Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 5. November 2013
Aktenzeichen: 4 U 72/13

(OLG Hamm: Beschluss v. 05.11.2013, Az.: 4 U 72/13)

Hat das Landgericht trotz Rüge keinen Vorabbeschluss über die Zulässigkeit des Rechtsweges erlassen und durch Urteil entschieden, kann die Verweisung an das Verwaltungsgericht durch Beschluss des Oberlandesgerichts im Berufungsverfahren erfolgen. Ob eine Stadt ihren Bürgern für die Erteilung von Personalausweisen und Reisepässen das kostenlose Anfertigen des notwendigen Lichtbildes in ihrem "Bürgerbüro" anbieten darf, betrifft die von den Verwaltungsgerichten zu entscheidende Frage der Zulässigkeit des Marktzutritts der öffentlichen Hand.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. März 2013 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster aufgehoben und der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Münster verwiesen.

Diesem bleibt die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits vorbehalten.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt in W ein Fotofachgeschäft. Ihr Schwerpunkt liegt auf fotografischen Dienstleistungen. Ausweislich ihres aktuellen Internetauftritts bietet sie auch die Anfertigung von Lichtbildern für Personalausweise und Reisepässe an.

Die Beklagte ist eine öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft. Als Personalausweis- und Passbehörde nimmt sie in ihrem "Bürgerbüro" die Anträge ihrer Bürger auf Ausstellung von Personalausweisen und Reisepässen entgegen, erfasst dazu die erforderlichen Daten einschließlich Fingerabdruckfoto und biometrischem Lichtbild in elektronischer Form, speichert diese digitalisierten Daten und leitet sie an den Ausweishersteller (bisher regelmäßig die Bundesdruckerei) weiter.

Seit Mitte 2011 bietet die Beklagte ihren Bürgern an, das für die Erteilung von Personalausweisen und Reisepässen notwendige Lichtbild in digitalisierter Form vor Ort in ihrem "Bürgerbüro" zu fertigen, und zwar kostenlos.

Ein Artikel über dieses Angebot der Beklagten fand sich am 29.04.2011 in der N-Zeitung (Anlage K1/Bl. 10 d.A.). Ferner weist das Anschreiben der Beklagten (Anlage K2/Bl. 11 d.A.) anlässlich des Ablauf des Personalausweises den Adressaten hierauf hin. Zudem enthält auch der Internetauftritt der Beklagten entsprechende Hinweise (Anlagen K3 und K4/Bl. 12 und Bl. 14 d.A.), ohne allerdings ausdrücklich zu betonen, dass die Anfertigung unentgeltlich erfolgt.

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2012 (Anlage K12/Bl. 27ff. d. A.) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 08.10.2012 (Anlage K8/Bl. 19ff. d.A.) ab.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, dass diese es unterlässt, ihren Bürgern die Herstellung von "Passbildern" anzubieten, diese zu fertigen und damit zu werben, hilfsweise die unentgeltliche Herstellung von Passbildern anzubieten, diese zu fertigen und dafür zu werben. Ferner hat sie anwaltliche Abmahnkosten in Höhe von 859,80 € geltend gemacht.

Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung die fehlende Zuständigkeit der Zivilgerichte zur Entscheidung über das Klagebegehren beanstandet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:

Das Landgericht habe das Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Handlung im Bereich der Betätigung der Behörde im privaten Wettbewerb zu eng ausgelegt. Es habe verkannt, dass der dort genannte Unternehmensbegriff weit auszulegen sei und nur Tätigkeiten außerhalb des geschäftlichen Verkehrs bzw. nicht marktbezogenes geschäftliches Handeln ausgesondert werden sollten. Greife die öffentliche Hand in den Markt ein bzw. verknüpfe sie ihre öffentlichrechtlichen Aufgaben mit marktbezogenem Handeln, so könne sie sich ihrer wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit nicht entziehen und keine Sonderstellung auf dem jeweiligen Markt mit Hinweis auf eine fehlende Unternehmereigenschaft für sich in Anspruch nehmen.

