Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juni 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 81/03

(BPatG: Beschluss v. 23.06.2004, Az.: 32 W (pat) 81/03)

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Oktober 2000 und vom 16. Januar 2003 aufgehoben. Die Marke 397 57 103 wird hinsichtlich der Waren "Süßwaren, insbesondere Bonbons, Pralinen, Schokolade, Kekse" gelöscht.

Gründe:

I.

Gegen die Eintragung der am 28. November 1997 für Süßwaren, insbesondere Bonbons, Pralinen, Schokolade, Kekse; Backwaren; Spielwarenangemeldeten Wortmarke 397 57 103 NATALLA ist aus der prioritätsälteren deutschen Marke 956 672 nutella Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für Nuß-Nougat-Creme.

Der Widerspruch richtete sich zunächst gegen alle Waren der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem ersten Beschluss vom 31. Oktober 2000 den Widerspruch zurückgewiesen. Zwar seien Nuß-Nougat-Creme und Schokolade ähnliche Waren, jedoch bestehe keine Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken. Klanglich weise die jeweilige Vokalfolge deutliche Abweichungen auf. Auch schriftbildlich sorgten in Anbetracht der gut überschaubaren Markenwörter die Abweichungen in der Buchstabencharakteristik für eine optisch deutliche Verschiedenheit im Gesamteindruck.

Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt und insbesondere auf die hohe Bekanntheit ihrer Marke nutella hingewiesen.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle hat durch einen zweiten Beschluss vom 16. Januar 2003 die Erinnerung zurückgewiesen. Auch wenn man zugunsten der Widersprechenden von einem erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarke ausgehe und höhere Anforderungen an den Markenabstand anlege, bestehe keine Verwechslungsgefahr. Für den klanglichen Gesamteindruck seien neben dem Sprechrhythmus in erster Linie die Vokale und ihre Abfolge maßgeblich. Die jüngere Marke werde gleichmäßig von drei A-Lauten geprägt, die Widerspruchsmarke demgegenüber durch das Wechselspiel von uea. Schriftbildlich wiesen sich die sich gegenüberstehenden Marken zwar die gleichen Umrißlinien auf, bei jeglicher erdenklichen Schriftart höben sich aber die Buchstaben u und a einerseits sowie a und e andererseits deutlich voneinander ab.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken für gegeben und äußert sich insbesondere zum Schutzumfang und zur Bekanntheit ihrer Marke. Zur Glaubhaftmachung einer starken Benutzung und einer hohen Verkehrsbekanntheit legt sie eine Untersuchung der GfK-Marktforschung vom Juli 2002 sowie die eidesstattliche Versicherung eines Marketingleiters vor.

In der mündlichen Verhandlung hat sie erklärt, dass sich der Widerspruch nicht gegen die Produkte "Backwaren; Spielwaren" der angegriffenen Marke richtet. Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 397 57 103 zu verfügen.

Die Markeninhaberin hat - gemäß vorheriger Ankündigung - an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen und sich in der Beschwerdeinstanz auch nicht schriftsätzlich zur Sache geäußert.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und im Umfang der jetzt noch streitgegenständlichen Waren auch begründet. Die beiderseitigen Marken unterliegen insoweit - entgegen der Auffassung der Markenstelle - der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

a) Soweit die jüngere Marke für "Backwaren" und "Spielwaren" registriert ist, hat die Widersprechende ihren Widerspruch nicht aufrechterhalten, so dass die angegriffene Marke bezüglich dieser Waren außer Streit steht. "Nuß-Nougat-Creme" und "Schokolade" sind bereits bisher als ähnlich beurteilt worden (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S 90), entsprechendes gilt im Verhältnis zu "Süßwaren, insbesondere Bonbons, Pralinen, Kekse". Diese Erzeugnisse können auf der Grundlage von Nuß-Nougat-Creme hergestellt sein bzw. eine solche als Füllung enthalten. Der Grad der Ähnlichkeit ist keineswegs gering, da Nuß-Nougat-Creme nicht ausschließlich als Brotaufstrich dienen kann (unabhängig davon, dass die Widersprechende ihre Marke gerade für ein solches Produkt verwendet).

b) Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke ist groß. Die Widersprechende hat durch die Vorlage aussagekräftiger Unterlagen belegt, dass sie ihre Marke umfangreich benutzt und bewirbt und das diese eine vergleichsweise hohe Bekanntheit genießt. Die Markeninhaberin ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Im übrigen ist gerichtsbekannt, dass es sich bei nutella um eine berühmte Marke für einen süßen Brotaufstrich handelt.

c) Die sich gegenüberstehenden Marken sind im Gesamteindruck (noch) so ähnlich, dass bei Warenähnlichkeit und hoher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die Gefahr von Verwechslungen nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Beide Marken stimmen in der Silbenanzahl, der Betonung auf der mittleren Silbe und vor allem im Wortaufbau (d.h. dem Konsonantengerüst) überein. Die in den ersten beiden Silben voneinander abweichende Vokalfolge dürfte allerdings bei einer zugrundezulegenden deutschen Aussprache beider Markenwörter klangliche Verwechslungen weitgehend ausschließen. Bei einem Vergleich des Schriftbilds - insoweit ist nicht ausschließlich auf die registrierten Schreibweisen (einerseits Versalien, andererseits kleine Buchstaben) abzustellen - kommen sich beide Markenwörter sehr nahe. Vor allem die kleinen Buchstaben a und e in der mittleren Silbe sind nicht immer deutlich auseinanderzuhalten, u. U. aber auch die Buchstaben a und u in den Anfangssilben. Die Endsilben stimmen ohnehin in beiden Markenwörtern überein. Unter Mitberücksichtigung des völlig identischen Konsonatengefüges kann daher eine Ähnlichkeit beider Marken letztlich nicht verneint werden.

d) Unter Berücksichtigung der Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren ist bei berühmten Marken mit entsprechend großem Schutzumfang - wie hier der Widerspruchsmarke - eine Verwechslungsgefahr auch bei mittlerer Warenähnlichkeit und unterdurchschnittlicher Markenähnlichkeit anzunehmen. Zwar mag bei einer wirklichkeitsnahen Betrachtungsweise gerade die große Bekanntheit der Widerspruchsmarke Verwechslungsfällen durch Verlesen bzw. wegen ungenauer Erinnerung weitgehend entgegenzuwirken. Für die Bejahung der Verwechslungsgefahr ist aber nicht allein die - im Einzelfall ohnehin schwierige - Prognose maßgeblich, dass mit Verwechslungsfällen tatsächlich in nennenswertem Umfang zu rechnen ist, sondern die normative Bewertung, dass eine ähnliche jüngere Marke von einer infolge unternehmerischer Leistung gestärkten Widerspruchsmarke einen beträchtlichen Abstand einzuhalten hat (vgl. BPatGE 42, 227 = GRUR 2000, 807 - LIOR/DIOR). Diesen im vorliegenden Fall erforderlichen Abstand hält die jüngere Marke nicht ein, so dass ihre Löschung anzuordnen ist, soweit sie mit dem Widerspruch weiterhin angegriffen ist.

Gründe: für eine Auferlegung von Kosten (gemäß § 71 Abs 1 MarkenG) liegen nicht vor.

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BPatG:
Beschluss v. 23.06.2004
Az: 32 W (pat) 81/03


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