Oberlandesgericht Oldenburg:
Urteil vom 19. Dezember 2005
Aktenzeichen: 11 U 74/05

(OLG Oldenburg: Urteil v. 19.12.2005, Az.: 11 U 74/05)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das am 21. Juli 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt € 20.000,-.

Gründe

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem angefochtenen Urteil. Insoweit wird von einer Darstellung gemäß § 540 Absatz 1 ZPO abgesehen.

Ergänzend ist auszuführen:

Bereits Mitte 1996 wurde gegen Assessor W... ein vorläufiges Berufsverbot verhängt, das zunächst 1 ½ Jahre wirkte und anschließend von einem dreijährigen Berufsverbot abgelöst wurde, welches nahtlos in den Zulassungsentzug im Jahre 2001 mündet (vgl. Bl. 32 Bd. 2 der Beiakte 4 O 1913/04 LG Osnabrück). Alle streitgegenständlichen Anwaltsaufträge sind nach März 2001 erteilt worden.

In der Bestellungsurkunde des Klägers durch die Rechtsanwaltskammer vom 2.7.2004 heißt es: €Mit ihrem Einverständnis bestelle ich Sie zunächst bis zum 31.12. 2004 zum Abwickler der Kanzlei des früheren Rechtsanwalts W... in O...€

Beide Parteien haben form- und fristgerecht Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Der Kläger trägt vor, da er seit der Anordnung der Kanzleiabwicklung am 2.7.2004 in die jeweiligen Mandatsverhältnisse automatisch eingetreten und deshalb allein berechtigt sei, die Aufträge fortzuführen sowie die Gebühren in den abzuwickelnden Angelegenheiten einzuziehen, sei der Beklagte nicht berechtigt, irgendwelche Honorarforderungen auf seinem eigenen Konto zu vereinnahmen. Denn der Beklagte sei lediglich freier Mitarbeiter mit einem Fixgehalt der Anwaltskanzlei W... & S... gewesen. Aus diesem Grunde hätten keine Mandate mit dem Beklagten nach dem Ausschluss Assessor W...s aus der Anwaltschaft begründet werden können. Das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass sämtliche der hier streitgegenständlichen Zahlungseingänge auf dem Konto des Beklagten Aktenvorgänge beträfen, welche der Kanzleiabwicklung durch ihn, den Kläger, unterlägen. Sämtliche dieser Zahlungsvorgänge seien in der Zeit vom 16.7.2004 bis zum 8.9.2004 vor Herausgabe der Akten durch den Beklagten erfolgt. Soweit der Beklagte Vollmachten zu den einzelnen Verfahren vorgelegt habe, seien diese nach seiner, des Klägers, Bestellung unterzeichnet. Soweit der Beklagte die Wirksamkeit seiner, des Klägers, Bestellung zum Abwickler angreife, sei dies unbeachtlich, da diese ein Verwaltungsakt und nicht angefochten worden sei. Überdies enthalte § 55 BRAO keine Frist zur Einsetzung eines Abwicklers; hier sei die Einsetzung erforderlich gewesen, um den von Assessor W... nach dem 5.3.2001 betriebenen Missbrauch zu beenden.

Der Kläger beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 15.106,18 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, es läge keine wirksame Bestellung eines Abwicklers vor. Dies folge daraus, dass Assessor W... am 5.3.2001 rechtskräftig aus der Anwaltschaft ausschlossen und der Kläger erst Anfang Juli 2004 zum Abwickler bestellt worden sei. Eine Bestellung zum Abwickler komme aber lediglich in Betracht, wenn noch laufende Anwaltsmandate bestünden. Da alle streitgegenständlichen Anwaltsaufträge jedoch nach März 2001 erteilt worden seien, seien sie, selbst wenn die Vollmacht für €Rechtsanwalt W...€ unterzeichnet worden sei, nicht mit W..., sondern mit S... oder ihm, dem Beklagten, zustande gekommen. Aber auch wenn man von einer wirksamen Bestellung des Klägers als Abwickler ausgehe, sei der Kläger nicht berechtigt, die geltend gemachten Honoraransprüche einzuziehen. Denn die betreffenden Ansprüche hätten nie Rechtsanwalt W... zugestanden, sondern entweder Rechtsanwalt S... oder ihm, dem Beklagten. Dies folge daraus, dass in sämtlichen Verfahren nicht der €Rechtsanwalt W...€ bevollmächtigt gewesen sei.

Die Berufung des Beklagten ist begründet; die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von € 25.053,- gegen den Beklagten. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus der Bestellung des Klägers zum Abwickler der Kanzlei des früheren Rechtsanwalts W...

