Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Dezember 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 43/00

(BPatG: Beschluss v. 06.12.2000, Az.: 28 W (pat) 43/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Gegen die am 26. September 1995 für Waren und Dienstleistungen

"Verbandsmaterial, Pflaster; Desinfektionsmittel; medizintechnische und ärztliche Apparate und Instrumente sowie Implantate, einschließlich Einweg- und Einpatientenartikel und Teile davon, soweit in Klasse 10 enthalten; Gesundheitspflege; wissenschaftliche und industrielle Forschung"

eingetragene Wortmarkebessist Widerspruch erhoben aus der prioritätsälteren gleichlautenden Wortmarke 846 868 Bess, die seit dem 4. Juli 1968 für eine Vielzahl von Waren, ua für

"Klosettpapier"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat mit Beschluß vom 13. Juli 1998 zunächst die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Verbandsmaterial, Pflaster, Desinfektionsmittel; ärztliche Apparate, einschließlich Einweg- und Einpatientenartikel" angeordnet, im übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin habe die Widersprechende die Benutzung für trockenes und feuchtes Toilettenpapier glaubhaft gemacht. Angesichts der erzielten Umsätze von 155 Millionen DM für 1994 und 153 Millionen DM für 1996 sei von einer erhöhten Kennzeichnungskraft und somit einem erweiterten Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen. Die Waren, hinsichtlich derer die Teillöschung angeordnet worden sei, wiesen im Hinblick auf die stoffliche Beschaffenheit, nämlich der Verwendung von zellstoffartigen Ausgangsstoffen mit Toilettenpapier noch in einem solchen Maße Gemeinsamkeiten auf, daß eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne. Dies treffe für die übrigen von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht zu.

Auf die Erinnerung der Markeninhaberin ist mit Beschluß vom 10. November 1999 der Erstbeschluß aufgehoben und der Widerspruch insgesamt mangels Warenähnlichkeit zurückgewiesen worden. Die Waren der angegriffenen Marke seien sämtlich dem medizinischen Bereich zuzuordnen, während die einzig relevante Widerspruchsware - hier Toilettenpapier - der Körperhygiene im täglichen Leben diene. Abgesehen davon könne ohnehin nicht von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden, da die Markeninhaberin die tatsächlichen Grundlagen bestritten habe und objektive Erkenntnisse nicht vorlägen.

Dagegen richtet sich nunmehr die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, daß ohne weiteres von Warenähnlichkeit ausgegangen werden müsse. Die beteiligten Verkehrskreise würden die Waren denselben Unternehmen zuordnen, da maßgeblich auf das Wettbewerbsumfeld im Bereich der Papierprodukte abzustellen sei. Es gebe Überschneidungen bei Unternehmen, die sowohl Verbandsmaterial als auch zB Windeln herstellten. Papier werde jeweils als Grundstoff verarbeitet. Auch gebe es Berührungspunkte im Vertriebsweg. Die angegriffene Marke könne auch nicht allein dem medizinischen Bereich zugeordnet werden. Außerdem sei - wie der Erstprüfer zutreffend ausgeführt habe - von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt im wesentlichen den angefochtenen Beschluß und stellt eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und eine Warenähnlichkeit in Abrede.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zwischen der angemeldeten Marke und der Widerspruchsmarke besteht auch nach Auffassung des Senates keine Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1999, 245, 246 - LIBERO).

Die Annahme einer Verwechslungsgefahr scheitert vorliegend aber bereits daran, daß es an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren fehlt, wobei bei der Widerspruchsmarke allein von der Ware "Toilettenpapier" ausgegangen werden kann, da nur hierfür die zulässigerweise bestrittene Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Vorliegend stehen sich damit "Toilettenpapier" und die allein noch streitigen Waren "Verbandsmaterial, Pflaster, Desinfektionsmittel; ärztliche Apparate, einschließlich Einweg- und Einpatientenartikel" der Anmeldemarke gegenüber.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren sind zur Gewährleistung der Herkunftsfunktion der Marke alle Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen. Dabei kann auch auf Umstände zurückgegriffen werden, die bislang für die Bestimmung des Warengleichartigkeitsbereichs Geltung hatten, wie Herstellung von dem selben Unternehmen, Übereinstimmungen in der stofflichen Beschaffenheit, gleicher Verwendungszweck oder Berührungspunkte beim Vertrieb, weil die Waren beispielsweise in den selben Verkaufsstätten angeboten werden. Darüber hinaus sind jedoch auch die Art der Waren, der Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren zu berücksichtigen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz.23 - CANON; BGH aaO - LIBERO).

