Landgericht Hamburg:
Urteil vom 21. Dezember 2012
Aktenzeichen: 308 O 388/12

(LG Hamburg: Urteil v. 21.12.2012, Az.: 308 O 388/12)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 21. Dezember 2012 entschieden, dass eine einstweilige Verfügung aufgehoben wird und der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen wird. Die Antragstellerin, ein Verlag, der die Wochenzeitschrift "S." herausgibt, und die Antragsgegnerin, eine politische Partei, stritten sich über die Berechtigung der Antragsgegnerin, einen Fragenkatalog, den sie von der Antragstellerin erhalten hatte, auf ihrer Website zu veröffentlichen. Der Fragenkatalog wurde von einem Redakteur der Antragstellerin erstellt und enthielt Fragen zu bestimmten Geschäftsbeziehungen zwischen der Antragsgegnerin und verbundenen Personen und Organisationen. Die Antragsgegnerin veröffentlichte die Fragen zusammen mit den Antworten auf ihrer Website, entfernte sie auf Anforderung der Antragstellerin vorübergehend und fügte sie dann wieder hinzu. Die Antragstellerin war der Meinung, dass die Veröffentlichung der Fragen ihre urheberrechtlichen Rechte verletze und wettbewerbswidrig sei. Das Gericht entschied, dass der Fragenkatalog keinen urheberrechtlichen Schutz genießt, da er keine ausreichende Gestaltungshöhe aufweist. Die Fragen sind nicht individuell genug formuliert und unterscheiden sich nicht signifikant von anderen journalistischen Fragenkatalogen. Das Gericht wies auch den Anspruch der Antragstellerin aus dem Wettbewerbsrecht ab, da die Fragen keine wettbewerbliche Eigenart aufweisen und kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Darüber hinaus entschied das Gericht, dass die Veröffentlichung der Fragen auch keinen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin darstellt. Das Gericht hob die einstweilige Verfügung auf und wies den Antrag der Antragstellerin zurück. Die Antragstellerin wurde verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen, und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Hamburg: Urteil v. 21.12.2012, Az: 308 O 388/12


Tenor

1. Die einstweilige Verfu€gung vom 08.11.2012 wird aufgehoben und der ihrem Erlass zugrunde liegende Antrag wird zuru€ckgewiesen.

2. Die Antragstellerin tra€gt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorla€ufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Ho€he von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Ho€he von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin, ein Verlag, der u.a. die Wochenzeitschrift " S." herausgibt, und die Antragsgegnerin, eine politische Partei, streiten sich um die Berechtigung der Antragsgegnerin, einen ihr von der Antragstellerin u€bermittelten Fragenkatalog in ihrem Internetauftritt aufrufbar zu machen.

Der " S."-Redakteur H.- M. T. u€bersandte der Antragsgegnerin nach Recherchen und zur Vorbereitung eines Artikels u€ber Geldquellen der Antragsgegnerin per Email insgesamt 21 Fragen zu den Themen und Ergebnissen seiner Recherchen. Eine erste Email mit 16 Fragen richtete er am 25.10.2012 an die Pressestelle der Antragsgegnerin. Es folgten eine Email mit drei Fragen, eine Email mit zwei Fragen am 02.11.2012 und eine Email mit einer weiteren Frage am 05.11.2012 an den Sprecher der Antragsgegnerin. Gegenstand aller Fragen waren bestimmte Umsta€nde gescha€ftlicher Beziehungen zwischen der Antragsgegnerin und ihr verbundener Personen und Organisationen. Die Fragen enthielten u€berwiegend einleitend in Form von Aussagesa€tzen aufgestellte Behauptungen bestimmter Tatsachen und anschließend teils offene, teils geschlossene Verifizierungsfragen ("ja/nein-Fragen"). Wegen des Inhalts und Wortlauts der Fragen wird auf die Anlage ASt1 Bezug genommen. Die Fragen des Redakteurs beantwortete der Sprecher der Antragsgegnerin in verschiedenen Emails.

