Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 16. Dezember 2010
Aktenzeichen: I-24 U 96/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 16.12.2010, Az.: I-24 U 96/10)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Mai 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung seiner Widerklage wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.645,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.099,29 € seit dem 26. Oktober 2007 und aus weiteren 546,69 € seit dem 26. März 2009 zu zahlen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die mit Klage (5.099,29 € nebst vorgerichtlicher Kosten zzgl. Zinsen) und Widerklage (755,80 € vorgerichtliche Kosten zzgl. Zinsen) gegenseitig geltend gemachten Ansprüche aus der am 10. März 2004 begonnenen, Ende März/Anfang April 2005 beendeten anwaltlichen Rechtsbesorgung abgewiesen. Zu dem im Berufungsrechtszug allein noch maßgeblichen Klageanspruch (Honorarrückforderung nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten) vertritt das Landgericht die Auffassung, der Kläger (Mandant) schulde das vom Beklagten (Rechtsanwalt) berechnete Honorar (insgesamt 14.059,20 €) aus der "Verrechnungsvereinbarung" vom 18. März 2005, die als Honorarvereinbarung zu qualifizieren sei, uneingeschränkt, so dass nichts davon zurückgefordert werden könne.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er sein erstinstanzliches Ziel uneingeschränkt weiterverfolgt. Der Beklagte, der die Abweisung seiner Widerklage hinnimmt, will die Berufung zurückgewiesen haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist in vollem Umfange begründet. Das angefochtene Urteil ist deshalb, soweit das Landgericht zu Lasten des Klägers erkannt hat, abzuändern und der Beklagte antragsgemäß zur Rückerstattung überzahlten Honorars in geltend gemachter Höhe (5.099,29 € nebst Zinsen) sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten (546,69 € zzgl. Zinsen) zu verurteilen.

1. Entgegen der vom Landgericht vorgenommenen und vom Beklagten geteilten Qualifizierung stellt der Vertrag vom 18. März 2005, wie bereits seine überschriftliche Bezeichnung ("Verrechnungsvereinbarung") gleichsam sinnbildlich wiedergibt, keine Honorarvereinbarung im Sinne des § 3 Abs. 1 BRAGO a. F. (jetzt § 3a Abs. 1 RVG) dar, sondern entweder ein abstraktes (selbständiges) Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) oder einen Vergleich (§ 779 BGB), und zwar bezogen auf die gesetzlichen Gebühren.

Sinn und Zweck der "Verrechnungsvereinbarung" war es nämlich, auf der Grundlage der fünf entworfenen "Rechtsanwaltsgebührenrechnungen" gleichen Datums, denen ausschließlich die gesetzliche Vergütung zugrunde liegt, eine Regelung darüber zu treffen, wie der vom Kläger zuvor gezahlte Honorarvorschuss (10.000,00 €) auf die einzelnen Gebührenrechnungen im Sinne der "Verrechnungsvereinbarung" (Abs. 2) "angerechnet" werden soll. Die "Verrechnungsvereinbarung" kann deshalb, bezogen auf die gesetzlichen Gebühren, allenfalls als ein abstrakter (selbständiger) Schuldanerkenntnisvertrag im Sinne des § 781 BGB oder als ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB qualifizieren werden (vgl. dazu noch die nachfolgenden Erwägungen sub II.2a).

2. Der Kläger kann dieses Schuldanerkenntnis bzw. den Vergleich und damit auch die darauf beruhende Zahlung (mindestens) in Höhe der Klageforderung gemäß § 812 Abs. 2 BGB kondizieren, weil es in diesem Umfange ohne Rechtsgrund gegeben worden ist (vgl. BGH NJW 2000, 2501 [juris Tz 9 S. 1]). Das zugrunde liegende Mandatsverhältnis, nämlich der Auftrag zur Rechtsbesorgung vom 18. März 2004, gibt dem Beklagten nach den hier noch einschlägigen Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (vgl. § 61 RVG) nur einen Anspruch auf eine gesetzliche Vergütung in Höhe von 3.360,28 €. In Höhe des überschießenden Betrags von 6.639,72 € (10.000 € - 3.360,28 €) ist der Beklagte überzahlt, so dass die noch darunter liegende Klageforderung vollumfänglich begründet ist.

