Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. Dezember 2011
Aktenzeichen: 12 O 502/10

(LG Düsseldorf: Urteil v. 07.12.2011, Az.: 12 O 502/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Düsseldorf hat in einem Urteil entschieden, dass eine Klausel zur Zinsanpassung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unwirksam ist. Der Kläger hatte die Beklagte abgemahnt und auf Unterlassung der Verwendung der Klausel geklagt. Das Gericht gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der Klausel. Zudem wurde der Beklagten ein Ordnungsgeld angedroht, falls sie gegen das Unterlassungsgebot verstößt. Die Beklagte wurde außerdem dazu verurteilt, dem Kläger einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung. Das Gericht führte aus, dass die Klausel gegen das Äquivalenzprinzip verstößt und den Verbraucher unangemessen benachteiligt. Zudem sind die Kriterien zur Ausübung des billigen Ermessens nicht ausreichend genau angegeben. Daher ist die Klausel unwirksam. Der Kläger hat außerdem Anspruch auf Erstattung seiner Abmahnkosten. Das Gericht schätzt die Kosten auf der Grundlage des Klägervortrags und vergleichbarer Fälle. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus den gesetzlichen Bestimmungen. Das Gericht drohte der Beklagten Ordnungshaft an, falls sie das Unterlassungsgebot nicht einhält. Die Kostenentscheidung und die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils sind gesetzlich begründet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Düsseldorf: Urteil v. 07.12.2011, Az: 12 O 502/10


Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die nachfolgenden oder dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Bezug auf Sollzinssätze für Girokonten zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

„1.4 Anpassung der Sollzinssätze

Die Bank kann die Sollzinssätze für Girokonten auf Basis des von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Monatsdurchschnittssatzes für 1*-Dreimonatsgeld (nachfolgend: „Bezugszins“ genannt) wie folgt vornehmen:

Erhöht sich der letzte veröffentlichte Bezugszins gegenüber dem im Vormonat der letzten von der Bank vorgenommenen Zinsanpassung ermittelten Bezugszins um mehr als 15 Basispunkte, so ist die Bank berechtigt, ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen

(§ 315 BGB) um maximal 10 Prozent über die Veränderung des Bezugszinses hinaus anzuheben. Die Bank wird ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Bezugszins um mehr als 15 Basispunkte ermäßigt; bei Zinserhöhungen und Zinssenkungen wird die Bank ihr billiges Ermessen in gleicher Weise ausüben. Faktoren wie Veränderungen ihres Kreditausfallrisikos, des Ratings der Bank sowie der innerbetrieblichen Kostenkalkulation bleiben bei der Ausübung des billigen Ermessens außer Betracht. Änderungen erfolgen unverzüglich nach Veröffentlichung der vorbezeichneten Änderung des Bezugszinses durch Erklärung gegenüber dem Kontoinhaber. Die Unterrichtung über die Zinsänderung darf auch in Form eines Kontoauszugs erfolgen. Der jeweils letzte maßgebliche Bezugszins wird im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesen.“

2.

Der Beklagten wird für Fall den Zuwiderhandlung gegen das unter 1. genannte Unterlassungsgebot ein vom Gericht festzusetzendes Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von EUR 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei Ordnungshaft am Vorstand der Gesellschafterin der Beklagten zu vollstrecken ist.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 238,-- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2010 zu zahlen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,--.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Der Kläger ist der B Nordrhein-Westfalen e.V. Er ist in die beim Bundesjustizamt geführte Liste nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte betreibt das Bankgeschäft. Sie verwendet die im Tenor wiedergegebene Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Mit Schreiben vom 23.07.2010 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie - erfolglos - zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Das ablehnende Schreiben ging beim Kläger am 13.09.2010 ein.

Der Kläger ist der Ansicht, die streitgegenständliche Klausel verstoße gegen die Anforderungen des § 307 BGB. Insbesondere sei das Äquivalenzprinzip nicht gewahrt. Die Beklagte kombiniere eindeutige mit unbestimmten Kriterien, nämlich dem Kriterium des billigen Ermessens. Dessen Inhalt bleibe dem Kunden unklar. Die Aufzählung der drei in der Klausel aufgezählten Ausschlusskriterien reiche nicht aus um eine unangemessene Benachteiligung zu verhindern.

