstruktives Ziel bei diesem Stand der Technik darin, den mittleren Lenker (48) sogar im weiten Abstand (D) zum Schwerpunkt C der Mäheinrichtung zu halten. Die am Schwerpunkt (C) der Mäheinrichtung agierende Kraft P x D soll nämlich in jedem Falle größer gehalten werden, als eine bei Kurvenfahrten nach rechts erzeugte überkippende Kraft F x L, die im Bereich der Anlenkung des mittleren Lenkers (48) an die Mäheinrichtung (2) wirkt, was in der Beziehung P x D > F x L zum Ausdruck gebracht wird, wobei L den Abstand der Anlenkung dieses Lenkers an der Mäheinrichtung von der Bodenoberfläche angibt. Auch eine Verlagerung z. B. u. a. des rechtsseitigen Lenkers (47) auf die linke Seite der rechten äußeren Mähtrommel, wie auf Seite 2, Zeilen 58 bis 61 der Entgegenhaltung angedeutet, vermag dessen Positionierung im Schwerpunkt C -anders als die Klägerin vorträgt -noch nicht vorwegzunehmen oder nahezulegen, denn der Schwerpunkt ist bei dieser Maschine wiederum außermittig gelagert und nach links verschoben. Unter der in Merkmal 2.1.1 gegebenen Angabe "etwa mittig" ist nach sachgerechter Würdigung der patentgemäßen Gesamtoffenbarung der Schwerpunkt der Mäheinrichtung zu verstehen (vgl. auch II. 3.), welcher sich je nach Ausgestaltung der Mäheinrichtung, z. B. durch zusätzliche außermittig angebrachte Getriebestrukturen o. ä., etwas aus der geometrischen Mitte der Mäheinrichtung verschieben kann, weswegen in der Anspruchsfassung die o. g. Formulierung gewählt worden war.

Nach alledem ist bei der nach einem anderen Funktionsprinzip am Boden geführten Mäheinrichtung nach der GB 2 013 466 A das patentgemäße Merkmal 2.1.1 nicht verwirklicht. Auch besteht zwischen Tragarm und Mäheinrichtung keine eine Mehrzahl von Schwenkachsen aufweisende Gelenkverbindung, denn an den Kugelgelenken (50, 52, 53, 54), die diese Bedingung erfüllen könnten, sind Lenker (46, 47) ohne tragende Funktion im Betriebszustand angeordnet. Daher ist auch Merkmal 2.1.1.1 bei der entgegengehaltenen Mähmaschine nicht erfüllt.

Nachdem das entgegengehaltene Mähwerk ausschließlich über Lenker geführt wird, aber eine Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung in patentgemäßem Sinne -wie oben dargelegt -nicht vorliegt, können die Lenker bei der entgegengehaltenen Mähmaschine auch nicht einer Gelenkverbindung zur Führung der Mäheinrichtung zugeordnet sein, wie dies in Merkmal 2.1.1.2 des Patentanspruchs 1 zum Ausdruck gebracht wird. Nach Wegfall dieser Voraussetzung mangels einer entsprechenden patentgemäßen Gelenkverbindung kann daher ferner schon aus diesem Grunde auch das letzte Merkmal des erteilten und in erster Linie verteidigten Anspruchs 1, nämlich Merkmal 2.1.1.2.1 nicht durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nach der GB 2 013 466 A bekannt geworden sein.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die GB 2 013 466 A eine anders geartete Mähmaschine als die patentgemäße Vorrichtung beschreibt, bei der ausschließlich eine bewegliche lenkergeführte Verbindung mit Federn (68, 69) zur Gewichtsentlastung zwischen Mäheinrichtung und (Trag)arm besteht und die patentgemäße Kombination einer insoweit festen Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung mit einer (seitlichen) Lenkerführung, die ihrerseits der Entlastung der Gelenkverbindung dient, nicht angestrebt wird. Eine solche wird auch nicht nahegelegt, denn eine Gelenkverbindung im patentgemäßen Sinne, die der Entlastung bedürfte, ist bei dem durch die GB 2 013 466 A beschriebenen Prinzip der Führung der Mäheinrichtung nicht vorgesehen. Folglich vermag dieser Stand der Technik nach Auffassung des Senats dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von landwirtschaftlichen Mäheinrichtungen und deren Führung am Trägerfahrzeug, keinerlei Hinweise für das Auffinden der patentgemäßen Lehre nach Anspruch 1 zu vermitteln. Aufgrund des Fehlens einer zu entlastenden tragenden Gelenkverbindung vermag dieser Stand der Technik nach Auffassung des Senats auch nicht Grundlage für eine Zusammenschau mit einem weiteren Stand der Technik zu bieten, durch die die patentgemäße Lösung aus fachmännischer Sicht nahegelegt werden könnte.

