Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. Juli 2007
Aktenzeichen: NotZ 54/06

(BGH: Beschluss v. 23.07.2007, Az.: NotZ 54/06)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesge- richts Stuttgart vom 17. November 2006 - Not 115/06 (Ba) - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner sowie den weiteren Beteiligten die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 €

festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb am 2. November 2005 auf seiner Homepage (http://www.justizbw.de) 25 Notarstellen - erstmalig zur hauptberuflichen Amtsausübung - an 15 Amtssitzen im badischen Rechtsgebiet aus. Innerhalb der bis zum 30. November 2005 laufenden Bewerbungsfrist gingen von 102 Bewerbern einschließlich der Mehrfachbewerbungen insgesamt 655 Bewerbungen ein, davon 47 für den Amtssitz B. .

Der Antragsteller ist Bezirksnotar beim Notariat B. . Er bewarb sich unter anderem auf die für B. ausgeschriebene Notarstelle. Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 teilte ihm der Antragsgegner unter auszugsweiser Beifügung seiner Auswahlentscheidung mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne, weil ihm die subjektive Zulassungsvoraussetzung des § 5 BNotO (Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz) fehle. Er beabsichtige, diese Stelle mit dem weiteren Beteiligten zu 2 zu besetzen; der weitere Beteiligte zu 1 erhalte eine von ihm vorrangig beworbene Stelle.

Der Antragsteller sieht sich durch die getroffene Auswahlentscheidung in seinen Rechten - insbesondere in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG - verletzt. Er hätte nicht von vornherein aus dem Bewerberkreis ausgeschlossen werden dürfen, weil § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO in der geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 22. Juli 2005 (BGBl. I S. 2188) auch die Bestellung von württembergischen Bezirksnotaren zu Notaren zur hauptberuflichen Amtsausübung im badischen Rechtsgebiet vorsehe. Der darin verwendete Begriff des "Notars im Landesdienst" erfasse gemäß § 2 LFGG und § 17 Abs. 1 Satz 1 LFGG neben den badischen Amtsnotaren auch die württembergischen Bezirksnotare. Das ergebe sich im Übrigen aus dem Gesetzgebungsverfahren und entspreche zudem dem Gesetzeszweck. Im ursprünglichen Gesetzentwurf sei noch ausdrücklich im Gesetzestext (§ 115 Abs. 3 Satz 1) verankert gewesen, dass Personen, die die Voraussetzungen des § 5 BNotO erfüllen und als Notare im Landesdienst bestellt sind, wie Notarassessoren zu hauptberuflichen Notaren bestellt werden können. Aufgrund von Widerständen habe der Bundesgesetzgeber später darauf verzichtet, das Erfordernis des § 5 BNotO in den Gesetzestext aufzunehmen. Damit habe er bewusst auch württembergischen Bezirksnotaren die Möglichkeit eröffnen wollen, hauptberuflicher Notar in Baden zu werden, um eine möglichst weite Öffnung des Notariats im badischen Rechtsgebiet zu erreichen.

Das Oberlandesgericht hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Inhalt, die Besetzungsentscheidung des Antragsgegners hinsichtlich der angefochtenen Notarstelle aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, über die Besetzung de Notarstelle Baden-Baden unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine sofortige Beschwerde, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die getroffene Auswahlentscheidung verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat der Antragsgegner ihn bei seiner Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt, weil ihm die Befähigung zum Richteramt fehlt. § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO befreit ihn nicht - wie das Oberlandesgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt hat - von dieser sich aus § 5 BNotO ergebenden subjektiven Voraussetzung für die Bestellung zum Notar gemäß § 3 Abs. 1 BNotO.

1. § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO versteht - anders als §§ 2, 3 und 17 LFGG - den Begriff des "Notars im Landesdienst" nicht als Oberbegriff für Amtsnotare im württembergischen (Bezirksnotare) und badischen (Justizräte, Oberjustizräte und Notariatsdirektoren) Rechtsgebiet, sondern bezieht sich nur auf die badischen Amtsnotare.

Aus Gründen der Normenhierarchie können landesrechtliche Vorschriften die Auslegung von bundesrechtlich verwendeten Begriffen für den Bereich des Bundesrechts grundsätzlich nicht beeinflussen. Die in § 2 LFGG enthaltene Legaldefinition der Notare im Landesdienst, die auch die württembergischen Bezirksnotare erfasst, könnte deshalb bei der Anwendung des § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO nur dann Bedeutung erlangen, wenn die Auslegung von § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO ergäbe, dass an die landesrechtliche Legaldefinition bundesrechtlich angeknüpft werden soll. Das ist indes nicht der Fall. Der Bundesgesetzgeber versteht unter dem Begriff des "Notars im Landesdienst" seit jeher nur die badischen Amtsnotare, die anders als die württembergischen über die Befähigung zum Richteramt verfügen (a). Anhaltspunkte für einen Willen des Gesetzgebers, den Begriff mit der Neufassung von § 115 BNotO durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 22. Juli 2005 anders als bisher in einem umfassenderen, württembergische Bezirksnotare einschließenden Sinne zu verstehen, sind nicht erkennbar (b).

