Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2007
Aktenzeichen: 10 W (pat) 22/07

(BPatG: Beschluss v. 21.09.2007, Az.: 10 W (pat) 22/07)

Tenor

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. April 2007 wird aufgehoben.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Die Anmelderin hat per Fax am 13. Dezember 2006 einen Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Verfahren und Reagenzien zur Untersuchung von Nukleinsäure-Methylierungsreaktionen" eingereicht. Dem Antrag waren u. a. 16 Seiten Beschreibung, 2 Blatt Patentansprüche 1-7 sowie 11 Blatt Zeichnungen (Figuren 1-7) beigefügt. Figur 7 zeigt ein Sequenzprotokoll.

Mit Bescheid vom 2. April 2007 teilte das Patentamt der Anmelderin mit, die Patentanmeldung sei teilweise fremdsprachig eingereicht (Zeichnungsbeschriftung). Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG sei in einen solchen Fall innerhalb einer Frist von 3 Monaten eine deutsche Übersetzung nachzureichen, die nicht vorliege, so dass die Anmeldung nach § 35 Abs. 2 PatG als nicht erfolgt gelte. Das Aktenzeichen werde gelöscht, die Gebühren zurückerstattet. Unterzeichnet war der Bescheid von einer Regierungsangestellten im gehobenen Dienst ohne Angabe der zuständigen Prüfungsstelle.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer am 23. April 2007 beim Patentamt eingegangenen Beschwerde, für die sie am selben Tag eine Gebühr von 200,-- € entrichtet hat. Sie stellt die Anträge, den Beschluss vom 2. April 2007 aufzuheben, festzustellen, dass die Eingabe vom 13. Dezember 2006 eine Einreichung einer Patentanmeldung ist, undder Patentanmeldung mit allen eingereichten Blättern (Beschreibung, Patentansprüche, Zeichnungen) den Anmeldetag 13. Dezember 2006 zuzuerkennen sowiedie Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Hilfsweise beantragt sie sinngemäß, der Patentanmeldung mit den in deutscher Sprache eingereichten Blättern (Beschreibung, Patentansprüchen Figuren 1, 2 und 7) den Anmeldetag 13. Dezember 2006 zuzuerkennensowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Eine Übersetzung der Zeichnungen hat die Anmelderin am 14. Mai 2007 beim Patentamt eingereicht.

Zur Zulässigkeit der Beschwerde führt sie aus, zwar fehle es dem Bescheid vom 2. April 2007 an den förmlichen Merkmalen eines Beschlusses i. S. d. § 47 PatG, materiellrechtlich stelle er aber eine abschließende Regelung über einen Sachverhalt dar und berühre ihre Rechte. In der Sache widerspreche der Beschluss den Bestimmungen des § 35 Abs. 2 Satz 1, 2 PatG, da das Vorliegen formgerechter Zeichnungen oder von Zeichnungen keine Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anmeldetags sei. § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG stelle die Zuerkennung eines Anmeldetags nur insoweit unter den Vorbehalt des Eingangs einer Übersetzung, als - so wörtlich - "die Unterlagen" nicht in deutscher Sprache abgefasst seien, was als Bezugnahme auf § 34 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PatG zu verstehen sei.

Darüberhinaus führt die Anmelderin aus, die in den Zeichnungen verwendeten Begriffe entstammten sämtlich dem englischen Grundwortschatz oder seien auf dem technischen Gebiet der Erfindung geläufige Begriffe. Im Übrigen sei der Inhalt der Zeichnungen nochmals im Abschnitt "Beispiele" der Beschreibung gewürdigt. Der Fachmann habe daher keine Schwierigkeiten gehabt, die in den Anmeldeunterlagen beschriebene Erfindung vollständig zu verstehen. Die Verwendung fremdsprachiger Begriffe in den Zeichnungen sei daher unschädlich für die Zuerkennung eines Anmeldetags.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige sich, da eine unzuständige Person entschieden habe. Aus § 1 Abs. 1 Ziffer 7 WahrnV könne nicht die Zuständigkeit des gehobenen Dienstes für die Feststellung über die Zuerkennung eines Anmeldetags hergeleitet werden. Der angefochtene Beschluss verletze zudem das rechtliche Gehör der Anmelderin, da sie keine Möglichkeit hatte, sich zu den Gründen des Beschlusses vorab zu äußern.

II A. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft, denn sie ist gegen einen Beschluss im Sinne von § 73 Abs. 1 PatG gerichtet.