a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Kläger nicht mit sämtlichen Einwendungen gegen den Schuldanerkenntnisvertrag ausgeschlossen. Ein solcher Einwendungsausschluss kommt (wie beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis) nur dann und nur insoweit in Betracht, als es den Parteien darum gegangen war, mit der Vereinbarung einen bestimmten Streit oder eine subjektive Ungewissheit über die Verbindlichkeit nach Grund und/oder Höhe oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte des Schuldverhältnisses zu beseitigen (vgl. BGH NJW 2000, 2501 [juris Tz. 9 a.E.]; BGHZ 66, 250, 253 ff.; Senat, Beschl. v. 30.01.2007, Az. I-24 U 126/06 [n.v.]). Entsprechendes gilt bei einem Vergleich, dem die Geschäftsgrundlage fehlt, wenn der anerkannte Betrag nicht der materiellen Rechtslage entsprach. Denn die Parteien hätten sich dann bei Abschluss des Vergleiches in einem gemeinsamen Irrtum befunden (vgl. BGH NJW 2000, 2501, WM 1994, 604).

Ein solcher Streit, dessen Inhalt der Beklagte im Übrigen nicht mitgeteilt hat, hatte nach dessen maßgeblich letztem eigenen Vortrag bei Abschluss der Vereinbarung nicht (mehr) bestanden. Der Beklagte legt auch nicht dar, um welche Streitpunkte es vor Abschluss der Vereinbarung gegangen sein soll. Vielmehr sollte mit ihr "lediglich beidseits die Buchhaltung erleichtert werden" (aaO). Der Beklagte wollte nämlich, wie der "Verrechnungsvereinbarung" auch selbst entnommen werden kann, Klarheit über die Verrechnung des Vorschusses haben. Daraus folgt zwar, dass der Kläger mit Einwendungen gegen die vereinbarte Verrechnung ausgeschlossen ist. Um solche Einwendungen geht es im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht. Der Kläger erhebt ausschließlich Einwendungen gegen die nach seiner Ansicht nicht korrekte Anwendung der hier einschlägigen Gebührenvorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Bei Abschluss der "Verrechnungsvereinbarung" hatte es in feststellbarer Weise keinen Streit zu Fragen, wie die Gebührenvorschriften im konkreten Fall anzuwenden sind, gegeben und so wird der Streit vom Beklagten auch im zweiten Rechtszug nicht aufgezeigt. Daraus folgt, dass der Kläger im Prozess mit begründeten Einwendungen gegen die angesetzten Gebührentatbestände nicht ausgeschlossen ist (BGH aaO). Das gilt auch für einen Vergleichsabschluss, weil sich die Parteien über die Zahl der Angelegenheiten - fünf (dazu sogleich) - in einem gemeinsamen Irrtum befunden haben.

b) Die honorarrechtlich hier zu beurteilende Rechtsbesorgung (Beurteilung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Makler aus den von ihm vermittelten drei Grundstückskaufverträgen und Rückabwicklung dieser Kaufverträge nebst Finanzierungen) betraf im gebührenrechtlichen Sinne (§ 13 Abs. 2 BRAGO) nur eine Angelegenheit, allerdings mit verschiedenen Gegenständen im Sinne des § 7 Abs. 2 BRAGO. Der Senat folgt nicht der Ansicht des Beklagten, es handele sich im gebührenrechtlichen Sinne um fünf selbständige und deshalb auch getrennt abzurechnende Angelegenheiten, nämlich eine gegen den Makler sowie je eine gegen die beiden Grundstücksverkäufer und die beiden Finanzierer.

aa) Das Landgericht hat sich mit dieser im ersten Rechtszug nicht ausdrücklich thematisierten Rechtsfrage nicht auseinandergesetzt, obwohl dazu Veranlassung bestanden hatte. Der Kläger hatte nämlich, ohne allerdings auf die in diesem Kontext maßgebliche Bestimmung des § 13 Abs. 2 BRAGO und die daraus ggf. zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen näher einzugehen, zutreffend darauf hingewiesen, bei der gebührenrechtlichen Beurteilung des Auftrags sei zu beachten, dass die an den Makler und die beiden Grundstücksverkäufer adressierten "drei Aufforderungsschreiben … nahezu identisch sind" (Schrifts. v. 17. 03. 2009,. S. 6, Abs. 3) bzw. dass der Beklagte "…aus dem Auftrag des Klägers fünf Mandatsverhältnisse zur außergerichtlichen Vertretung konstruiert …" habe (Schrifts. v. 23. 06. 2009, S. 3). Da dem Landgericht ferner die in Rede stehenden, in engem zeitlichen Zusammenhang verfassten und versendeten Anschreiben im Wortlaut vorlagen, war es, ggf. nach einem Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO, den der Berichterstatter des Senats mit Verfügung vom 8. September 2010 für das Berufungsverfahren nunmehr nachgeholt hat, unter Beachtung der geltenden Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) geboten, den Auftrag zur Rechtsbesorgung gebührenrechtlich (auch) unter dem Aspekt des § 13 Abs. 2 BRAGO zu betrachten. Die vom Beklagten wiederholt, zuletzt im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 vorgetragene Behauptung, der Senat weiche ab von dem "von beiden Parteien vorgetragenen [Sachverhalt]", ist aktenwidrig und ohne Substanz, zumal das Gericht an die unzutreffende rechtliche Einordnung des vorgetragenen Sachverhalts durch Parteien und Erstgericht auch ohne Berufungsrüge nicht gebunden ist (vgl. BGHZ 160, 83, 90 = NJW 2004, 2751, 2753 sub II.1b m. w. Nachw.).

