Kammergericht:
Beschluss vom 23. Januar 2008
Aktenzeichen: 5 W 206/07

(KG: Beschluss v. 23.01.2008, Az.: 5 W 206/07)

1. Bei der Kostenfestsetzung gegen Streitgenossen, die nach Kopfteilen haften, sind die Beträge, die jeder einzelne Streitgenosse zu erstatten hat, auch einzeln festzusetzen. 2. In - nach Rechtshängigkeit verbundenen - aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen (betr. denselben Hauptversammlungsbeschluss) ist für die obsiegende beklagte Aktiengesellschaft nur eine Verfahrensgebühr ihres Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig.

Tenor

I. Auf die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1) bis 3) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2007 - 90 O 79/06 - teilweise geändert:

Die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 08. Januar 2007 zu erstattenden Kosten werden wie folgt festgesetzt:

1. Von der Klägerin zu 1) an die Beklagte 1.435,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2007,

2. von dem Kläger zu 2) an die Beklagte 1.435,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2007,

3. von der Klägerin zu 3) an die Beklagte 1.435,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2007,

4. von der Klägerin zu 4) an die Beklagte 3.680,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2007.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Wert der Beschwerdeverfahren beträgt 14.974,20 Euro, wobei auf die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1) bis 3) jeweils 2.245,80 Euro und auf die sofortige Beschwerde der Beklagten 8.236,60 Euro entfallen.

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig, aber nicht begründet, § 91 Abs. 1 ZPO.

1. Bezüglich der von der Beklagten geforderten (weiteren) Terminsgebühr (Wert 10.000,00 Euro) ist die sofortige Beschwerde unbegründet. Denn nach der - nicht nur vorübergehenden (vgl. hierzu OLG München, MDR 1990, 345, 346) - Verbindung der Verfahren kommt für die nachfolgend entstandene Terminsgebühr nur noch eine - nach dem neuen Wert - in Betracht. Jedenfalls mit der Verbindung sind die Verfahren eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG geworden (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1986, 219, 220; OLG Koblenz, JurBüro 1986, 1523, 1524).

2. Die Terminsgebühr ist hier nicht nach dem zusammengerechneten Wert der verbundenen Verfahren zu berechnen (Hilfsantrag der Beklagten). Auch insoweit ist die sofortige Beschwerde unbegründet, weil die Kostenfestsetzungsinstanzen an die erfolgte Wertfestsetzung gebunden sind. Der Wert der verbundenen Verfahren ist hier mit Beschluss vom 08. Januar 2007 auf 300.000,00 Euro festgesetzt worden.

II.

Die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1) bis 3) gegen die Festsetzung von drei weiteren Verfahrensgebühren nebst Auslagenpauschalen sind begründet, § 91 Abs. 1 ZPO. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, dass die vorliegend verbundenen Anfechtungsklagen vor ihrer Verbindung jeweils Teil weitergehender Klagen waren und sie zuvor dort abgetrennt worden sind, die hier abzurechnenden Verfahrensgebühren daher ohnehin nur anteilig (degressiv) angefallen wären.

51. Im Ergebnis zutreffend rügen die Kläger zu 1) bis 3), dass der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss nur den Gesamtbetrag der von allen Klägern zu erstattenden Kosten angibt, nicht aber den einzelnen Anteil, der auf jeden Kläger entfällt. Dies ist aus Gründen der Rechtsklarheit geboten (Kammergericht, OLGE 31, 29; Landgericht Berlin, Rpfleger 1978, 422 m. w. N.). Allerdings sind die Kläger zu 1) bis 3) insoweit materiell nicht beschwert, weil sich ihre anteilige Haftung auch aus dem Gesetz ergibt, § 100 Abs. 1 ZPO.

2. Das Landgericht hat im hier angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Juni 2007 drei weitere Verhandlungsgebühren nebst Auslagenpauschalen festgesetzt, weil zugunsten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten schon vor der Verbindung der vier aktienrechtlichen Anfechtungsklagen (§ 246 Abs. 3 Satz 3 AktG) vier Verhandlungsgebühren nebst Auslagenpauschalen (in den gesondert erhobenen Anfechtungsklageverfahren der vier Kläger) entstanden seien.

