Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. April 2001
Aktenzeichen: 23 W (pat) 16/99

(BPatG: Beschluss v. 03.04.2001, Az.: 23 W (pat) 16/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts- Patentabteilung 33 - vom 27. Januar 1999 dahin abgeändert, daß das Patent 44 45 171 wie folgt beschränkt aufrechterhalten wird:

Patentanspruch 1 in der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Fassung, Patentansprüche 2 bis 5 und Beschreibung und Zeichnung in der erteilten Fassung.

Gründe

I Auf die am 16. Dezember 1994 eingegangene Patentanmeldung hat das Deutsche Patentamt - Prüfungsstelle für Klasse G 21 F - das nachgesuchte Patent 44 45 171 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Zerlegen sperriger Teile von Druckbehälter-Einbauten einer kerntechnischen Anlage und zum Aufnehmen der zerlegten Teile" (Streitpatent) erteilt. Die am 9. November 1995 veröffentlichte Patentschrift enthält 5 Ansprüche. In der Beschreibung ist ein in der Zeichnung, Figuren 1 bis 4, dargestelltes Ausführungsbeispiel geschildert, anhand dessen der Patentgegenstand näher erläutert wird.

Gegen das erteilte Patent wurden zwei Einsprüche eingelegt. Die Einsprechende 1 verweist zur Stütze ihrer Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu, zumindest beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, auf die Druckschriften.

D1 europäische Offenlegungsschrift 0 500 404 (bereits im Prüfungsverfahren genannt)

D2 deutsche Patentschrift 34 16 620 D3 deutsche Offenlegungsschrift 39 35 645 D4 deutsche Offenlegungsschrift 39 35 646 D5 europäische Offenlegungsschrift 0 248 286 D6 deutsches Gebrauchsmuster 77 03 722 D7 deutsche Offenlegungsschrift 34 17 145 D8 Artikel "Pilot dismantling of the BR3 Pressurized Water Reactor, Segmenting of the reactor vessel thermal shield" in Third Seminar on Practical Decommissioning Experience with Nuclear Installations in the European Community, Gundremmingen/Günzburg, 24. - 25. Juni 1992 D9 europäische Patentschrift 0 106 207.

Die Einsprechende 2 stützt ihre Behauptung, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, auf offenkundige Vorbenutzungen und nennt hierzu die folgenden Belege:

E1 Dokumentnummer WBP 4 N¯ 01 01 (Verteiler des Erläuterungsberichts)

Dokumentnummer WBP 5 N¯ 01 01 (Verteiler des Sicherheitsberichtes)

E2 Erläuterungsbericht EB 13, Seiten 12 bis 19, Abbildungen 4-13, 4-14 und 4-17 E3 Noell-Zeichnung Nr 601 852 (Naßzerlegeplatz)

E4 Erläuterungsbericht EB 13, Kap. 4 Demontageeinrichtungen S 21/29 E5 Dokumentnummer W/B/D 3/N3/01/01, Seiten 50 bis 54 E6 Noell-Angebot-Nr 06 99 4009 vom 9. Februar 1995, 8 Seiten E7 Prospekt Noell, KKN E8 Bedienungsanleitung Abschirmglocke KKB mit zwei Zeichnungen E9 Angebot zur Zerlegung eines Wasser-Dampf-Abscheiders E10 Prospekt Noell Zerlegebehälter (UWS)

E11 Prospekt Noell/Blocher E12 Schriftsatz der Energiewerke Nord GmbH vom 8. Februar 1996.

Mit Beschluß vom 27. Januar 1999 hat die Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitpatent aufgrund des für zulässig erklärten Einspruchs der Einsprechenden 1 widerrufen. In den Beschlußgründen ist dargelegt, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da er dem Fachmann durch den Stand der Technik nach den genannten Druckschriften D1 und D6 nahegelegt sei.

Gegen diesen Widerrufs-Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents einen neuen Patentanspruch 1 vorgelegt und die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des neugefaßten Patentanspruchs 1 weder durch den druckschriftlichen Stand der Technik noch durch die geltend gemachten Vorbenutzungen patenthindernd getroffen sei.