bb) Die honorarrechtlich gemäß §§ 13 Abs. 2 S. 1, 7 Abs. 2 BRAGO gebotene Abgrenzung der anwaltlichen Beratungstätigkeit nach "Angelegenheiten" und "Gegenständen", die einer künstlichen Fragmentierung und dadurch bewirkten unangemessenen Verteuerung der angebotenen Leistung entgegenwirken soll (vgl. BGH NJW 2004, 1043, 1045 sub Nr. II.1b; Senat OLGR Düsseldorf 2001, 214 = AGS 2002, 53 m. w. Nachw.), hat sich an der Frage zu orientieren, ob die in Auftrag gegebene Geschäftstätigkeit des Rechtsanwalts einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt oder ob es um verschiedene Lebensvorgänge geht (vgl. Senat aaO). Um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt es sich dann, wenn bei einheitlich erteiltem oder einem später erweiterten Auftrag zwischen den Sachverhalten bei objektiver Betrachtung ein innerer Zusammenhang besteht und die Sachverhalte sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2010, 428, 430 [juris Tz 22 ff]; NJW 2005, 2927, 2928; Senat aaO). Dieser Rahmen bleibt nicht nur dann gewahrt, wenn der Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen oder sogar verschiedene Ansprüche zu prüfen hat, sondern auch dann, wenn er zur Erfüllung des ihm erteilten Auftrags wegen verschiedener Ansprüche gegen verschiedene Anspruchsgegner vorgehen muss und wenn er diesen Auftrag verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. mit einem im Wesentlichen einheitlichen Vorgehen erledigen kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2010, Az. VI ZR 152/09 [juris Tz. 13]; BGH NJW 2004, 1043, 1045; NJW 2005, 2927, 2928 [juris Tz 12 f.]; N. Schneider in AnwK RVG 4. Aufl., § 15 RVG, Rn. 31 f.; Senat aaO). Das kann bedeuten, dass ein Auftrag mit zunächst einer Angelegenheit im weiteren Verlauf in verschiedene Angelegenheiten oder Blöcke von Angelegenheiten zerfallen kann (BGH aaO). Das ist bei einer Rechtsverfolgung insbesondere gegenüber verschiedenen Gegnern (z.B. bei Abmahnaktionen, Schuldensanierungen) z. B. dann der Fall, wenn diese so unterschiedlich auf das Begehren reagieren, dass zur künftigen ordnungsgemäßen Bearbeitung des Auftrags der verfahrensrechtlich zusammengefasste Rahmen bzw. das einheitliche Vorgehen aufgespalten werden muss (BGH aaO). Im Übrigen lässt sich die Frage, ob im gebührenrechtlichen Sinne von nur einer Angelegenheit auszugehen ist oder ob deren mehrere vorliegen, nicht allgemein, sondern unter wertender Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse nur im Einzelfall beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend ist (BGH NJW-RR 2010, 428, 430 [juris Tz 24]).

cc) Den Vertragsparteien bleibt es freilich unbenommen, die Aufspaltung einer im gebührenrechtlichen Sinne einheitlichen Angelegenheit in mehrere selbständige Angelegenheiten zu vereinbaren. Geschieht das aber nicht aus sachlichen Gründen, sondern ausschließlich im gebührenrechtlichen Interesse des Rechtsanwalts und wird der Mandant darüber nicht aufgeklärt, macht sich der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten schadensersatzpflichtig aus §§ 611, 675, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (BGH NJW 2004, 1043, 1045 sub Nr. II.1b; vgl. auch Senat OLGR Düsseldorf 2008, 130 [= juris Tz 42, 59] = FamRZ 2008, 622 = AGS 2008, 12 m. abl. Anm. Schons AGS 2008, 15, der jegliche honorarbezogene Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts leugnet, was nicht erst seit Inkrafttreten des § 49b Abs. 5 BRAO rechtlich unhaltbar ist).

dd) Unter Anlegung vorgenannter Maßstäbe handelte es bei dem am 10. März 2004 einheitlich erteilten Auftrag gebührenrechtlich nur um eine Angelegenheit, allerdings mit mehreren Gegenständen.

