Landgericht Berlin:
Beschluss vom 3. Mai 2007
Aktenzeichen: 93 O 187/06

(LG Berlin: Beschluss v. 03.05.2007, Az.: 93 O 187/06)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Berlin unter dem führenden Aktenzeichen 93 O 137/06 anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. September 2006 über die Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 31. Juli 2006 zwischen der B S GmbH (damals noch firmierend als € BV GmbH), L, und der Antragstellerin der Eintragung des Bestehens des genannten Vertrages nicht entgegenstehen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Klagen der Antragsgegner, mit denen diese die Nichtigerklärung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. September 2006 zu dem zwischen der Antragstellerin und der B S GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erstreben, der Eintragung des Bestehens des Vertrages nicht entgegenstehen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. Die Klagen sind bei der Kammer unter dem Aktenzeichen 93 O 137/06 rechtshängig. Etwa angegebene Anlagen mit der Bezeichnung "Anlage B ..." oder "Anlage K ..." sind in jenem Rechtsstreit eingereicht worden.

Die B S GmbH (im Folgenden nur: GmbH), die zum Zeitpunkt des Abschlusses des BGAV mit der Antragstellerin am 31. Juli 2006 noch unter D € GmbH firmierte, ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der B AG. Das Stammkapital der GmbH betrug zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 13. September 2006 25.000,00 Euro, die Kapitalrücklage 3 Milliarden Euro, der Wert der Beteiligungen 15,1 Milliarden Euro und die Kreditverbindlichkeiten 12,1 Milliarden Euro. Die B AG ist aufgrund eines am 11. März 2004 mit der GmbH geschlossen Gewinnabführungsvertrages bis mindestens 31. Dezember 2009 verpflichtet, etwaige Jahresfehlbeträge der GmbH zu übernehmen.

Am 8. März 2006 beschloss der Personalausschluss des Aufsichtsrats der Antragstellerin, die in den Anstellungsverträgen der Vorstandsmitglieder enthaltenen Change-of-Control-Klauseln dahin zu erweitern, dass nicht nur bei einem Ausscheiden infolge einer feindlichen, sondern auch im Falle einer freundlichen Übernahme Zahlungsansprüche bestehen sollten. Zwei Tage später erklärten Vertreter der M KGaA, dass über ein Übernahmeangebot an die Aktionäre der Antragstellerin beraten werde. Am 13. März 2006 erfolgten erste Kontakte zwischen den Vorstandsvorsitzenden der Antragstellerin und B, um die Möglichkeit einer freundlichen Übernahme auszuloten.

Die GmbH veröffentlichte am 13. April 2006 die Angebotsunterlage gemäß § 14 WpÜG. Am 18. Mai 2006 beauftragten die B AG, die GmbH und die Antragstellerin die K D €gesellschaftAktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden nur: KP), den Unternehmenswert der Antragstellerin zum 13. September 2006, den angemessenen Ausgleich gemäß § 304 AktG und die angemessene Abfindung gemäß § 305 AktG zu bestimmen. Das Landgericht Berlin bestellte am 19. Mai 2006 auf Antrag der Antragstellerin und der GmbH im Hinblick auf den beabsichtigten Abschluss eines BGAV die W und K GmbH €gesellschaft(im Folgenden nur: W und K) als gemeinsamen Vertragsprüfer (102 AR 38/06 AktG).

Zum 15. Juni 2006 hielt die GmbH einen Stimmrechtsanteil von 25,46 % der Stimmrechte der Antragstellerin. Am 22. Juni 2006 stellte die GmbH fest, dass genügend Aktionäre der Antragstellerin das Übernahmeangebot angenommen hatten. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 meldete die GmbH der Antragstellerin und der Bundesanstalt für € (im Folgenden nur: Ba), dass sie per 23. Juni 2006 die Schwellen von 50 % und 75 % der Stimmrechte der Antragstellerin überschritten habe.

