Bundespatentgericht:
Urteil vom 21. Juli 2004
Aktenzeichen: 4 Ni 17/03

(BPatG: Urteil v. 21.07.2004, Az.: 4 Ni 17/03)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 602 312 (Streitpatent), das als Teilanmeldung zu der europäischen Stammanmeldung EP 0 553 447 A1 am 8. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 4202544 vom 30. Januar 1992 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 592 06 131 geführt wird, betrifft ein Druckmaschinen-Temperierungssystem. Es umfasst 14 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen:

1.1. es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers (6, 107) der Druckmaschine ist;

1.2. die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124);

1.3. die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130);

1.4. eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130);

1.5. Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart "Feuchtwasser-Offsetdruck" unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung.

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei durch Weglassen des Merkmals der Blasluftkühlvorrichtung bzw. dessen nachträgliche Kennzeichnung als fakultatives Merkmal sowie durch Änderung der Beschreibungseinleitung gegenüber der ursprünglichen Stammanmeldung EP 0 553 447 A1 unzulässig erweitert worden. Zudem sei die Lehre des Streitpatents aufgrund offenkundiger Vorbenutzung eines Temperierungssystems mit einer Kälteanlage durch die Klägerin (Technotrans Temperierungssystem TTS) nicht neu und beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung bietet sie Zeugenbeweis und Beweis durch Einnahme eines Augenscheins an und beruft sich u.a. auf folgende Druckschriften:

- DE-OS 1 953 590 (Anlage K5 =D2)

- DE 28 49 286 A1(Anlage K11=D1)

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 602 312 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, sofern nicht unmittelbar oder mittelbar auf den Patentanspruch 12 bezogen, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält den Gegenstand des Streitpatents in allen Merkmalen für ursprünglich offenbart. Sie bestreitet die Offenkundigkeit der Vorbenutzung. Nach ihrer Auffassung ist zudem der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem der offenkundigen Vorbenutzung und dem druckschriftlichen Stand der Technik neu und auch erfinderisch.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der die in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 und 3 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a und c EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und unzulässigen Erweiterung geltend gemacht werden, ist unbegründet.

Der Klägerin ist es nicht gelungen, den Senat vom Vorliegen der genannten Nichtigkeitsgründe zu überzeugen.

1. Das Streitpatent betrifft ein Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine. Nach der Patentbeschreibung gibt es drei mögliche Betriebsarten des Druckplatten-Temperierungssystems, nämlich den wasserlosen Offsetdruck mit Blasluftkühlung durch die Blasluftkühlvorrichtung, den wasserlosen Offsetdruck durch Kühlung von Farbverreiberwalzen eines Farbwerkes mit dem gleichen Kaltwasser, mit welchem in der Blasluftkühlvorrichtung die Kaltluft gekühlt wird und den Feuchtwasser-Offsetdruck durch Befeuchten der Druckplattenoberfläche mit dem Feuchtwasser.

Bei wasserlosem Offsetdruck wird als Kühlflüssigkeit Wasser verwendet, das im folgenden als "Kaltwasser" bezeichnet wird. Die Kühlung beim Feuchtwasser-Offsetdruck erfolgt durch das "Feuchtwasser". Je nach Druckart müssen das Feuchtwasser und/oder das Kaltwasser gekühlt werden.

2. In Auslegung des Streitpatentes besteht das Problem darin, diese Kühlung des Feucht- und des Kaltwassers zu optimieren. Diese Problemstellung ergibt sich aus der Vorteilsangabe in Sp 9, Z 53 bis 59 der Streitpatentschrift, dass die vor allem beanspruchte Verwendung eines einzigen Kältemittelkreislaufes zusammen für das Kaltwasser und das Feuchtwasser eine wesentliche Einsparung an Material und einen wesentlich geringeren Energieaufwand für den Betrieb als bei bekannten Anlagen ergibt.

Patentanspruch 1 beschreibt dem gemäß ein Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine mit folgenden Merkmalen:

1.1 Es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, 1.1.1 von welchen eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine ist und 1.1.2 die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers (6, 107) der Druckmaschine ist;

1.2 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124);

1.3 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130);

1.4 eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit 1.4.1 einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176)

1.4.2 zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie 1.4.3 zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130);

1.5 Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen 1.5.1 der Betriebsart "Feuchtwasser-Offsetdruck" unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und 1.5.2 der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung.

