Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 31. Januar 2008
Aktenzeichen: I-2 U 77/06

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 31.01.2008, Az.: I-2 U 77/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil entschieden, dass die Klage gegen die Beklagte abgewiesen wird. Die Klägerin hatte eine Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut patentiert und war der Ansicht, dass die von der Beklagten hergestellte und vertriebene Landmaschine "XY" das Patent verletzt. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, jedoch hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.

Das Gericht führte aus, dass die angegriffene Ausführungsform nicht die Merkmale des Klagepatents wörtlich erfüllt. Insbesondere fehlt es an der Anordnung des Querförderkanals an der Rückseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen, wie es im Patentanspruch gefordert wird. Das Gericht argumentierte, dass der Fachmann bei der angegriffenen Ausführungsform erkennt, dass die Anordnung des Querförderkanals an der Rückseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen nur dann erforderlich ist, wenn das Erntegut auf die Rückseite dieser Einrichtungen transportiert wird, was bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall ist. Die angegriffene Vorrichtung weist zwar einen Querförderkanal an der Vorderseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen auf, jedoch erfüllt sie nicht die Anforderungen des Patents.

Das Gericht stellte fest, dass die angegriffene Ausführungsform auch nicht in äquivalenter Weise von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Der Schutzbereich eines Patents erstreckt sich nur auf wortsinngemäße Ausführungsformen sowie auf solche, die das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit abgewandelten, aber objektiv im Wesentlichen gleichwirkenden Mitteln lösen. Das Gericht befand, dass die angegriffene Ausführungsform nicht als gleichwertige Alternative zur Erfindung angesehen werden kann, da der Fachmann aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Patentanspruchs nur zu dem Schluss kommen kann, dass der Schutz des Patents nicht auf diese Alternative erstreckt werden sollte.

Das Gericht wies die Berufung der Beklagten ab und entschied auf Kosten der Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 31.01.2008, Az: I-2 U 77/06


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Juni 2006 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000.000,-- Euro festge-setzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 1 177 xxx betreffend eine Maschine zum Mähen stängelartigen Erntegutes (Klagepatent, Anlage K I 1), das auf einer am 6. Februar 2002 veröffentlichten Anmeldung vom 27. Juli 2001 beruht. Der Hinweis auf die Erteilung des Patentes ist am 9. März 2005 bekannt gemacht worden. Das Klagepatent nimmt eine deutsche Priorität vom 1. August 2000 in Anspruch. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Maschine (10) zum Mähen von stängelartigem Erntegut, mit mehreren seitlich nebeneinander angeordneten Einzugs- und Mäheinrichtungen (14) zum Abschneiden und Fördern des Ernteguts, an deren Rückseite ein Querförderkanal (26) vorgesehen ist, durch den das abgeschnittene Erntegut zumindest näherungsweise quer zur Vorwärtsfahrtrichtung transportierbar ist, wobei am stromab liegenden Ende des Querförderkanals (26) ein Einzugskanal (18) angeordnet ist, durch den das Erntegut einer Häckseleinrichtung aufgebbar ist,

gekennzeichnet durch

eine antreibbare Fördereinrichtung (32), die über dem und in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem Querförderkanal (26) angeordnet ist, um gegebenenfalls einen Stau zu beseitigen, der durch aus dem Querförderkanal (26) ausgetretenes Erntegut bedingt ist."

Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 der Klagepatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Gegen das Klagepatent hat die Beklagte Einspruch beim Europäischen Patentamt erhoben. Die Einspruchsabteilung hat das Klagepatent mit rechtskräftigem Beschluss vom 14. Juli 2006 aufrecht erhalten. Die den deutschen Teil des europäischen Patentes betreffende Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 20. November 2007 (Anlage K 10) abgewiesen. Die Entscheidungsgründe liegen nicht vor.