Ob ein Beschluss vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Unter einem Beschluss im Sinne von § 73 Abs. 1 PatG ist danach eine Entscheidung zu verstehen, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl Schulte, PatG, 7. Aufl., § 73 Rdn. 22 ff. m. w. N.). Hiervon ausgehend handelt es sich bei dem nicht in der äußeren Form eines Beschlusses ergangenen Bescheid des Patentamts vom 2. April 2007 um einen anfechtbaren Beschluss. Er enthält seinem Inhalt nach ersichtlich eine abschließende Regelung über die von der Anmelderin eingereichte Patentanmeldung, da diese als nicht erfolgt bezeichnet worden ist, ohne dass der Anmelderin Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt oder die Feststellung, die Anmeldung gelte als nicht erfolgt, etwa nur angekündigt worden ist.

B. Die Beschwerde ist auch in der Sache erfolgreich. Die Patentanmeldung ist am 13. Dezember 2006 rechtswirksam eingereicht worden.

1. Trotz Vorliegens eines wesentlichen Verfahrensmangels hat der Senat von einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG an das Patentamt abgesehen und in der Sache selbst entschieden. Die Feststellung, die Patentanmeldung gelte als nicht erfolgt, ist von einer Angestellten des gehobenen Dienstes getroffen worden, obwohl keiner der als Ausnahmetatbestände von der grundsätzlichen Zuständigkeit des Prüfers nach § 27 Abs. 2 PatG in der Wahrnehmungsverordnung aufgeführten Fälle vorliegt.

Soweit § 1 Abs. 1 Ziffer 7 WahrnV bei der formellen Bearbeitung von Patentanmeldungen die Wahrnehmung von Geschäften der Prüfungsstellen durch den gehobenen Dienst vorsieht, enthält die Vorschrift keine Rechtsgrundlage für die vorliegend vermeintlich im Rahmen des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG getroffene Feststellung. Gleiches gilt ersichtlich für § 7 WahrnV. Der Senat weist ausdrücklich und zum wiederholten Mal darauf hin, dass die Verlagerung von Zuständigkeiten etwa auf den gehobenen Dienstes auf die in der WahrnV konkret geregelten Sachverhalte beschränkt ist und sich damit jede Anwendung auf vermeintlich ähnliche Fälle verbietet. Es bleibt daher vorliegend bei der Zuständigkeit des Prüfers, auf dessen fachkundige Beurteilung es gerade im vorliegenden Fall entscheidend ankommt.

Der Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften macht die angegriffene Entscheidung zwar nicht nichtig, es liegt aber ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG vor.

Ein die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigender Verfahrensmangel ist darüber hinaus auch darin zu sehen, dass der Anmelderin vor der getroffenen Feststellung kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Da die Sache jedoch entscheidungsreif ist, hat der Senat in der Sache selbst entschieden, damit das Anmeldeverfahren möglichst schnell fortgesetzt werden kann.

2. Die Feststellung des Patentamts, die am 13. Dezember 2006 eingereichte Anmeldung gelte als nicht erfolgt, entbehrt einer Rechtsgrundlage.

a) Auch wenn der angefochtene Beschluss lediglich eine pauschale Beanstandung enthält, und sich nicht im Einzelnen mit den fremdsprachigen Bezeichnungen auseinandersetzt, geht er doch zutreffend davon aus, dass ein Teil der an diesem Tag eingereichten Anmeldeunterlagen, und zwar die Erläuterungen in den Zeichnungen, teilweise in englischer Sprache wie folgt abgefasst sind.

In Figur 1 werden die dort verwendeten Abkürzungen in ihrer Bedeutung in englischer Sprache erläutert. Die Graphiken in Figur 3 enthalten die englischen Ausdrücke "intensity, red, merge", die dortige Aufstellung die Wörter "scatter, number" sowie "pixels". Die Balkendiagramme in Figur 4 werden durch die englischen Ausdrücke "time, days, daily, buffer" erläutert sowie durch die stark dem Deutschen angenäherte Bezeichnung "relative ... fluorescence". Figur 5 setzt sich aus je zwei der bereits aus Figur 3 bekannten Graphiken und Aufstellungen mit den dort genannten fremdsprachigen Ausdrücken zusammen. In Figur 6 wird offensichtlich das erfindungsgemäße Verfahren in seinem Ablauf an Hand der fünf Schritte ("1 Mix, 2 Plate, 3 Add, 4 Incubate, 5 Readout) in einer Graphik dargestellt, die die nach Art von Überschriften hervorgehobenen englischen Begriffe "Plasmid, Transfection Reagent, Cells" und "Chemical Library" enthält und eine "Time line" von "steps 1, 2, 3 one day" usw. angibt. Am unteren Ende der Darstellung der Figur 6 finden sich die folgenden Gegenüberstellungen: "NOT RED = Failure in transfection, plating or expression, or cytotoxicity - disregarding" bzw "GREEN = Inhibition of DNA maintenance methylation - potential candidates".

b) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG ist der Anmelder verpflichtet, bei einer Anmeldung, die ganz oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, eine deutsche Übersetzung innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung nachzureichen. Die am 14. Mai 2007 beim Patentamt eingegangene Übersetzung der Zeichnungen konnte dieses Erfordernis nicht erfüllen, da sie erst nach Ablauf der genannten Frist nachgereicht wurde.

c) Es ist jedoch im Ergebnis unschädlich, dass die vorliegende Anmeldung teilweise englische Begriffe enthält. Insoweit gelten keine anderen Maßstäbe als bei einer von vornherein in deutscher Sprache getätigten Anmeldung. Auch wenn die Sprache vor dem DPMA grundsätzlich deutsch ist (§ 126 PatG), stehen fremdsprachige Ausdrücke dieser Regelung nicht entgegen, wenn deren Verwendung auf einem Fachgebiet allgemein anerkannt ist, wenn sich eine einheitliche deutsche Entsprechung noch nicht herausgebildet hat oder wenn dem deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung ohne weiteres klar ist (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 126 Rdn. 9 m. w. N.; Senatsentscheidung vom 15. Oktober 2004, 10 W (pat) 31/04, veröffentlicht in JURIS). Jedenfalls der zuletzt genannte Gesichtspunkt trifft auf das vorliegenden technische Fachgebiet zu, das sich nach der Bezeichnung der Erfindung speziell mit Nucleotiden befasst. Das Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG ist insoweit gelockert, da nach den Feststellungen des Senats die englische Sprache auf dem einschlägigen Fachgebiet allgemein anerkannte Fachsprache ist, so dass auch der deutsch sprechende Fachmann zumindest die englischen Bezeichnungen auf dem einschlägigen Fachgebiet beherrscht. Beispielhaft wird in diesem Zusammenhang auf die vom 5. bis 7. November stattfindende Veranstaltung "Protein purification - Quo vadis € From stateoftheart to future challenges!" des DECHEMA e.V. hingewiesen, die - so die Einladung wörtlich - "at the Evangelische Akademie Schloss Tutzing, Lake Starnberg" stattfinden wird, wobei Programm und allgemeine Informationen zu dieser Veranstaltung ausschließlich in englischer Sprache abgefasst sind. Letztlich trägt auch das Patentamt der Tendenz, auf dem einschlägigen Fachgebiet die englische Sprache zumindest als gleichberechtigt anzusehen, Rechnung, indem es in den Standards für die Einreichung von Sequenzprotokollen (vgl. Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 Satz 2 PatV) bestimmt, dass der freie Text in deutscher oder englischer Sprache abgefasst sein kann.

Die Verwendung englischsprachiger Ausdrücke ist daher unbedenklich, wenn wie in Figur 1 der Zeichnungen neben den einschlägigen Fachabkürzungen deren Bedeutung in ihrer englischen Langform wiedergegeben wird, zumal die Beschreibung auf den Seiten 6 bis 11 diese englischen Begriffe und deren Abkürzungen in deutscher Sprache nochmals erläutert. Die Beschreibung nimmt im übrigen an zahlreichen Stellen immer wieder Bezug auf die Zeichnungen und erläutert diese in den Beispielen 1 bis 6 (Seiten 11 bis 16 der Beschreibung). Im Kontext der Beschreibung sind daher dem Fachmann vor dem Hintergrund der Sprachgepflogenheiten auf dem einschlägigen technischen Fachgebiet sämtliche Ausdrücke der englischen Sprache geläufig.

Als letztlich nicht in Frage gestellt erweist sich die von der Anmelderin in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellte Zuerkennung des Anmeldetag der Patentanmeldung. Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG ist der Tag, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PatG beim Patentamt eingegangen sind, der Anmeldetag, was auch vorliegend der Fall ist.

Nachdem der angefochtene Beschluss in mehrfacher Hinsicht durch eine fehlerhafte Sachbehandlung im Patentamt gekennzeichnet ist, entspricht es billigem Ermessen, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 80 Abs. 3 PatG) anzuordnen.

Das Anmeldeverfahren ist fortzusetzen.

Schülke Herr Rauch hat Urlaub und ist an der Unterschriftsleistung gehindert.

Schülke Martens Pr






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Az: 10 W (pat) 22/07


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