Dem ist hier nicht zu folgen.

a) Es ist schon zweifelhaft, ob die vier Anfechtungsklagen (betr. denselben Beschlussgegenstand) für den Prozessbevollmächtigten der Beklagten vier Angelegenheiten darstellten, § 15 Abs. 1 RVG.

aa) Der Begriff €Angelegenheit€ dient gebührenrechtlich zur Abgrenzung desjenigen zusammengehörenden anwaltlichen Tätigkeitsbereichs, den eine Pauschalgebühr abgelten soll (Hartmann, KostenG, 37. Aufl., § 15 RVG Rdn. 10). Maßgeblich ist ein innerer Zusammenhang der einzelnen Tätigkeiten, der auch bei zeitlich nachfolgenden Aufträgen vorliegen kann (OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 2005, 68; OLG Köln, JurBüro 1995, 470; OLG Schleswig-Holstein, SchlHA 1985, 164; Hartmann, a.a.0., § 15 RVG Rdn. 15).

10bb) Vorliegend waren die vier Anfechtungsklagen nach § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG von Anfang an zwingend zu verbinden. Gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG wirkt das Urteil, das einen Beschluss rechtskräftig für nichtig erklärt, für und gegen alle Aktionäre, auch wenn sie nicht Partei sind. Die verbundene Anfechtungsklage betreffen denselben Streitgegenstand (BGHZ 122, 211; OLG Stuttgart, DB 2001, 1549). Die Werte der verbundenen Verfahren werden daher nicht zusammengerechnet, sondern der Wert der verbundenen Verfahren bestimmt sich nach dem höchsten der jeweiligen Einzelstreitwerte (OLG Stuttgart, a.a.0.).

Ist zwar im Allgemeinen die Angelegenheit mit dem jeweiligen gerichtlichen Verfahren identisch (vgl. etwa OLG Koblenz, JurBüro 1986, 1523, 1524), so legen die aufgezeigten rechtlichen Besonderheiten der aktienrechtlichen Anfechtungsklage - wegen des von Anfang an bestehenden und unauflösbaren Sachzusammenhangs - die Annahme nur einer Angelegenheit für den Prozessbevollmächtigten der beklagten Gesellschaft nahe, auch wenn die Anfechtungsklagen von den Klägern in getrennten Verfahren rechtshängig gemacht worden sind (so auch für wechselseitige Scheidungsklagen Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 15 Rdn. 11; a.A. OLG Bamberg, JurBüro 1976, 774, 775).

b) Vorliegend waren die hier geltend gemachten Mehrkosten jedenfalls nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

aa) Bei wechselseitig erhobenen Scheidungsklagen ist es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung und -verteidigung regelmäßig ausreichend, wenn die Partei ihren Rechtsanwalt im Rahmen des bereits erteilten Klagemandats mit der Erwirkung eines Verbindungsbeschlusses beauftragt und von einer Doppelgebühren auslösenden Mandatserteilung absieht (KG, 1. Zivilsenat, MDR 1975, 1028, 1029; offen OLG Bamberg, a.a.0.).

bb) Dies gilt vorliegend für die notwendig von Amts wegen zu verbindenden und einheitlich zu entscheidenden aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren entsprechend. Wenn bei Anfechtungsklagen ausschließlich jeweils das Landgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 249 Abs. 1 Satz 1, § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG), so soll damit die Einheitlichkeit des Verfahrens von Amts wegen sichergestellt werden. Vorliegend hätte eine schlichte Mitteilung der anderweitigen Verfahren durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten an das Gericht genügt.

3. Die Klägerin zu 4) hat den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht angegriffen.

III.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung dieses Beschwerdeverfahrens beruhen auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 3 ZPO.






KG:
Beschluss v. 23.01.2008
Az: 5 W 206/07


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