Allerdings ist in diesem Verfahren von einer wirksamen Bestellung des Klägers zum Abwickler auszugehen. Die Bedenken des Beklagten gegen die Wirksamkeit der Bestellung des Abwicklers mehr als 3 Jahre nach dem Ausscheiden von W... aus der Anwaltschaft sind jedoch nachzuvollziehen. Der Sinn der Vorschrift des § 55 Abs. 5 BRAO spricht nämlich dafür, dass die Bestellung eines Abwicklers zeitnah, also in den ersten 6 Monaten nach Ausscheiden des Anwalts erfolgen muss, zumal da nach § 55 Abs. 1 Satz 4 BRAO die Abwicklungszeit in der Regel nicht länger als 1 Jahr betragen soll (siehe auch BGH NJW 1980, 1050, 1051 und Feuerich-Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 55, Rn. 5.) Soweit Teile der Literatur (vgl. Feuerich-Weyland, a.a.O., Rn. 12) eine Bestellung auch noch längere Zeit nach Eintritt des die Bestellung rechtfertigenden Ereignisses für möglich halten, wenn eine Bestellung dann noch sachdienlich ist, bezieht sich dies jedenfalls auf eine kürzere Zeit als 3 Jahre. Denn diese Ansicht wird unter Bezug auf die oben zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vertreten, in der die Bestellung 5 Monate nach dem Ausscheiden des Rechtsanwalts aus der Anwaltschaft erfolgte. Im übrigen gibt § 55 BRAO die Möglichkeit der Bestellung eines Abwicklers nicht nur zur Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft sondern vor allem im Interesse der Mandanten eines ausgeschlossenen Anwalts, ihre anhängigen Rechtsstreitigkeiten möglichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten zu Ende zu führen (Feuerich-Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 55, Rn. 2). Dem wird aber nur eine zügige Bestellung des Abwicklers gerecht. Schließlich verstärken sich die Zweifel an der Sachdienlichkeit der erst so späten Bestellung des Abwicklers im vorliegenden Fall deshalb, weil W... nicht erst seit 2001 nicht mehr als Rechtsanwalt tätig war. Denn bereits Mitte 1996 wurde gegen W... ein vorläufiges Berufsverbot verhängt, das zunächst 1 ½ Jahre wirkte und anschließend von einem dreijährigen Berufsverbot abgelöst wurde, welches nahtlos in den Zulassungsentzug im Jahre 2001 mündet. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass im Zeitpunkt der Bestellung noch dem Rechtsanwalt W... erteilte, also mehr als 7 Jahre alte Mandate bestanden, die noch nicht ausgeführt und abgerechnet waren. Aber letztlich kann der Beklagte in diesem Rechtsstreit mit seinen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bestellung des Klägers nicht gehört werden, da nicht die Bestellung des Klägers, die Justizverwaltungsakt ist und deshalb nach EGGVG anfechtbar, angegriffen worden ist.

Der Kläger als Abwickler der Kanzlei des früheren Rechtsanwalts W... ist dennoch nicht berechtigt, die streitgegenständlichen Forderungen einzuziehen. Denn der Kläger ist nicht als Abwickler in die betreffenden Mandate eingetreten.

17Aufgabe des Abwicklers nach § 55 BRAO ist es, laufende Aufträge fortzuführen, wobei er in den ersten 6 Monaten nach seiner Bestellung auch neue Aufträge annehmen darf. Der Abwickler tritt dabei hinsichtlich der anwaltlichen Rechte und Pflichten an die Stelle des früheren Rechtsanwalts, die sonstigen Befugnisse des ehemaligen Praxisinhabers aus Miet- oder Arbeitsverträgen, Eigentum pp. stehen dem Abwickler grundsätzlich nicht zu (Feuerich-Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 55, Rn. 17). Deshalb kann der Kläger nur abwickeln, was W... als Rechtsanwalt bearbeitet und verdient hat, mithin allein solche Mandate, die Assessor W... bereits erteilt worden sind, als dieser noch berechtigt war, als Rechtsanwalt tätig zu sein. Denn andernfalls gäbe es eine Verantwortlichkeit der die Abwicklung überwachenden Rechtsanwaltskammer für ausgeschlossene Anwälte, für den Fall, dass sie sich, wie der Assessor W..., weiter als Rechtsanwälte gerieren. Aus diesem Grunde ist die Rechtsanwaltskammer auch nicht befugt, im Falle eines Betrügers, der zu keiner Zeit als Rechtsanwalt zugelassen war, sich aber als Rechtsanwalt ausgibt, nach § 55 BRAO für die von diesem Betrüger €begründeten€ Mandate einen Abwickler zu bestellen.

Deshalb kann der Kläger die vom Beklagten vereinnahmten Honorare für rechtsanwaltliche Tätigkeit bei Mandaten, die ausweislich der Handakten und nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien erst nach Ausscheiden von W... aus der Anwaltschaft begannen, nicht verlangen. Diese Mandate sind nämlich nicht, wie im angefochten Urteil (dort S. 10 unten) angenommen, €anwaltslos€ geworden. Vielmehr waren diese Mandate von Beginn an nicht Assessor W..., sondern entweder Rechtsanwalt S... oder dem Beklagten zuzuordnen. Dies folgt daraus, dass die Vollmacht dann, soweit sie ausdrücklich Assessor W... bevollmächtigte und dieser nicht mehr zur Rechtsberatung zugelassen war, nach § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG nichtig war (BGH NJW 2003, 2088, 2089).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543, 545, ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.






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Urteil v. 19.12.2005
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