3. Der Gegenstand des Streitpatents ist nicht unzulässig erweitert gegenüber der ursprünglichen Offenbarung.

Das Streitpatent ist eine durch Teilung der europäischen Patentanmeldung 92120878.1 (EP 0553 447 A1) nach Art 76 EPÜ entstandene Teilanmeldung. In der Stammanmeldung ist die Priorität der Voranmeldung DE 4202544 vom 30. Januar 1992 beansprucht. Die Stammanmeldung stimmt mit der Prioritätsanmeldung überein und enthält darüber hinaus keine zusätzlichen Merkmale.

Der im Patentanspruch 1 angegebene Gegenstand ist in den zur Stammanmeldung eingereichten Unterlagen offenbart.

Maßgeblich für das Verständnis des Gesamtinhalts von Stammanmeldung und des Gegenstands des Patents ist das Verständnis des Fachmanns. Fachmann ist hier ein Techniker oder Ingenieur der Kältetechnik, der mit einem Ingenieur des Maschinenbaus zusammenarbeitet, der berufliche Erfahrung auf dem Gebiet der Druckmaschinen für den Offsetdruck mit oder ohne Feuchtwasser und mit den daraus resultierenden temperaturbedingten Druckproblemen aufweist. Der Kältetechniker besitzt berufliche Erfahrung auf dem Gebiet der Temperiersysteme für Druckmaschinen.

Die Merkmale 1.1 bis 1.3 sowie 1.5.1 und 1.5.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sind in der Offenlegungsschrift EP 0 553 447 A1 der Stammanmeldung in Sp 7, Z 13 bis Sp 8, Z 25 offenbart. Für die weiteren Merkmale 1.4 bis 1.4.3 und 1.5 befindet sich die Offenbarung in Sp 10, Z 6 bis Sp 11, Z 17.

Die diesbezügliche Offenbarung der Merkmale in den ursprünglichen Unterlagen wird von der Klägerin nicht bestritten.

Die Klägerin führt aus, dass der Gegenstand des Streitpatents durch Weglassen des Merkmals der Blasluftkühlung bzw. dessen nachträgliche Kennzeichnung als fakultatives Merkmal sowie durch Änderung der Beschreibungseinleitung unzulässig erweitert worden sei.

Das ist nicht der Fall. Denn die ursprüngliche Anmeldung betrifft für den Fachmann offensichtlich erkennbar zwei vollkommen verschiedene Gegenstände. Zum einen betrifft sie eine Verbesserung der Blasluftkühlung. Durch eine spezielle Ausgestaltung des Luftzirkulationskreislaufes mit Gebläse 60, Wärmetauscher 52, Luftrückführkanälen 20, 22 und Wiederverwendung der zurückgeleiteten Luft 40, 41 wird eine Kühlung der Druckplattenoberfläche 4 durch Blasluft sichergestellt, deren Energiebedarf drastisch reduziert ist. Figur 1 und Anspruch 1 der Stammanmeldung sind auf diesen Gegenstand gerichtet. Dieser Gegenstand ist im Patentanspruch 1 des Stammpatents patentiert.

Als weiterer Gegenstand ist den ursprünglichen Unterlagen zur Reduzierung des erforderlichen Energiebedarfs eine besondere Ausgestaltung der Kühlanlage 190 zu entnehmen, die in Figur 2 gezeigt und in der Beschreibung Sp 10, Z 14 bis Sp 11, Z 17 der Stammanmeldung beschrieben ist. Es wird nämlich lediglich ein einziger Kältemittelkreislauf vorgesehen, der sowohl das Feuchtwasser 124 bei Feuchtwasser-Offsetdruck als auch das Kaltwasser 130 bei wasserlosem Offsetdruck kühlt. Durch eine Regelung wird abhängig von der Druckart über die Wärmetauscher 84 und 140 nur das Wasser gekühlt, das durch den Druck aufgeheizt ist. Durch diese Verwendung eines einzigen Kältemittelkreislaufes zusammen für das Kaltwasser und das Feuchtwasser ergibt sich nach der Stammanmeldung, Sp 11, Z 2 bis 9 eine wesentliche Einsparung an Material und ein wesentlich geringerer Energiebedarf. Die nachfolgende Verwendung des Feuchtwassers 124 und des Kaltwassers 130 zur Kühlung der Druckwerke 100, 200 - sei es durch Kühlung einer in das Feuchtwasser eintauchenden Walze 122 oder durch Kühlung von Blasluft oder der Kühlung der Farbverreiberrollen - ist für diese Ausgestaltung der Kühlanlage 190 ohne Bedeutung. Für den Fachmann ist nämlich offensichtlich, dass allein dieser den Unterlagen zu entnehmende einzige Kältemittelkreislauf sowohl für das Kalt- als auch für das Feuchtwasser die in der Anmeldung beschriebenen Vorteile zur Folge hat. Daher ist die Formulierung eines Anspruches zulässig, der sich ohne Angabe der Ausgestaltung der nachfolgenden Kühleinrichtungen hauptsächlich auf diesen offenbarten Gegenstand bezieht.