Die Patentinhaberin beantragt, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 33 - vom 27. Januar 1999 aufzuheben und das Patent 44 45 171 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1 in der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Fassung, Patentansprüche 2 bis 5 und Beschreibung sowie Zeichnung in der erteilten Fassung.

Die Einsprechenden 1 und 2 stellen den Antrag, die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Die Einsprechenden halten das Streitpatent auch in dem selbstbeschränkten Umfang nicht für rechtsbeständig und sind der Auffassung, daß das Verfahren nach dem verteidigten Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nach den vorveröffentlichten Druckschriften D1, D2, D3, D6 und D8 nahegelegt sei. Die Einsprechende 2 erklärt ferner, daß sie ihr Vorbringen bezüglich der offenkundigen Vorbenutzungen fallen lasse.

Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Zerlegen sperriger Teile von Druckbehälter-Einbauten einer kerntechnischen Anlage, nämlich von Kerngittern (3, 4) und vom Kernmantel (5), und zum Aufbewahren der zerlegten Teile, dadurch gekennzeichnet, daß

a. ein Zerlegebehälter (8) für die Druckbehälter-Einbauten (2) in einem Wasserbecken (7) abgestellt wird, b. die Druckbehälter-Einbauten (2) in den Zerlegebehälter eingesetzt werden, c. der Aufnahmebehälter (11, 11a) für die zerlegten Teile in den Zerlegebehälter eingebracht wird, d. ein Zerlegemanipulator (12) relativ zum Zerlegebehälter festgelegt wird, e. die Druckbehälter-Einbauten (2) in vorgebbare Teilgrößen getrennt werden, f. die Teilgrößen in den Aufnahmebehälter (11, 11a) eingebracht werden, g. der Aufnahmebehälter (11, 11a) aus dem Zerlegebehälter entfernt wird undh. die innerhalb des Aufnahmebehälters angeordneten Teile innerhalb der kerntechnischen Anlage in einen Transportbehälter (17) übergeben werden."

Wegen der erteilten Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift und wegen des weiteren Sachvortrags der Verfahrensbeteiligten auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist begründet, denn das Streitpatent ist in dem beantragten beschränkten Umfang rechtsbeständig.

1.) Die Zulässigkeit beider Einsprüche, die als notwendige Verfahrensvoraussetzung auch im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist (BGH GRUR 1972, 592, 594, li Sp - "Sortiergerät"; BGH GRUR, 1997, 740 - "Tabakdose"), ist gegeben.

So ist der auf mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Patents gestützte Einspruch der Einsprechenden 1 innerhalb der Einspruchsfrist durch die og Druckschriften D1 bis D9 im Sinne des PatG § 59 Abs 1 Satz 4 ausreichend substantiiert worden, indem die der Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit angeblich entgegenstehenden Tatsachen im einzelnen dargelegt sind.

Die Voraussetzungen der Zulässigkeit erfüllt auch der auf offenkundige Vorbenutzungen gestützte Einspruch der Einsprechenden 2. Denn anhand der hierzu genannten Entgegenhaltungen E1 bis E11 sind innerhalb der Einspruchsfrist die für die Beurteilung der Patentfähigkeit maßgeblichen Umstände sowohl hinsichtlich des Gegenstandes der Vorbenutzungen als auch hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichkeit im einzelnen so dargelegt, daß der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt abschließend dazu Stellung nehmen konnten (BGH GRUR 1995, 333, 334 - "Aluminium-Trihydroxid" mwNachweisen; BGH GRUR 1988, 364, 366 - "Epoxidations-Verfahren" mwNachweisen; BGH GRUR 1987, 513, 514 - "Streichgarn"; BGH "Tabakdose" aaO). Wesentlich dabei ist, daß die Tatsachen - wie hier - ohne weitere Sachverhaltsermittlungen nachprüfbar sind und einen bestimmten Tatbestand erkennen lassen; auf die Richtigkeit und die Schlüssigkeit (Begründetheit) des Einspruchsvorbringens kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit des Einspruchs nicht an (BGH GRUR 1993, 651, 653 li Sp Abs 1 - "Tetraploide Kamille" mwNachweisen; BGH BlPMZ 1988, 289, 290 Abschn II.1 - "Meßdatenregistrierung"; BGH "Streichgarn" aaO).

