Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 4. September 2003
Aktenzeichen: 25 W 50/03

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 04.09.2003, Az.: 25 W 50/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um eine sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss einer Rechtspflegerin. Der Beklagte hatte eine Beweisgebühr geltend gemacht, die jedoch nicht berücksichtigt wurde. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Beklagten abgewiesen und festgestellt, dass er die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen muss. Der Streitpunkt war, ob die Beweisgebühr in dem durch gerichtlichen Vergleich beendeten Rechtsstreit der Parteien entstanden ist und entsprechend der vereinbarten Kostenquote berücksichtigt werden sollte. Der Beklagte argumentierte, dass eine Beweisaufnahme erforderlich war, da bereits ein Beweisbeschluss ergangen war, wonach eine Zeugin vernommen werden sollte.

Das Oberlandesgericht entschied jedoch, dass die beantragte Beweisgebühr nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht berücksichtigt werden kann. Die Rechtspflegerin hatte die Beweisgebühr zu Recht nicht festgesetzt, da nur die für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendigen Kosten des Beklagten festgesetzt werden können. Eine Beweisgebühr ist nur dann festsetzungsfähig, wenn ein gerichtliches Beweisaufnahmeverfahren vorliegt. Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch lediglich um eine sitzungsvorbereitende Maßnahme, nicht um ein Beweisverfahren gemäß den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Das Gericht stellte klar, dass der Beschluss über die vorbereitende Zeugenladung kein Beweisbeschluss ist und die Durchführung dieser Ladung kein Beweisverfahren im Sinne der BRAGO darstellt. Auch die vorsorgliche Belehrung der Zeugin über ihre Pflichten zu Beginn der Verhandlung stellt noch keine Beweisaufnahme dar. Der Beginn der Vernehmung ist der eigentliche Beginn der Beweisaufnahme. Die rechtsirrtümliche Bewertung der Richterin bezüglich eines möglichen Beweisbeschlusses führte nicht dazu, dass tatsächlich eine Beweisaufnahme stattfand.

Da die sofortige Beschwerde des Beklagten erfolglos war, muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wurde anhand des höheren Gebührenbetrags bemessen, den der Beklagte mit seiner Beschwerde angestrebt hatte.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 04.09.2003, Az: 25 W 50/03


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin bei dem Landgericht Kassel vom 26. Mai 2003, soweit in diesem Beschluß die von dem Beklagten geltend gemachte Beweisgebühr nicht berücksichtigt worden ist, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.184,72 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten darum, ob eine Beweisgebühr in ihrem durch gerichtlichen Vergleich vom 17. Februar 2003 beendeten Rechtsstreit entstanden und daher entsprechend der vergleichsweise vereinbarten Kostenquote von 94 % zu Lasten der Kläger bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen ist. Der Beklagte begründet seine Ansicht, die Beweisgebühr sei angefallen, damit,

daß der Einzelrichter der Zivilkammer durch Beschluß vom 5. Mai 1999 die prozeßleitende Ladung der Zeugin Dr. K. beschlossen und dabei das voraussichtliche Beweisthema formuliert habe,

daß die Zeugin, die im Einzelrichtertermin vom 14.7.1999 erschienen war, dann aber nicht vernommen wurde, bevor sie den Sitzungssaal verlassen habe, über ihr Zeugenpflichten belehrt worden sei,

daß die später zuständige Einzelrichterin im Zusammenhang eines Hinweisbeschlusses vom 22. Januar 2003 damit argumentiert habe, daß eine Beweisaufnahme erforderlich sei, ergebe sich auch daraus, daß im Laufe des Verfahrens bereits ein Beweisbeschluß ergangen sei, wonach Frau Dr. K. als Zeugin vernommen werden sollte.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist statthaft (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO), form- und fristgerecht erhoben (§ 569 ZPO) und auch im übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die Rechtspflegerin die zur Festsetzung beantragte anwaltliche Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO zu Recht nicht berücksichtigt hat. Zur Festsetzung geeignet sind nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur die für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendigen Kosten des Beklagten; dazu zählen die gesetzlichen Anwaltsgebühren nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Diese Vorschrift setzt die "Vertretung der Partei im Beweisaufnahmeverfahren" voraus.