(1) Im Zentrum des hier zu beurteilenden, der Beratung und Vertretung zugrunde liegenden Lebenssachverhalts stand der Makler N.. Dieser sollte ausweislich der drei in engem zeitlichen Zusammenhang verfassten und im Wesentlichen gleichlautenden Anspruchsschreiben als Beauftragter der beiden Grundstücksverkäuferinnen zum Nachteil des Klägers betrügerisch tätig geworden sein; die Finanzierer wurden in diesem Zusammenhang erst gar nicht in Anspruch genommen. Die Tätigkeit des Maklers war demnach die die anwaltliche Beratung zu einer gebührenrechtlichen Angelegenheit zusammenfassende Klammer. Da aus der Sicht des Klägers die Ansprüche gegen die Grundstücksverkäuferinnen und die Finanzierer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig von dem gegen den Makler gerichteten Anspruch abhängig waren, hatte sich der Beklagte bei der Beratung und Vertretung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zunächst im Wesentlichen auf diesen das Rechtsverhältnis prägenden Lebenssachverhalt zu konzentrieren. Daran hat sich auch in der Folgezeit nichts mehr geändert. Nachdem die beiden Grundstücksverkäuferinnen umgehend jede rechtsgeschäftliche Verbindung zu dem Makler, der selbst auf das Anspruchsschreiben nicht reagiert hatte, geleugnet hatten, wurde das Mandat nämlich kurz darauf beendet.

(2) Die Parteien haben entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten in der "Verrechnungsvereinbarung" auch nicht die Aufspaltung der einheitlichen Angelegenheit in fünf gebührenrechtlich selbständige Angelegenheiten verbindlich vereinbart. Soweit der "Verrechnungsvereinbarung" bei ihrem Abschluss entsprechend den zugrunde liegenden fünf entworfenen Gebührenrechnungen die Vorstellung des Beklagten zugrunde gelegen hatte, seine Beratungs- und Vertretungstätigkeit betreffe fünf selbständige Angelegenheiten, war das mangels darauf bezogener rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen kein Vertragsgegenstand, sondern nur Geschäftsgrundlage des Vertrags (vgl. BGH NJW 2005, 2927, 2928 [juris Tz 11 a.E.]). Diese Prämisse hatte damit weder die Bestimmung noch die rechtliche Wirkung, den maßgeblichen gesetzlichen Begriff der Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO vertraglich abzubedingen. Hätte der Beklagte mit der "Verrechnungsvereinbarung" die Aufspaltung der einheitlichen Angelegenheit in fünf selbständige Angelegenheiten tatsächlich vereinbaren wollen, hätte er den Kläger im Übrigen über die gebührenrechtlichen Folgen einer solchen, sachlich hier nicht notwendigen Abrede aufklären müssen, um begründeten Schadensersatzansprüchen (Freistellung von Mehrgebühren) zu entgehen.

c) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die gesetzlichen Gebühren nur einmalig aus dem (kumulierten) Gegenstandswert der Angelegenheit von 667.000 € (94.000 € + 134.600 € + 75.200 € + 228.600 € + 134.600 €) zu berechnen sind, statt aus fünf einzelnen Gegenstandswerten.

aa) Das führt zu der nachstehenden Honorarabrechnung:

Zeile

Position (Geschäftswert: 667.000 €)

Betrag/€

Betrag/€

01

Honorarzahlung

10.000,00

02

8/10-Geschäftsgebühr, § 118 I Nr. 1 BRAGO

2.876,80

03

Besprechungsgebühr, § 118 I Nr. 2 BRAGO

0,00

04

Post- u. Telekommunikationspauschale, 26 S. 2 BRAGO

20,00

05

Zwischensumme

2.896,80

06

16% Mehrwertsteuer, § 25 II BRAGO

463,49

07

Gesamthonorar

3.360,29

- 3.360,29

08

Honorarüberzahlung

6.639,71

09

Klageforderung

5.099,29

bb) Erläuterungen

(1) Zu Zeile 02 (8/10-Geschäftsgebühr)