Diese Voraussetzungen werden von den sich vorliegend gegenüberstehenden Waren nicht erfüllt. Es fehlt an den erforderlichen regelmäßigen Berührungspunkten, die bei Abnehmern, wenn sie an den Waren ein identisches Zeichen angebracht sehen, den gegebenenfalls irrigen Schluß herbeiführen können, daß die Waren nach Beschaffenheit, Verwendung und Herkunft in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang zueinander stehen und insbesondere aus dem selben Unternehmen stammen.

Daß Unternehmen sowohl Toilettenpapier als auch Verbandsmaterial und Pflaster herstellen, konnte weder vom Senat festgestellt, noch von der Widersprechenden belegt werden, wobei der Hinweis der Widersprechenden auf Überschneidungen im Bereich gemeinsamer Herstellungsstätten für Papierwindeln eher neben der Sache liegt. Für die vorliegend maßgeblichen Waren unterscheiden sich die Herstellungsstätten zumindest im allgemeinen Toilettenpapier wird regelmäßig in Papierfabriken produziert, während Verbandstoffe aus chemischpharmazeutischen Betrieben stammen. Daß für die Produktion als Grundstoff jeweils Zellulose verwendet wird, führt für sich allein infolge der breiten Herstellungspalette, bei der Zellstoffe verwendet werden, noch zu keiner Warenähnlichkeit. Vor allem unterscheiden sich vorliegend Vertriebswege und Verkaufsstätten deutlich voneinander. Toilettenpapier als Artikel der täglichen Körperhygiene wird regelmäßig vor allem in Supermärkten oder Großdrogerien im Sortiment weiterer der Körperhygiene dienender Artikel angeboten. Demgegenüber sind Verbandsmaterial und Pflaster in Supermärkten regelmäßig nicht zu finden sondern allenfalls in Drogerien, dort aber gesondert von den Artikeln der täglichen Körperhygiene. In enger räumlicher Nähe werden sie nicht angeboten. Zudem begegnen sich in Großdrogerien Waren verschiedenster Art und Beschaffenheit, ohne daß sie allein deswegen der Verkehr als Erzeugnisse gleicher Herstellerbetriebe ansehen würde. Großabnehmer wie Arztpraxen Krankenhäuser beziehen ihre Produkte ohnedies über den Fachhandel. Schließlich stellen die Waren auch keine konkurrierenden oder einander ergänzende Produkte dar.

Verbandsmaterial/Pflaster und Toilettenpapier weisen mithin Überschneidungen allenfalls insoweit auf, als sie jeweils unter Verwendung von zellstoffartigen Ausgangsstoffen hergestellt und zT in denselben Verkaufsstätten angeboten werden können. Diese wenigen Berührungspunkte reichen im Ergebnis jedoch nicht aus, um beim Verkehr die irrtümliche Annahme hervorzurufen, die mit den identischen Marken bezeichneten Waren seien der selben betrieblichen Herkunft. Die fehlende Warenähnlichkeit von Toilettenpapier und vor allem Verbandsmaterial/Pflaster entspricht im übrigen auch der bisherigen ständigen Gleichartigkeits-Rechtsprechung des Bundespatentgerichts (BPatG 27 W (pat) 165/67 (V 9044/27 Wz), Beschluß vom 24. Januar 1968; Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S 196 "Klosettpapier").

Hinsichtlich der weiteren Waren "Desinfektionsmittel" und "Toilettenpapier" fehlt es ersichtlich in allen Bereichen an regelmäßigen Berührungspunkten. Herstellungsstätten, Vertriebswege und Verkaufsstätten werden vom Verkehr sorgsam auseinander gehalten.

Eine Ähnlichkeit zwischen medizinischen Apparaten, einschließlich Einweg- und Einpatientenartikel, und Toilettenpapier besteht ebenfalls nicht. Gegenteiliges ist von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren auch nicht behauptet worden.

Ohne Bedeutung für die Feststellung der Warenähnlichkeit ist die Frage einer gegebenenfalls erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Sie spielt erst für die Beurteilung der weiteren Frage eine Rolle, ob der Grad der bestehenden Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen für die Feststellung der Verwechslungsgefahr ausreicht oder nicht. Ob Waren und Dienstleistungen ähnlich sind oder nicht, hängt allein von der Verkehrsauffassung zu diesen betroffenen Waren und Dienstleistungen ab. Art und Schutzumfang der Marken haben insoweit auf die Frage der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen keinen Einfluß (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - CANON; BGH GRUR 1999, 245, 246 - LIBERO; Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 37).

Nach alledem hatte die Beschwerde keinen Erfolg.

Anlaß, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), bestand indes nicht.

Stoppel Martens Kunze Mü/Ko






BPatG:
Beschluss v. 06.12.2000
Az: 28 W (pat) 43/00


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