Noch vor Erscheinen des Artikels u€ber die Geldquellen der Antragsgegnerin im " S." machte die Antragsgegnerin die Fragen ihres Redakteurs zusammen mit den Antworten ihres Sprechers unter der U€berschrift " F.: Wir stehen fu€r Transparenz" im Internet auf ihren Seiten "http://www.f..de/..." und http://www. l..de/ aufrufbar.

Auf Verlangen der Antragstellerin vom 02.11.2012 entfernte die Antragsgegnerin die Fragen am 03.11.2012 zuna€chst von ihren Internetseiten, fu€gte sie jedoch am 07.11.2012 wieder den Antworten hinzu, nachdem ebenfalls am 07.11.2012 auf der Internetseite www. S..de der Antragstellerin ein Artikel des Redakteurs T. u€ber die Antragsgegnerin erschienen war.

Ein weiterer Artikel des Redakteurs T. u€ber die Antragsgegnerin erschien in der Printausgabe Nr. 46/12 der Zeitung " S.".

Auf Antrag der Antragstellerin vom 08.11.2012 hat die Kammer der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 08.11.2012 im Wege der einstweiligen Verfu€gung verboten, die Fragen des Redakteurs der Antragstellerin im Internet o€ffentlich zuga€nglich zu machen und/oder in sonstiger Weise zu verbreiten. Mit Schriftsatz vom 19.11.2012 hat die Antragsgegnerin Widerspruch gegen die einstweilige Verfu€gung vom 08.11.2012 eingelegt.

Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin habe die ihr an den streitgegensta€ndlichen Fragen zustehenden urheberrechtlichen Rechte verletzt. Die Fragen seien urheberrechtlich geschu€tzte Sprachwerke, bzgl. derer ihr Redakteur ihr seine Rechte abgetreten habe. Zumindest stelle die Vero€ffentlichung eine wettbewerbswidrige Handlung dar. Bei den im Fragenkatalog zum Ausdruck kommenden Rechercheergebnissen handele es sich u€berdies um Gescha€fts- und Betriebsgeheimnisse.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfu€gung vom 08.11.2012 zu besta€tigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfu€gung vom 08.11.2012 aufzuheben und den ihrem Erlass zugrunde liegenden Antrag zuru€ckzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Meinung, dem Fragenkatalog der Antragstellerin fehle es bereits an der fu€r einen urheberrechtlichen Schutz erforderlichen Scho€pfungsho€he.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsa€tze nebst Anlagen, deren Inhalt zum Gegenstand der mu€ndlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 19.12.2012 verwiesen.

Gründe

A. Die einstweilige Verfu€gung vom 08.11.2012 ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zuru€ckzuweisen. Aufgrund des Ergebnisses der Widerspruchsverhandlung fehlt es bereits an einem Verfu€gungsanspruch.

I. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 17, 19a UrhG auf Unterlassung der o€ffentlichen Zuga€nglichmachung und / oder Verbreitung der streitgegensta€ndlichen Fragen.

1. Die streitgegensta€ndlichen Fragen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Sie stellen weder fu€r sich genommen noch in ihrer Gesamtheit ein Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG dar. Es fehlt ihnen an der hierfu€r erforderlichen Gestaltungsho€he. Die Fragen sind nicht derart individuell gepra€gt, dass sie u€ber allgemein gebra€uchliche journalistische sprachliche Gestaltungen hinausgehen. Soweit die Kammer in ihrer einstweiligen Verfu€gung vom 08.11.2012 eine andere Auffassung vertreten hat, ha€lt sie daran nicht la€nger fest.