Am 27. Juli 2006 gab die B AG als 100 %ige Muttergesellschaft der GmbH (BV) folgende Patronatserklärung ab:

"... Die B AG verpflichtet sich uneingeschränkt und unwiderruflich, dafür Sorge zu tragen, dass die BV in der Weise geleitet und finanziell derart ausgestattet wird, dass die BV stets in der Lage ist, alle ihre Verbindlichkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Unternehmensvertrag fristgemäß zu erfüllen. Die B AG steht den außenstehenden Aktionären der S AG gegenüber uneingeschränkt und unwiderruflich dafür ein, dass die BV alle ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen aus und im Zusammenhang mit dem Unternehmensvertrag, insbesondere aus Zahlungen von Ausgleich und Abfindung, erfüllt."

Ebenfalls am 27. Juli 2006 legte die K ihre gutachterliche Stellungnahme vor. Danach betrug der Wert je Stückaktie zum 13. September 2006 87,63 Euro und der angemessene Ausgleich 4,60 Euro brutto je Stückaktie.

Am 31. Juli 2006 legten die GmbH und die Antragstellerin ihren gemeinsamen Vertragsbericht vor und unterzeichneten den BGAV, der auszugsweise wie folgt lautet:

"§ 1 Leitung

(1)

S unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft der BV. BV ist demgemäß berechtigt, dem Vorstand von S hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. ...

§ 2 Gewinnabführung

(1)

S verpflichtet sicht, ihren ganzen Gewinn an BV abzuführen. ...

(3)

Die Verpflichtung zur Gewinnabführung besteht erstmals für den ganzen Gewinn des Geschäftsjahres, in dem dieser Vertrag nach § 6 Abs. 2 wirksam wird, frühestens jedoch für den ganzen Gewinn des am 1. Januar 2007 beginnenden Geschäftsjahrs.

§ 3 Verlustübernahme

(1)

BV ist verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag gemäß den Vorschriften des § 302 AktG auszugleichen ...

§ 4 Ausgleich

(1)

BV garantiert den außenstehenden Aktionären von S für die Dauer dieses Vertrags als angemessenen Ausgleich die Zahlung einer wiederkehrenden Geldleistung (Ausgleichszahlung).

(2)

Die Ausgleichszahlung beträgt brutto Euro 4,60 je Stückaktie für jedes volle Geschäftsjahr ...

(3)

Der Ausgleich wird erstmals für das Geschäftsjahr gewährt, in dem dieser Vertrag nach § 6 Abs. 2 wirksam wird. Soweit der Vertrag noch im Geschäftsjahr 2006 wirksam wird, verringert sich die Ausgleichszahlung je Stückaktie um den Betrag, der von S als Dividende je Stückaktie für das Geschäftsjahr 2006 ausgeschüttet wird. ...

(5)

Die Ausgleichszahlung ist jeweils am ersten Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung von S für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig. ...

§ 5 Abfindung

(1)

BV verpflichtet sich, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs von S dessen Aktien gegen eine Barabfindung von Euro 89,00 je Stückaktie zu erwerben ...

(6)

Endet dieser Vertrag aufgrund einer Kündigung der BV ... ist jeder ... außenstehende Aktionär von S berechtigt, seine Aktien gegen Zahlung von Euro 89,00 je Stückaktie an die BV zu veräußern, und die BV ist verpflichtet, diese Aktien zu erwerben. Wird die in Abs. 1 dieses § 5 bestimmte Abfindung durch rechtskräftige Entscheidung in einem Spruchverfahren erhöht, wird die BV die Aktien der außenstehenden Aktionäre unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen gegen Zahlung des im Spruchverfahren festgesetzten Betrages erwerben. ...

§ 6 Wirksamwerden und Dauer

(1)

Der Vertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung von S und der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der BV.

(2)

Der Vertrag wird mit seiner Eintragung in das Handelsregister des Sitzes von S wirksam. § 2 Abs. 3 des Vertrages bleibt unberührt.

