Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 101/03

(BPatG: Beschluss v. 14.07.2004, Az.: 32 W (pat) 101/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegen die Eintragung der für die Waren und Dienstleistungen Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild einschließlich münzbetätigter Videogeräte; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; auf Datenträger aufgezeichnete Computersoftware, einschließlich Programme für Videospiele; Spiele, einschließlich Spiele für münzbetätigte Spielautomaten sowie für Videogeräte und elektronische Spiele; Spielzeug, soweit in Klasse 28 enthalten; Werbung und Marketing, vor allem in digitalen Netzen, insbesondere durch Gestaltung und Beherbergung von elektronisch aufbereiteten Informationen in Wort, Bild und Ton (Webvertising); Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Sammeln und Liefern von Nachrichten im Internet; Unterhalten und Bereitstellen von virtuellen Diskussionsräumen und virtuellen Spielen; Bereitstellen von Plattenspeicher und Programmen sowie Programmergänzungen auf Internet-Rechnern; Erstellen und Betreiben von Datenbanken; Webdesign; Bereitstellen des Zugangs zu Datennetzen; Bereitstellen von digitalen Informationsangeboten auf Internet-Rechnernbestimmten Marke 399 68 406 (angemeldet am 2. November 1999)

Webtrisist aus der prioritätsälteren deutschen Marke 1 555 420 TETRIS Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz fürwissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien, Schiffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und Instrumente, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme, soweit in Klasse 9 enthalten; Videogeräte, Videobänder; Videospielmaschinen, insbesondere Videospielmaschinen mit eingebauter Uhr; Computer-Software (soweit in Klasse 9 enthalten) für Videospiele, in Speichermedien oder auf Datenträgern aufgezeichnete Videospiele; Spiele und Spielzeug; Turn- und Sportgeräte.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 23. September 2002 zurückgewiesen. Trotz der Übereinstimmung in vier Buchstaben seien die Abweichungen in der jeweils ersten Worthälfte (TE zu Web) ausreichend, um die Gefahr von Verwechslungen beider Marken auszuschließen. Wegen der Stellung am Wortanfang und der auf ihnen liegenden Betonung würden diese Unterschiede prägnant hervortreten. Es ergäbe sich ein jeweils eigenständiges, klar erkennbar voneinander abweichendes Klangbild. Schriftbildlich unterschieden sich beide Marken in der Buchstabenfolge ebenfalls hinreichend deutlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke aus dem Register zu löschen.

Angesichts der Warenidentität und des Umstands, dass der Marke TETRIS als der Bezeichnung eines weltweit verbreiteten Computerspiels ein großer Schutzumfang zukomme, kämen sich beide Marken verwechselbar nahe. "Web" sei - als Hinweis auf das Internet - eine rein sachbeschreibende und kaum unterscheidungskräftige Angabe; der Verkehr werde sich mithin bei der angegriffenen Marke mehr am Bestandteil "tris" orientieren. Da auch die Widerspruchsmarke klanglich von ihrer zweiten Silbe geprägt werde und beide Vergleichsmarken zudem die identische Vokalfolge e - i aufwiesen, bestehe phonetische Verwechslungsgefahr. Dies gelte um so mehr, als der Inhaber der angegriffenen Marke zeitweise auch Inhaber der Domain "tetris.de" gewesen sei. Er habe diese nach Klageandrohung zwar inzwischen frei gegeben, es bleibe aber die Nachwirkung, dass die beteiligten Verkehrskreise beide Vergleichsmarken miteinander in Beziehung setzten. Schließlich werde "Webtris" auch damit beworben, es sei "Tetris for the web".