a. Die durch § 2 Abs. 2 UrhG vorausgesetzte individuelle geistige Scho€pfung kann bei Sprachwerken sowohl in der von der Gedankenformung und -fu€hrung gepra€gten sprachlichen Gestaltung als auch in der Art der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffs zum Ausdruck kommen (vgl. BGH GRUR 2002, 958, 959 - Technische Lieferbedingungen; BGH GRUR 1997, 459, 460f. - CB-Infobank I). Urheberrechtlichem Schutz als Sprachwerk sind auch Wortscho€pfungen aus allta€glichen, technischen oder formalen Verwendungszusammenha€ngen zuga€nglich (vgl. HansOLG, Beschl. v. 07.06.2011 - Az.: 5 W 73/11). Erforderlich fu€r einen urheberrechtlichen Schutz sprachlicher Gestaltungen ist dabei, dass diese sich durch ihre Individualita€t von allta€glichen, sich im u€blichen Rahmen haltenden, rein handwerklichen oder routinema€ßigen Erzeugnissen unterscheiden (vgl. Hans. OLG, Beschl. v. 07.06.2011 - Az.: 5 W 73/11; Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 2 UrhG Rn. 26 m.w.N.). Texte, die bestimmten Gebrauchszwecken dienen und durch diese Zwecke weitgehend vorgegeben sind, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zudem nur dann perso€nliche geistige Scho€pfungen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG, wenn sie in Bezug auf ihre scho€pferischen Eigenheiten vergleichbare allta€gliche und handwerksma€ßig hergestellte Texte deutlich u€berragen (BGH GRUR 1986, 739, 741 € Anwaltsschriftsatz; BGH GRUR 1993, 34 € Bedienungsanweisung). Je mehr sich Texte auf die exakte und vollsta€ndige Wiedergabe von vorgegebenen Tatsachen beschra€nken, desto enger wird der Gestaltungsspielraum fu€r einen individuell formulierten Text (vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 2 UrhG Rn. 97). Die streitgegensta€ndlichen Fragen stellen Gebrauchsschriften dar. Sie verfolgen keinen literarischen Zweck, sondern dienen der Einholung von Ausku€nften und Stellungnahmen der Antragsgegnerin zur Vorbereitung eines journalistischen Artikels. Um dem Sprachwerkschutz zu unterfallen, ist daher ein deutliches U€berragen allta€glicher, routinema€ßiger und rein handwerklicher Leistungen erforderlich. Diese Anforderungen erfu€llen die streitgegensta€ndlichen Fragen nicht. Sie gehen nicht u€ber vergleichbare, dem journalistischen Handwerk entsprechende sprachliche Gestaltungen hinaus.

aa. Die Erstellung von Fragenkatalogen, mit denen bestimmte Themenkomplexe pra€zise und knapp zusammengefasst werden, stellt eine fu€r Journalisten routinema€ßig zu erfu€llende Aufgabe dar. Sie sind Gegenstand allta€glichen journalistischen Handelns. Es geho€rt zu den presserechtlichen Voraussetzungen zula€ssiger belastender Berichterstattung, Betroffene zu den Gegensta€nden der geplanten Berichterstattung vor Vero€ffentlichung anzuho€ren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. BGH NJW 2000, 1036, 1037 € Korruptionsverdacht; BGH NJW 1996, 1131, 1134 - Perso€nlichkeitsrechtsverletzung durch Buchpassage). Aus dem Inhalt und Aufbau der streitgegensta€ndlichen Fragen des Redakteurs T. wird deutlich, dass die Fragen der Erfu€llung dieser presserechtlichen Verpflichtung dienten. Die Fragen enthalten gro€ßtenteils zuna€chst in Form von knapp formulierten Aussagesa€tzen die vorla€ufigen Ergebnisse seiner Recherche, um sodann eine Besta€tigung oder Stellungnahme der Antragsgegnerin einzufordern. Ihr Umfang variiert zwischen 17 bis 90 Worten. Zehn Fragen enthalten geschlossene Fragestellungen, auf die mit "Ja" oder "Nein" ha€tte geantwortet werden ko€nnen. Drei der Fragen stellen auf die Benennung bestimmter Personen oder Organisationen ab. Weitere drei Fragen dienen der Verifizierung und Bezifferung bestimmter Geldbetra€ge. Vier Fragen sind offen gestellt ("Was sagen Sie zu dem Vorwurf ...€"). Zweck der Fragen war danach ersichtlich, die Rechercheergebnisse des Redakteurs zu verifizieren bzw. besta€tigen zu lassen und die Haltung der Antragsgegnerin zu ihnen herauszufinden.