Der Kläger ist weiter bezüglich der Abmahnkosten der Auffassung, er könne diese pauschal gemäß § 5 UKlaG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG geltend machen. Die Höhe folge aus dem üblichen Aufwand, der durch die bei dem Kläger angestellten Volljuristen zur Bearbeitung anfalle.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeld, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft es zu unterlassen, die nachfolgenden oder dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Bezug auf Sollzinssätze für Girokonten zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

1.4 Anpassung der Sollzinssätze

Die Bank kann die Sollzinssätze für Girokonten auf Basis des von der C Bundesbank veröffentlichten Monatsdurchschnittssatzes für A*-Dreimonatsgeld (nachfolgend: "Bezugszins" genannt) wie folgt vornehmen:


Erhöht sich der letzte veröffentlichte Bezugszins gegenüber dem im Vormonat der letzten von der Bank vorgenommenen Zinsanpassung ermittelten Bezugszins um mehr als 15 Basispunkte, so ist die Bank berechtigt, ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen
(§ 315 BGB) um maximal 10 Prozent über die Veränderung des Bezugszinses hinaus anzuheben. Die Bank wird ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Bezugszins um mehr als 15 Basispunkte ermäßigt; bei Zinserhöhungen und Zinssenkungen wird die Bank ihr billiges Ermessen in gleicher Weise ausüben. Faktoren wie Veränderungen ihres Kreditausfallrisikos, des Ratings der Bank sowie der innerbetrieblichen Kostenkalkulation bleiben bei der Ausübung des billigen Ermessens außer Betracht. Änderungen erfolgen unverzüglich nach Veröffentlichung der vorbezeichneten Änderung des Bezugszinses durch Erklärung gegenüber dem Kontoinhaber. Die Unterrichtung über die Zinsänderung darf auch in Form eines Kontoauszugs erfolgen. Der jeweils letzte maßgebliche Bezugszins wird im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesen.

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 238,-- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die streitgegenständliche Klausel halte die Vorgaben der Rechtsprechung gemäß § 307 BGB ein. Die Klausel wahre das Äquivalenzprinzip, da die Beklagte nicht nur berechtigt sei, im Falle eines Kostenanstiegs die Zinsen zu erhöhen, sondern umgekehrt auch verpflichtet sei, Kostenminderungen bei der Refinanzierung an den Kunden weiterzugeben. Das Ermessen sei hinsichtlich der Kostenminderung auf die Prüfung beschränkt, inwieweit die Bank bei einer vorhergehenden Kostensteigerung bereits Ermessen ausgeübt habe. Das Ergebnis sei spiegelbildlich in gleicher Höhe auf die Minderung anzuwenden, da das Ermessen bei Kostenerhöhung und Kostenminderung durch die Klausel gleichgesetzt sei. Diese Ausgestaltung genüge den Anforderungen der Rechtsprechung. Darüber hinaus betreffe das Ermessen lediglich das "Wie" der Weitergabe von Veränderungen des Bezugszinses. Zu dem "Ob" sei die Bank durch den Wortlaut der Klausel ohnehin verpflichtet. Es ginge insoweit unmissverständlich aus der Formulierung "wird (...) senken" hervor, dass für die Bank eine Verpflichtung zur Zinssenkung bestehe. Die verwendete Zeitform Futur I betreffe lediglich das in der Zukunft liegende mögliche Ereignis eines Abfalls des Bezugszinses. Bezüglich der Anpassungsparameter ist die Beklagte der Ansicht, eine Kalkulierbarkeit und Kontrollierbarkeit von Preisänderungen sei für den Bankkunden gegeben. Es sei ausreichend, dass diejenigen Ermessenskriterien in der Klausel genannt seien, die bei der Entscheidung nicht berücksichtigt würden. Die Nichtberücksichtigung von Veränderungen des Kreditausfallrisikos der Beklagten, ihres Ratings sowie ihrer üblichen Kostenkalkulation gewährleisteten, dass die Ermessensausübung nicht das ursprünglich von der Bank eingegangene Risiko nachträglich durch die Zinsanpassung verändern werde.