a) Der Begriff des "Notars im Landesdienst" fand erstmals durch Art. 1 Nr. 32 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I S. 150) Eingang in § 115 BNotO. Er ersetzte den bis dahin in § 115 Satz 2 BNotO verwendeten Begriff der "nach den Vorschriften des badischen Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit bestellten Notare". Ausweislich der Begründung des der Änderung zugrunde liegenden Gesetzentwurfs sollte im Wege einer lediglich redaktionellen Änderung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das badische Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit außer Kraft getreten war und die Amtsbezeichnung der Notare im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe nunmehr "Notare im Landesdienst" laute (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung, BT-Drucks. 11/6007 S. 15).

Das bereits unmittelbar aus der Entstehungsgeschichte des § 115 BNotO a.F. abzuleitende, auf badische Amtsnotare beschränkte Verständnis des "Notars im Landesdienst" wird zusätzlich von der Systematik von § 114 BNotO und § 115 BNotO a.F. untermauert. Der Begriff des "Notars im Landesdienst" wird allein in der nur die badischen Amtsnotare betreffenden Vorschrift des § 115 BNotO a.F. gebraucht. Die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart tätigen Amtsnotare werden in § 114 BNotO - obwohl "Notare im Landesdienst" i.S. des § 2 LFGG - hingegen als "Bezirksnotare" bezeichnet.

b) Anhaltspunkte, dass der Bundesgesetzgeber dieses überkommene Verständnis des "Notars im Landesdienst" bei der Novellierung von § 115 BNotO durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung zugunsten eines weiteren, auch die württembergischen Bezirksnotare einschließenden Verständnisses aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil hält der Bundesgesetzgeber ausweislich der Vorschriften des § 114 BNotO einerseits und des § 115 BNotO andererseits an der begrifflichen Trennung zwischen den im württembergischen Rechtsgebiet tätigen "Bezirksnotaren" und den im badischen Rechtsgebiet tätigen "Notaren im Landesdienst" fest.

Gestützt wird dieses Ergebnis noch durch den Umstand, dass sowohl der das Gesetzgebungsverfahren einleitende badenwürttembergische Gesetzesantrag im Bundesrat (BR-Drucks. 226/04) als auch der diesem Antrag entsprechende Gesetzentwurf des Bundesrats (BT-Drucks. 15/3147) den Begriff der "Notare im Landesdienst" in Abgrenzung zu den württembergischen "Bezirksnotaren" verwendet. So werden in der Antrags- und in der Entwurfsbegründung unter "B., Zu Artikel 1, Zu Nummer 1 (Neufassung des § 114)" ausgeführt, es solle die Möglichkeit eröffnet werden, "[...] für das gesamte Land beispielsweise eine einheitliche Notarkammer Baden-Württemberg einzurichten, deren Vorstand dann [...] je ein nicht stimmberechtigter Bezirksnotar und Notar im Landesdienst angehören würde". Unter "B., Zu Artikel 1, Zu Nummer 2 (Neufassung des § 115)" wird ausgeführt, § 115 gleiche die für das badische Rechtsgebiet geltenden Regeln ohne wesentliche Änderungen der Verhältnisse für die Notare im Landesdienst an die für die Bezirksnotare nach § 114 BNotO geltenden Regelungen an.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers verfolgt § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO auch nicht den Zweck, die von § 5 BNotO vorausgesetzte Befähigung zum Richteramt für die Notare im Landesdienst i.S. des § 2 LFGG zu fingieren.

Dies ergibt sich bereits aus der Begründung für den der jetzigen Fassung des § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO zugrunde liegenden Formulierungsvorschlag der Bundesregierung. Danach sollten auch in Baden für die Bestellung von Notaren im Hauptberuf grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 5 ff. BNotO gelten; § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO sollte hingegen lediglich § 7 Abs. 1 BNotO ergänzen (Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 15/3147 S. 9, ebenso Beschluss und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 30. Juni 2004, BT-Drucks. 15/3471 S. 4, der sich den Formulierungsvorschlag der Bundesregierung zu eigen gemacht hat). Das widerlegt die Annahme des Antragstellers, der Verzicht des Bundesgesetzgebers, den im Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg (BR-Drucks. 226/04) und dem Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucks. 15/3147) für den Gesetzestext selbst vorgesehenen Verweis auf § 5 BNotO in das Gesetz zu übernehmen, zeuge von dessen Willen, auch den württembergischen Bezirksnotaren die Möglichkeit einzuräumen, Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung im badischen Rechtsgebiet zu werden.