bb. In Hinblick auf ihre individuelle Gestaltung unterscheiden sich diese Fragen weder in ihrer Gedankenformung und -fu€hrung noch in der Anordnung der Inhalte von vergleichbaren journalistischen Fragenkatalogen. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich der Fragen der Antragstellerin mit den von der Antragsgegnerin zur Akte gereichten Fragenkatalogen anderer Presseorgane, die an den ehemaligen Bundespra€sidenten Wulff gerichtet waren (Anlage AG12).

aaa. Die individuelle Pra€gung der Gedankenformung und -fu€hrung der Fragen der Antragstellerin geht nicht u€ber die vergleichbaren sprachlichen Gestaltungen hinaus. Die Fragen des Redakteurs T. sind in einer nu€chternen, knappen und sachlichen Form gehalten. Ihrem konkreten Zweck entsprechend kommt in ihnen keine besondere sprachliche Eleganz oder Rhetorik zum Ausdruck. Die pra€zise Formulierung der Fragen stellt als solche keinen Umstand dar, aufgrund dessen sich die Fragen von vergleichbaren, handwerklich gelungenen Erzeugnissen unterscheiden. Sie geho€rt zu den Pflichten eines sorgfa€ltig arbeitenden Journalisten. Vergleichbar pra€zise und knapp formuliert sind auch die Fragen der Anlage AG 12.

Eine daru€ber hinaus gehende geistige Leistung ist den Fragen des Redakteurs T. nicht zu entnehmen.

bbb. Eine individuelle Pra€gung, die zu einem Abheben gegenu€ber vergleichbaren sprachlichen Gestaltungen fu€hrt, kommt auch nicht in der Anordnung und Reihenfolge der Fragen oder ihren Inhalten zum Ausdruck. Die streitgegensta€ndlichen Fragen lassen, abgesehen von ihrem Zweck, die Antragsgegnerin zu (vorla€ufigen) Rechercheergebnissen anzuho€ren, kein scho€pferisch individuelles Konzept erkennen. In seinen Fragen geht der Redakteur T. auf die verschiedenen Aspekte seiner Recherche und die gefundenen Ergebnisse in teils zusammenha€ngender und aufeinander aufbauender, teils jedoch auch voneinander unabha€ngiger Weise ein. Dabei ist sowohl die Anordnung der Aussage- und Fragesa€tze innerhalb einer Frage, als auch die Anordnung der 21 Fragen insgesamt von ihrem journalistischen Zweck und den gefundenen Rechercheergebnissen maßgeblich gepra€gt und vorgegeben. Gegen eine scho€pferische Gesamtkonzeption der insgesamt 21 Fragen spricht zudem, dass diese in drei unterschiedlichen Emails und mehrta€gigen zeitlichen Abstand u€bermittelt wurden.

