Kammergericht:
Urteil vom 22. September 2011
Aktenzeichen: 23 U 178/09

(KG: Urteil v. 22.09.2011, Az.: 23 U 178/09)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 14.07.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin € 16 O 67/08 € geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Managing Director der Beklagten, zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Verkauf von Musikdateien in Online-Diensten an Verbraucher, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, nachfolgende oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf die gegen Entgelt per Download erworbenen Musikdateien einzubeziehen sowie sich auf eine solche Bestimmung gegenüber dem Verbraucher zu berufen:

€Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übertragung oder die Unterlizenzierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet.€

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte verwendete auf ihrer Webseite www.a... .c... /l... /i... /de/service.html (K 4) im Zusammenhang mit dem Online-Verkauf von Musikdateien unter Ziffer 9.b.ii folgende Klausel.

€Sie sind lediglich berechtigt, die Produkte für ihre persönlichen, nicht-gewerblichen Zwecke zu verwenden. Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übertragung oder die Unterlizensierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet.€

Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verein, hält den zweiten Satz dieser Klausel für eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers, da sie seine Rechte als Käufer ohne sachlichen Grund beschneide, indem sie ihm Nutzungsmöglichkeiten verbiete, zu denen er nach dem Urheberrechtsgesetz berechtigt wäre. Der Kläger hat beantragt, der Beklagten die Verwendung der beanstandeten Klausel zu untersagen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.07.2009 abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts wird Bezug genommen. Der Kläger hat gegen das ihm am 11.08.2009 zugestellte Urteil am 31.08.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist um 3 Wochen am 30.10.2009 begründet.

Der Kläger rügt, dass das Landgericht die Frage, ob der Erwerb von Musikdateien im Online-Geschäft der Beklagten ein Kaufvertrag sei, offen gelassen und daher nicht erkannt habe, dass die Untersagung der Weiterveräußerung dem Leitbild des Kaufvertrags widerspreche, da die typische Hauptpflicht des Verkäufers gerade darin bestehe, dem Käufer die uneingeschränkte Verfügungsmacht und Verwendungsfreiheit über den Kaufgegenstand zu verschaffen; Beschränkungen der Nutzungsbefugnis des Käufers könnten sich zwar aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, soweit die Klausel aber Handlungen des Erwerbers verbiete, die nach dem Urheberrechtsgesetz zulässig seien, werde der Verbraucher unangemessen benachteiligt; dies gelte hier insbesondere für das Verbot der Privatkopie (§ 53 I UrhG) und das Verbot der Weitergabe des Speichermediums oder elektronischer Kopien nach Erschöpfung des Verbreitungsrechts (§ 17 II UrhG); im Übrigen verstoße die Klausel auch gegen das Transparenzgebot der §§ 305 II, 307 I 2 BGB.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Managing Director der Beklagten, zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Verkauf von Musikdateien in Online-Diensten an Verbraucher, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, nachfolgende oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf die gegen Entgelt per Download erworbenen Musikdateien einzubeziehen sowie sich auf eine solche Bestimmung gegenüber dem Verbraucher zu berufen:

€Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übertragung oder die Unterlizenzierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet.€

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins auf den vom Kläger geleisteten Gerichtskostenvorschuss ab Rechtshängigkeit (24.04.2008) bis zur Festsetzung der Kosten gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung des Klägers wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.

Die Berufung ist in der Hauptsache (Antrag 1) begründet; hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen (Antrag 2) ist sie unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Der Einwand der Beklagten, die Klage sei wegen mangelnder Bestimmtheit (§ 253 II Nr. 2 ZPO) unzulässig, weil der Kläger seinen Angriff gegen die beanstandete AGB-Klausel auf unterschiedliche Rechtsgründe stütze, ist unbegründet.