Gegenstand der vorliegenden Klage war weiterhin das zum Klagepatent parallele Gebrauchsmuster 201 22 xxx der Klägerin (Anlagen K II 1; WKS 11. Gegen das Gebrauchsmuster hatte die Beklagte einen Löschungsantrag gestellt. Das Landgericht hat das Verfahren insoweit abgetrennt und den Rechtsstreit nach § 19 GbMG ausgesetzt. Die Gebrauchsmusterabteilung hat das Gebrauchsmuster mit Beschluss vom 9. September 2007 gelöscht (vgl. Anlage WKS 10, S. 2).

Die Beklagte stellt her und vertreibt Landmaschinen, u.a. einen Maiserntevorsatz "XY", dessen Beschaffenheit sich aus den Abbildungen in den Anlagen K I 6, K I 7, K I/II 8, B 5 (nachfolgend eingeblendet) und B 6 ergibt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der "XY"-Maiserntevorsatz der Beklagten von der technischen Lehre des Klagepatentes überwiegend wortsinngemäß und, soweit der Querförderkanal statt auf der Rück- auf der Vorderseite der Mäheinrichtung und die antreibbare Fördereinrichtung in Vorwärtsfahrtrichtung hinter statt vor dem Querförderkanal angeordnet ist, mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln Gebrauch macht. Mit ihrer Klage nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt, hilfsweise die Aussetzung des Rechtsstreits. Sie hat gegenüber dem Verletzungsvorwurf eingewandt, die linearen Kettenförderer des angegriffenen Gegenstandes seien keine Einzugs- und Mäheinrichtung, darüber hinaus werde das Erntegut an der Vorderseite zum Einzugskanal gebracht, es fehle ein besonderer Querförderkanal, und die von der Klägerin als antreibbare Fördereinrichtung betrachteten Drehteller seien deshalb auch nicht über dem und in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem Querförderkanal angeordnet, und es werde auch kein Stau durch aus dem Querförderkanal ausgetretenes Erntegut beseitigt.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat dazu ausgeführt, dass der "XY"- Maiserntevorsatz der Beklagten von der technischen Lehre des Klagepatents teils wortsinngemäß, teils äquivalent Gebrauch mache. Die Merkmale 1 und 7 der nachstehenden Merkmalsgliederung (s. unten Abschnitt II.1) seien - unstreitig - wortsinngemäß verwirklicht. Die Merkmale der Merkmalsgruppe 2 bis 4 hingegen seien nicht wortsinngemäß verwirklicht, was sich aus der Anweisung des Merkmals 4 ergebe, dass "an der Rückseite" der Einzugs- und Mäheinrichtung ein Querförderkanal vorzusehen sei. Diese Anordnung sei nur dann erforderlich, wenn man von Mäh- und Einzugseinrichtungen ausgehe, die das Pflanzenmaterial auf die Rückseite derselben transportieren. Genau dies sei bei der Mähvorrichtung nach der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall. Gehe also der Patentanspruch von einem "auf der Rückseite" befindlichen Querförderkanal aus, so erkenne der Fachmann, dass nur solche Einzugs- und Fördereinrichtungen angesprochen seien, bei denen der Ernteguttransport überhaupt auf der Rückseite stattfinde. Die Merkmale 5 und 6 seien wortsinngemäß verwirklicht. Der Querförderkanal werde bei der angegriffenen Ausführungsform durch die Aussparungen in den oberen beiden umlaufenden Ketten der linearen Kettenförderer und die Stangen an den Stängelteilern gebildet. Des weiteren sei Merkmal 8 verwirklicht. Die seitlich des Einzugskanals vorhandenen Drehteller mit oben angesetztem Turm seien antreibbare Fördereinrichtungen im Sinne des Klagepatents, da sie einer Verbesserung der Gutförderung in Sondersituationen dienten. Auch bei der Mäheinrichtung der Beklagten komme es zu dem vom Klagepatent angesprochenen Problem, dass beim Abmähen der Endreihen eines Feldes sich nicht ausreichend viel Pflanzenmaterial im Querförderkanal befinde und sich Erntegutstängel quer vor den Einzugskanal legten. Dieses Problem löse die angegriffene Vorrichtung, indem die rotierenden auf ihrer Oberseite mit Mitnehmerelementen versehenen Drehteller die in ihrem Drehbereich abgelegten Pflanzenstängel dem Einzugskanal zuführten. Dem Durchschnittsfachmann, dem sowohl die Art der Mähmaschine nach dem Klagepatent mit den dort beschriebenen Einzugs- und Mäheinrichtungen bekannt sei, als auch die Art der Mäheinrichtung, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht sei, könne ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zu der Erkenntnis gelangen, dass eine antreibbare Fördereinrichtung, wie sie das Klagepatent vor dem Querförderkanal vorsehe, auch bei Mäheinrichtungen nach der angegriffenen Ausführungsform zur Verbesserung des Abtransports vor dem Einzugskanal quer abgelegten Ernteguts einsetzbar seien und dort notwendigerweise hinter dem Querförderkanal angebracht sein müssten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie führt unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen aus: Die angegriffene Ausführungsform mache lediglich von Merkmalen 1 und 7 des Klagepatents Gebrauch. Es fehle an den Merkmalen 2 und 3, weil die Maschine nicht über mehrere Einzugseinrichtungen verfüge, die seitlich nebeneinander angeordnet sind. Auch seien die Merkmale 5 und 6 nicht wortsinngemäß verwirklicht, weil es bei der angegriffenen Ausführungsform keinen Querförderkanal gebe, auch nicht bei technisch funktionaler Betrachtungsweise. Merkmal 6 sei nicht verwirklicht, weil dasjenige, was unter Umständen als "Einzugskanal" bei der angegriffenen Ausführungsform benannt werden könnte, nicht am stromabliegenden Ende des Querförderkanals angeordnet sei. Auch Merkmal 8 sei nicht verwirklicht, insbesondere nicht Teilmerkmal 8 a). Die "Drehteller mit oben angesetztem Turm" dürften zwar im Niveau oberhalb desjenigen angeordnet sein, was das Landgericht (zu Unrecht) als "Querförderkanal" qualifiziert habe, jedoch liege die betreffende, angebliche Fördereinrichtung nicht in Vorwärtsfahrtrichtung vor diesem Querförderkanal, sondern dahinter. Sie könne auch keinen Stau beseitigen, der durch aus dem Querförderkanal austretendes Erntegut bedingt sein könnte. Soweit das Landgericht angenommen habe, wo keine wortsinngemäße Erfüllung vorliege, liege eine äquivalente Verwirklichung vor, sei dem nicht zu folgen. Es fehle an der Gleichwirkung, weil das dem Klagepatent zugrunde liegende Problem blockierender herausgefallener Stängel bei der angegriffenen Vorrichtung nicht auftrete und die Abwandlung weder nahegelegen habe noch als gleichwertige Lösung erschienen sei.