Es sei sinn - und zweckwidrig, ersichtlich marktrelevantes Handeln der Beklagten, das auf dem privaten Markt des "Passbildgeschäfts" zu erheblichen Verwerfungen führe, als bloß behördliche Annexhandlungen aus der wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsprüfung auszuschließen. Unklar sei, welche Bedeutung das Erstgericht der öffentlichrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 1 PAuswV beimesse. Die Fertigung von Passbildern gehöre nicht zur hoheitlichen Aufgabe der Beklagten, sondern sei ein rein privates Angebot an die Bürger anlässlich der Beantragung eines Personalausweises. Wenn die Behörde nicht hoheitlich tätig werde, werde sie privatrechtlich wie jeder andere auch tätig und sei dabei aufgrund ihrer auf Dauer angelegten, selbstständigen Organisationsform ein eigenes Unternehmen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, das durch seinen Markteintritt in das Passbildgeschäft wirtschaftlich tätig sei und auf diesem Markt zum Mitbewerber werde.

Dass diese Tätigkeit eventuell nur ein "Annex" oder eine bloß untergeordnete Hilfstätigkeit der Behörde sein könne, schließe eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht aus.

Dass die Beklagte ihre Leistung derzeit noch unentgeltlich anbiete bzw. neben den öffentlichrechtlichen Ausweisgebühren noch kein zusätzliches Entgelt fordere, schließe ein "eigenes Unternehmen" der Beklagten im Sinne des Wettbewerbsrechts nicht aus. Es sei eine unternehmerische Entscheidung, ob und in welcher Höhe ein Entgelt verlangt werde. Die Beklagte könne schon morgen ein solches privates Entgelt für ihre Passbilderstellung fordern. Das perfide Geschäftsgebaren, zunächst Mitbewerber durch Dumping-Preise oder unentgeltliche Leistungen aus dem Markt zu drängen, sei selbstverständlich eine geschäftliche Handlung. Soweit für den Unternehmensbezug die Erlangung einer Gegenleistung gefordert werde, genüge es, dass die angebotene Leistung auf dem Markt gegen Entgelt angeboten werde. Maßgeblich seien nicht Anlass und Grund für ein Tätigwerden im Wettbewerb, sondern die tatsächliche Stellung im Wettbewerb.

Die Argumentation des Erstgerichts sei widersprüchlich, wenn es sich einerseits bei dem beanstandeten Passbildgeschäft der Beklagten "lediglich" um einen "Annex" handeln, es aber andererseits nicht darauf ankommen solle, ob die Mitarbeiter der Beklagten im Bürgerbüro die von ihnen gefertigten digitalen Passbilder auch zu anderen Zwecken als der Ausweisbeantragung herausgäben. Dies sei nachweislich zumindest einmal der Fall gewesen. Rechtlich begründe dieser Einzelfall eine Wiederholungsgefahr, die die Beklagte nicht ausgeräumt habe. Das Erstgericht verkenne, dass deshalb die Herausgabe der digitalen Passbilder seitens der Beklagten zur freien Verfügung der Verbraucher durchaus streitgegenständlich gewesen sei. Denn dies habe den Markteingriff der Beklagten noch vertieft, und habe gezeigt, dass es sich beim Passbildgeschäft der Beklagten nicht nur um eine bloße Annextätigkeit zu deren öffentlich - rechtlichen Aufgaben gehandelt habe.

Die Beklagte verquicke in unzulässiger Weise ihre öffentlichrechtlichen Aufgaben mit der privatwirtschaftlichen Tätigkeit des Werbens, Anbietens und Fertigens von Passbildern und greife damit in erheblicher Weise in den privaten Markt ein, so dass die privaten Mitbewerber in ihrer Existenz bedroht würden. Es sei weder erforderlich noch sachgerecht, dass die Beklagte im Zuge der Ausweisbeantragung die Dienstleistung des Erstellens digitaler Lichtbilder als "kostenlosen Service" anbiete. Es gebe genügend fachkundige private Anbieter, die qualitativ bessere Passbilder produzieren würden. Besonders perfide sei es, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung extensiv werbe und dabei bewusst den falschen Eindruck erwecke, nur sie beherrsche die Erstellung biometrischer, digitaler Fotos als "hoheitliche Aufgabenerfüllung".

Die Beklagte missbrauche ihre amtliche Autorität sowie das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung, wenn sie noch im hiesigen Prozess von einer angeblich hoheitlichen Aufgabe der Passbilderstellung spreche, zudem über die Qualität und Zulassung der biometrischen Passbilder entscheide und für ihre Werbung in ihren Anschreiben an die Bürger amtlich erlangte Daten, Informationen und Beziehungen nutze, um sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.

