Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. August 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 135/01

(BPatG: Beschluss v. 20.08.2002, Az.: 33 W (pat) 135/01)

Tenor

Das Beschwerdeverfahren wird bis zum Abschluß des beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auf Grund des mit Beschluß vom 22. Januar 2002 - Aktenzeichen: 33 W (pat) 133/00 - vom 33. Senat des Bundespatentgerichts gestellten Vorabentscheidungsersuchens unter der Rechtssachennummer C-49/02 (Registernummer 651 769) seit dem 20. Februar 2002 anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzt.

Gründe

I Am 1. September 1997 ist beim Deutschen Patentamt (inzwischen: Patent- und Markenamt) eine Marke eingereicht worden, die im Eintragungsantrag wie folgt bezeichnet worden ist:

"Neue deutsche Markenanmeldung "weiß" für Misch- und Förderpumpen für körniges Fördergut, wie Mörtel, Gips; Reparatur und Entwicklung von Baugeräten und Misch- und Förderpumpen als Verputzmaschinen.

Die Marke soll in "Farbe" eingetragen werden; die Farbe ist "weiß" im Sinne des § 12 I MarkenV (die Marke kann mit einem weißen Blatt dargestellt werden, das Blatt ist insoweit nicht leer, sondern "farbig", § 12 Abs. 3 der MarkenV)."

Entgegen entsprechenden Hinweisen im Eintragungsantrag enthält die Amtsakte keine Darstellung der Marke, die vom Amt als am 1. September 1997 eingereicht gekennzeichnet ist.

Auf die Bitte der Markenstelle vom 16. Januar 1998, die beantragte Markenform zu klären, hat die Anmelderin am 27. Januar 1998 ("erneut") mehrere unbedruckte weiße Blätter Papier eingereicht und nochmals darauf hingewiesen, dass die Marke mit einem weißen Blatt dargestellt werden könne, das insoweit nicht "leer", sondern "farbig" sei.

Außerdem hat die Anmelderin im selben Schriftsatz mit zwei Hilfsanträgen die Zugrundelegung anderer Markenformen, ua. der Wortmarke "weiß", beantragt, nämlich hilfsweise für den Fall der Eintragbarkeit der Marke und Auslegbarkeit des ursprünglichen Eintragungsantrags.

Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 7 die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidungen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 7 aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 9. August 2002 hat die Anmelderin weiterhin sinngemäß den Antrag gestellt, das Beschwerdeverfahren bis zum Abschluß des beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften unter der Rechtssachennummer C-49/02 anhängigen Vorabentscheidungsersuchens des Bundespatentgerichts auszusetzen.

Unter Hinweis auf im Erinnerungsbeschluss enthaltene tatsächliche Ausführungen über die angebliche Verwendung der Farbe weiß als übliche Geräte- und Hintergrundfarbe, die ihrer Auffassung nach einer Grundlage entbehren, regt die Anmelderin außerdem an, "alternativ" die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Sache an das Patent- und Markenamt zur Tatsachenermittlung zurück zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Das Beschwerdeverfahren wird wegen des Vorabentscheidungsersuchens des Senats (GRUR 2002, 429), das beim EuGH seit dem 20. Februar 2002 anhängig ist (Rs. C-49/02, Registernummer 651 729), bis zum Abschluss dieses Vorabentscheidungsverfahrens gemäß § 148 ZPO analog i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ausgesetzt.

Gegenstand der Anmeldung ist die abstrakte und konturlose Farbe weiß, die auch die Markenstelle zu Recht ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat. Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus den im Eintragungsantrag enthaltenen Angaben unmissverständlich, dass die Anmelderin zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung nur die Eintragung einer solchen Farbmarke hat beantragen wollen. Denn nur bei dieser Markenform ergeben die im Eintragungsantrag enthaltenen Hinweise auf § 12 MarkenV (Sonstige Markenformen) und auf die Darstellbarkeit mit einem weißen Blatt, das insoweit nicht leer, sondern farbig sein soll, überhaupt einen Sinn. Demgegenüber scheidet die Deutung der Anmeldung im Sinne der Anmeldung einer Wortmarke (§ 7 MarkenV) oder einer Bildmarke (§ 8 MarkenV) erkennbar aus.