4. Das Druckmaschinen-Temperierungssystem nach Patentanspruch 1 ist neu.

Die DE 28 49 286 A1 betrifft eine Kühlvorrichtung für flüssige Schmier-, Arbeits- und/oder Kühlmittel, insbesondere für Werkzeugmaschinen. Gemäß S 10, 2. Abs ist eine solche Kühlvorrichtung ua auch für Druckmaschinen verwendbar. Der Beschreibung ist nicht zu entnehmen, dass eine solche Druckmaschine für den "Feuchtwasser-Offsetdruck" und den "wasserlosen Offsetdruck" ausgebildet sein soll und mit einer Kühlung für die Rotationskörper der Offsetdruckmaschine versehen ist.

Die DE-OS 19 53 590 betrifft lithografische Druckmaschinen. Auf Seite 2, 2. Abs, ist ausgeführt, dass unter lithografischen Druckmaschinen Hoch- und Flachdruckmaschinen verstanden werden sollen. Bezüglich der Flachdruckmaschinen (Offsetdruckmaschinen) ist ausgeführt, dass diese mit Feuchtwasser betrieben werden (vgl S 4, 3. Abs). Der Fachmann weiß aber auch, dass ein Druck in Hochdruckmaschinen ohne Feuchtwasser erfolgt. Andere Druckverfahren, insbesondere ein wasserloser Offsetdruck, werden in dieser Druckschrift demzufolge nicht offenbart. Mit Fig 3 ist eine Temperaturregeleinrichtung 15 offenbart, bei der mehrere gleiche oder ähnliche Kühlvorrichtungen 40, 41, 42 mit je einem Kälteerzeuger 43 in einem Druckwerk vorhanden sind. Je ein Kälteerzeuger ist für die Kühlung des Feuchtwassers und das Kaltwasser von je einer von zwei Farbwalzen 20, 21 vorgesehen. Demzufolge ist bei dieser Druckmaschine zumindest der Teil des Merkmals 1.4 des Patentanspruchs 1 nicht verwirklicht, der nur einen einzigen Kälteerzeuger vorsieht.