(3)

Der Vertrag kann schriftlich mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres von S gekündigt werden. Der Vertrag kann erstmals zum Ende des Geschäftsjahrs gekündigt werden, dass mindestens 5 Kalenderjahre nach dem Beginn des Geschäftsjahrs endet, für welches die Verpflichtung zur Abführung des ganzen Gewinns nach § 2 erstmals besteht.

(4)

Das Recht jeder Partei zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. BV ist darüber hinaus zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn ihr nicht mehr die Mehrheit der Stimmrecht aus Anteilen an S zusteht.

§ 7 Patronatserklärung

(1)

BV ist eine vollständig von der B AG gehaltene Tochtergesellschaft der B AG. Zwischen BV und B AG besteht ein im Jahr 2004 geschlossener Gewinnabführungsvertrag, aufgrund dessen B AG verpflichtet ist, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag gemäß den Vorschriften des § 302 AktG auszugleichen.

(2)

Die B AG hat, ohne den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als Vertragspartei beizutreten, mit gesonderter Erklärung eine Patronatserklärung abgegeben. In der in derAnlagezu diesem Vertrag beigefügten Patronatserklärung hat die B AG sich uneingeschränkt und unwiderruflich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die BV in der Weise geleitet und finanziell ausgestattet ist, dass die BV jederzeit in der Lage ist, ihre sämtlichen Verpflichtungen, die sie aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit S treffen, vollständig und fristgemäß zu erfüllen. Gegenüber den außenstehenden Aktionären von S, die aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der BV und S Ansprüche gegen die BV haben, steht die B AG uneingeschränkt und unwiderruflich dafür ein, dass die BV diese Ansprüche, insbesondere die auf Zahlung von Ausgleich und Abfindung, vollständig und fristgemäß erfüllt."

Vorstand und Aufsichtsrat der Antragstellerin beschlossen, der Hauptversammlung der Antragstellerin vorzuschlagen, dem BGAV zuzustimmen.

In dem am 2. August 2006 vorgelegten Prüfungsbericht kommt W und K zu dem Ergebnis, dass ein Ausgleich von brutto 4,60 Euro und eine Abfindung von 89,00 Euro je Stückaktie angemessen sei.

Die Antragstellerin berief die Hauptversammlung am 4. August 2006 durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ein.

Mit Schreiben vom 6. September 2006 korrigierte die GmbH gegenüber der Ba und der Antragstellerin eine €-Meldung vom 19. Juni 2006 dahin, dass ihr Stimmrechtsanteil an der Antragstellerin per 15. Juni 2006 nicht 26,25 %, sondern 25,64 % betragen habe. Ferner ergänzte die GmbH mit Schreiben vom 8. September 2006 gegenüber der Ba und der Antragstellerin ihre €-Meldung vom 26. Juni 2006 insoweit, als sie sich und der B AG nunmehr auch die Stimmrechte aus dem von der Antragstellerin gehaltenen eigenen Aktien zurechnete. Eine Veröffentlichung der Mitteilungen vom 6. und 8. September 2006 erfolgte nicht.

Am 8. September 2006 kaufte die GmbH über die Börse rund 4,5 Millionen Aktien der Antragstellerin für bis zu 92,60 Euro je Aktie. Durch diese Aktienkäufe überschritt die GmbH den Anteil von 95 % am Grundkapital der Antragstellerin.

Die Ba erteilte am 12. September 2006 der am 29. August 2006 bzw. am 6. September 2006 in das Handelsregister eingetragenen W C B GmbH und der E € Verwaltungs-GmbH & Co. KG, zwei Tochterunternehmen der B AG, Befreiungsbescheide gemäß § 36 Nr. 3 WpÜG.