Im übrigen ist die Zulässigkeit beider Einsprüche von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden.

2.) Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 5 sind zulässig.

So stützt sich der verteidigte Patentanspruch 1 inhaltlich auf den erteilten Anspruch 1 in Verbindung mit der Figuren-Beschreibung des Ausführungsbeispiels in Spalte 2 Zeilen 8-25 der Streitpatentschrift, wo als sperrige Teile von Druckbehälter-Einbauten (2) einer kerntechnischen Anlage (Reaktordruckbehälter 1) das obere und untere Kerngitter (3,4) und der Kernmantel (5) explizit genannt sind (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 307, 308 - "Bodenwalze"). Die geltenden Patentansprüche 2 bis 5 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 5.

Im übrigen ist die Zulässigkeit der verteidigten Patentansprüche 1 bis 5, hinsichtlich deren ursprünglichen Offenbarung ebenfalls keine Bedenken bestehen, von den Einsprechenden nicht in Zweifel gezogen worden.

3.) Das Streitpatent geht nach den Angaben der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung bzw in der Streitpatentschrift (Sp 1 Abs 1 und Abs 2 Satz 1) im Oberbegriff des Anspruchs 1 von einem Verfahren zum Zerlegen sperriger Teile von Druckbehälter-Einbauten einer kerntechnischen Anlage, nämlich von Kerngittern und vom Kernmantel, und zum Aufbewahren der zerlegten Teile aus, wie es aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 500 404 (= D1) bekannt geworden ist.

Bei diesem bekannten Verfahren werden die Druckbehälter-Einbauten (composants 6 des equipements internes fixes dans la cuve 4), nämlich der Kernmantel (enveloppe de coeur 6 cylindrique), in dem Reaktorbehälter (cuve du reacteur 4) des stillgelegten Reaktors selbst (après l'arrêt definitif du reacteur) mittels eines Zerlegemanipulators (ensemble de decoupage et de manutention 11) in vorgebbare Teilgrößen (troncons cylindriques 12) getrennt, die Teilgrößen (12) einzeln nacheinander aus dem Reaktorbehälter (4) entfernt, in einer im Wasserbecken (piscine 3) abgestellten Kompaktierungspresse (presse de compactage 34) gepreßt und die so kompaktierten Teile (blocs compactes 36) in einen im Wasserbecken (3) befindlichen Transport- und Sammelbehälter (conteneur de transport et de stockage 37) übergeben, vgl dort insbesondere die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 3 Absatz 6 bis Spalte 6 Absatz 2, die Ansprüche 1 bis 5 sowie die Zusammenfassung auf der Titelseite.

Als nachteilig wird von der Patentinhaberin bei diesem bekannten Verfahren insbesondere angesehen (Streitpatentschrift Sp 1 Z 12 bis 15), daß jedes abgetrennte Teilstück mit einem Hebezeug zum Aufnahmebehälter transportiert werden muß, was zu langen und damit zeitaufwendigen Transportwegen führt.

Das dem Streitpatent zugrundeliegende technische Problem (die Aufgabe) liegt demgegenüber darin, unter Einhaltung kurzer Transportwege ein Verfahren der gattungsgemäßen Art anzugeben, das eine strahlungssichere Handhabung und Aufnahme der sperrigen Teile vor und nach ihrer Zerlegung sicherstellt (Streitpatentschrift Sp 1 Abs 4).

Gelöst wird dieses Problem durch die im Patentanspruch 1 gelehrte Merkmalskombination.