Nach Abweisung der Nichtigkeitsklage beruft sich die Beklagte auf den Formsteineinwand. In diesem Zusammenhang bezieht sie sich auf die US 5,040,362 (Anlage 14a, Übersetzung Anlage 14b).

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatentes eingereichte Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor: Die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatents wortsinngemäß oder in äquivalenter Weise Gebrauch. Die Merkmale 2 und 3 seien durch die beiden nebeneinander angeordneten Kettenförderer erfüllt. Auch sei es zur Erfüllung der klagepatentgemäßen Aufgabe irrelevant, ob die Querfördereinrichtung, die nicht als räumlich gegenständlicher Kanal ausgebildet sein müsse, vor oder hinter dem Querförderkanal angeordnet sei, so dass das Merkmal 4 äquivalent verwirklicht sei. Gleiches gelte für das Merkmal 8 a). Gerade weil es im vorliegenden Fall im wesentlichen zwei Gattungen gebe, die klagepatentgemäße und die bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte, liege es für den Fachmann nahe, unabhängig von der Maschinengattung auftretende Probleme mit gleichen Mitteln zu lösen. Dementsprechend stelle sich bei der angegriffenen Ausführungsform ebenso wie bei dem Klagepatent das Problem des sich aus dem Querkanal lösenden Ernteguts, so dass auch das Merkmal 8 b) verwirklicht sei.

