Finanzgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 12. Mai 2010
Aktenzeichen: 15 Ko 4622/09 KF

(FG Düsseldorf: Beschluss v. 12.05.2010, Az.: 15 Ko 4622/09 KF)

Tenor

1) Der Beschluss des Urkundsbeamten vom 27.11.2009 über die vom Beklagten zu erstattenden Kosten wird dahingehend geändert, dass der bislang einheitlich zugunsten aller Kläger festgesetzte Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 105.726,97 EUR nunmehr abweichend für jeden einzelnen Kläger in folgender Höhe festgesetzt wird:

Erinnerungsführer zu 1): 63.171,86 EUR

Erinnerungsführer zu 2): 20.859,93 EUR

Erinnerungsführer zu 3): 20.859,93 EUR

Erinnerungsführerin zu 4): 835,25 EUR

Summe der Einzelansprüche: 105.726,97 EUR

2) Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

3) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

4) Die (außergerichtlichen) Kosten des Verfahrens tragen die Erinnerungsführer zu 87,72% und der Erinnerungsgegner zu 12,28%.

5) Der Streitwert wird auf 40.726,58 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.

Mit der Erinnerung wenden sich die Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 19.11.2009 im Klageverfahren 15 K 1225/02 F. Sie machen geltend, der einheitlich für alle Erinnerungsführer festgesetzte Erstattungsanspruch sei nach den aufgeführten Quoten für jeden einzelnen festzusetzen. So sei es auch beantragt worden. Die als Gesamtgläubigerschaft erfolgte einheitliche Kostenfestsetzung sei insofern von Bedeutung, als einerseits die Erinnerungsführer im Innenverhältnis für die Rechtsanwaltsgebühren abweichend von der Kostenfestsetzung aufgekommen seien und andererseits der Erinnerungsgegner aufgrund der einheitlichen Festsetzung unter Umständen Aufrechnungsmöglichkeiten erhalte, die ihm bei der beantragten Einzelfestsetzung nicht zustehen würden. Ferner seien im Beschluss die von den Erinnerungsführern gezahlten Gerichtskosten unberücksichtigt geblieben. Nach § 139 Abs. 1 FGO gehörten zu den aufgrund der Kostenentscheidung auszugleichenden Kosten auch die Gerichtskosten. Da der Erinnerungsgegner von den Kosten des Verfahrens 46,25% zu tragen habe, gelte dies auch für die von ihnen - den Erinnerungsführern - gezahlten Gerichtskosten. Dass der Erinnerungsgegner gerichtskostenfrei bleibe, spiele dabei keine Rolle. Schließlich sei die geltend gemachte Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO in Höhe von 9/10 für das Vorverfahren unberücksichtigt geblieben. Der Urkundsbeamte begründe seine Auffassung unter Hinweis auf verschiedene finanzgerichtliche Entscheidungen lediglich damit, dass bei einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen mehrerer Beteiligter der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit nicht derselbe sei. Dies sei weder erschöpfend, noch stichhaltig und lasse insbesondere jegliche Auseinandersetzung mit den bei Antragstellung geltend gemachten Argumenten vermissen. Schon dort sei dargelegt worden, dass andere Finanzgerichte die Frage im Sinne der Erinnerungsführer entschieden hätten und eine klärende Entscheidung des Bundesfinanzhofs dazu fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Erinnerungsschrift sowie auf die Ausführungen der Erinnerungsführer im Schreiben vom 16.07.2009 und dort die Ausführungen zu Ziffer 4).

Die Erinnerungsführer beantragen sinngemäß,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.11.2009 insoweit zu ändern, dass die erstattungsfähigen Kosten gegenüber den Erinnerungsführen einzeln festgesetzt werden und darüber hinaus die zu erstattenden Kosten um 46,25% der von den Erinnerungsführern gezahlten Gerichtskosten sowie ferner um eine Erhöhungsgebühr von 9/10 für das Vorverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zu erhöhen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Der Erinnerungsgegner hält die Einwendungen der Erinnerungsführer für unbegründet.

Das Gericht hat die Gerichtsakte des Klageverfahrens 15 K 1225/02 F beigezogen. Auf diese und auf die Schriftsätze der Beteiligten im Erinnerungsverfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Die Erinnerung ist teilweise begründet.

1) Das Gericht folgt der Auffassung der Erinnerungsführer, dass mehrere Streitgenossen hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs gegen den Prozessgegner keine Gesamtgläubiger sind, sondern dass jedem von ihnen ein individueller Anspruch zusteht, der auch individuell zu beantragen und festzusetzen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 15.09.2005 15 W 31-33/05, OLGR 2006, 573). Den Antrag auf Einzelfestsetzung haben die Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 19.11.2008 gestellt. Der Umstand, dass die festgesetzten Kosten zwischenzeitlich vom Erinnerungsführer in vollem Umfang erstattet worden sind und demzufolge ein finanzieller Nachteil durch eine mögliche Aufrechnung nicht mehr zu befürchten sein dürfte, steht dem Anspruch auf Einzelfestsetzung nicht entgegen. Zur Bestimmung der Einzelansprüche hat das Gericht den jeweiligen Anteil der Erinnerungsführer am Streitwert zugrunde gelegt.

