Amtsgericht Hannover:
Beschluss vom 16. Dezember 2009
Aktenzeichen: 709 M 96463/09

(AG Hannover: Beschluss v. 16.12.2009, Az.: 709 M 96463/09)

Tenor

In der Zwangsvollstreckungssache ...

ist bei der Zwangsvollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Titeln, auch aus Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen nach § 11 RVG und/oder § 19 BRAGO, die Anrufung der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte nicht möglich, gemäß § 17 a GVG i. V. m. § 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist aufgrund der Einheit von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren für den Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Hannover gegeben. Das Verfahren wird daher mit Rechtswegeentscheidung mit seiner Rechtskraft an das Verwaltungsgericht Oldenburg verwiesen.

Gründe

Die Frage der sachlichen Zuständigkeit für den Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen aufgrund eines vom Verwaltungsgericht erlassenen Vergütungsfestsetzungsbeschlusses nach § 11 RVG oder § 19 BRAGO wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers behandelt.

2Ein Teil der Rechtslehre geht von der Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte aus (siehe beispielhaft OVG Lüneburg NJW 1984, 2485; OVG Koblenz NJW 1980, 1541). Die wohl herrschende Meinung geht aufgrund der Einheit von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren in verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte als Vollstreckungsgerichte aus (so vgl. Zöller/Stöber ZPO 27. Aufl. § 828 Rn. 1; Stöber € Forderungspfändung € 14. Aufl. Rn. 442; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 64. Aufl. § 828 Rn. 10 und § 794 Rn. 61; LG Bonn NJW 1977, 814; LG Meiningen NJW € RR 1999, 152; LG Bochum Rpfleger 1978, 426 und OVG Münster NJW 1986, 1190 und NJW 1980, 2373 und JurBüro 1984, 1426; Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner VwGO § 168 Rn. 30; Kopp VwGO 10. Aufl. § 168 Rn. 6; Sommer Rpfleger 1978, 406)

3Das Vollstreckungsgericht folgt in ständiger Rechtsprechung der letzteren, zutreffenden Ansicht, die von der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in derartigen Fällen ausgeht, weil sie die besseren Argumente für sich hat. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Gläubiger kann nicht beigetreten werden. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zunächst auf die gerichtlichen Schreiben vom 24.11.2009 (Bl. 7 dA), 10.12.2009 (Bl. 10 dA) und 15.12.2009 (Bl. 12 dA) verwiesen.

Für die Vollstreckung aus einem vom Verwaltungsgericht erlassenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss im Sinne der §§ 11 RVG und/oder 19 BRAGO ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben, weil gemäß § 167 Abs 1 S 2 VwGO das Verwaltungsgericht als Gericht des ersten Rechtszuges im Erkenntnisverfahren Vollstreckungsgericht ist und diese Zuständigkeitsregelung eine Entscheidung des Gesetzgebers für die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges beinhaltet, man spricht von sogenannter Einheit von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Diese Voraussetzungen sind entgegen der nicht nachvollziehbaren Gegenmeinung grundsätzlich auch dann gegeben, wenn vom Verwaltungsgericht ein Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 19 BRAGO und/oder § 11 RVG erlassen worden ist, so dass an das Verwaltungsgericht in Oldenburg abzugeben war. Entscheidend für die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist mithin einzig und allein § 167 Abs 1 Satz 2 VwGO . Dies ist nach zutreffender Ansicht grundsätzlich auch bei einem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts nach § 19 BRAGO , bzw. § 11 RVG der Fall. Es kommt auch nicht darauf an, dass ein Festsetzungsbeschluß nach § 19 BRAGO , bzw. § 11 RVG die Regelung privatrechtlicher Honoraransprüche zwischen Rechtsanwalt und Mandant zum Gegenstand hat und dass € ohne das Festsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO , bzw. § 11 RVG € die Forderungen des Rechtsanwalts im normalen Zivilprozess zu verfolgen wären. Nicht die materiell-rechtliche Grundlage des Vollstreckungstitels ist maßgebend für die Frage, ob das Amtsgericht oder Verwaltungsgericht das zuständige Vollstreckungsgericht ist, vielmehr ist allein maßgebend, um welche Art von Vollstreckungstitel es sich handelt, und hier ist der Titel zweifellos vom Verwaltungsgericht erlassen worden. Es spricht auch keineswegs der Gesichtspunkt größerer Sachnähe für die Bestimmung des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht, denn dieses war mit dem privatrechtlichen Honoraranspruch nicht befasst, und es ist keineswegs selbstverständlich, ob es mit diesem befasst worden wäre, wenn der Anspruch vom Rechtsanwalt im Wege des ordentlichen Zivilprozesses verfolgt worden wäre, vielmehr hätte dies von den zivilprozessualen Zuständigkeitsbestimmungen abgehangen. Gerade auch die nach der Systematik der §§ 19 BRAGO und 11 RVG offensichtlich gewünschte Gleichbehandlung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen und Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen in auch und gerade in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht gebietet für den vorliegenden Fall eine Zwangsvollstreckung im Verwaltungsrechtswege durch das Verwaltungsgericht.

Den Gläubigern wurde rechtliches Gehör gewährt; der Schuldner ist wegen § 834 ZPO nicht anzuhören. Die Gläubiger vertreten zwar die nicht zutreffende Gegenansicht, begehren aber eine Entscheidung im Sinne des § 17 a GVG, gegen die sie die Möglichkeit eines Rechtsmittels hätten. Diese Verweisung wird gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO und § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG mit Rechtskraft dieser Entscheidung bindend, so dass der Hinweis ergeht, dass zur Verfahrensbeschleunigung ggf. Rechtsmittelverzicht erklärt werden kann.






AG Hannover:
Beschluss v. 16.12.2009
Az: 709 M 96463/09


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