Die Beklagte berücksichtige die berechtigten Belange privater Mitbewerber nicht und mache durch ihre Preisunterbietung und Monopolstellung als Personalausweis - und Passbehörde das Geschäft der privaten Mitbewerber ohne sachlichen Grund kaputt. Seit jeher sei die Erstellung von Lichtbildern eine private Dienstleistung von Fotografen oder des Fotofachhandels bzw. des Fotografenhandwerks. Die Herstellung von Passbildern gehöre zu deren Existenzgrundlage. Die Beklagte dürfe die sachlich berechtigten Interessen dieser privaten Wettbewerber nicht außer Acht lassen, um ihr Image oder ihren "Service" zu verbessern. Die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Preisunterbietung oder unentgeltliche Zuwendung der Leistung sei unlauter, wenn sie zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes führe. Die Beklagte trage aufgrund ihrer öffentlichen Ausstattung kein unternehmerisches Risiko. Eine Wettbewerbshandlung der öffentlichen Hand, die in erheblichem Maße den Wettbewerb privater Anbieter beeinträchtige und außer Verhältnis zu den Maßnahmen, welche zur Erfüllung der der Beklagten obliegenden gesetzlichen Aufgaben erforderlich sei, stehe, sei wettbewerbswidrig. Gehe man von einer gezielten Preisunterbietung mit Verdrängungsabsicht aus, greife auch das Regelbeispiel des § 4 Nr. 10 UWG ein.

Es gehe nicht um eine untergeordnete Hilfstätigkeit zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens. Es sei keine wesentliche Beschleunigung oder Arbeitserleichterung des Verwaltungsvorgangs durch die Erstellung der Passbilder seitens der Behörde erkennbar. Es sei nicht richtig, dass die digitalen Fotos der Beklagten deren Arbeit erleichtern würden, oder dass die Mitbewerber ihren Kunden immer nur Lichtbilder in Papierform fertigen und aushändigen würden. Jeder Fotograf arbeite mit digitalen Kameras. In der Regel würden auch die Passbilder digital aufgenommen. Der Kunde könne die Passbilder auf Datenträger als Bilddatei erhalten. Eine Übertragung von der Klägerin ins Bürgerbüro der Beklagten sei ohne weiteres möglich.

Das Erstgericht würdige auch nicht, dass die Beklagte tatsächlich entgegen ihrer Verlautbarungen digitale Passbilder an Bürger zu deren freien Verwendung und insbesondere auch für andere Ausweise als Personalausweise herausgebe. Dies belege, dass die Beklagte die Passbilder nicht bloß in enger Verbindung mit ihrer öffentlichrechtlichen Aufgabe zur Arbeitserleichterung und damit als bloßen Annex herstelle, sondern voll und ganz in das gewerbliche Fotografengeschäft eingestiegen und ein echter Mitbewerber auf diesem Markt geworden sei.

Im Übrigen werde nochmals klargestellt, dass die Klägerin seit über 30 Jahren Passbilder für ihre Kunden herstelle und diese, seit es die biometrischen Erfordernisse gebe, auch in entsprechender Qualität für Personalausweise und Pässe anbiete. Das Geschäft mit diesen Passbildern sei für sie Teil ihrer Existenzgrundlage.

Die Klägerin hat den Klageantrag zu III., die Beklagte zu verurteilen, an sie 859,80 € zu bezahlen, im Senatstermin am 05.11.2013 zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

unter Aufhebung des am 22.03.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster, Az.: 23 O 146/12,

I. die Beklagte zu verurteilen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, durch ihr Bürgerbüro bzw. ihr Passamt und/oder ihre Personalausweisbehörde die Herstellung von "Passbildern" (Lichtbildern) ihren Bürgern anzubieten und diese zu fertigen sowie damit in amtlichen Mitteilungen oder kommunalen Informationen insbesondere in Zeitungsanzeigen, Schreiben an ihre Bürger oder auf ihren Internetseiten zu werben,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, durch ihr Bürgerbüro bzw. ihr Passamt und/oder ihre Personalausweisbehörde die unentgeltliche Herstellung von "Passbildern" (Lichtbildern) ihren Bürgern anzubieten und diese zu fertigen sowie damit in amtlichen Mitteilungen oder kommunalen Informationen insbesondere in Zeitungsanzeigen, Schreiben an ihre Bürger oder auf ihren Internetseiten zu werben,

II. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft, zu vollziehen am Bürgermeister als gesetzlichem Vertreter der Beklagten, bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:

Es fehle bereits an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten.