Ferner ist die Beklagte der Ansicht, die Berechnungsgrundlage zur Geltendmachung des Zahlungsantrags für das Abmahnschreiben sei unsubstantiiert dargelegt. Es sei nicht zu erkennen, welche Elemente in die Durchschnittskalkulation einflössen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache begründet.

Der Kläger hat gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte, die streitgegenständliche Klausel im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern zu verwenden. Die Klausel ist unwirksam, denn sie hält der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand.

Der Kläger ist kraft Eintragung in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG i. V. m. § 4 UKlaG aktivlegitimiert.

Die streitgegenständliche Klausel unterliegt nicht der Schrankenregelung des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Dieser eröffnet die Inhaltskontrolle für Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen zwar weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Hingegen stellen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Preisanpassungs- und Zinsanpassungsklauseln als Preisnebenabreden eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften dar (BGH NJW-RR 2005, 1717; NJW 2007, 1054 [1055]; 2009, 578). Die Klausel regelt nicht die Gegenleistung des Kunden für eine bestimmte Leistung der Bank, für die grundsätzlich eine bestimmte Leistung verlangt werden darf, sondern einseitige Änderungen bereits festgelegter Gegenleistungen.

Die Klausel ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen sie abweicht, nicht zu vereinbaren. Sie benachteiligt den Verbraucher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Klausel benachteiligt den Verbraucher entgegen des Gebots von Treu und Glauben unangemessen, indem sie gegen das durch höchstrichterliche Rechtsprechung gebotene Äquivalenzprinzip verstößt (vgl. BGH NJW 2009, 2051 [2052f.]).

Das von der Rechtsprechung entwickelte Äquivalenzprinzip besagt, dass eine Klausel den Verbraucher nur dann nicht unangemessen benachteiligt, wenn eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vorgesehen ist sowie eine Verpflichtung der Bank, Kostenminderungen an die Verbraucher weiterzugeben, ohne dass die Bank insoweit ein Ermessen hat. Ein Preiserhöhungsrecht des Klauselverwenders im Falle von Kostensteigerungen muss spiegelbildlich eine Verpflichtung enthalten, bei Minderung der Kosten diese ebenso an den Verbraucher weiterzugeben (BGH aaO.). Dabei kommt es maßgeblich auf die Pflicht zur Minderung an und auf die Spiegelbildlichkeit des Erhöhungs- sowie des Minderungstatbestands. Sinn und Zweck des Äquivalenzprinzips ist die Sicherung vor Benachteiligung des Verbrauchers unter Wahrung der Interessen des Klauselverwenders. Denn grundsätzlich sind Preis- und Zinsanpassungsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig, da sie insbesondere bei auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehungen beiden Vertragsparteien zugutekommen. Bei Kreditverträgen im Bankensektor profitieren einerseits die Kreditinstitute davon, dass sie schwierige langfristige Kostenkalkulationen durch veränderliche Zinsniveaus nicht durchführen müssen und andererseits profitieren die Verbraucher, indem sich das Kostenkalkulationsrisiko der Bank nicht preiserhöhend bei Vertragsschluss auswirkt (BGH aaO.). Die Zulässigkeit von Preis- und Zinsanpassungsklauseln folgt also maßgeblich aus der Erwägung, dass das ursprüngliche Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung gewahrt werden soll.

Die streitgegenständliche Klausel erfüllt diese Kriterien allerdings nicht. Die Klausel unterliegt der von der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB geforderten Auslegung durch die Kammer. Die Auslegung hat dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so zu erfolgen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Nach der Rechtsprechung führt diese Auslegungsregel dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Denn damit ist die scheinbar "kundenfeindlichste" Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste. Außer Betracht zu bleiben haben insoweit nur solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH aaO. [2051]).