b. Eine abweichende Beurteilung der Schutzfa€higkeit des Fragenkatalogs der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10.08.2011 (Az. 6 U 78/10, MMR 2012, 42 ff - Agenturmeldungen). Soweit hierin ausgefu€hrt wird, dass sich eine urheberrechtlichen Schutz begru€ndende individuelle Pra€gung von Nachrichtentexten in Form von Agenturmeldungen auch bei reiner Berichterstattung aus der "Auswahl der berichteten Tatsache, aus der Entscheidung u€ber die Detaillierung und aus der Einordnung des Berichtsgegenstands in einen gro€ßeren Kontext" ergeben ko€nne, ist dieser Umstand auf den vorliegenden Fall nicht u€bertragbar. Die hier streitgegensta€ndlichen Fragen stellen keine Berichterstattung in Form eines journalistischen Artikels bzw. in der straffen Form einer Agenturmeldung dar. Sie dienen zwar der Vorbereitung eines solchen journalistischen Erzeugnisses. Sie setzen aber keine individuelle Entscheidung u€ber die zu berichtenden Tatsachen voraus, sondern sind lediglich Grundlage einer solchen Auswahlentscheidung. Zudem bedu€rfen sie keiner entsprechenden Detailliertheit, wie dies bei Agenturmeldungen der Fall ist, die einer mit den Gegensta€nden der Berichterstattung nicht vertrauten O€ffentlichkeit komplexe Sachverhalte versta€ndlich machen sollen.

c. Die urheberrechtliche Schutzfa€higkeit des Fragenkatalogs der Antragstellerin folgt auch nicht aus dem Infopaq-Urteil des EuGH vom 16.07.2009 (Az. C-5/08, GRUR 2009, 1041 - Infopaq/DDF). Zwar hat der Europa€ische Gerichtshof in diesem Urteil im Hinblick auf Zusammenfassungen von Zeitungsartikeln entschieden, dass der Schutzumfang des Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG weit auszulegen sei und bereits ein aus elf Wo€rtern bestehender Auszug aus einem urheberrechtlich geschu€tzten Werk seinerseits urheberrechtlichen Schutz genießen ko€nne (EuGH aaO, S. 1044 [Tz. 47]). Voraussetzung hierfu€r sei allerdings, dass in dem Auszug, fu€r den urheberrechtlicher Schutz begehrt werde, die geistige Scho€pfung des Urhebers des Werkes zum Ausdruck komme. Es sei Aufgabe der nationalen Gerichte, festzustellen, ob die wiedergegebenen Bestandteile eine solche eigene geistige Scho€pfung ihres Autors zum Ausdruck bra€chten (EuGH aaO, S. 1044 [Tz. 48, 51]). Gegen die U€bertragbarkeit dieser Grundsa€tze auf den vorliegenden Fragenkatalog spricht bereits, dass es sich bei den streitgegensta€ndlichen Fragen nicht um Auszu€ge aus einem (gro€ßeren) urheberrechtlich geschu€tzten Text handelt, sondern die Fragen lediglich der Vorbereitung eines journalistischen Textes dienen. Darauf kommt es im Ergebnis jedoch nicht an, denn ein Urheberrechtsschutz der Fragen setzt auch nach der Rechtsprechung des EuGH voraus, dass in den streitgegensta€ndlichen Fragen selbst eine individuelle scho€pferische Leistung ihres Autors zum Ausdruck kommt. Dies ist, wie dargelegt, hier gerade nicht der Fall.

II. Ein Verfu€gungsanspruch der Antragstellerin folgt auch nicht aus Wettbewerbsrecht. Es€steht der Antragstellerin insbesondere kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 9 UWG zu.

1. Es fehlt zum einen bereits an einem zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin bestehenden konkreten Wettbewerbsverha€ltnis. Unstreitig beabsichtigte die Antragstellerin selbst nie, den gesamten Fragenkatalog zu vero€ffentlichen. Dieser diente allein der Erfu€llung ihrer presserechtlichen Verpflichtungen fu€r die Zula€ssigkeit ihrer Berichterstattung. Dafu€r, dass die Vero€ffentlichung der Fragen durch die Antragsgegnerin die Chancen der Antragstellerin verringerten, ihre Leistungen auf dem Markt abzusetzen, bestehen keine Anhaltspunkte, denn es handelt sich bei dem Fragenkatalog lediglich um einen Teil der Berichterstattung der Antragstellerin. Die Vero€ffentlichung dieser Fragen durch die Antragsgegnerin diente zudem nicht der Vorwegnahme der Rechercheergebnisse, sondern der Transparenz des Umgangs der Antragsgegnerin mit diesen Ergebnissen - dies ergibt sich nicht nur aus der U€berschrift auf den Internetseiten der Antragsgegnerin, sondern auch daraus, dass die Fragen nach zuna€chst erfolgter Entfernung aus dem Internetauftritt der Antragsgegnerin erst wieder an dem Tag online gestellt wurden, an dem der Artikel der Antragstellerin auf der Seite www. S..de erschien.

2. Ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht scheidet unabha€ngig vom Vorliegen eines Wettbewerbsverha€ltnisses aber schon deshalb aus, weil es den Fragetexten der Antragstellerin an der nach § 4 Nr. 9 UWG erforderlichen wettbewerblichen Eigenart fehlt. Die Ausgestaltung der Fragen eignet sich nicht dazu, auf ihre Herkunft aus der von der Antragstellerin unterhaltenen Redaktion des " S." hinzuweisen. Die Texte besitzen keine solche Originalita€t, als dass sie die angesprochenen Verkehrskreise in die Lage versetzen wu€rden, sie gerade der Antragstellerin zuzuordnen. In ihrer konkreten Formulierung unterscheiden sie sich gerade nicht signifikant von anderen journalistischen Fragenkatalogen, die im Rahmen sorgfa€ltiger journalistischer Arbeit regelma€ßig zu erstellen sind.

III. Der Antragstellerin steht ein Verfu€gungsanspruch auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog wegen Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeu€bten Gewerbebetrieb zu. Es fehlt bereits an einem unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff. Die Vero€ffentlichung der streitgegensta€ndlichen Texte durch die Antragsgegnerin stellt keine Handlung dar, die sich spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Antragstellerin richtete und denen eine Schadensgefahr eigen ist, die u€ber eine bloße Bela€stigung oder eine sozialu€bliche Behinderung hinausgeht (vgl. BGH NJW 1985, 1620, 1620 - Unzula€ssiger Aufruf zum Mietboykott; BGH NJW 2001, 3115, 3117 - Einbeziehung in Schutzwirkung eines Vertrags). Aus dem Internetauftritt der Antragsgegnerin folgt, dass vorrangiger Zweck der Vero€ffentlichung der Fragen die Transparenz des Umgangs der Antragsgegnerin mit konkreten presserechtlichen Recherchen war. Dieses Verhalten bewegt sich jedenfalls dann, wenn es wie vorliegend auf Unterseiten der€Internetauftritte der Antragsgegnerin geschieht, im Rahmen des im Gescha€ftsverkehr€sozialu€blichen und damit zula€ssigen. Die Vero€ffentlichung der Fragen verletzt auch nicht die€Betriebsgeheimnisse der Antragstellerin. Denn indem die Antragstellerin die€streitgegensta€ndlichen Fragen an die Antragsgegnerin gesendet hat, hat sie diese aus dem€geschu€tzten Unternehmensbereich herausgegeben. Damit stellen sie ab diesem Zeitpunkt kein€Geheimnis mehr dar. Eine zuku€nftige Schadensgefahr fu€r den Betrieb der Antragsgegnerin ist€ebenfalls nicht ersichtlich, denn zum einen sind die Artikel der Antragstellerin, deren€Vorbereitung die Fragen dienten, bereits erschienen. Zum anderen sind weitere€Nutzungshandlungen durch die Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Der bloße Hinweis der€Antragstellerin, die Antragsgegnerin gebe regelma€ßig auch Print-Publikationen heraus, genu€gt€fu€r sich genommen nicht, um die ernsthafte Gefahr der Verbreitung der Fragen u€ber Printmedien durch die Antragsgegnerin zu begru€nden.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung u€ber die€vorla€ufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 21.12.2012
Az: 308 O 388/12


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