Die geltend gemachte Vorbenutzung eines Temperierungssystems der Firma fb technotrans GmbH mit der Zeichnung 040.1.1 - 4817 "Wasserkreislaufschema Heidelberg Web 16" vom 30. Januar 1987 (K12) zeigt zwei mit einem luftgekühlten Kondensator verbundene Kältemaschinen 1 und 2. Die Kältemaschine 2 soll nach Angaben der Klägerin in der Klageschrift S 18 letzter Abs für die Papierkühlung nach dem Druck verantwortlich sein und stellt demgemäß keine Kühlvorrichtung nach Anspruch 1 des Streitpatents dar. Im Folgenden soll auf eine Neuzeichnung (K20) der Zeichnung 040.1.1 - 4817 Bezug genommen werden, die am 12. März 2003 erstellt wurde und Bezugszeichen analog denen des Streitpatents enthält. Die Kältemaschine 1 arbeitet demzufolge mit einem Kälteerzeuger bestehend aus dem Kondensator 194 und dem Wärmetauscher (Verdampfer) 84. Mit dem Wärmetauscher 84 ist ein Kaltwasserkreislauf verbunden, der direkt zu einem weiteren Wärmetauscher 140 führt, in dem ein Übergang der Wärme vom Feuchtwasser des Feuchtwasserkreislaufs auf das Kaltwasser des Kaltwasserkreislaufs erfolgt. In der Rücklaufleitung des Kaltwasserkreislaufes ist ein Abzweig angeordnet, der einen weiteren Kaltwasserkreislauf bildet, mit dem die Farbwalzen 107 gekühlt werden. Im Wärmetauscher 84 findet ausschließlich ein Wärmetausch zwischen dem Kaltwasser der beiden Kaltwasserkreisläufe und dem Kältemittel des Kälteerzeugers statt. Es handelt sich bei diesem Temperiersystem um eine Hintereinanderschaltung (Kaskadenschaltung) der Kreisläufe für das Kaltwasser und für das Feuchtwasser. Die gesamte Wärmelast wird dabei ausschließlich über das Kaltwasser zum Wärmetauscher 84 abgeführt. Somit ist der Teil des Merkmals 1.4 des Anspruchs 1 des Streitpatents beim Temperierungssystems der Firma fb technotrans GmbH nicht erfüllt, der einen Wärmetausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser fordert. Der Fachmann liest dieses fehlende Merkmalsteil beim Gegenstand des Temperierungssystems der Firma f... GmbH auch nicht mit, da sich hierdurch, für ihn klar ersichtlich, eine weitreichende Umkonstruktion des Systems ergäbe. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass im Kaltwasserzweig zum Wärmetauscher 140 für das Feuchtwasser noch weitere Wärmetauscher zB für das Öl der Druckmaschine in Kaskade angeordnet sind, die nicht mit dem, mit aggressiven Zusätzen angereicherten Feuchtwasser gekühlt werden sollten.

5. Das Druckmaschinen-Temperierungssystem nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Sowohl die DE-OS 19 53 590 als auch die DE 28 49 286 A1 befassen sich nicht mit dem wasserlosen Offsetdruck. Die lithografische Druckmaschine nach der DE-OS 19 53 590 betrifft, wie bereits zuvor ausgeführt, den wasserlosen Hochdruck und den Flachdruck bzw Offsetdruck mit Feuchtwasser. Zu dieser Angabe aus der Druckschrift wird noch angeführt, dass sich Druckmaschinen für den wasserlosen Offsetdruck am Anmeldetag dieser Anmeldung (24. November 1969) noch in der Grundlagenentwicklung und demzufolge nicht am Markt befanden, vgl hierzu den Hinweis in der Anlage K23/Zeitschrift "Deutscher Drucker", Nr 11, 5. April 1990, S 246, erste Spalte, wonach "Mitte der 70er Jahre" in Japan versucht wurde, den wasserlosen Offsetdruck in die Praxis umzusetzen. In der DE 28 49 286 A1 wird zwar erwähnt, dass die dort beschriebene Kühlvorrichtung ua auch für Druckmaschinen verwendbar ist. Der Fachmann wird diesen Hinweis dahingehend interpretieren, dass das Getriebeöl bzw eventuell vorhandenes Hydrauliköl in der Druckmaschine gekühlt werden soll, um eine Wärmeübertragung auf temperaturempfindliche Bauteile, wie Farb- und Druckwalzen zu vermeiden. Ein konkreter Hinweis auf eine Verwendung dieser Kühlung in einer Druckmaschine für den wasserlosen Offsetdruck, speziell für deren Kaltwasser, ist hierdurch jedoch nicht gegeben. Der Fachmann greift daher diese Druckschriften nicht auf, wenn er bei einer Offsetdruckmaschine sowohl mit Feuchtwasser als auch wasserlos drucken möchte und in beiden Fällen eine ausreichende Temperaturstabilität während des Fortdrucks erzielen will, da er hier keine Anregung zur Lösung seines Problems erwartet.