Ein gerichtliches Beweisaufnahmeverfahren - nur ein solches Beweisaufnahmeverfahren meint § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO (Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl., Rdn. 96 zu § 31 BRAGO) - liegt aber nicht schon vor, wenn das Gericht nur eine sitzungsvorbereitende Maßnahme nach § 273 Abs. 2 ZPO trifft, also etwa -wie hier- die Ladung eines Zeugen nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO beschließt. Hierin liegt noch nicht der Erlaß eines -die Beweisgebühr allerdings auslösenden- Beweisbeschlusses nach § 358 ZPO oder § 358 a ZPO, weil eine solche Beweisvorbereitungsmaßnahme (OLG Koblenz Jur. Büro 2000, 23) noch nicht den Schluß auf die unbedingte Absicht des Gerichtes zur Klärung einer Tatsache durch Beweisaufnahme zuläßt, bei deren Umsetzung "im Beweisaufnahmeverfahren" erst der Anwalt seine Partei im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vertreten kann. Denn die vorsorgliche Anordnung soll die sofortige Durchführung einer Beweisaufnahme ermöglichen, falls sich in der mündlichen Verhandlung die Notwendigkeit ergeben sollte; das Beweisaufnahmeverfahren beginnt daher erst, wenn das Gericht in der Verhandlung die Beweiserhebung ausdrücklich oder stillschweigend - etwa durch den Beginn der Vernehmung - beschließt. Erst dieser Beschluß ist die Beweisanordnung und ermöglicht eine Vertretung der Partei in einem Beweisaufnahmeverfahren nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO (so zu Recht OLG Schleswig, MDR 2001, 898). Es ist daher anerkannt, daß der Beschluß über die vorbereitende Zeugenladung als solcher kein Beweisbeschluß und die tatsächliche Durchführung dieser Ladung kein Beweisaufnahmeverfahren im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ist (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Nürnberg, MDR 2001, 114; Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., Rdn. 15 zu § 274).

Auch die vorsorgliche Belehrung der Zeugin über ihre Pflichten zu Beginn der mündlichen Verhandlung läßt nicht den Schluß zu, daß das Gericht bereits die unbedingte Absicht hatte, die Klärung von Tatsachen durch eine Beweisaufnahme zu erreichen. Denn diese Belehrung ist noch nicht der Beginn der Vernehmung der Zeugin zum Zwecke der Beweisaufnahme, sondern geschieht nur vorsorglich für den Fall, daß das Gericht im Laufe der Verhandlung zu dem Entschluß kommt, die Zeugin tatsächlich zu vernehmen. Die Belehrung der Zeugin über ihre Wahrheitspflicht und die Möglichkeit einer Beeidigung dient noch nicht selbst der Aufklärung bestimmter Tatsachen; § 395 Abs. 1 ZPO ist vielmehr eine bloße Ordnungsvorschrift (vgl. OLG Nürnberg MDR 2001, 114). Die Beweisaufnahme selbst beginnt vielmehr erst mit der Vernehmung der Zeugin zur Person, § 395 Abs. 2 ZPO (OLG Nürnberg a.a.O., OLG Schleswig a.a.O., OLG Jena OLGR Jena 1997, 395 f.). Die Belehrung ist der Vernehmung nur als Ordnungsmaßnahme vorgeschaltet (OLG Koblenz Jur. Büro 2000, 23).

Schließlich kann auch in der rechtsirrtümlichen Bewertung der Richterin, welche den Hinweisbeschluß vom 22. Januar 2003 erlassen hat, es sei bereits ein Beweisbeschluß erlassen worden, keine Beweisaufnahme oder der implizierte Beschluß über eine nunmehr tatsächlich vorzunehmende Beweisaufnahme, d.h. ein Beweisbeschluß, gesehen werden. Vielmehr dienten die Hinweise in Ziffer I.1. des Beschlusses vom 22.1.2003 nur der Rechtfertigung der Anregung der Richterin in Ziffer III dieses Beschlusses an die Kläger, sie sollten, falls sie den Rechtsstreit weiter fortsetzen wollten, ihr Beweisangebot ergänzen. Mithin lag in dem Hinweis nicht die Erklärung des Gerichts, nunmehr den früheren nicht erhobenen Beweis zu erheben, sondern die Ankündigung, nach weiterem Beweisangebot der Klägerseite einen (nach Vorstellung der Richterin: neuen) Beweisbeschluß zu erlassen. Der Senat sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Jur. Büro 2001, 637 f.) wonach die irrtümliche gerichtliche Wertung eines Vorganges als "Beweisaufnahme" nicht hinreicht, eine vorbereitende Anordnung im Sinne von § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO als Beweisbeschluß oder als Beweisaufnahme zu werten.

Da das Rechtsmittel des Beklagten ohne Erfolg bleibt, hat er dessen Kosten nach § 97 ZPO zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist nach dem vom Beklagten mit der Beschwerde erstrebten höheren Gebührenbetrag bemessen worden, § 3 ZPO.






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