Am 13. September 2006 fand ab 10.05 Uhr die Hauptversammlung der Antragstellerin statt. Die Leitung übernahm der seinerzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Dr. V, dem gemäß § 16 Abs. 1 der Satzung der Antragstellerin diese Aufgabe zukam. Dr. V kündigte um 16.24 Uhr und 16.50 Uhr die Schließung der Rednerliste für 17.00 Uhr an, schloss die Rednerliste um 17.05 Uhr und verfügte um 17.26 Uhr eine allgemeine Beschränkung der Rede- und Fragezeit auf zusammen 10 Minuten. Von 19.56 Uhr bis 20.25 Uhr und von 21.07 Uhr bis 21.20 Uhr war die Hauptversammlung unterbrochen. Über sämtliche Tagesordnungspunkte wurde jeweils entsprechend des Vorschlags der Verwaltung der Antragstellerin Beschluss gefasst. Ein Antrag des Antragsgegners zu 12. auf Abwahl des Hauptversammlungsleiters wurde hingegen abgelehnt.

Gegen den Antragsgegner zu 12. verhängte der Hauptversammlungsleiter um 20.35 Uhr ein Hausverbot. Der Antragsgegner hatte sich lautstark zu einem Antrag des Aktionärs K geäußert, ohne dass ihm das Wort erteilt worden war. Der Antragsgegner zu 1. ignorierte den Hinweis, dass ihm das Wort nicht erteilt worden sei und ferner drei Verwarnungen und einen Saalverweis des Hauptversammlungsleiters. Als der Antragsgegner zu 12. - nach seiner Behauptung: auf Veranlassung des zweiten Notars, Dr. Sch - einen Abwahlantrag gegen den Hauptversammlungsleiter zwecks Protokollierung wiederholte, sprach Dr. V nach einer erneuten Verwarnung ein Hausverbot gegen den Antragsgegner zu 12. aus. Der Antragsgegner zu 12. verließ daraufhin die Hauptversammlung, die gegen 22.30 Uhr geschlossen wurde.

Der Beschluss, mit dem die Hauptversammlung dem BGAV zugestimmt hat, ist am 27. Oktober 2006 in das Handelsregister eingetragen worden.

Die Antragstellerin bestreitet, dass die Antragsgegner zu 9., 13., 17. und 24. in der Hauptversammlung erschienen oder vertreten gewesen seien, und dass diese Antragsgegner und die Antragsgegnerin zu 19. Widerspruch zur Niederschrift erklärt hätten. Von den Antragsgegnern zu 6. - 8., 12., 14. - 16. und 21. seivorder Beschlussfassung Widerspruch zur Niederschrift erklärt worden; das genüge für einen wirksamen Widerspruch nicht.

Die Antragstellerin meint, die Funktion der GmbH als Zwischenholding sei nicht rechtsmissbräuchlich, da die GmbH ausreichend leistungsfähig sei und es sich zudem bei der Patronatserklärung der B AG um eine "harte" Patronatserklärung handele.

Eine Abfindung in Aktien habe schon deshalb nicht angeboten werden müssen, weil die GmbH keine Konzernobergesellschaft sei. Die von der GmbH gezahlten Vorerwerbspreise seien bei der Bemessung der Abfindung nicht zu berücksichtigen; die Regelungen des WpÜG seien insoweit nicht analog anzuwenden. Die Antragstellerin behauptet, der von der GmbH am 8. September 2006 über die Börse getätigte Kauf von etwa 4,5 Millionen Aktien der Antragstellerin sei nicht mit dem Verkäufer abgesprochen gewesen.

Der Ausgleichsanspruch ersetze den Dividendenanspruch, weshalb die Fälligkeit der Ansprüche gleich laufe.

Die Change-of-Control-Klauseln hätten im Vertragsbericht nicht erläutert zu werden brauchen, weil sie keinen Einfluss auf den Abschluss des BGAV gehabt hätten. Bei Erstellung des Berichts am 31. Juli 2006 hätten die Vorstände ihre Anstellungsverträge kündigen und die Abfindungen auch ohne Zustimmung zum BGAV in Anspruch nehmen können.