Da die Beklagte keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke mit den Mitteln des Privatrechts verfolge, gebe es keine Vermutung dahin, dass ihre Tätigkeit eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 UWG darstelle.

Die Beklagte handele in Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Sie sei im Rahmen des § 7 Abs. 1 PAuswV ausdrücklich ermächtigt, entsprechende Bilder zu fertigen. In Bezug auf Lichtbilder für Pässe sei eine derart ausdrückliche Ermächtigung (noch) nicht vorgesehen. Der Existenz des § 7 PAuswV lasse sich jedoch entnehmen, dass die Erstellung biometrischer Fotos für Ausweisdokumente in den Bereich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben falle.

Selbst wenn man ein geschäftliches Handeln der Beklagten bejahen wollte, sei dieses nicht per se unlauter.

Die im Rahmen der Lichtbilderstellung durchgeführte Randnutzung der vorhandenen Ressourcen sei nicht unlauter, weil sich für den völlig untergeordneten Arbeitsvorgang der Lichtbilderstellung keine zusätzlichen Kosten ermitteln ließen.

Ferner ziele die Tätigkeit der Beklagten weder auf die Verdrängung von Wettbewerbern ab noch gefährde sie den Wettbewerbsbestand. Die Klägerin habe nicht ansatzweise dargelegt, dass der dortige Wettbewerb durch die Beklagte in einem nicht unerheblichen Umfang zu einer Ausschaltung des Leistungswettbewerbs, zumindest zu einer Gefahr für dessen Bestand führe.

Selbst eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand, die zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes führe, sei nur unlauter, wenn sie über das verfassungsrechtlich Zulässige und sachlich Gebotene hinausgehe. Dies sei beim Anbieten der Erstellung von Lichtbildern nicht der Fall. Die Bilder würden nicht an den Bürger herausgegeben. Sie würden zudem im Hinblick auf ihre Qualität nicht darauf abzielen, professionell erstellte Fotos zu ersetzen.

Die Beklagte missbrauche nicht ihre amtliche Autorität, wenn sie Bürger auf diese Tätigkeiten hinweise. Die Beklagte verfolge keinerlei fiskalisches Interesse. Ihr Service diene weder der Förderung des eigenen noch des fremden Wettbewerbs. Es stehe allein das Interesse an der Versorgung der Bürger im Vordergrund.

Soweit die Klägerin mit ihrem Haupt- und Hilfsantrag ein grundsätzliches Verbot der Betätigung der Beklagten in Bezug auf Lichtbilder für Personalausweise oder Pässe durchzusetzen suche, sei dies unzulässig. Denn die Beklagte solle damit verpflichtet werden, von der Fertigung der Passbilder selbst dann Abstand zu nehmen, wenn ihr Handeln sich im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen und sachlich Gebotenen halte. Der Antrag der Klägerin sei in dieser Form unbegründet.

Die Klägerin verfolge ihre Ansprüche weiterhin im Rahmen einer unzulässigen alternativen Klagehäufung. Sie mache mehrere Streitgegenstände geltend.

Die Klägerin repliziert hierauf mit Schriftsatz vom 17.09.2013 wie folgt:

Die Beklagte behaupte zum wiederholten Male wahrheitswidrig, dass sie die von ihr gefertigten digitalen Bilder nicht an die Bürger herausgebe. Bei dem von der Klägerin bewiesenen Fall habe es sich nachweislich nicht um einen Einzelfall gehandelt.

Die Beklagte missbrauche unter dem Deckmantel einer angeblich behördlichen Tätigkeit ihr "Bürgerbüro" dazu, in den privaten Wettbewerb in unlauterer Weise unter Ausnutzung ihrer öffentlichrechtlichen Stellung und Ausstattung einzugreifen. Die existenzgefährdenden Auswirkungen dieses völlig unnötigen Eingriffs der Beklagten auf die privaten Mitbewerber habe die Klägerin bereits ausführlich dargelegt, Untersuchungen hierzu vorgelegt und Beweis angetreten.

Auch § 7 Abs. 2 PAuswV biete als bloß verwaltungsrechtliche Verordnung keine Ermächtigungsgrundlage für einen Verstoß gegen § 3 UWG. Andernfalls sei die Vorschrift wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig. Gemäß der Verordnungsermächtigung dürfe das Bundesinnenministerium durch Verordnung lediglich "die Einzelheiten über das Verfahren und die technischen Anforderungen für die Erfassung und Qualitätssicherung des Lichtbildes" regeln.