II.

Die Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Feststellung zur Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz zu. Die angegriffene Ausführungsform "XY"-Maiserntevorsatz der Beklagten macht von der Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch in äquivalenter Weise Gebrauch.

1. Das Klagepatent betrifft eine Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut, mit mehreren seitlich nebeneinander angeordneten Einzugs- und Mäheinrichtungen zum Abschneiden und Fördern des Ernteguts.

Derartige Maschinen sind aus der deutschen Offenlegungsschrift 195 31 918 (Anlage K I 4) bekannt. Sie weisen mehrere seitlich nebeneinander angeordnete Mäh- und Einzugstrommeln auf, bei denen das von äußeren Mäh- und Einzugstrommeln abgeerntete Gut zunächst an der Rückseite der Maschine in einem Querförderkanal seitlich transportiert wird und dann in den Einzugskanal eingeführt wird, also um 90 Grad entgegen der Fahrtrichtung nach hinten abgelenkt wird (Klagepatentschrift, Absatz 0004). Figur 1 dieser Offenlegungsschrift zeigt eine Erntemaschine mit insgesamt 8 Einzugs- und Mäheinrichtungen (1 bis 8), die dazu dienen, das stängelartige Erntegut mit ihren Aufnahmetaschen zu erfassen, bodennah abzuschneiden und infolge Rotation der Einzugs- und Mäheinrichtungen auf deren Rückseite zu befördern, wo sich ein Querförderkanal (21) befindet, in dem das abgeschnittene Erntegut unter Zuhilfenahme von Querfördertrommeln (25) bis zu dem in der Mitte angeordneten und vor dem Feldhäcksler (11) liegenden Einzugskanal geführt wird. Dabei behält das stängelartige Erntegut während seines Transports durch die Einzugs- und Fördereinrichtungen einschließlich des Querförderkanals seine im Wesentlichen aufrechte Orientierung bei. Um das Erntegut im Feldhäcksler, der zwischen der vorliegenden Einrichtung und der Zugmaschine angebracht ist, weiterverarbeiten zu können, muss es im Bereich des dem Häcksler vorgelagerten Einzugskanals im Vergleich zur Lage im Querförderkanal im Wesentlichen rechtwinklig nach hinten umgelegt werden. Hierzu werden Schrägfördertrommeln (69) benutzt. Darüber hinaus wird das stängelartige Erntegut aus seiner im Wesentlichen aufrechten Orientierung in eine horizontale Lage verbracht.

Das Klagepatent führt hierzu aus (Absatz 0005), dass es gelegentlich vorkommt, dass bei der Ernte - beispielsweise von Silomais - am Rand eines Feldes nur ein oder zwei Pflanzenreihen stehen bleiben, die noch abgeerntet werden müssen. Diese Pflanzenreihen können nur mit den äußeren Mäh- und Einzugstrommeln der Maschine geschnitten und eingezogen werden. Bei einer sehr breiten Maschine müssen die Pflanzen über einen längeren Weg durch den Querförderkanal zur Mitte der Maschine transportiert werden. Da an den mittleren Mäh- und Einzugstrommeln keine weiteren Pflanzen einlaufen, werden die geschnittenen Pflanzen nicht durch in den Querförderkanal eintretendes Material im Querförderkanal gehalten, sondern liegen relativ lose darin. Durch einen hohen Schwerpunkt bedingt, können sich die - im Wesentlichen aufrecht stehenden Pflanzen - beim Transport im Querförderkanal immer weiter nach unten neigen und rutschen dann mit ihren unteren Enden aus dem Querförderkanal heraus. Seitlich vor dem Einzugskanal sind Schrägfördertrommeln mit etwa vertikalen Drehachsen angeordnet, deren Aufgabe darin besteht, die Pflanzen in den Einzugskanal zu befördern. Die Schrägfördertrommeln sind aber nicht in der Lage, die mit den unteren Enden aus dem Querförderkanal herausragenden Pflanzen zu fassen. Die Pflanzen legen sich quer vor die Fördertrommeln und blockieren dann den weiteren Gutfluss.