Die Kündigungsregelung in § 6 Abs. 4 S. 2 des BGAV, nach der die GmbH ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Verlust der Mehrheit der Stimmrechte der Antragstellerin habe, sei im Vertragsbericht ausreichend erläutert worden. Ein besonderes Risiko bestehe für die außenstehenden Aktionäre durch die Regelung nicht. Auf das einem BGAV für die außenstehenden Aktionäre stets bestehende Risiko, dass sich die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft verschlechtern könne und dieser Zustand nach Beendigung des BGAV fortbestehe, sei im Vertragsbericht hingewiesen worden. Zudem hätten die außenstehenden Aktionäre gemäß § 5 Abs. 6 des BGAV im Falle einer Kündigung durch die GmbH die Möglichkeit, ihre Aktien zum Betrag der ursprünglichen Abfindung zu veräußern. Wegen der negativen steuerlichen Folgen sei eine Beendigung des BGAV vor Ablauf von 5 Jahren durch eine auf § 6 Abs. 4 S. 2 BGAV gestützte Kündigung ohnehin unwahrscheinlich.

Es sei nicht zu beanstanden, dass W und K den Unternehmensvertrag parallel zu KP geprüft habe. Ohnehin führten inhaltliche Mängel des Prüfungsberichts nicht zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses.

Die unterbliebene Zusendung der Dokumentation an den Aktionär K beruhe - insoweit unstreitig - auf einem Fehler des von der Antragstellerin beauftragten Zustelldienstes. Eine Versendung der Dokumentation an die Antragsgegner zu 12. und 37. sei versehentlich zunächst unterblieben. Nachdem der Fehler jeweils am 11. September 2006 bemerkt worden sei, seien die Pakete sofort dem Zustelldienst übergeben worden.

Die Beschränkungen des Rede- und Fragerechts in der Hauptversammlung seien erforderlich gewesen, um die Hauptversammlung am Einberufungstag beenden zu können. Das gegen den Antragsgegner zu 12. angeordnete Hausverbot sei gerechtfertigt gewesen, weil der Antragsgegner zu 12. trotz zahlreicher Verwarnungen fortgesetzt gestört habe.

Eine Pflicht der GmbH zur Abgabe eines Angebots nach § 35 WpÜG habe nicht bestanden. Die Meldungen nach WpHG seien jedenfalls nach den Mitteilungen vom 6. und 8. September 2006 ordnungsgemäß. Für die Anmeldung der GmbH zur Hauptversammlung komme es nicht darauf an, ob der GmbH Rechte aus den Aktien der Antragstellerin zugestanden hätten.

Die Antragstellerin behauptet, durch die Integration des S-Konzerns in den B-Konzern seien Synergien von rund 260 Millionen Euro im Jahre 2007, von 485 Millionen Euro im Jahre 2008 und von jährlich 700 Millionen Euro ab dem Jahre 2009 zu erwarten. In einem faktischen Konzern könnten hingegen nur etwa 124 Millionen Euro jährlich realisiert werden.

Der BGAV gewährleiste zudem steuerliche Vorteile, da nur so eine direkte Verrechnung der steuerlichen Ergebnisse der Antragstellerin mit den steuerlichen Ergebnissen der übrigen zum Organkreis der B AG gehörenden Gesellschaften möglich sei.

Die Antragstellerin beantragt,

wie unter Ziffer 1. tenoriert.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegner zu 8. bis 11. beantragen hilfsweise,

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Rechtstreit vor dem Landgericht Berlin 93 O 137/06 auszusetzen.

Der Antragsgegner zu 30. beantragt hilfsweise,

die Regelung des § 246 a AktG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Die Antragsgegner meinen, die Zwischenschaltung der GmbH zwischen die B AG und die Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich, weil die GmbH eine Briefkastenfirma ohne Mitarbeiter und ohne die erforderliche finanzielle Ausstattung sei. Daran ändere auch die Patronatserklärung der B AG nichts, weil es sich um eine "weiche" Patronatserklärung ohne rechtsverbindlichen Charakter handele.