Die von der Beklagten hierzu zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2011, 521) betraf den Fall, dass ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren Streitgegenständen hergeleitet wurde. Die Häufung der Streitgegenstände beruhte darauf, dass zur Begründung der verschiedenen Ansprüche jeweils unterschiedliche Lebenssachverhalte vorgetragen werden mussten, die sich grundlegend unterschieden. Das ist hier nicht der Fall. Hier geht es um den einheitlichen Lebenssachverhalt, dass die Beklagte eine einzelne, im Klageantrag zitierte Geschäftsbedingung verwendet hat. Dass diese Geschäftsbedingung unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen ist, ändert nichts daran, dass der Lebenssachverhalt, aus dem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgen soll, stets ein und derselbe ist.

2. Die Klage ist gemäß § 1 UKlaG begründet.

Gemäß § 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind.

a) Das unter dem Vorbehalt abweichender zwingender gesetzlicher Regeln ausgesprochene Verbot des Weitervertriebs, der Weitergabe, Übertragung und Unterlizenzierung der erworbenen Musikdateien, ist unwirksam, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich ist und der Vertragspartner des Verwenders dadurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird (§ 307 I 1 und 2 BGB).

Nach dem Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGHZ 165, 12, 22 m.w.N.). Das Transparenzgebot verlangt zwar nicht, dass der Verbraucher über seine aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgenden Rechte belehrt wird (BGH, Urt. vom 14.05.1996 € XI ZR 257/94, Rz. 31 = NJW 1996, 2093); es verbietet aber jede vermeidbare Verunsicherung des Verbrauchers, die ihn von der Ausübung seiner Rechte abhalten könnte (BGH, Urt. vom 05.10.2005 € VIII ZR 382/04, Rz. 23). Daher genügt eine Klausel dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGHZ 165, 12, 21 f.; BGH, Urt. vom 26.09.2007 € VIII ZR 143/06, Rz. 31).

Diesen Grundsätzen wird die beanstandete Klausel nicht gerecht.

Die Bestimmung, dass der Erwerber der Musikdatei diese vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht weitervertreiben, weitergeben, übertragen und unterlizensieren darf, bedeutet, dass ihm alle durch die urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen (§§ 44a ff. UrhG) eingeräumten Rechte entzogen werden, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Wenn gesetzliche Schrankenbestimmungen nicht ausdrücklich, wie z.B. in § 55a Satz 3 oder § 69g II UrhG, für unabdingbar erklärt sind, sind sie individualvertraglich grundsätzlich abdingbar (nicht zwingend). Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen können gesetzliche Rechte nur abbedungen werden, wenn dies den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligt (§ 307 I 1 BGB). Der Inhalt der von der Beklagten verwendeten Klausel besteht also letztlich in der Aussage, dass dem Käufer Weitervertrieb, Weitergabe, Übertragung und Unterlizenzierung, auch soweit diese gesetzlich erlaubt sind, untersagt werden, soweit er dadurch nicht unangemessen benachteiligt wird. Es liegt auf der Hand, dass eine dergestalt rekursive Verbotsklausel intransparent ist.

Wenn die Klausel lautete: €Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übertragung oder die Unterlizensierung ist vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regeln nicht gestattet€, könnte der Käufer sich € ggf. durch rechtskundige Beratung € sachkundig machen, was das Gesetz ihm erlaubt. Durch die Hinzufügung des Wortes €zwingende€ wird die Rechtslage für ihn undurchschaubar. Denn er kann nicht wissen, welche Beschränkung gesetzlicher Erlaubnisse die Beklagte als unangemessene Benachteiligung ansieht und von dem generellen Verbot ausnehmen will.

Die von der Beklagten verwendete Klausel hat für sie den unbestreitbaren Vorteil, dass sie durch ihren Wortlaut eine geltungserhaltende Reduktion auf das rechtlich Zulässige bereits vorwegnimmt. Die Klausel kann nicht wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein, weil sie dem Kunden nur untersagt, was ihm ohne Verstoß gegen § 307 I BGB untersagt werden darf. Der Preis für eine dergestalt gerichtsfeste Klausel besteht darin, dass sie inhaltlich unbestimmt ist und der Kunde nicht mehr erkennen kann, was ihm erlaubt ist und was ihm verboten werden soll.