Denn insbesondere dadurch, daß die in Rede stehenden Druckbehälter-Einbauten, nämlich Kerngitter und Kernmantel, in einen separaten, in einem Wasserbekken abgestellten Zerlegebehälter eingesetzt werden, in den auch ein Aufnahmebehälter für die zerlegten Teile eingebracht wird (vgl die Verfahrensschritte,a, b, c und f im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 iVm dessen Oberbegriff), wird - in Verbindung mit den übrigen Verfahrensschritten - eine strahlungssichere Handhabung von Kerngittern und vom Kernmantel vor und nach der Zerlegung und unter Einhaltung kurzer Transportwege sichergestellt, vergleiche hierzu auch die Streitpatentschrift Spalte 1 Absatz 6.

Der erfindungsgemäße Zerlegebehälter dient dabei ersichtlich dazu, das Wasser im Wasserbecken durch die beim Trennvorgang (Plasmaschneiden, Sägen) entstehenden kontaminierten Teilchen nicht unnötigerweise zu kontaminieren, vergleiche hierzu die Umwälzanlage 21 am Zerlegebehälter 8 zur Reinigung des Wassers im Zerlegebehälter (Streitpatentschrift Sp 3 Z 20 bis 22 iVm Fig 3 und 4).

Da es sich insbesondere bei dem in den Zerlegebehälter einzusetzenden Kernmantel um ein besonders sperriges, großvolumiges Bauteil von einem Durchmesser von üblicherweise (mindestens) etwa 3 m und einer Höhe von etwa 3 m handelt, ist ferner zu berücksichtigen, daß der beanspruchte Zerlegebehälter dementsprechend räumlichkörperlich ausgestaltet und dimensioniert sein muß (vgl BGH GRUR 1981, 259 Ls, 260, Abschnitt II.2a, - "Heuwerbungsmaschine II"). Entsprechendes gilt auch für den Zerlegemanipulator, der zum Zerlegen dieser Druckbehälter-Einbauten, die eine Materialdicke von mehreren Zentimetern aufweisen, ausgebildet sein muß (Plasmaschneiden, Sägen).

4.a) Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik unbestritten neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Keine der im Verfahren befindlichen eingangs genannten Druckschriften D1 bis D9 gibt dem Durchschnittsfachmann einen Hinweis oder eine Anregung zu der für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes entscheidungserheblichen Merkmalskombination, nämlich die in Rede stehenden Druckbehälter-Einbauten Kerngitter und Kernmantel in einen separaten, in einem Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälter einzusetzen, in den auch ein Aufnahmebehälter für die - mittels eines Zerlegemanipulators - zerlegten Teile (die Teilgrößen) eingebracht wird. Als zuständiger Durchschnittsfachmann ist vorliegend ein mit der Zerlegung von Kernreaktor-Druckbehälter-Einbauten vertrauter, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau/Verfahrenstechnik anzusehen, der Grundkenntnisse auf dem Gebiet der Kerntechnik besitzt oder einen Kerntechnik-Fachmann zu Rate zieht.

Bei dem aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 500 404 (= D1) bekannten Verfahren zum Zerlegen sperriger Teile von Druckbehälter-Einbauten einer kerntechnischen Anlage, nämlich von Kerngittern und vom Kernmantel (6), und zum Aufbewahren der zerlegten Teile (36), von dem die Erfindung - wie dargelegt - ausgeht, wird der Kernmantel (6) - im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 (Verfahrensschritte a und b) - im Reaktorbehälter (4) des stillgelegten Reaktors selbst mittels eines Zerlegemanipulators (11) in vorgebbare Teilgrößen (12) getrennt (Sp 3 Z 30 bis Sp 4 Z 22 iVm Fig 1 und 2), und zwar nachdem das obere und untere Kerngitter (grille superieure/inferieure de coeur) aus dem Reaktorbehälter (4) entfernt und jeweils als Ganzes in einer im Wasserbecken abgestellten Presse kompaktiert wird (Sp 5 Abs 2 bis 6). Der in der Streitpatentschrift angegebene Hinweis (Sp 1 Abs 2), wonach bei dem aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 500 404 bekannten Verfahren die Einbauten in einen (gesonderten) Zerlegebehälter eingesetzt werden, der in einem Wasserbecken angeordnet ist, ist offensichtlich unzutreffend und deckt sich nicht mit dem nach der objektiven Sachlage zu beurteilenden Stand der Technik (vgl hierzu BGH GRUR 1994, 357 Ls 2, 358 re Sp Abs 1 - "Muffelofen").