Hiervon ausgehend bezeichnet es das Klagepatent als seine Aufgabe (Absatz 0007), die Gutförderung in einer Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut zu verbessern, insbesondere wenn nur ein Teil der Mäh- und Einzugstrommeln mit Pflanzenmaterial beaufschlagt wird.

Zur Lösung dieses Problems sieht Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Maschine (10) zum Mähen von stängelartigem Erntegut.

(2) Die Maschine (10) weist mehrere Einzugs- und Mäheinrichtungen (14) zum Abschneiden und Fördern des Erntegutes auf.

(3) Die Einzugs- und Mäheinrichtungen (14) sind seitlich nebeneinander angeordnet.

(4) An der Rückseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen (14) ist ein Querförderkanal (26) vorgesehen.

(5) Durch den Querförderkanal (26) ist das abgeschnittene Erntegut zumindest näherungsweise quer zur Vorwärtsfahrtrichtung transportierbar.

(6) Am stromabliegenden Ende des Querförderkanals (26) ist ein Einzugskanal (18) angeordnet.

(7) Durch den Einzugskanal (18) ist das Erntegut einer Häckseleinrichtung aufgebbar.

(8) Eine antreibbare Fördereinrichtung (32)

(a) ist über dem und in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem Querförderkanal (26) angeordnet,

(b) um gegebenenfalls einen Stau zu beseitigen, der durch aus dem Querförderkanal (26) ausgetretenes Erntegut bedingt ist.

Das Klagepatent führt dazu aus, dass durch die Fördereinrichtung das gestaute Erntegut auf die sich im Querförderkanal befindlichen Pflanzen geschoben werden könne, die das gestaute Erntegut mitreißen und in den Einzugskanal mitnehmen. Der Stau werde auf diese Weise selbsttätig und unproblematisch beseitigt. Es sei auch denkbar, dass die Fördereinrichtung das Erntegut in den Querförderkanal zurück befördere, von wo es in der Weise in den Einzugskanal gefördert werde, auf die auch das im Querförderkanal verbliebene Erntegut in den Einzugskanal gelange (Klagepatent, Absatz 0009, Zeilen 45 bis 54).

2. Dieser technischen Lehre entspricht die angegriffene Vorrichtung nicht. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Merkmale 2 bis 4 sowie Merkmal 8 a) des Klagepatents bei der angegriffenen Ausführungsform nicht wortsinngemäß verwirklicht sind.

Nach den Vorgaben der Merkmale 2 bis 4 weist die klagepatentgemäße Maschine mehrere seitlich nebeneinander angeordnete Einzugs- und Mäheinrichtungen zum Abschneiden und Fördern des Ernteguts auf, an deren Rückseite ein Querförderkanal vorgesehen ist. Mit diesen Merkmalen und den weiteren Merkmalen 5 bis 7, die sich mit den Transportfunktionen des Querförderkanals und der Weitergabe des Ernteguts über einen Einzugskanal an die Häckseleinrichtung befassen, knüpft das Klagepatent an die aus der DE 195 31 918 (Anlage K I 4) bekannte Maschine an, wie sich auch aus den Erörterungen in Abschnitt 0005 der Klagepatentschrift ergibt. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Merkmale 2 und 3 nicht isoliert gesehen werden können, sondern im Zusammenhang mit Merkmal 4 betrachtet werden müssen. Die Anweisung, den Querförderkanal auf der Rückseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen vorzusehen, hat trotz der rein funktionalen Abfassung der Merkmale 2 und 3 zwingend zur Folge, dass die als Mäh- und Einzugseinrichtungen bezeichneten Maschinenteile so konfiguriert sein müssen, dass sie das stängelartige Einzugsgut in den Bereich des Querförderkanals einziehen bzw. fördern können. Das geht nur, wenn die Einzugs- und Mäheinrichtungen das Erntegut zwischen sich durchlassen und auf ihre Rückseite gelangen lassen können. Bei der angegriffenen Vorrichtung, die nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichtes auf jeder Seite des Einzugskanals nur einen Kettenförderer aufweist, wird das Erntegut auf der Vorderseite nicht nur geschnitten, sondern auch quer zur Vorwärtsfahrtrichtung bis zum Bereich des Einzugskanals transportiert. Auf die Rückseite des Kettenförderers gelangt das Erntegut zu keinem Zeitpunkt.

Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die angegriffene Ausführungsform an der Vorderseite des Kettenförderers einen Querförderkanal sowie an dessen stromab liegenden Ende einen Einzugskanal im Sinne des Klagepatents aufweist. Hinsichtlich des Querförderkanals geben dir Merkmale 5 und 6 die Anweisungen, dass das abgeschnittene und eingezogene Erntegut im Kanal zumindest näherungsweise quer zur Vorwärtsfahrtrichtung der Maschine transportierbar ist und dass am stromab liegenden Ende des Kanals ein Einzugskanal angeordnet ist, durch den nach Maßgabe des Merkmals 7 das Erntegut einer Häckseleinrichtung aufgebbar ist. Im Rahmen der vorgenannten funktionsbezogenen Vorgaben ist der Durchschnittsfachmann frei, wie er den Querförderkanal konstruktiv anlegt und ausgestaltet. Das wird ihm in Abschnitt 0023 der Beschreibung auch nochmals ausdrücklich gesagt. Dort heißt es, die Ausgestaltung des Querförderkanals könne im Rahmen des erfindungsgemäßen Gedankens beliebig sein. So kann der Kanal z.B. - wie die Klagepatentschrift unter Bezugnahme auf die DE 195 31 918 (Anlage K I 4) ausführt - aus der Rückwand der Maschine und den davor angeordneten Einzugs- und Mäheinrichtungen gebildet sein, durch den das Gut durch die Einzugs- und Mäheinrichtungen im Zusammenwirken mit dahinter angeordneten Querfördertrommeln und dergleichen transportiert wird. Teile des Querförderkanals können auch geländerartige Führungen bilden. Alle diejenigen Einrichtungsteile gehören zum Querförderkanal, welche den Transport des abgeschnittenen Ernteguts quer zur Vorwärtsfahrtrichtung ermöglichen oder unterstützen.

Am stromab liegenden Ende des Querförderkanals ist, wie Merkmal 6 vorgibt, ein Einzugskanal angeordnet. Das ist dort, wo der Transport des abgeschnittenen Ernteguts quer zur Vorwärtsfahrtrichtung endet und eine Änderung der Bewegungsrichtung des Ernteguts in Richtung auf die Häckseleinrichtung erfolgt. Der Übergang kann beispielsweise mit Hilfe vor dem Einzugskanal angeordneter Schrägfördertrommeln erfolgen, wie dies im Ausführungsbeispiel in Abschnitt 0021 beschrieben ist.

Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Drehteller mit turmartigem Aufbau bei der angegriffenen Ausführungsform nicht Bestandteil des Querförderkanals oder des Einzugskanals ist, sondern als separate Fördereinrichtung angesehen werden kann, welche einen Beitrag dazu zu leisten vermag, dass aus dem Querförderkanal herausgerutschte Pflanzen wieder in den Gutfluss zurückgeführt werden. Durch die in der Merkmalsgruppe 8 beschriebenen Maßnahmen sollen die Nachteile beseitigt werden, die in Abschnitt 0005 der Patentbeschreibung detailliert aufgeführt werden. Die beschriebenen Nachteile hängen, wie dem Durchschnittsfachmann ohne weiteres erkennbar ist, gerade und vor allem mit der besonderen Ausgestaltung der im Stand der Technik vorgefundenen - und vom Oberbegriff des Patentanspruchs 1 übernommenen - Einzugs- und Mäheinrichtungen zusammen, die es bedingen, dass der Querförderkanal auf deren Rückseite angeordnet sein muss. Diese Konfiguration hat zur Folge, dass unter den in Abschnitt 0005 und in Abschnitt 0024 beschriebenen Bedingungen die Stängel mit ihren unteren Enden aus dem Querförderkanal herausrutschen und außerhalb des Gutflusses liegen bleiben. Weder die Fördermittel des Querförderkanals noch die des Einzugskanals können die so herausgerutschten Pflanzen wieder erfassen, und zwar regelmäßig auch nicht mittelbar durch die in den beiden Kanälen weiter transportierten Pflanzen. Demgemäß ist die antreibbare Fördereinrichtung nach der Vorgabe des Merkmals 8 a) über dem und in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem Querförderkanal angeordnet, wobei Merkmal 8 b) keine unmaßgebliche Zweckangabe ist, sondern klarstellt, dass die antreibbare Fördereinrichtung nicht Teil des Querförderkanals und/oder des Einzugskanals ist. Daraus folgt jedoch auch, dass Merkmal 8a) des Klagepatents nicht wortsinngemäß erfüllt ist, weil die Fördereinrichtung der angegriffenen Ausführungsform nicht vor dem Querförderkanal angeordnet ist.

3. Der Schutzbereich eines Patentanspruches erstreckt sich jedoch nicht nur auf wortsinngemäße Ausführungsformen, sondern auch auf solche Ausführungsformen, die vom Wortsinn abweichen, sofern sie das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit abgewandelten, aber objektiv im wesentlichen gleichwirkenden Mitteln lösen und seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als im wesentlich gleichwirkend aufzufinden, wobei jedoch die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. BGHZ 150, 161 ff. = GRUR 2002, 511 ff. = Mit. 2002, 228 ff. - Kunststoffrohrteil; BGHZ 150, 149 ff. = GRUR 2002, 515 ff. = Mitt. 2002, 212 ff. - Schneidmesser I; GRUR 2002, 519 ff. = Mitt. 2002, 216 ff. - Schneidmesser II; GRUR 2002, 527 ff. = Mitt. 2002, 224 ff. - Custodiol II).

Bei Anwendung dieser Grundsätze macht die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen 2 bis 4 sowie 8a) nicht in äquivalenter Weise Gebrauch. Es fehlt in jedem Fall an der Voraussetzung, dass der angesprochene Durchschnittsfachmann die bei der angegriffenen Vorrichtung verwirklichte Abwandlung als eine der im Wortsinn des Anspruches 1 beschriebenen Lösung gleichwertige Alternative in Betracht zieht. Den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien wird nicht schon durch die Feststellung Rechnung getragen, dass der Querförderkanal den Transport des stängelartigen Ernteguts zum Einzugskanal in gleicher Weise unabhängig davon besorgen kann, ob er an der Rückseite oder der Vorderseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen vorgesehen ist. Gerade auch vor dem Hintergrund der Aufgabe, die sich das Klagepatent gestellt hat, ist die Lage des Querförderkanals in Bezug zu den Einzugs- und Mäheinrichtungen im Zusammenhang mit der relativen Lage der antreibbaren Fördereinrichtung zum Querförderkanal zu sehen. Dem Durchschnittsfachmann ist ohne weiteres klar, dass das vom Klagepatent gerade in Abschnitten 0005 und 0024 detailliert beschriebene Problem der aus dem Querförderkanal herausrutschenden Pflanzen weitgehend entschärft wird, wenn der nachfolgende Gutfluss querliegende Stängel mitreißen und in den Einzugskanal befördern kann. Vor dem Hintergrund der bei ihm ohne weiteres vorauszusetzenden Kenntnis, dass Maschinen zum Mähen von stängelartigem Erntegut auch mit einem Querförderkanal an der Vorderseite der Einzugs- und Mäheinrichtungen vorgesehen werden können, jedenfalls wenn es sich dabei um sog. Kettenförderer handelt, kann der Durchschnittsfachmann in Anbetracht des klaren und eindeutigen Wortlauts des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nur zu dem Schluss kommen, der Schutz des Patents solle sich nicht auf diese Alternative erstrecken; denn anderenfalls hätte es aus seiner Sicht offensichtlich nahegelegen, die Angaben zur relativen Lage in Merkmalen 4 und 8 a) einfach wegzulassen und zu formulieren: "An den Einzugs- und Mäheinrichtungen ist ein Querförderkanal vorgesehen" (Merkmal 4) und "Es ist eine antreibbare Fördereinrichtung vorgesehen, die über dem Querförderkanal angeordnet ist" (Merkmal 8 a)).