Der von der Beklagten im Berufungsverfahren unternommene Versuch, die Klausel dahingehend zu interpretieren, dass €zwingend€ nicht im rechtstechnischen Sinne als Gegensatz zu €dispositiv€ zu verstehen, sondern nur als umgangssprachliche Verstärkung von €gesetzlich€ gemeint sei, hilft im Ergebnis nicht weiter. Denn damit eröffnet sich nur eine weitere Auslegungsmöglichkeit, durch die die Klausel noch unklarer wird.

b) Da die beanstandete Geschäftsbedingung bereits wegen Intransparenz gemäß § 307 I 1 und 2 BGB unwirksam ist, kommt es auf die weiteren vom Kläger angeführten rechtlichen Gesichtspunkte nicht an. Insoweit wäre allerdings auch nur zu bemerken, dass die Klausel jeder sachlichen Inhaltskontrolle standhält, weil sie ihrem Wortlaut nach den Vertragspartner eben nur in dem Ausmaß benachteiligt, wie dies von Gesetzes wegen gerade noch zulässig ist.

3. Die für den Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr ist nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die beanstandete Klausel inzwischen nicht mehr verwendet.

An die Beseitigung dieser Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. Regelmäßig reichen weder die Änderung der beanstandeten Klausel noch die bloße Absichtserklärung des Verwenders, sie nicht weiter zu verwenden, aus, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen (BGHZ 119, 152, 165 m.w.N.). Demgegenüber spricht es für das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr, wenn der Verwender € wie hier - noch im Rechtsstreit die Zulässigkeit der früher von ihm benutzten Klausel verteidigt und nicht bereit ist, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (BGH, Urteil vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 = NJW-RR 2001, 485, 487; Urteil vom 18. April 2002 - III ZR 199/01 = NJW 2002, 2386 m.w.N.).

4. Die Verurteilung der Beklagten kann nicht darauf beschränkt werden, dass ihr lediglich die Verwendung des Wortes €zwingend€ in der beanstandeten Klausel untersagt wird.

Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegen Verbraucherschutzbestimmungen verstößt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Wege der sogenannten geltungserhaltenden Reduktion auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und damit aufrechterhalten werden (BGHZ 84, 109, 114 ff.; 92, 312, 314 f.; 115, 324, 326; 124, 371, 375). Nur in dem Ausnahmefall, dass eine Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil zertrennt werden kann, ist die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils nach der gleichfalls ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich unbedenklich (BGHZ 93, 29, 37, 48 f.; 106, 19, 25 f.; 125, 343, 348; BGH, NJW 1998, 2284).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Satz: €Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übertragung oder die Unterlizensierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet€, enthält nur insofern trennbare Regelungsteile, als zwischen Weitervertrieb, Weitergabe, Übertragung und Unterlizenzierung unterschieden wird. Diese vier Dinge lassen sich trennen. Dasselbe gilt aber nicht für den abschließenden Vorbehalt. Wenn in dem Text das Wort €zwingend€ gestrichen würde, würden damit nicht zwei lediglich sprachlich zusammengefasste, voneinander unabhängige Klauseln voneinander getrennt; es würde vielmehr eine sprachlich und sachlich einheitliche Bestimmung auf das gesetzlich Zulässige reduziert.

5. Der auf §§ 1004, 823 BGB gestützte Zinsanspruch (Antrag 2) ist unbegründet. Die Kosten der Prozessfinanzierung fallen nicht in den Schutzbereich der §§ 1004, 823 BGB. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 13.01.2004 - 9 U 36/03. In diesem Beschluss ist von einer Verzinsung von Gerichtskosten nicht die Rede.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 92 II, 708 Nr. 10, 713, 543 I ZPO.






KG:
Urteil v. 22.09.2011
Az: 23 U 178/09


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