Die zerlegten Teile (Teilgrößen 12) des Kernmantels (6) werden bei dem bekannten Verfahren - im weiteren Unterschied zum Erfindungsgegenstand (Verfahrensschritte c, f und g) - einzeln nacheinander aus dem Reaktorbehälter (4) entfernt, in einer im Wasserbecken (3) abgestellten Kompaktierungspresse (34) gepreßt und die so kompaktierten Teile (36) in einen im Wasserbecken (3) befindlichen Transport- und Sammelbehälter (37) übergeben (Sp 4 Abs 4 bis Sp 6 Abs 2 iVm Fig 1 und 2).

Ein Hinweis oder eine Anregung, von diesem bekannten und bewährten Verfahren abzugehen und die Druckbehälter-Einbauten Kerngitter und Kernmantel in einen separaten, in einem Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälter einzusetzen, in dem auch ein Aufnahmebehälter für die zerlegten Teile eingebracht wird (vgl die Verfahrensschritte a, b, c und f im Patentanspruch 1), ist dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß insbesondere der Kernmantel, der in den Zerlegebehälter eingesetzt werden soll, ein großvolumiges Bauteil mit einem Durchmesser von üblicherweise (mindestens) etwa 3 m und einer Höhe von etwa 3 m ist, so daß der beanspruchte Zerlegebehälter, damit er für die genannte Zerlege-Funktion im Wasserbecken nutzbar ist, dementsprechend großvolumig ausgestaltet und dimensioniert sein muß. Darüber hinaus muß dafür eine ausreichende Wasserabdeckung im Wasserbecken gewährleistet sein.

Eine Anregung zu der im verteidigten Anspruch 1 angegebenen Lehre erhält der Fachmann auch nicht bei Einbeziehung der Druckschrift D8.

Zwar ist aus dieser Druckschrift ein Verfahren zum Zerlegen sperriger Teile von Druckbehälter-Einbauten einer kerntechnischen Anlage, nämlich der thermischen Abschirmung (reactor vessel thermal shield), bekannt, bei dem - aus Gründen der Reinhaltung des Beckenwassers - ein separater, in einem Wasserbecken abgestellter Zerlegebehälter (flooded chamber for plasma arc torch cutting) vorgesehen ist, an dem ein Zerlegemanipulator relativ zum Zerlegebehälter festgelegt wird, vergleiche insbesondere die Figuren 1, 2 und 9 mit zugehöriger Beschreibung. Jedoch wird bei diesem bekannten Verfahren - anders als beim Streitpatentgegenstand - in einer ersten Phase (insitu cutting phase) die innerhalb des Reaktor-Druckbehälters befindliche thermische Abschirmung mittels Horizontalschnitte in Ringe begrenzter Höhe von etwa 0,5 m geschnitten - insoweit in weitgehender Übereinstimmung mit der Lehre der gattungsbildenden Druckschrift D1 -, und erst in einer zweiten Phase (plasma torch cutting phase) werden die so abgetrennten Ringe begrenzter Höhe (0,5 m) in den zur Aufnahme dieser Ringe ausgebildeten, im Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälter eingesetzt, in dem die Ringe mittels des Zerlegemanipulators (plasma arc torch) in einzelne Ringsegmente weiter zerlegt werden, vergleiche die Abschnitte "1. Introduction" bis "3. Segmenting by Plasma arc torch in a flooded cutting chamber" in Verbindung mit Figur 1, 2 und 9.