Der Durchschnittsfachmann sieht, dass an der Ausgestaltung, wie sie in Merkmal 4 konzipiert ist und welche aus dem in der Klagepatentschrift zitierten Stand der Technik bekannt ist, keine Kritik geübt wird. Sie wird von der patentgemäßen Lösung vorausgesetzt, für gut befunden und übernommen. In der gesamten Klagepatentschrift gibt es keinen Hinweis, dass es sich insoweit nur um eine beispielhafte Konfiguration handeln könne. Ebenso wenig gibt es einen Hinweis, das mit der gattungsgemäßen Gestaltung verbundene und in Abschnitt 0005 dargestellte Problem könne auch durch die Änderung der relativen Lage des Querförderkanal zu den Einzugs- und Mäheinrichtungen beseitigt oder zumindest entschärft werden.

Die Einbeziehung der angegriffenen Vorrichtung in den Schutzbereich des Klagepatentes ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht möglich. Das Gebot Rechtssicherheit steht gleichwertig neben dem der angemessenen Belohnung des Erfinders. Mit ihm soll erreicht werden, dass der Schutzbereich eines Patentes für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist; sie sollen sich darauf verlassen und darauf einrichten können, dass die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung mit den Merkmalen des Patentanspruches vollständig umschrieben ist (BGH, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 1992, 305, 307 - Heliumeinspeisung; Benkard/Scharen, PatG, 10. Auflage, § 14 Rdn. 100 m.w.N.). Der Anmelder hat dafür zu sorgen, dass das, wofür er Schutz begehrt, sorgfältig in den Merkmalen des Patentanspruches niedergelegt ist (BGH, a.a.O.,- Mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 1987, 626 - Rundfunkübertragungssystem). Unterlässt er das, muss er sich mit einem entsprechend engeren Schutzbereich zufrieden geben. Die Angaben "an der Rückseite" und "in Vorwärtsfahrtrichtung" in Anspruch 1 des Klagepatentes stellen im Streitfall eindeutige und auch im Hinblick auf die Ausführungsbeispiele und die Beschreibung nicht relativierbare Festlegungen dar, auf deren unbedingte Geltung im Rahmen der schutzbeanspruchten Lehre sich Außenstehende müssen verlassen können. Aus dieser Erfindung für eine Vorrichtung in Anspruch genommen zu werden, die genau das Gegenteil desjenigen macht, was im Patentanspruch 1 gefordert wird, nämlich den Querförderkanal in Vorwärtsfahrtrichtung auf der Vorderseite anbringt und die antreibbaren Fördereinrichtungen in Vorwärtsfahrtrichtung hinter dem Querförderkanal vorsieht, wäre für Dritte auch nach fachkundiger Beratung nicht vorhersehbar.

4. Auf den Formsteineinwand und die Aussetzungsfrage braucht vorliegend nicht mehr eingegangen zu werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es bestand kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 31.01.2008
Az: I-2 U 77/06


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