Aus Sicht des Wettbewerbsrechts sei der Wettbewerbseingriff der öffentlichen Hand zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nicht sachlich geboten oder unter Berücksichtigung der privaten Interessen gerechtfertigt. Die Passbilderstellung sei weder ein hoheitlicher Akt noch ein unwesentlicher Annex dazu. Das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht sei ebenso unerheblich wie der Anlass und der Grund für ein Tätigwerden im Wettbewerb.

Die Klägerin verfolge ihre Ansprüche nicht im Rahmen einer unzulässigen alternativen Klagehäufung. Als private Mitbewerberin begehre sie von der Beklagten als öffentliche Hand, dass diese ihr (unentgeltliches) Passbildgeschäft unterlasse. Die Beklagte missbrauche durch ihre Werbung, Preisgestaltung und Bearbeitung der Anträge auf Erteilung eines Personalausweises oder Reisepasses ihre öffentlichrechtliche Ausstattung, ihre amtliche Autorität sowie ihre Monopolstellung als Personalausweis- und Passbehörde und gefährde damit den Wettbewerb des Passbildgeschäfts. Das Geschäftsgebaren der Beklagten sei ein einheitlicher Lebensvorgang.

Die Vorbereitung des Passbildgeschäftes unter Ausnutzung des behördlichen Datenbestandes, die öffentlichen Äußerungen und unlauteren Werbemaßnahmen der Beklagten seien ebenso wie die Herausgabe der Passbilder an die Bürger zu deren freien Verfügung lediglich Aspekte des Unlauterkeitstatbestandes. Sie würden in ihrer Summe den Markteingriff und Missbrauch der Beklagten verdeutlichen. Zumindest handele es sich um doppelt relevante Tatsachen. Die Beklagte irre, wenn sie meine, diese Tatsachen seien wegen des weitergehenden Verbotsantrages der Klägerin nicht mehr streitgegenständlich, verjährt oder irrelevant. Da die Klägerin wegen der konkreten Unverhältnismäßigkeit der Marktstörung durch die Beklagte ein umfassendes Verbot des Passbildgeschäfts der Beklagten begehre und damit das Problem umfassend gelöst wäre, beantrage sie nicht nur das Verbot einzelner Handlungen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Auf die Berufung der Klägerin war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 GVG nach der im Senatstermin erfolgten Anhörung der Parteien an das gemäß § 52 VwGO zuständige Verwaltungsgericht Münster zu verweisen. Die Entscheidung konnte im Beschlusswege ergehen, auch wenn es sich bei der landgerichtlichen Entscheidung um ein Urteil handelt (BGH NJW 1998, 2057, 2058 mwN, Musielak-Wittschier, 10. Aufl., § 17a GVG Rn. 18).

Für den Hauptantrag ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet, womit der Senat für die begehrte Entscheidung nicht zuständig ist.

1.

Dem steht nicht von vorneherein entgegen, dass § 17a Abs. 5 GVG bestimmt, dass das Gericht, das - wie der Senat - über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

a)

Das bedeutet zwar, dass das mit der Hauptsache befasste Rechtsmittelgericht es prinzipiell hinnehmen muss, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges "ausdrücklich oder unausgesprochen (= konkludent durch Entscheidung in der Hauptsache)" die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht hat (MünchKomm-Zimmermann, 4. Aufl., § 17a GVG Rn. 25; Musielak-Wittschier, 10. Aufl., § 17a GVG Rn. 19; Zöller-Lückemann, 29. Aufl., § 17a GVG Rn. 18).

b)

Das Überprüfungsverbot nach Abs. 5 setzt jedoch voraus, dass die erste Instanz nicht gegen entscheidende Verfahrensgrundsätze des § 17a GVG verstoßen hat.

Der Ausschluss der Prüfung gilt damit nicht, wenn eine Klage entgegen Abs. 2 als unzulässig abgewiesen wurde oder wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht durch Vorabbeschluss, sondern entgegen Abs. 3 S. 2 erst in der Hauptsacheentscheidung bejaht wurde (BGH NJW 1993, 470; MünchKomm-Zimmermann, 4. Aufl., § 17a GVG Rn. 29; Musielak-Wittschier, 10. Aufl., § 17a GVG Rn. 19; Zöller-Lückemann, 29. Aufl., § 17a GVG Rn. 18).