Eine Anregung, bei diesem bekannten Verfahren auf die erste insitu Phase der im Reaktor-Druckbehälter selbst vorgenommenen Zerlegung der thermischen Abschirmung in Ringe begrenzter Höhe gänzlich zu verzichten und die thermische Abschirmung bzw die hier in Rede stehenden Druckbehälter-Einbauten Kerngitter und Kernmantel als Ganzes in den Zerlegebehälter einzusetzen, ist dieser Druckschrift D8 schon deswegen nicht zu entnehmen, weil der bekannte, im Wasserbecken abgestellte Zerlegebehälter hierfür nicht ausgebildet bzw dimensioniert ist, vergleiche hierzu die aus Figur 9 entnehmbare Dimensionierung des im Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälters.

Die Zusammenschau der beiden vorstehend abgehandelten Druckschriften D1 und D8 würde in naheliegender Weise allenfalls dazu führen, bei dem aus der Druckschrift D1 bekannten gattungsgemäßen Verfahren die im Wasserbecken abgestellte Kompaktierungspresse zur Kompaktierung der abgetrennten Ringe durch den aus der Druckschrift D8 bekannten, im Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälter, in dem die weitere Trennung der vorher abgetrennten (Abschirm- bzw Kernmantel-)Ringe geringer Höhe erfolgt, zu ersetzen.

Eine andere Beurteilung des beanspruchten Patentgegenstandes ergibt sich auch nicht bei Einbeziehung der von den Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung noch aufgegriffenen Druckschriften D2, D3 und D6. Denn diese Druckschriften sind gattungsfremd und betreffen Verfahren zum Zerkleinern von stabförmigen Kernbauteilen, wie Brennelemente, Brennelementkästen, Vergiftungsbleche, Incore-Meßlanzen, Absorberstäbe und Wasserführungskästen, mittels einer auf einem Rahmen-Gestell montierten Schere, vergleiche in der deutschen Patentschrift 34 16 620 (= D2) Abbildung I bis VI mit zugehöriger Beschreibung sowie den Anspruch, in der deutschen Offenlegungsschrift 39 35 645 (= D3) Figur 1 bis 11 mit zugehöriger Beschreibung sowie Anspruch 1, in dem deutschen Gebrauchsmuster 77 03 722 (= D6) die Figur mit zugehöriger Beschreibung sowie den Anspruch 1.

Zwar ist es, wie die Einsprechende 1 in der mündlichen Verhandlung geltend macht, aus den Druckschriften D2 und D3 bekannt, aus Gründen der Reinhaltung des Beckenwassers die Zerkleinerungsvorrichtung mit einem Stahlblech zu verkleiden (vgl in D2 Abb I iVm Sp 2 Abs 5 und le Abs) bzw die Zerkleinerung innerhalb eines abgekapselten Gehäuses (20) vorzunehmen (vgl in D3 Fig 1 iVm Sp 2 Abs 3 und 4, insbes Z 38 bis 58). Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist jedoch dadurch keineswegs nahegelegt, auch für die sehr viel großvolumigeren Druckbehälter-Einbauten Kerngitter und Kernmantel einen separaten, in einem Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälter vorzusehen. Wie vielmehr die kurz vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlichte Druckschrift D8 belegt, wurde der Reinhaltung des Beckenwassers beim Zerlegen von großvolumigen Druckbehälter-Einbauten, nämlich der thermischen Abschirmung, im Stand der Technik dadurch Rechnung getragen, daß die Druckbehälter-Einbauten - wie vorstehend dargelegt - in der ersten insitu Phase im Reaktorbehälter selbst in Ringe begrenzter Höhe (0,5 m) zerlegt wurden, so daß für die weitere Zerlegung ein im Wasserbecken abgestellter Zerlegebehälter lediglich für die Aufnahme dieser Ringe begrenzter Höhe auszubilden war.