Entgegen der Meinung des Antragstellers kann ferner aus der Zielsetzung des Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung nichts anderes abgeleitet werden. Aus ihr ergibt sich lediglich, dass freie Notare bestellt werden sollen. Zur Frage, welche Qualifikation diese aufweisen müssen, ist damit keine Aussage getroffen.

3. Der Antragsteller wird durch den angefochtenen Bescheid weder in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG noch in dem grundrechtsgleichen Recht des Art. 33 Abs. 2 GG verletzt.

Die Verfassungsmäßigkeit von § 5 BNotO ist nicht zweifelhaft (BVerfG ZNotP 2001, 436, 438). Dies gilt auch, soweit es um die Anwendung von § 5 BNotO auf Bewerbungen württembergischer Bezirksnotare um Stellen für Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung außerhalb des württembergischen Rechtsgebiets geht. Denn der Umstand, dass im württembergischen Rechtsgebiet mit den Bezirksnotaren Personen ohne die Befähigung zum Richteramt das Notaramt ausüben können, ist Folge der sich aus Art. 138 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Garantie gewisser Reservatrechte, die sich auch auf die Zulassungsvoraussetzungen für das Amt des Notars beziehen (Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 10. Aufl. Art. 138 Rn. 3; Stettner in: H. Dreier (Hrsg.), GG Bd. 3 2000 Art. 138 Rn. 6). Durch diese Garantie werden Unterschiede in den Zulassungsvoraussetzungen für die Bestellung zum Notar zwischen den genannten Ländern und Landesteilen vom Grundgesetz selbst hingenommen (vgl. Senat, BGHZ 38, 228, 232). Dass eine Notariatsverfassung weitergehende Voraussetzungen für die Bestellung einer Person zum Notar vorsieht als eine andere, die in ihrem Bestand von Art. 138 GG geschützt ist, kann deshalb allein Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzen (siehe auch v. Campenhausen in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III 3. Aufl. Art. 138 Rn. 9 f.; Sannwald, aaO Art. 138 Rn. 5 f; Stettner, aaO Art. 138 Rn. 8; Maunz in: Maunz/Dürig, GG [Stand: Januar 1976] Art. 138 Rn. 13, die die Unterschiedlichkeit der Systeme alle für verfassungskonform halten).

Dem Senatsbeschluss vom 1. August 2005 (NotZ 11/05, ZNotP 2006, 37) ist nichts anderes zu entnehmen. Der dort gegebene Hinweis, es sei nicht gelungen, Unterschiede in den beiden Ausbildungen deutlich zu machen, die die zweistufige Assessorenausbildung als gegenüber der Ausbildung zum Bezirksnotar generell überlegen erscheinen lassen (aaO S. 39 Rn. 13), erfolgte ersichtlich unter der Prämisse, dass nach § 114 Abs. 3 Satz 1 BNotO abweichend von § 5 BNotO im württembergischen Rechtsgebiet auch Personen mit der Befähigung zum Amt des Bezirksnotars zu Notaren zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellt werden können. Die Gleichstellung der Ausbildung zum Bezirksnotar mit der zweistufigen Assessorenausbildung wird damit für das württembergische Rechtsgebiet gesetzlich gefordert. Eine darüber hinausgehende Bedeutung in dem Sinne, dass Personen mit der Befähigung zum Amt des Bezirksnotars aus verfassungsrechtlichen Gründen entgegen dem Wortlaut des § 5 BNotO auch im badischen Rechtsgebiet oder gar in anderen Ländern zu Notaren zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellt werden könnten, ist daraus indes nicht abzuleiten. Es sollte für das weitere Verfahren nur vorgebeugt werden, bei dem Eignungsvergleich zwischen solchen Bewerbern auf vermeintliche Qualitätsunterschiede der beiden verschiedenen Ausbildungen abzustellen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt schließlich aus Art. 3 Abs. 1 GG keine Pflicht des Bundesgesetzgebers, entsprechend den im Zuge der Wiedervereinigung für die in der Deutschen Demokratischen Republik ausgebildeten und tätigen Diplom-Juristen in Ansehung der Gesamtregelung des Gesetzgebers zu ihrer Integration (vgl. BVerfG aaO S. 440) erlassenen ausnahme- und übergangsrechtlichen Sondervorschriften auch die Bezirksnotare bei der Bestellung zu freien Notaren außerhalb des württembergischen Rechtsgebiets vom Erfordernis des § 5 BNotO auszunehmen.

Schlick Wendt Becker Ebner Bauer Vorinstanz:

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 17.11.2006 - Not 115/06 (Ba) -






BGH:
Beschluss v. 23.07.2007
Az: NotZ 54/06


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