Der Markeninhaber hat sich in der Beschwerdeinstanz nicht zur Sache geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken nicht der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen. Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

Trotz Identität der Waren in den Klassen 9 und 28 sowie Ähnlichkeit der für die jüngere Marke geschützten Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" mit "Computer-Software" und Zugrundelegung einer durch starke Benutzung erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Computerspiele, sind die sich gegenüberstehenden Markenwörter einander nicht so ähnlich, dass ernsthaft mit Verwechslungsfällen in einem entscheidungserheblichen Umfang gerechnet werden müsste. Sie haben zwar die jeweilige Endung "tris" gemeinsam, weichen aber am Wortanfang deutlich voneinander ab. Schriftbildlich wird in der jeweiligen Eingangssilbe der gemeinsame Vokal e durch völlig unterschiedliche Konsonanten eingerahmt, so dass der Verkehr weder beim Lesen, noch aus der Erinnerung heraus einen Anlass zu Verwechslungen hat. Zudem ist die Widerspruchsmarke um einen Buchstaben kürzer als die jüngere.

Klanglich stellt sich in der Gesamtheit beider Wörter ebenfalls ein unterschiedlicher Eindruck ein. Der Bestandteil "Web" der jüngeren Marke mag zwar - für sich gesehen - beschreibend sein (als anderes Wort für Internet), darf deshalb aber innerhalb der zusammengeschriebenen Marke nicht vernachlässigt werden (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rn 339). Webtris stellt ein einheitliches Kunstwort dar, wobei das e der ersten Silbe offen gesprochen wird, weil eben für den Verkehr in Anbetracht der beanspruchten Waren die Verbindung zum englischsprachigen Begriff Web klar zutage tritt. Demgegenüber ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass eine Verbindung zu den deutschen Wörtern "weben" und "Weber", in denen das e eng gesprochen wird, gesehen wird. In der Widerspruchsmarke wird demgegenüber mangels eines nachfolgenden Doppel-T das E in der Eingangssilbe meist geschlossen ausgesprochen werden. Zudem ist nicht nur auf die Vokale abzustellen, sondern auch auf die völlig unterschiedlichen Eingangskonsonanten W im Verhältnis zu T. Während das W einen weichen Laut verkörpert, weist das T einen harten Klang auf. Der zusätzlich am Ende der ersten Silbe der jüngeren Marke enthaltene Konsonant b findet in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung. Er bewirkt, dass die beiden Silben der jüngeren Marke sich stärker voneinander abheben, diese gleichsam durch eine Zäsur getrennt sind, während demgegenüber in TETRIS beide Silben stärker miteinander verschmelzen, zumal das mittlere T sowohl der ersten als auch der zweiten Silbe zugeordnet werden kann.

Sonstige verwechslungsbegründende Umstände sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und unter diesem Gesichtspunkt (mittelbar) verwechselt werden könnten. Ein fachlich orientierten oder zumindest interessierten Verkehrskreisen, auf die bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr abzustellen ist (Ströbele/ Hacker, aaO, § 9 Rdn 470), hat allein aufgrund der gemeinsamen Endung "tris" bei - wie ausgeführt - jeweils deutlich voneinander abweichenden Wortanfängen keinen Grund, beide Marken einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft zuzuordnen oder auf sonstige Verbindungen zwischen den Herstellern bzw. Anbietern so gekennzeichneter Waren und Dienstleistungen zu schließen. Die Endung "tris" tritt nicht eigenständig als Stammbestandteil mit Hinweisfunktion auf das Unternehmen der Widersprechenden in Erscheinung. Die Widersprechende hat auch nichts dafür vorgetragen, dass sie über weitere (Serien-) Zeichen mit dieser Endung verfügt.

Dass der Markeninhaber - wie die Widersprechende unwidersprochen vorgetragen hat - zeitweise sich einer Domaine "tetris.de" bedient hat, wird dem Verkehr ganz weitgehend nicht (mehr) bekannt sein. Allein hieraus folgt, bei ansonsten ausreichendem Markenabstand, keine mittelbare Verwechslungsgefahr. Gleichfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ob die seitens der Widersprechenden behauptete Werbung des Markeninhabers ("Tetris for the web") gegen namens-, urheber- oder wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstößt; insoweit ist die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte gegeben.

Gründe: für eine Kostenauferlegung (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) sind nicht ersichtlich.

Winkler Sekretaruk Viereck Hu






BPatG:
Beschluss v. 14.07.2004
Az: 32 W (pat) 101/03


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