Letzteres ist hier der Fall. Das Landgericht hat über die Zulässigkeit des Rechtsweges entgegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG nicht vorab entschieden, obwohl die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs bereits mit der Klageerwiderung vom 21.01.2013 ausdrücklich gerügt hatte. Dies geschah auch rechtzeitig i.S.d. § 282 Abs. 3 S. 2 ZPO. Denn das Landgericht hatte die gemäß §§ 221, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 1 BGB an und für sich am 11.01.2013 endende Erwiderungsfrist des § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO auf (rechtzeitigen) Antrag der Beklagten vom 27.12.2012 mit Terminsverfügung vom 04.01.2013 gemäß § 224 Abs. 2, 3 ZPO bis zum 11.02.2013 verlängert.

c)

Zwar wird von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Rechtsmittelführer die Rüge des nicht gegebenen Rechtswegs in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr weiterverfolgt, weil er sich ersichtlich mit der abweichenden Ansicht des Erstgerichts zur Rechtswegfrage abgefunden hat (vgl. OLG Hamm OLGR 2008, 103; MünchKomm-Zimmermann, 4. Aufl., § 17a GVG Rn. 29; Musielak-Wittschier, 10. Aufl., § 17a GVG Rn. 19; Zöller-Lückemann, 29. Aufl., § 17a GVG Rn. 17 - sämtlich unter Berufung auf die Entscheidung des VGH München NJW 1997, 1251, die sich ihrerseits auf die Entscheidung des BVerwG NJW 1994, 956 beruft, in dem der Rechtsmittelführer von der Alternative des § 17a Abs. 4 S. 3 GVG zugunsten einer Beschwerde nach §§ 146ff. VwGO keinen Gebrauch gemacht hatte).

Allerdings liegt hier ein solcher Fall schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte nicht der Rechtsmittelführer und demnach nicht gehalten ist, den Berufungsantrag nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO zu begründen. Allein aus dem Umstand, dass sie ihre Rüge in der Berufungserwiderung vom 18.07.2013 nicht ausdrücklich wiederholt, kann demnach nicht geschlossen werden, dass sie hierauf verzichtet. Dies gilt umso mehr, als die Zulässigkeit des Rechtsweges von Amts wegen zu prüfen ist und ein nachträglicher Verzicht auf ihre Prüfung prinzipiell nicht möglich ist (Musielak-Huber, 10. Aufl., § 295 ZPO Rn. 3; Zöller-Greger, 29. Aufl., § 295 ZPO Rn. 4).

2.

Die Entscheidung über den Hauptantrag ist dem Verwaltungsgericht vorbehalten.

Denn die Zivilgerichte sind darauf beschränkt, das Marktverhalten der öffentlichen Hand am Maßstab des § 3 UWG zu überprüfen. Das heißt, die wettbewerbsrechtliche Beurteilung kann sich nur auf die Art und Weise ("wie") der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb beziehen. Der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist es hingegen verwehrt, zu prüfen, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen darf und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt sind oder gesetzt werden sollen. Ihr obliegt es nicht, diesen Marktzutritt ("ob") der öffentlichen Hand nach § 3 UWG zu kontrollieren, wie sich im Umkehrschluss aus § 4 Nr. 11 UWG ergibt. Denn grundsätzlich regelt das UWG nur die Art und Weise der Beteiligung am Wettbewerb und nicht den Zugang zum Wettbewerb, und zwar selbst dann, wenn dieser rechtswidrig unter Verstoß gegen öffentlichrechtliche Normen erfolgt. Es ist nicht Aufgabe der Zivilgerichte, im Rahmen von Wettbewerbsstreitigkeiten darüber zu entscheiden, welche Grenzen der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand zu setzen sind. Dies ist vielmehr eine wirtschaftspolitische Aufgabe, die in den Aufgabenbereich der Gesetzgebung und Verwaltung gehört (u.a. BGH GRUR 2002, 825, 827 - Elektroarbeiten; Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 4 UWG Rn.13f mwN).

a)

Danach sind die mit dem Hauptantrag beanstandeten Maßnahmen der Beklagten durch die Verwaltungsgerichte am Maßstab des öffentlichen Rechts zu prüfen.