Die angebotene Abfindung sei nicht ordnungsgemäß, da sie nicht in Aktien der B AG erfolgt sei. Im Übrigen habe als Barabfindung mindestens so viel angeboten werden müssen, wie die GmbH im Vorfeld der Hauptversammlung für den Erwerb von Aktien maximal gezahlt habe, also 92,60 Euro je Stückaktie. Das ergebe sich aus der Treuepflicht der Hauptaktionärin gegenüber den übrigen Aktionären und aus einer analogen Anwendung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG). Insbesondere sei § 31 Abs. 5 WpÜG entsprechend anwendbar, wonach der Bieter den übrigen Aktionären mindestens den Preis zu zahlen habe, den er innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung des Abschlusses des Übernahmeverfahrens außerhalb der Börse für die Aktien der Gesellschaft zahlt. Hierzu behaupten die Antragsgegner, bei dem am 8. September 2006 über die Börse abgewickelten Kauf von ca. 4,5 Millionen Aktien der Antragstellerin durch die GmbH für maximal 92,60 Euro je Stückaktie habe es sich um eine zwischen dem Verkäufer und der GmbH abgesprochene Transaktion gehandelt, durch die ein außerbörslicher Verkauf umgangen worden sei.

Die Antragsgegner meinen, der zu gewährende Ausgleich sei am ersten Bankarbeitstag nach Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres und nicht erst, wie in § 4 Abs. 5 des BGAV geregelt, am ersten Bankarbeitstag nach der Hauptversammlung zu zahlen. Es handele sich um einen schuldrechtlichen Anspruch, der - anders als der Dividendenanspruch - nicht von einem Beschluss der Hauptversammlung abhängig sei.

Im Vertragsbericht fehle eine Erläuterung zu den Change-of-Control-Klauseln in den Anstellungsverträgen der Vorstandsmitglieder der Antragstellerin. Es liege auf der Hand, dass die Vorstandsmitglieder aufgrund der hohen Abfindungszahlungen dem Abschluss des BGAV zumindest sehr wohlwollend gegenüber gestanden hätten.

Die Prüfung des Unternehmensvertrages durch den gerichtlichen bestellten Prüfer W und K sei nicht nur parallel zur Arbeit von KP erfolgt, vielmehr handele es sich gar nicht um eine eigenständige Prüfung, sondern nur um ein Nachvollziehen der Bewertung von KP.

Bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung seien die Rechte einzelner Aktionäre verletzt worden, weil - insoweit unstreitig - dem Aktionär K die nach § 293 f. Abs. 2 AktG angeforderten Unterlagen gar nicht und den Antragsgegnern zu 12. und zu 37. erst nach der Hauptversammlung zugegangen seien.

Das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in der Hauptversammlung sei in unzulässiger Weise zeitlich eingeschränkt worden; das gegen den Antragsgegner zu 12. verhängte Hausverbot sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Die GmbH habe gemäß § 59 WpÜG und § 28 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) auf der Hauptversammlung keine Rechte aus den an der Antragstellerin gehaltenen Aktien geltend machen können, weil sie kein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG veröffentlicht habe und ihren Meldepflichten nach dem WpHG erst mit den Korrekturmeldungen vom 6. und 8. September 2006 nachgekommen sei. Eine ordnungsgemäße Anmeldung der GmbH für die Hauptversammlung habe deshalb nicht erfolgen können.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, mit Ausnahme des Schriftsatzes des Antragsgegners zu 12. vom 7. März 2007, soweit er anderen tatsächlichen Vortrag als zu seiner Aktionärseigenschaft enthält, Bezug genommen.

Die Akten des vor der Kammer rechtshängigen Anfechtungsverfahrens 93 O 137/06 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.






LG Berlin:
Beschluss v. 03.05.2007
Az: 93 O 187/06


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