2) Der (jeweils) festzusetzende Erstattungsanspruch war nicht um 46,25% der von den Erinnerungsführen bezahlten Gerichtskosten zu erhöhen. Es trifft zwar zu, dass zu den Kosten i. S. des § 139 Abs. 1 FGO neben den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen auch die Gerichtskosten zählen. Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführer ist für die Berechnung eines etwaigen Erstattungsanspruchs jedoch nicht allein auf die von ihnen bezahlten Gerichtskosten abzustellen. Vielmehr ist auch der Teil der Gerichtskosten einbeziehen, der dem Erinnerungsgegner auferlegt wird, den dieser durch die Regelung in § 2 Abs. 1 GKG allerdings nicht zu entrichten hat. Die dort vorgesehene Gerichtskostenfreiheit gründet sich darauf, dass der Bund und die Länder als Träger der Justizhoheit den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der Gerichtsorganisation haben (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, Vor § 135 FGO Rn. 11; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 139 FGO Rn. 132) und kommt daher lediglich ihnen zugute. Eine mittelbare Entlastung anderer Beteiligter - wie sie den Erinnerungsführern vorschwebt - ist durch § 2 Abs. 1 GKG weder beabsichtigt, noch entsprechend geregelt. Da die Erinnerungsführer - insoweit unstreitig - lediglich Gerichtskosten in Höhe von 53,75% der gesamten Kosten bezahlt haben und dies der Quote der ihnen auferlegten Verfahrenskosten entspricht, steht ihnen ein Anspruch auf Erstattung von Gerichtskosten nicht zu.

3) Der Kostenerstattungsanspruch ist auch nicht um eine Erhöhungsgebühr i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zu erhöhen. Nach dieser Vorschrift erhöht sich die Geschäftsgebühr um jeweils 3/10, wenn der Rechtsanwalt wegen desselben Gegenstands für mehrere Auftraggeber tätig wird. Motiv des Gesetzgebers für diese Erhöhung und darauf weisen die Erinnerungsführer zutreffend hin, ist das mit dem Vorhandensein mehrerer Beteiligter typischerweise verbundene Mehr an Arbeit und Aufwand, insbesondere durch die laufende Informationsaufnahme und Unterrichtung durch den Rechtsanwalt, aber auch die Erhöhung des Haftungsrisikos (dazu von Eicken in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Auflage, § 6 Rn. 1; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/v.Eicken Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, 1008 VV Rn. 36 zur vergleichbaren Vorschrift im RVG). Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit, dass der Bevollmächtigte für alle Erinnerungsführer und damit für mehrere Auftrageber tätig war. Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführer ist er aber nicht wegen "desselben Gegenstands" tätig gewesen. Für das Gericht ist hierbei ausschlaggebend, dass die Beteiligten bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nicht über die Geltendmachung einer jeden Erinnerungsführer in gleicher Weise treffenden steuerlichen Gesamtauswirkung streiten. Vielmehr streiten die Erinnerungsführer über die Summe der sie betreffenden steuerlichen Auswirkungsbeträge. Dass die Gewinnanteile aus Gründen der Zweckmäßigkeit (lediglich) verfahrensrechtlich in einem gesonderten und einheitlichen Verfahren festgestellt werden, ändert nämlich nichts an der Tatsache, dass die Beteiligten des Feststellungsverfahrens Steuersubjekt für die Einkommensteuer sind und bleiben und die festgestellten und ihnen zugerechneten Anteile sich erst im Rahmen der jeweiligen Einkommensteuerfestsetzung auswirken. In Übereinstimmung hierzu kommt auch beim Streitwert bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung die Summe der den einzelnen Verfahrensbeteiligten betreffenden steuerlichen Auswirkungsbeträge zum Ansatz. Diese Addition entspricht der Anordnung in § 7 Abs. 2 BRAGO, nach der mehrere Gegenstände derselben Angelegenheit zusammengerechnet werden. Auch dem Mehr an Arbeit und Aufwand durch das Vorhandensein mehrerer Beteiligter wird mithin durch die Addition der die Beteiligten betreffenden Beträge Genüge getan. Die Erinnerungsführer begehren indes sowohl die Addition der steuerlichen Auswirkungen auf ihre persönliche Einkommensteuer, als auch die Erhöhungsgebühr. Dies stellt eine unzulässige Kumulation der gesetzlichen Gebührenerhöhungssysteme in § 7 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 2 der BRAGO dar (ebenso FG Köln, Beschluss v. 07.09.1996 10 Ko 4446/95, EFG 1997, 127; FG Thüringen, Beschluss v. 25.01.2000 II 6/99 Ko, EFG 2000, 651). Die Rechtsprechung der Finanzgerichte, auf die sich die Erinnerungsführer berufen, rechtfertigt angesichts der vorstehenden Überlegungen ebenso wenig eine abweichende Entscheidung wie der Einwand der Erinnerungsführer, eine Entscheidung habe ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen können und betreffe dasselbe Rechtsverhältnis, nämlich die insofern einheitliche Gewinnfeststellung.

4) Danach war der Kostenerstattungsanspruch wie folgt festzusetzen:

Erinnerungsführer zu 1): 63.171,86 EUR (59,75%)

Erinnerungsführer zu 2): 20.859,93 EUR (19,73%)

Erinnerungsführer zu 3): 20.859,93 EUR (19,73%)

Erinnerungsführerin zu 4): 835,25 EUR (0,79%)

Summe der Einzelansprüche: 105.726,97 EUR (100%)

5) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

6) Der Streitwert und die Kostenquote ermitteln sich wie folgt:

Aufteilung: § 52 Abs. 2 GKG 5.000,00 Erhöhungsgebühr: wie beantragt 23.485,82 Gerichtskosten: zu 1 15.813,74 zu 2 5.221,84 zu 3 5.221,84 zu 4 209,08 Summe 26.466,50 davon 46,25% 12.240,76 Streitwert 40.726,58 Obsiegen Erinnerungsführer 12,28% Unterliegen Erinnerungsführer 87,72%






FG Düsseldorf:
Beschluss v. 12.05.2010
Az: 15 Ko 4622/09 KF


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