Der Rechtsstreit gibt dem Senat ausnahmsweise keine Veranlassung, gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ein Gebührengutachten der zuständigen Rechtsanwaltskammer, dessen Einholung grundsätzlich auch im Honorarrückzahlungsprozess geboten ist (vgl. Senat VersR 2008, 1685 [juris Tz 41 f] m. w. Nachw.), in Auftrag zu geben, obwohl die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit (auch) um die Angemessenheit der vom Beklagten angesetzten 8/10-Satzrahmengebühr streiten. Im Unterschied zu der vom Landgericht angenommenen Rechtslage, bei der es sehr wohl auf die Frage nach der Angemessenheit des berechneten Satzrahmens ankam, spielt das mit Blick darauf, dass der Kläger auf der Grundlage der zutreffenden Rechtslage deutlich weniger Honorar zurückfordert, als ihm nach Recht und Gesetz zustünde (vgl. Tab/Zeilen 08, 09), keine Rolle mehr.

(2) Zu Zeile 03 (Besprechungsgebühr)

Der Beklagte kann keine Besprechungsgebühr berechnen. Der vom Kläger für seine Interessenwahrnehmung gegenüber den Finanzierern eingeschaltete, gegen Honorar tätig gewordene und an der Besprechung mit dem Beklagten beteiligte Finanzberater Teske (künftig: Finanzberater) ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht "Dritter" im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO.

(a) In der Rechtsprechung und den Kommentierungen zu dem am 30. Juni 2004 mit dem gesamten Gesetz außer Kraft getretenen § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO herrscht Streit um die nach gegenwärtiger Gesetzeslage nicht mehr aktuelle Frage, wer als "Dritter" im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren ist (vgl. Senat MDR 2001, 1319 = AnwBl 2002, 113 [juris Tz 10 ff.] m. w. Nachw.). Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob der beauftragte Rechtsanwalt, der sich von einer solchen Person informieren lässt, eine Besprechungsgebühr verdient oder nicht.

(b) Der Streitfall gibt dem Senat keine Veranlassung, sich mit dieser Frage erneut im Einzelnen auseinanderzusetzen. Denn trotz des Streits in Detailfragen herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass ein Bevollmächtigter des Mandanten, also eine Person, die im Auftrag des Mandanten mit dem beauftragten Rechtsanwalt ein Informationsgespräch führt, nicht Dritter im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO ist (vgl. nur Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl.[2002], § 118 Rn 8 eingangs des Stichw. "Dritter"; Riedel/Sußbauer/Schneider, BRAGO, 8. Aufl., § 118 Rn 37). Denn eine Besprechung mit einem Beauftragten oder Bevollmächtigten des Mandanten ist, wie den §§ 164 ff. BGB entnommen werden kann, gleichsam eine Besprechung mit dem Mandanten selbst (vgl. Senat aaO; vgl. auch LG Düsseldorf AnwBl 2003, 243), und zwar ganz unabhängig davon, ob der Mandant über das Wissen seines Beauftragten bereits verfügte oder (noch) nicht (Senat aaO m.w.Nachw.; a.A. Gebauer/Schneider, BRAGO [2002], § 118 Rn 45 f).

(c) Unter Anlegung dieses Maßstabs konnte die Beteiligung des vom Kläger mit seiner Interessenwahrnehmung beauftragten Finanzberaters an den Beratungen keine Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO auslösen. Die Aufgabe des Finanzberaters hatte darin bestanden, den Kläger hinsichtlich der Finanzierungsfragen der hier umstrittenen Rechtsgeschäfte zu beraten und seine diesbezüglichen Interessen insbesondere gegenüber den beiden Finanzierern zu vertreten. In dieser Rolle hatte er im Auftrage des Klägers an den Beratungen mit dem Beklagten teilgenommen und diesen mit Informationen versorgt. Dass der Beklagte bei dieser Gelegenheit die rechtliche Seite der Beziehungen des Klägers zu den Finanzierern beleuchtet und seine Einschätzung (auch) gegenüber dem Finanzberater kundgetan hat, ändert an der gebührenrechtlichen Beurteilung der Angelegenheit nichts. Der Beklagte hat, wiederum im Auftrage des Klägers, dessen Vertreter und damit gleichsam den Kläger selbst beraten, §°164 BGB. Eine solche Konstellation löst keine besondere Gebühr aus (Senat aaO).

3. Zinsen und vorgerichtliche Kosten schuldet der Beklagte gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Rechtsstreit gibt dem Senat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 16.12.2010
Az: I-24 U 96/10


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