Eine Spiegelbildlichkeit zwischen dem Recht zur Zinserhöhung und einer Pflicht zur Zinssenkung ist der Klausel nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Es erscheint auch schon zweifelhaft, ob sich die Beklagte überhaupt eine unabdingbare Pflicht zur Zinssenkung durch ihre Klausel auferlegt hat. Rein sprachlich ist in dem Zinssenkungstatbestand kein Spiegelbild zum Erhöhungstatbestand vorzufinden. Der Zinserhöhungstatbestand "(...) so ist die Bank berechtigt, ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen
(§ 315 BGB) um maximal 10 Prozent über die Veränderung des Bezugszinses hinaus anzuheben." ist im sogenannten Zustandspassiv ausgedrückt, das einen Zustand als Ergebnis einer Handlung ausdrückt (vgl. Duden, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 6. Aufl. 1998, Rn 319). Aus dieser Ausdrucksweise geht für den verständigen Durchschnittsverbraucher klar hervor, dass die Bank im Falle des Anstiegs des Zinsniveaus unter den weiteren Voraussetzungen die Sollzinsen erhöhen kann ("ist die Bank berechtigt"). Für den Zinssenkungstatbestand "Die Bank wird ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Bezugszins um mehr als 15 Basispunkte ermäßigt; bei Zinserhöhungen und Zinssenkungen wird die Bank ihr billiges Ermessen in gleicher Weise ausüben" wurde hingegen eine andere - nicht spiegelbildliche - Formulierung gewählt. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, handelt es sich dabei um den Tempus Futur I ("wird (...) senken" und "wird (...) ausüben"). Zwar bezieht sich das Futur I - wie von der Beklagten vorgetragen - auf Zukünftiges, jedoch ist dies nicht die einzige Funktion zur Verwendung dieses Tempus. Neben dem Bezug auf Zukünftiges enthält das Futur I meist eine modale Komponente, die einem Ausdruck eine Unsicherheit verleihen kann (Duden aaO., Rn 253). Diese Unsicherheit tritt zwar häufiger bei der - hier nicht gegebenen - Verwendung des Futur I mit Gegenwartsbezug auf, kommt aber auch bei Futur I mit Zukunftsbezug vor (Duden aaO., Rn 254). Sie kommt hier zum Ausdruck, indem die Beklagte die zukunftsbezogene Aussage mit der Formulierung "nach billigem Ermessen" verknüpft; denn bei der im Verbandsprozess der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung bezieht der Kunde das Ermessen zumindest auch auf das "Ob" der Zinsanpassung; dies wirkt sich gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Klauselverwenders aus (BGH NJW 2008, 2172).

Die Klausel benachteiligt den Verbraucher entgegen des Gebots von Treu und Glauben unangemessen, indem die das billige Ermessen ausübenden Faktoren unpräzise und insoweit nicht klar und verständlich im Sinne des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angegeben sind.

Zwar hat sich die Beklagte die Ausübung des billigen Ermessens durch einseitiges Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB vorbehalten, allerdings unterliegt dessen Überprüfung bei Verwendung in allgemeinen Geschäftsbedingungen der AGB-Kontrolle im Sinne der §§ 307 ff. BGB (vgl. Grünberg in: Palandt, 70 Aufl. 2011, § 315 Rn. 4).

Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Voraussetzungen für eine Preis- oder Zinsänderungsbefugnis bzw. -pflicht in sachlicher Hinsicht (z.B. Umstände einer Zinsanpassung, insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzinssatz) und in zeitlicher Hinsicht (z.B. Dauer der Zinsperiode) weitest möglich präzisiert werden müssen, damit der Kreditnehmer vorhersehen und kontrollieren kann, ob eine Zinsanpassung der Bank zu Recht erfolgt ist (BGH aaO.); eine Möglichkeit zur Interessenwahrnehmung des Darlehensnehmers bei variabler Zinsanpassung besteht angesichts der komplexen Materie nur dann, wenn er objektivierbare Kriterien zur Verfügung hat, an denen er sich orientieren kann (LG Dortmund WM 2000, 2095 [2096]). Aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers müssen die Umstände einer Zinsanpassung durch objektivierbare Kriterien nachvollziehbar sein. Da das Zinsanpassungsrecht des Kreditinstituts einzig die Funktion haben soll, das anfängliche Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung - mit anderen Worten die Gewinnmarge der Bank - zu wahren, ohne darüber hinauszugehen, ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an die Klauselverwender zu stellen. Die Materie stellt sich für den Verbraucher als äußerst schwierig dar, wohingegen die Interessen der Bank auch unter Billigkeitserwägungen bereits dann befriedigt sind, wenn das ursprünglich nach Grundsätzen der Privatautonomie vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auf Dauer gehalten werden kann.