Die in diesem Antrag im Einzelnen aufgeführten Handlungen sind nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in ihrem jüngsten Schriftsatz vom 17.09.2013 lediglich Aspekte eines einheitlichen Lebensvorganges, und zwar des Passbildgeschäftes der Beklagten. Ihre Klage zielt - so ihre eigene Erläuterung - auf ein umfassendes Verbot des Passbildgeschäftes der Beklagten als umfassende Lösung des "Problems". Die Klägerin richtet sich damit gegen die Marktteilnahme der Beklagten an sich. Dies wird besonders deutlich, wenn sie die Notwendigkeit dieser Markteilnahme in Frage stellt und der Beklagten unter näheren Ausführungen zu § 7 Abs. 1 PAuswV die Ermächtigungsgrundlage für diesen Marktzutritt abspricht. Die Entscheidung darüber, ob die Betätigung der öffentlichen Hand auf diesem Markt an und für sich zulässig ist, also ob die Beklagte sich überhaupt am diesbezüglichen Wettbewerb beteiligen darf, ist jedoch den Verwaltungsgerichten vorbehalten.

b)

Wenngleich die Klägerin sich darüber hinaus, durch die Formulierung der Anzeige der Beklagten in der N Zeitung für ihren neuen "Kundenservice" herabgesetzt fühlt oder diesen gar - wie nunmehr mit der Berufungsbegründung vorgetragen - als irreführend erachtet, macht sie den konkreten Inhalt dieser Anzeige doch nicht zum Inhalt des Hauptantrages. Sie begehrt die generelle Unterbindung der Anzeigen, nicht "lediglich" eine bestimmte Form derselben.

c)

Nichts anderes gilt hinsichtlich der nach Einschätzung der Klägerin schlechten Qualität der Bilder. Die Werbung der Beklagten mag beim angesprochenen Verbraucher andere Erwartungen wecken. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des mit dem Hauptantrag verfolgten Klagebegehrens. Hierin kommt nicht zum Ausdruck, dass die Klägerin die diesbezügliche Werbung als irreführend beanstandet.

Die Ausführungen zur Herausgabe von Fotos an Bürger zur freien Verfügung sind ohnehin nicht Teil des Klagebegehrens, mithin ebenfalls nicht streitgegenständlich.

d)

Dies gilt auch im Hinblick auf die nun mit der Berufungsbegründung beanstandete Verwendung amtlich erlangter Daten, Informationen und Beziehungen.

e)

Auch wenn die Klägerin sich darüber mokiert, dass die Beklagte mit ihrem Angebot ihre amtliche Autorität und das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung in Anspruch nimmt, betrifft auch dieser Vorwurf den mit der Marktteilnahme per se verbundenen Vorteil der öffentlichen Hand.

f)

Wenn die Klägerin im Übrigen die Unentgeltlichkeit des Angebots der Beklagten und die sich hieraus ergebenden Folgen für den privaten Markt beanstandet, betrifft dies ausschließlich den Hilfsantrag.

3.

Die Kostenentscheidung bleibt insgesamt dem Verwaltungsgericht überlassen.

Eine Entscheidung über die vor den ordentlichen Gerichten entstandenen Kosten hat gemäß der - erst nach den Entscheidungen BGHZ 11, 58; 12, 70; NJW-RR 1991, 58 in Kraft getretenen - Vorschrift des § 17b Abs. 2 GVG zu unterbleiben.

Die Vorschrift des § 17b Abs. 2 GVG findet nur dann keine Anwendung, wenn ein Beschluss nach § 17a Abs. 2, 3 GVG gemäß § 17a Abs. 4 S. 2 ZPO angefochten wird und sodann über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß §§ 91ff. ZPO zu entscheiden ist (Musielak-Wittschier, 10. Aufl., § 17b GVG Rn. 5).

Hiervon zu unterscheiden sind die hier angefallenen Kosten der Berufung gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung. Der Senat hat insoweit gerade nicht wie ein Beschwerdegericht nach § 17a Abs. 4 GVG über eine Vorabentscheidung des Landgerichts entschieden (zu diesen Kosten des Beschwerdeverfahrens BGH NJW 1983, 2541, 2542; Musielak-Wittschier, 10. Aufl., § 17b GVG Rn. 5), sondern die nach der Zuständigkeitsrüge der Beklagten notwendige Beschlussfassung von Amts wegen nachgeholt, mithin insoweit erstmals eine Entscheidung getroffen.

III.

Die sofortige Beschwerde war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 17a Abs. 4 S. 5 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert sie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Bundesgerichtshofes.






OLG Hamm:
Beschluss v. 05.11.2013
Az: 4 U 72/13


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