Eine insoweit gattungsferne, weil im Frontanbau mittig des Trägerfahrzeugs geführte Mähmaschine nach der DE 41 37 717 A1 (Anl. NK8) vermag dem Fachmann allerdings das Prinzip der Entlastung einer mittig am Mähwerk zwischen Trägerarm (3) und Mähwerksrahmen (2) angeordneten Gelenkverbindung (Kugelgelenk 4) mittels dieser Gelenkverbindung zugeordneter Lenker (7, 7') vor Augen zu führen (vgl. Fig. 1, 2). Zwar sind die Lenker hier dem Mähwerk überwiegend zu dem Zweck der besseren Bodenanpassung, hauptsächlich im Hinblick auf die Einstellung bestimmter Lagen des Mähwerks in Abhängigkeit von der jeweiligen Höhenlage, vorgesehen, jedoch findet sich in der Aufgabenformulierung (Spalte 1, Z. 56 ff.) auch ein Hinweis auf die gute Seitenführung des Maschinenrahmens (vgl. Zeilen 64, 65). Demzufolge ist bei diesem Mähwerk die patentgemäße Verbindung von Mäheinrichtung (2, 27, 28) und Tragarm 4 mittels einer mehrachsig bewegbaren Gelenkverbindung (Kugelgelenk 4 als "mittiges Kugelgelenk") nach den Merkmalen 2., 2.1, 2.1.1 und 2.1.1.1 einerseits bereits verwirklicht, wobei andererseits der Gelenkverbindung (4) auch noch Lenker (7, 7') zur Führung der Mäheinrichtung (2, 27, 28) zugeordnet sind (Merkmal 2.1.1.2) und zwar mit Verweis auf eine bessere Seitenführung des Maschinenrahmens.

Allerdings werden alle diese Maßnahmen hier bei einer Mäheinrichtung vorgeschlagen, die im Frontanbau und -noch bedeutsamer -in symmetrischer Anordnung zum Trägerfahrzeug (vgl. Fig. 2), wie bei Frontmähwerken üblich, geführt wird. Demzufolge treten hier bei weitem geringere Seitenkräfte auf das Mähwerk auf, als dies bei einem seitlich neben dem Trägerfahrzeug geführten Mähwerk der Fall ist, welche ihrerseits noch durch die symmetrische Führung des Mähwerks auf Grund seiner mittigen Anhängung ausgeglichen werden. Daher ist der Senat der Auffassung, dass die DE 41 37 717 A1 zwar einen bedeutsamen Stand der Technik darstellt, für sich genommen aber noch nicht die Anwendung der dort beschriebenen Mähwerksaufhängung an seitlich von einem Trägerfahrzeug geführten Mähwerken nahelegen kann, insbesondere im Hinblick auf die Positionierung der Lenker gemäß Merkmal 2.1.1.2.1, die sich bei einer einfachen Adaptation auf seitliche Heckmähwerke nicht zwangsläufig ergeben würden, schon deshalb, weil bei dem entgegengehaltenen Mähwerk eine andere Funktion der Lenker, nämlich deren Mitwirkung bei der Lageeinstellung des Mähwerks bei unterschiedlichen Höhen im Vordergrund steht. Daher sind die Lenker bei dieser Mähmaschine auch nicht zu beiden Seiten jeweils außerhalb der Mäheinrichtung, sondern innerhalb der Erstreckung der Mäheinrichtung jeweils mittig zwischen den äußeren beiden Mähtrommeln angeordnet (vgl. Fig. 2), was eine Anordnung direkt entgegengesetzt zur auftretenden Kraft, wie dies beim patentgemäßen Konstruktionsprinzip vorgesehen ist, nicht zur Folge haben kann. Auch aus diesem Grunde wird das patentgemäße Merkmal 2.1.1.2.1 einem Fachmann durch den Stand der Technik nach der Anl. NK8 nicht nahegelegt.

Nachdem bei der Mähmaschine zum seitlichen Heckanbau nach der GB 2 013 466 A ein anderes und nicht vergleichbares Prinzip der Führung der Mäheinrichtung vorgesehen ist, verbietet sich eine Zusammenschau der Anl. NK8 mit diesem Stand der Technik.

Die von der Klägerin noch genannte DE 33 22 030 A1 (Anl. NK7) betrifft ein -insoweit ebenfalls gattungsfremdes -Frontmähwerk, welches aber eine in Fahrtrichtung weisende Pendelachse (5) als bewegbare Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinrichtung aufweist. Ein Schutz dieser Pendelachse (5) (vgl. Fig. 2) gegenüber im Betrieb auftretende Seitenkräfte ist indes nicht vorgesehen oder angeregt, denn die in Fig. 1 ersichtlichen druckfederartig o. ä. ausgestalteten Elemente (8) sind hinsichtlich ihrer Wirkung von oben auf die Mäheinrichtung gerichtet und dienen lediglich der Dämpfung von Pendelbewegungen beim Ausheben des Mähwerks (vgl. Seite 2, 4. Abs.). Somit gibt diese Entgegenhaltung -ähnlich wie die gattungsbildende Druckschrift DE 296 14 199 U1 -keine Mittel zur Entlastung der Gelenkverbindung zwischen Tragarm und Mäheinheit im Betrieb des Mähwerks an.

Demgemäß bedurfte es für den Fachmann zum Zeitrang des Streitpatents einer erfinderischen Tätigkeit, um eine Mähmaschine mit der Merkmalskombination nach Anspruch 1 bereit zu stellen, denn die patentgemäße Lösung nach Anspruch 1 ergab sich nicht zwangsläufig aus dem Stand der Technik, auch nicht unter Zuhilfenahme fachmännischer Überlegungen. Dies musste zu Lasten der Klägerin gehen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Voit Dr. Huber Friehe Rippel Dr. Prasch Cl






BPatG:
Urteil v. 10.02.2009
Az: 4 Ni 67/07


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