Die Klausel genügt diesen Anforderungen nicht. Die Formulierung ist nicht klar und verständlich und sie definiert die Umstände einer etwaigen Zinsanpassung nur ungenügend.

Zwar nennt die Beklagte in der Klausel drei Ausschlussfaktoren, nämlich "Veränderungen ihres Kreditausfallrisikos, des Ratings der Bank sowie der innerbetrieblichen Kostenkalkulation", die für die Ausübung des billigen Ermessens nicht in Betracht gezogen werden, allerdings bleibt für den verständigen Leser und Anwender der Klausel dennoch offen, welche Kriterien denn ansonsten herangezogen würden. Die negative Aufzählung von Ausschlusskriterien ist dabei nicht ausreichend. Auch wenn die drei genannten Ausschlussfaktoren tatsächlich und abschließend diejenigen wären, die der Bank gegenüber dem Kunden einen Vorteil verschaffen könnten, so wüsste der Verbraucher um diese Tatsache nicht. Der Verbraucher kennt nicht die Gesamtheit aller möglichen Faktoren, die in das Ermessen der Bank einfließen könnten. Daher kann er nicht abschätzen, ob die Bank auch wirklich alle für den Verbraucher negativen Faktoren in der Klausel ausgeschlossen hat. Dem Verbraucher wird eine Einschätzungsschwierigkeit auferlegt, die die Bank durch ihr privilegiertes Wissen viel leichter auszuräumen vermag. Naheliegend wäre wohl eine positive Formulierung der zu berücksichtigenden Erwägungen bei der Ausübung des Ermessens. Dann wäre der Rahmen, in dem sich die Bank bei der Ermessensausübung bewegen würde, nicht durch Ausschlusskriterien umschrieben, sondern genau bestimmt.

Der Ansicht der Beklagten, die in der Klausel enthaltene Erhöhungsobergrenze sei ausreichend, da der Kunde wegen dieser Obergrenze nicht über Gebühr belastet werden könne, ist nicht zu folgen. Denn die Obergrenze ist lediglich ein weiteres, von dem Erfordernis der präzisierten Ermessensfaktoren unabhängig bestehendes Sicherungsmittel.

Die Formulierung des Zinssenkungstatbestands "Die Bank wird ihre Sollzinssätze nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Bezugszins um mehr als 15 Basispunkte ermäßigt; bei Zinserhöhungen und Zinssenkungen wird die Bank ihr billiges Ermessen in gleicher Weise ausüben." verstößt zudem gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Wie schon oben bezüglich des Äquivalenzprinzips ausgeführt, erfordert das Vorliegen eines Erhöhungstatbestands eine Verpflichtung zur Weitergabe von Kostenminderung ohne Berücksichtigung eines Ermessens (BGH NJW 2009, 2051 [2053]). Diese Voraussetzung wird aus den dargelegten Gründen schon durch den ersten Halbsatz des Zinssenkungstatbestands nicht erfüllt, da der Gegenstand des Ermessen - Ob und/oder Wie der Senkung - unklar bleibt.

Daneben hat der Kläger, der die Beklagte nach den vorstehenden Erwägungen berechtigtermaßen abgemahnt hat, einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 214,00 Euro aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG i. V. m. § 5 UKlaG. Der Kläger kann daher von der Beklagten die Kosten, die durch die Abmahnung entstanden sind, ersetzt verlangen. Für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Verstöße zu erkennen und selbst abzumahnen, besteht ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale (vgl. OLG Hamburg, 25.06.2008 - 5 U 13/07, Rn 47). Die Kammer schätzt die dem Kläger entstandenen Aufwendungen gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Klägervortrags sowie vergleichbarer Fälle in Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Ordnungsmittelandrohung findet ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 07.12.2011
Az: 12 O 502/10


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