Der Senat geht auch davon aus, dass dem Eintragungsantrag ein oder mehrere weiße, unbedruckte Blätter Papier beigefügt waren, so dass bereits am 1. September 1997 eine Darstellung der Marke vorgelegen hat, die eine abstrakte Farbmarke repräsentieren soll. Hierfür sprechen zunächst Hinweise im Eintragungsantrag, wie der zweifache Hinweis auf eine entsprechende Anlage im gedruckten Text und die nachträgliche handschriftliche Korrektur "4-fach". Zumindest bei der Anbringung des letztgenannten Vermerks hätte es auffallen müssen, wenn die Anlagen nicht beigefügt gewesen wären. Da die Einreichung mehrerer völlig unbedruckter und unbeschrifteter, also "leer" aussehender Blätter Papier im patentamtlichen Verfahren ungewöhnlich ist, erscheint es keineswegs ausgeschlossen, dass die Annahmestelle des Patent- und Markenamts von vermeintlich fehlerhaft eingereichten Leerseiten ausging und diese sofort oder spätestens nach Ablauf der vorgesehenen Aufbewahrungszeit mit dem Umschlag weggeworfen hat. Darüber hinaus sind offenbar auch bei der Einreichung des am 27. Januar 1998 eingegangenen Schriftsatzes vom 26. November 1997 Unregelmäßigkeiten aufgetreten, da sich neben dem von den Anmeldervertretern gedruckten Text "Anlage(n): -Darstellung der Marke (4-fach)" der offensichtlich von einem Bediensteten des Patent- und Markenamts angebrachte Hinweis "4 fehlt €€€" befindet. In der Akte finden sich jedoch insgesamt vier weiße Papierblätter, die wie der og. Schriftsatz mit einem Perforationsstempel vom 27. Januar 1998 versehen sind, so dass drei Exemplare offenbar zunächst nicht zur Akte genommen wurden. Unter Würdigung der Gesamtumstände ist daher davon auszugehen, dass bereits am 1. September 1997 weiße, der Farbe des Kanzleipapiers der Anmeldervertreter entsprechende Papierblätter eingereicht wurden. Ob diese auch den Erfordernissen der Bestimmtheit und grafischen Darstellbarkeit entsprechen, ist Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und soll hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls lässt sich den gesamten Anmeldeunterlagen entnehmen, dass die Anmelderin von Anfang an die Eintragung einer abstrakten und konturlosen Farbmarke beantragt hat.

Damit konnte die Markenform nach dem Anmeldetag nicht mehr geändert werden (vgl. BGH GRUR 2001, 239 - Zahnpastastrang), so dass die auf eine Änderung der Markenform abzielenden Hilfsanträge im Schriftsatz vom 26. November 1997 schon aus diesem Grund als unzulässig anzusehen sind.

Da somit eine abstrakte und konturlose Farbmarke Gegenstand des vorliegenden Anmeldeverfahrens ist und bleibt, gleicht die markenrechtliche Problematik derjenigen des im Tenor genannten Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof vorgelegten Falles. Auch hier wird hinsichtlich der Markenfähigkeit gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 MarkenG die Auslegung des Artikels 2 der Markenrechtsrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof maßgeblich sein. Das zu erwartende Auslegungsurteil des Europäischen Gerichtshofs wird somit auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren die hier ebenso entscheidungserheblichen Rechtfragen klären und ist insoweit vorgreiflich i.S.d. § 148 ZPO analog i.V.m. § 82 Abs. 1 MarkenG. Im Übrigen kann auf die in GRUR 2002, 734 abgedruckten Gründe des Senatsbeschlusses vom 16. April 2002 -33 W (pat) 25/01- zur Farbmarke grün/grau verwiesen werden.

Erst wenn die Frage der Markenfähigkeit und graphischen Darstellbarkeit geklärt ist, wird möglicherweise noch auf die von der Anmelderin angesprochenen tatsächlichen Erwägungen der Markenstelle einzugehen sein, wobei möglicherweise weitere Ermittlungen durchzuführen wären. Von der angeregten Zurückverweisung der Sache an die Markenstelle sieht der Senat angesichts der derzeitigen Sachlage ab.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl/Ju






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Az: 33 W (pat) 135/01


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