Selbst wenn der Fachmann die DE-OS 19 53 590 trotz der zuvor genannten Hinderungsgründe aufgreifen sollte, weil er erkennt, dass das Hochdruckwerk durch ein Druckwerk für wasserlosen Offsetdruck ersetzt werden kann, indem hierfür geeignete Walzen zum Einsatz kommen und dass eine Kühlung der Farbwalzen einen wasserlosen Offsetdruck ermöglicht, führt ihn eine Kombination mit dem Gegenstand nach DE 28 49 286 A1 nicht ohne weiteres zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents. Der DE-OS 19 53 590 entnimmt der Fachmann die Lehre, gemäß Fig 3 eine Temperaturregeleinrichtung 15 bereitzustellen, die für jede einzelne Walze 20, 21 und für das Feuchtwasser einen eigenen Kälteerzeuger 40, 41, 42 vorsieht. Diese Kälteerzeuger können dabei gleich oder ähnlich aufgebaut werden. Jeder Kälteerzeuger wird über eine eigene Regelung 51 betrieben und kann über einen Schalter 54 an- bzw abgeschaltet werden. Der Wärmetausch erfolgt mit einem Wärmetauscher 45, bei dem das Kältemittel des Kälteerzeugers vom Feuchtwasser bzw vom Kaltwasser für die Walzenkühlung Wärme aufnimmt (S 15, 2. Abs bis S 16, 3. Abs). Als Vorteil dieser getrennten Regelung der einzelnen Kühlkreisläufe wird auf S 18 angeführt, dass die Temperatur der einzelnen Walzen und des Feuchtmittels (bei Offsetdruck) auf unterschiedliche Werte geregelt werden können. Dabei soll sich bei unterschiedlichen Temperaturen für die Walzen des Farbwerks ein schärferer Druck ergeben, weil die kältere Farbe einem Auseinanderfließen oder Verbreitern der Rasterpunkte entgegen wirkt. Wenn der Fachmann für eine solche, nunmehr auch im wasserlosen Offsetdruck betreibbare und darauf umrüstbare Druckmaschine die Anregung der DE 28 49 286 A1 aufgreift, und eine einzige Kältemaschine ausschließlich für die Kühlung von Kaltwasser für die Farbwalzen und von Feuchtwasser vorsieht, wird er auf den zuvor angeführten Vorteil der getrennten Farbwalzenregelung nicht verzichten und weiterhin zwei getrennte Regelungen für die beiden Farbwalzen und damit auch zwei Wärmetauscher für deren Kaltwasser neben dem Wärmetauscher für das Feuchtwasser vorsehen. Dies bietet sich dem Fachmann ohne weiteres an, weil auch die Kältemaschine nach der DE 28 49 286 A1 bereits drei Wärmetauscher für unterschiedliche zu kühlende Flüssigkeiten aufweist. Als Folge hiervon mag es sich auch anbieten, aus der DE 28 49 286 A1 bereits bekannte Mittel zum wahlweisen Umschalten zwischen den verschiedenen Druckarten vorzusehen. Es bietet sich jedoch nicht ohne weiteres an, die beiden Wärmetauscher für das Kaltwasser sowie den für das Feuchtwasser durch einen einzigen zu ersetzen, da hierzu diesen Druckschriften keine Anregung zu entnehmen ist.

Für den Fachmann besteht kein Anlass, beim angeblich vorbenutzten Temperie- rungssystems der Firma f... GmbH das wesentliche Merkmal - je einen Wärmetauscher zwischen dem Feuchtwasser und dem Kaltwasser sowie zwischen dem Kaltwasser und dem Kältemittel des Kälteerzeugers zu verwenden - durch die aus der DE 19 53 590 A1 bekannten Wärmetauscher-Kühlvorrichtung zwischen dem Feuchtwasser und dem Kältemittel des Kälteerzeugers zu ersetzen. Denn dieses angeblich vorbenutzte Temperierungssystem weist bereits weniger Wärmetauscher auf als die aus der DE 19 53 590 A1 bekannte Kühlvorrichtung und ist daher preiswerter und kompakter als diese. Ein solcher Ersatz der Kühlvorrichtung würde zu dem eine erhebliche Umkonstruktion, eine Verteuerung und eine Vergrößerung des Systems bewirken, weil die noch im primären Kaltwasserzweig verbleibenden Öl- und Gebläseluftkühler weiterhin dort verbleiben müssten.

Die Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung kann daher dahingestellt bleiben.

Patentanspruch 1 hat daher Bestand. Die Patentansprüche 2 bis 14 sind als vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruch 1 rechtsbeständig.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.

Müllner Küstner Bork Schuster Bülskämper Pü






BPatG:
Urteil v. 21.07.2004
Az: 4 Ni 17/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3ae1f17f9e59/BPatG_Urteil_vom_21-Juli-2004_Az_4-Ni-17-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share