Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Mai 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 29/02

(BPatG: Beschluss v. 07.05.2003, Az.: 28 W (pat) 29/02)

Tenor

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 10. Dezember 2001 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke EU 137 372 wird die Löschung der jüngeren Marke 398 32 413 für die Waren

"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze"

angeordnet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren der Klassen 29 und 30

"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis"

eingetragene Wort- Bild-Marke 398 32 413 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben unter anderem aus der am 1. April 1996 angemeldeten und seit dem 19. August 1999 für die Waren

"Kaffee und Kaffee-Extrakte; Kaffee-Ersatz und Kaffee-Ersatz-Extrakte; Tee und Tee-Extrakte; Kakao und Zubereitungen auf Kakaobasis, Konfekt und Schokoladenwaren, Zuckerwaren; Zucker; Bäckereierzeugnisse, feine Backwaren; Nahrungsmittel auf Reis-, Mehl- oder Getreidebasis, auch in Form von Fertiggerichten, Frühstückszerealien; Desserts überwiegend auf Reis-, Gries- und/oder Stärkebasis, Pudding; Honig und Honig-Ersatzmittel; Soßen, Mayonnaise; Aromastoffe und Würzmittel für Nahrungsmittel"

eingetragenen Wortmarke EU 137 372 "MILO".

Die Markenstelle für Klasse 29 hat den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Marken selbst vor dem Hintergrund großer Warenähnlichkeit bzw Warenidentität und der breiten Verkehrskreise, an die sich die beiderseitigen Waren wendeten, sowohl im Gesamteindruck wie auch bei Gegenüberstellung der Markenkennwörter auf Grund der unterschiedlichen Konsonanten "R/L" und des Begriffsinhalts von "MIRO" (spanischer Maler) und "Milo" (griechische Insel) noch einen ausreichenden Abstand in Klang und Bild einhielten, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält die Marken in Klang und Bild für hochgradig ähnlich, was vor dem Hintergrund weitgehend identischer Waren zwingend zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führe.

Der Markeninhaber hat keine Anträge gestellt und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist gemäß § 165 Abs. 4, 5 MarkenG zulässig und im Umfang der im Tenor genannten Waren auch begründet, da die Vergleichsmarken verwechselbar ähnlich im Sinne von §§ 42 Abs 2 Nr 1, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG sind.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren. Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muß im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr im Zusammenhang mit einem Großteil der angegriffenen Waren bejaht werden.

Beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Marken auf eine unmittelbare Verwechslungsgefahr hin ist von dem Grundsatz auszugehen, dass auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Allerdings muss in rechtserheblichem Umfang davon ausgegangen werden, dass die in der angegriffenen Marke enthaltenen graphischen Elemente vor allem bei der Benennung der Marke in den Hintergrund treten und sich der Verkehr allein an dem herausgestellten Wortbestandteil als dem die Marke auch in ihrer Gesamtheit prägendem Element orientiert, so dass rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn bei der Prüfung der Markenähnlichkeit die Markenwörter "MIRO" und "MILO" isoliert kollisionsbegründend gegenübergestellt werden.

Angesichts der klanglichen wie schriftbildlichen Nähe dieser Wörter, die auf den Großteil des Verkehrs mangels Sachbezug zu den Waren als reine Phantasiebezeichnungen wirken, sind Verwechslungen hier nicht auszuschließen. Beide Zeichenwörter werden von der Lautfolge "MI-O" geprägt, die in beiden Zeichen identisch vorhanden ist. Die unterschiedlichen Konsonanten "R/L" in der letzten Silbe fallen demgegenüber nicht ausreichend ins Gewicht, zumal die Gefahr besteht, dass sie bei zB schlechten Übermittlungsbedingungen im verbalen Bereich untergehen. Im übrigen bieten die Bezeichnungen von der Wort- und Begriffsbildung her auch keine hinreichende Hilfestellung gegen ein eventuelles Verhören oder ein fehlerhaftes Erinnerungsbild, da der Bezug der angegriffenen Marke als Name des spanischen Malers allenfalls bei einer markenregisterrechtlich unbeachtlichen analytischen Betrachtung auffällt. Erst bei genauerem Hinsehen wird der Strich über dem letzten Buchstaben des angegriffenen Markenworts erkennbar, der auf einen Akzent und damit möglicherweise auf eine von den üblichen deutschen Sprachregeln abweichenden Betonung auf der letzten Silbe hindeuten könnte, wodurch der Name des spanischen Malers identifizierbar würde. Trotz seiner Bekanntheit in Kunstkreisen wird dieser jedoch in Bezug auf die betroffenen Waren und bei den hier betroffenen breitesten Verkehrskreisen nicht in gleicher Weise geläufig sein, so dass allenfalls ein kleiner Teil des Verkehrs die angegriffene Marke unter diesen Umständen auf der letzten Silbe betonen und sich an den Namen des spanischen Malers erinnern würde. Trotzdem bleibt die Marke verwechselbar ähnlich mit der Widerspruchsmarke, wenn diese - was bei unbekannten Worten häufig vorkommt - entgegen der Sprachregeln ebenfalls auf der letzten Silbe betont wird.

Angesichts der starken Übereinstimmungen der Marken und der aufgezeigten Verkehrskreise, die auch als durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher solche Waren als Artikel des täglichen Bedarfs erfahrungsgemäß häufig mit eher geringerer Aufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erwerben, ergibt sich mithin eine Konstellation, die im System der Wechselwirkung von Waren- und Markenähnlichkeit zwangsläufig zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führt, wenn die Vergleichswaren keinen deutlichen Abstand einhalten, wie das hier überwiegend der Fall ist.

Die Vergleichsmarken können sich auf identischen Waren "Kaffee (-Ersatzmittel), Tee, Kakao, Zucker, Fruchtsaucen, Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis, Honig, Saucen (Würzmittel), Senf, Gewürze" oder sehr ähnlichen Waren begegnen. Zu letzteren gehören "Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild, Fleischextrakte", die mit Saucen sehr ähnlich sind (vgl. Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit, 12. Aufl. 2002, S.138 f. unter Hinweis auf 28 W (pat) 20/95), des weiteren "Gallerten (Gelees), Konfitüren" (ähnlich mit Zuckerwaren), "Milch und Milchprodukte" (ähnlich mit Desserts und Kaffee-Ersatzmitteln), "Speiseöle und -fette, Essig, Salz, Senf" (ähnlich mit Saucen, Würzmitttel oder Mayonnaise), "Reis, Tapioka, Sago, Mehle" (ähnlich mit Nahrungsmitteln auf Reis-, Mehl- oder Getreidebasis, Desserts überwiegend auf Reis-, Gries- und/oder Stärkebasis), "Melassesirup" (ähnlich mit Zucker), "Speiseeis" (ähnlich u.a. mit Konditorwaren, Desserts)(vgl. Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit, 12. Aufl. 2002, unter den entsprechenden Stichworten).

Bei den genannten Waren wird der erforderliche Abstand nicht eingehalten.

Dagegen besteht keine oder nur entfernte Ähnlichkeit der angegriffenen Waren "konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Eier, Hefe und Kühleis" mit den Widerspruchswaren. Insoweit kann daher keine relevante Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG festgestellt werden.

Der angefochtene Beschluss der Markenstelle war damit auf die Beschwerde der Widersprechenden im Umfang der im Tenor aufgeführten Waren aufzuheben.

Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D64164.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 07.05.2003
Az: 28 W (pat) 29/02


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