Die übrigen im Verfahren befindlichen og Druckschriften D4, D5, D7 und D9 liegen weiter von der erfindungsgemäßen Lehre entfernt und sind von den Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen worden. Da auch sie keinen separaten Zerlegebehälter für die Druckbehälter-Einbauten Kerngitter und Kernmantel offenbaren, kann auch deren Einbeziehung die im verteidigten Patentanspruch 1 gelehrte Erfindung nicht nahelegen.

b) Behauptete Vorbenutzungen Von den von der Einsprechenden 2 zu den geltend gemachten Vorbenutzungen genannten Entgegenhaltungen E1 bis E12 offenbart allein die Entgegenhaltung E6 einen separaten, in einem Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälter für die Druckbehälter-Einbauten, nämlich vom oberen und unteren Kerngitter und vom Kernmantel, vergleiche die dortigen Zeichnungen zum Noell-Angebot Nr 06 99 4009 (=E6). Diese Entgegenhaltung E6 datiert jedoch vom 9. Februar 1995 und ist damit, wie die Einsprechende 2 selbst einräumt (Einspruchsschriftsatz vom 8. Februar 1996 S 8 le Abs), nachveröffentlicht (vgl AT des Streitpatents: 16. Dezember 1994).

Die Entgegenhaltungen E1 bis E4 betreffen zwar ein gattungsgemäßes Verfahren zum Zerlegen sperriger Teile von Druckbehälter-Einbauten einer kerntechnischen Anlage ("RDB-Einbauten"), nämlich eines "Kassettenkorbs" - und damit (auch) von Kerngittern und vom Kernmantel -, und zum Aufbewahren der zerlegten Teile. Jedoch wird bei diesem Verfahren der Kassettenkorb - im Unterschied zum Streitpatentgegenstand - direkt in ein (stationäres) Wasserbecken ("Zerlegebecken") eingesetzt, nämlich auf einen im Wasserbecken abgestellten Drehtisch, vergleiche den Erläuterungsbericht EB13 mit Zeichnungen (= E2 und E4) sowie die Zeichnung "Naßzerlegeplatz" (= E3). Dieses auf die sachkundige Einsprechende 2 zurückgehende vorbenutzte Verfahren zum Zerlegen von Druckbehälter-Einbauten unter Wasser belegt im übrigen, daß es für den Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents keineswegs selbstverständlich war, einen Zerlegebehälter für die Druckbehälter-Einbauten aus Gründen der Reinhaltung des Beckenwassers vorzusehen, wie die Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben.

Da somit jeglicher Nachweis für eine vor dem Anmeldetag des Streitpatents erfolgte Vorbenutzung eines separaten, in einem Wasserbecken abgestellten Zerlegebehälters für die Druckbehälter-Einbauten Kerngitter und Kernmantel fehlt, kann die Streitfrage der Offenkundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzungen dahinstehen. Im übrigen hat die Einsprechende 2 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, daß sie ihr Vorbringen bezüglich der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung fallen lasse, so daß der Senat keine Möglichkeit für eine weitere Nachprüfung im einzelnen bzw. weitere Ermittlungen sieht, vergleiche Schulte, Patentgesetz, 6. Auflage, § 59 Rdn. 185 bis 193.

Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren nach dem verteidigten Anspruch 1 ist somit patentfähig.

5.) Im Zusammenhang mit dem verteidigten Patentanspruch 1 haben auch die darauf zurückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 5 Bestand, denn sie haben vorteilhafte und nicht selbstverständliche Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 zum Gegenstand; ihre Patentfähigkeit wird von derjenigen des Gegenstandes des Hauptanspruchs mitgetragen.

6.) Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Angaben des relevanten Standes der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, und - in Verbindung mit den Zeichnungen - hinsichtlich der Erläuterung des beanspruchten Verfahrens.

Dr. Beyer Dr. Meinel Tronser Lokys Na/Pü/Be






BPatG:
Beschluss v. 03.04.2001
Az: 23 W (pat) 16/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/396644df672c/BPatG_Beschluss_vom_3-April-2001_Az_23-W-pat-16-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share